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Claire Hudson reist in den Westen Wyomings, um ihren Vater zu besuchen, der an der Grenze zum Indianerland ein Fort der US-Kavallerie kommandiert. Captain Nat Hudson entsendet eigens eine Patrouille unter Führung des Scouts John McCain zur Bahnstation, um seine Tochter abzuholen und sicher ins Fort zu bringen.
Als jedoch auf dem Rückweg eine Bande von Büffeljägern eine Bisonherde abschlachtet und dabei einen mythischen weißen Büffel tötet, graben die Lakota das Kriegsbeil aus. Ein Krieg zwischen den Indianern und den weißen Eindringlingen entbrennt. Alle, die sich diesen Krieg wünschen, triumphieren. Doch für die Patrouille wird es ein Ritt auf Leben und Tod. Denn sie gerät zwischen alle Fronten ...
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Ritt auf Leben und Tod
Vorschau
Impressum
Ritt aufLebenund Tod
Claire Hudson reist in den Westen Wyomings, um ihren Vater zu besuchen, der an der Grenze zum Indianerland ein Fort der US-Kavallerie kommandiert. Captain Nat Hudson entsendet eigens eine Patrouille – unter Führung des Scouts John McCain – zur Bahnstation, um seine Tochter abzuholen und sicher ins Fort zu bringen.
Als jedoch auf dem Rückweg eine Bande von Büffeljägern eine Bisonherde abschlachtet und dabei einen mythischen weißen Büffel tötet, graben die Lakota das Kriegsbeil aus. Ein Krieg zwischen den Indianern und den weißen Eindringlingen entbrennt. Alle, die sich diesen Krieg wünschen, triumphieren. Doch für die Patrouille wird es ein Ritt auf Leben und Tod. Denn sie gerät zwischen alle Fronten ...
Es war ein gewaltiges Meer brauner, zotteliger Rücken, Tier an Tier, und sie rannten, trabten und wogten wie die Wellen eines mächtigen Ozeans. Es war eine der größten Bisonherden, die noch durch die Weiten des Graslandes am Fuße der Rocky Mountains zogen: Zehntausende, urzeitlich anmutende Tiere, Büffel auf ihrem Weg hinauf in den Norden. Seit Jahrtausenden zogen die Herden im Frühjahr diesen Weg.
Doch ihre Zeit ging zu Ende.
Chuck Masters' dunkle Augen leuchteten bösartig. Was er sah, war bares Geld! Nichts anderes! Diese verdammten Monster würden ihm jede Menge Dollars einbringen, denn drüben in Fort Cameron benötigte er nur ihre Zungen. Wenn er und seine Männer für jede Zunge fünf Dollar erhielten und wenn es ihnen gelang, tausend Tiere zu töten, verdienten sie damit fünftausend Dollar. Das war verdammt viel Geld, vor allem hier draußen um Westen. Zumal Dick Lester ganz sicher noch einen Bonus obendrauf legen würde.
Chuck Masters war ein bulliger Mann, ein Kerl, der einen Stier reiten und jedes Pferd einfach zur Seite schleudern konnte. Bisons hasste er auf den Tod, denn die stammten, seiner Ansicht nach, direkt aus der Hölle. Sie waren zottelige, stinkende Ausgeburten der Unterwelt, die auf dieser Erde nichts zu suchen hatten. Ebenso wenig übrigens wie diese dreckigen Lakota.
Chucks dunkle Augen leuchteten, und seine massigen Kiefer, die von schwarzen Bartstoppeln übersät waren, mahlten. Zwei geladene Gewehre hingen an seinem Sattelknopf, und jede Waffe konnte sieben Schuss abgeben. Zusammen mit dem Gewehr, das er in seiner Hand hielt, machte das schon mal einundzwanzig tote Bisons. Diese stinkenden Teufel waren eine Plage und ein Fluch.
Fünf Männer hielten neben Masters auf ihren Pferden an: Es waren abgerissene, halb verwilderte Gestalten, Typen, die durch den Westen zogen, um Geld zu machen, ohne sich dabei weiter anstrengen zu müssen. Auch sie hatten mehrere Ersatzgewehre an ihren Sattelknöpfen hängen. Sie hatten sich gut auf die Jagd vorbereitet. Allein mit der ersten Angriffswelle würden sie mehr als zweihundert Bisons töten. Das waren dann schon mal die ersten tausend Dollar.
Dollars. Dollars. Dollars.
Der Büffeljäger sah die Lust am Töten in den Augen seiner Kumpane. Erblickte Spaß am Töten und Spaß am Geld. Gut so! Denn diese verdammten Monster, diese stinkenden, zotteligen Teufel, die in riesigen Herden durch die Prärie zogen, sollten von der Erde verschwinden.
Er nickte seinen Kumpanen zu.
»Okay«, stieß er hervor. »Machen wir sie fertig!«
Noch witterten die Bisons nicht die Männer.
Diese hoben ihre Gewehre ans Auge.
In dieser Sekunde drehte der Wind, und die Büffel hoben ihre Köpfe und blickten zu den Reitern herüber. Doch im gleichen Atemzug krachten bereits die ersten Schüsse. Die vollkommen überraschten Tiere wurden in ihre massigen, urzeitlich anmutenden Köpfe getroffen, und eine Art Ruck ging durch ihre gewaltigen Körper. Dann knickten die Beine unter ihnen weg, und sie stürzten zu Boden.
Für einen Augenblick herrschte Überraschung unter den Tieren. Doch dann rannten die Bisons los. Die gesamte Herde setzte sich in Bewegung, stürmte in Panik vorwärts. Aber immer mehr Schüsse krachten, und immer mehr großkalibrige Kugeln forderten ihren blutigen Tribut. Das Massaker begann.
✰
Fort Cameron war vor einigen Jahren erst im Grasland am Fuße der Rocky Mountains errichtet worden. Ewig wogte das hohe Präriegras im Wind. Fern im Westen waren an klaren Tagen die gewaltigen, mit Schnee bedeckten Gipfel der Rockies zu erkennen, während im Norden die kanadische Grenze nicht weit entfernt war. Nach Osten hin dehnte sich die endlose Prärie. Lerchen zogen über den strahlend blauen Frühlingshimmel, und große Kolonien von Murmeltieren und Präriehunden lebten in den Weiten des Landes.
Auch Indianer lebten hier, vor allem Lakota und Shoshonen, Crow und Oglala. Fort Cameron war in jenen Tagen der äußerste Außenposten der weißen Zivilisation.
Captain Nat Hudson trat aus dem Blockhaus, in dem seine Kommandantur und seine Privatwohnung untergebracht waren, blieb im Hof seines Forts stehen und ließ sich die warme Nachmittagssonne ins Gesicht scheinen.
Es war Frühsommer, und die Tage wurden wieder lange und heiß. Hudson befehligte fünfundzwanzig Reiter, und das Gebiet, das er kontrollierte, reichte vom Yellowstone bis hinüber nach Kanada, von Worland bis zum Burris-Wind-River-Gebiet.
Er war knapp fünfzig Jahre alt, ein Veteran des Civil Wars, ein hoch gewachsener, hagerer Mann mit einem kantigen, von Wind und Wetter gegerbtem Gesicht und einem gezwirbelten, bereits ergrauten Schnauzbart. Seine grauen, schmalen Augen, die tief in ihren Höhlen lagen, blickten aufmerksam.
Das Kommando von Fort Cameron war der letzte Schritt auf seiner Karriereleiter, die bereits in ihrem Zenit stand. Immerhin war es eine verantwortungsvolle Aufgabe, die sich jedoch durch eine gewaltige Langeweile auszeichnete. Tag für Tag wogte das Gras im Wind, zogen die Wolken über den weiten Himmel und leuchtete der Schnee der Berge in der Ferne.
Langsam schlenderte Hudson über den Hof seines Forts. Cameron war von hohen Palisaden umgeben, und sogar ein Wachtturm ragte an der Seite des Eingangstores auf. Außer dem Haus des Captains fand man hier noch das Wohnhaus der Mannschaften, einen Stall sowie eine Schmiede und einen großen Schuppen, in dem von Gewehren und Munition über allerlei Werkzeug bis hin zu großen Säcken voller Mehl und Bohnen alles gelagert wurde, was man hier draußen benötigte.
Vor dem Tor stand ein Soldat gelangweilt Wache. Er salutierte.
»Guten Tag«, grüßte er den Captain.
»Irgendwas Besonderes passiert?«, fragte Hudson.
»Nein, nichts Besonderes.«
»Dachte ich mir.« Nat Hudsons Blick glitt über die Blockhäuser und Hütten, die sich entlang des Fahrwegs vor dem Tor des Forts angesiedelt hatten.
Eine richtige, kleine Main Street war entstanden, an der sich rund drei Dutzend Gebäude reihten. Dazu gehörten ein Saloon – das ›Big Country‹ – und ein Store, und man konnte hier so ziemlich alles und jedes kaufen. Das Wohnhaus des Geschäftsmannes und Indianeragenten Dick Lester fand man hier ebenso wie die Häuser zweier Farmer, die sich im vergangenen Sommer in Cameron angesiedelt hatten und nun das Fort und seine Bewohner mit frischem Gemüse versorgten. Mehrere Jäger hatten sich zudem hier angesiedelt, und in einigen Hütten lebten Indianer. Doch die waren harmlos; in aller Regel handelte es sich um heruntergekommene Säufer.
Der Captain schlenderte die Main Street entlang. In den Wintermonaten verwandelte sie sich in reines Eis, im Frühjahr in einen knöcheltiefen Matsch und nun, da der Sommer kam, in eine Staubwüste.
Immerhin konnte er im Big-Country-Saloon einen Schluck nehmen. Ein Gläschen Whiskey am Nachmittag hatte noch keinem geschadet. Zudem Ben Will, der das Big-Country betrieb, seinen Whiskey extra aus Chicago bezog. Jedenfalls seinen besseren Whiskey; den Fusel, den er an einfache Soldaten, umherziehende Jäger oder saufende Ureinwohner ausschenkte, mischte er angeblich in der Regentonne hinter seinem Haus selbst zusammen.
Hudson stieß die rote Schwingtür auf und trat ins Innere des Saloons. Angenehme Kühle und ein schummriges Halblicht wehten ihm entgegen. Er schlenderte zum Tresen, an dem bereits zwei junge Cowboys standen. Es gab Gerüchte, dass in diesem Sommer eine Herde mit dreihundert Longhorns beim Fort eintreffen sollte. So manche Rancher des Ostens waren scharf auf das saftige Präriegras hier draußen.
Ben Will, ein kleiner Mann mit einer Glatze, wienerte gerade hinter dem Tresen seine Gläser. Er trat auf den Captain zu.
»Guten Tag, Mr. Hudson«, grüßte er. »Herrlicher Tag heute, was?«
»Das können Sie sagen.«
»Was darf es sein?«
»Ich habe gehört, Sie haben neuen Whiskey auf Vorrat«, sagte der Captain.
»Ich erwarte eine neue Lieferung«, erklärte der Saloonbesitzer. »Aber ich habe noch den alten aus Chicago auf Vorrat.«
»Dann geben Sie mir den!«
»Sehr gerne.« Will goss ein großes Glas ein und stellte es vor dem Captain auf den Tresen.
Der trank einen Schluck. Die Flüssigkeit rann durch seine Kehle, und eine angenehme Wärme breitete sich in seinem Körper aus.
»Wo ist Helen?«, fragte er.
Helen Sharp war Wills Bardame, eine hübsche Dunkelhaarige, die im vergangenen Sommer der Postkutsche, die einmal im Monat nach Fort Cameron kam, entstiegen war. Angeblich war sie vor ihrem gewalttätigen Ehemann, der unten in Nebraska lebte, davongelaufen. Die Menschen kamen eben aus den verschiedensten Gründen in den Westen.
»Sie arbeitet hinterm Haus«, sagte Will. »Sie legt ein Gemüsebeet an.«
»Das ist lobenswert.« Nat Hudson trank einen weiteren Schluck.
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Chuck Masters hob das Gewehr ans Auge, zielte auf den zotteligen und urzeitlichen Schädel eines gewaltigen Bullen, genau auf das Auge des Monsters, und feuerte. Der Schuss krachte, und der Bulle schien für Bruchteile von Sekunden zu erstarren. Dann drehte er den riesigen Kopf zum Jäger hin, und Masters sah, dass das Auge nur noch eine Höhle voller Blut war und dass dieses Blut aus dem Auge über den Kopf des Tieres lief. Es versuchte loszulaufen, doch nun brachen die Beine unter ihm weg, und der mächtige Körper fiel schwer zu Boden.
Chuck Masters hatte keine Zeit, weiter auf den Bison zu achten. Er hatte bereits den nächstes Büffel im Visier, zielte auf dessen Stirn und drückte ab. Wieder krachte der Schuss, wieder schien das mächtige Tier zu erstarren und brach dann wie ein gefällter Baum in sich zusammen.
Auch die Kumpane des Jägers feuerten. Es waren fünf Männer: Sam Grady, ein hagerer Mann mit eingefallenen Wangen, der in Arizona wegen Mordes gesucht wurde, zudem die Brüder Slim und Hank Dalton, zwei Tramps, die seit Jahren den Westen unsicher machten und angeblich früher einmal Goldsucher in Kalifornien gewesen waren. Dazu kamen der Big-Joke-Burner, in dessen Adern unter anderem auch das Blut der Crow floss, und der alte Trapper Joe Philipps, ein Mann, der seit Jahrzehnten dem Suff verfallen war und nur noch jagte, um seinen Whiskrykonsum bezahlen zu können.
Sie alle feuerten, und in rascher Folge krachten Dutzende Schüsse und brachen Dutzende Büffel auf den Tod getroffen zusammen. Es war ein Trommelfeuer, ein wahres Schlachtfest.
Auch Masters hatte schon fünf Kugel abgefeuert und fünf Bisons getötet. Rasch gab er auch die letzten beiden Kugeln ab und tötete zwei weitere Tiere. Dann griff er nach einem seiner Ersatzgewehre, trieb seinen Braunen mit einem heftigen Druck der Schenkel vorwärts und galoppierte an der Seite der Herde entlang. Das Gewehr hatte er in den Anschlag gerissen und feuerte, feuerte, feuerte.
Seine Kumpane taten es ihm gleich, und immer mehr tote Büffel stürzten sterbend ins Gras der Prärie. Überall war das Gras voller Blut.
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Die rote Schwingtür des Big-Country-Saloons wurde aufgestoßen, und ein hutzeliges, kleines Männchen in einem schmutzigen, karierten Hemd humpelte herein und zog dabei schwer das linke Bein nach. Nat Hudson sah auf und erblickte Sam Hollow, der die Telegraphenstation von Fort Cameron betrieb. Die Drähte verliefen immer in Richtung Osten, nach Caspar und weiter nach Cheyenne, North Plate und Omaha.
Auch Hollow war ein Veteran des Civil Wars. Er war allerdings nur ein einfacher Gefreiter gewesen und schleppte seitdem schwitzend ein Holzbein hinter sich her.
»Captain!«, rief er. »Mr. Hudson!«
»Was gibt's?«
»Ein Telegramm ist gekommen. Ich glaube, es handelt sich um eine persönliche Nachricht.«
»Oha!« Hudson zog die Brauen hoch. Eine persönliche Nachricht hatte er schon seit über einem Jahr nicht mehr erhalten. Was konnte das sein?
»Hier, bitte!« Der Alte reichte dem Captain ein Blatt Papier. »Ist gerade gekommen.«
»Danke sehr!« Nat Hudson hatte einen Bruder, der in Chicago lebte und dort einen Eisenwarenladen betrieb. Und seine kleine Schwester Liz war mit einem Polizisten verheiratet. Mit seiner eigenen Frau, mit Martha, verband ihn nicht mehr viel, denn sie warf ihm vor, dass er es nicht zum General gebracht hatte, sondern nur bis zum Kommandanten eines gottverlassenen Grenzforts. Dafür hatte sie selbst sich in eine verkniffene Betschwester verwandelt, in eine alte Schachtel, die sich erbittert gegen Whiskey und Glücksspiel wandte. Vielleicht war sie ja gestorben, dahingerafft von ihrer verkniffenen Frömmelei.
Der Captain überlas das Telegramm, und seine Miene hellte sich ersichtlich auf.
Das war ja mal eine wahrhaft schöne Nachricht!
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Die Herde der Bisons stürmte kopflos voran, schnaufend und prustend, in wilder Panik und Todesangst, während die Jäger an ihrer Seite einher galoppierten und gezielt Schuss auf Schuss abgaben. Die Tiere hatten nicht die kleinste Chance, ihren Häschern zu entkommen. Die allermeisten Kugeln trafen die Büffel in ihre gewaltigen Köpfe, manche aber auch in ihre massigen und zotteligen Leiber.
Immer mehr Tiere brachen getroffen in sich zusammen und blieben tot oder sterbend in ihrem Blut im Gras der Prärie liegen. Jeder Reiter hatte zwei oder drei Ersatzgewehre am Sattelknopf hängen, die mit großkalibriger Munition geladen waren, und wenn eine Waffe leer war, so griff er nach der nächsten. Es war ein Massaker, ein Schlachtfest, ein Blutbad, und das Gras der Prärie war übersät mit den schweren Körpern der getroffenen Büffel. Immer mehr Schüsse krachten und immer mehr Tiere stürzten getroffen zu Boden.
Chuck Masters stieß einen lauten Schrei des Jubels aus. Er fühlte sich wahrhaft berauscht. Massenhaft Büffel oder Indianer zu töten war das Beste, was es auf dieser Welt gab, besser als jeder Sex. Er gab seinem Pferd die Sporen, jagte in einem wilden Galopp an der Herde entlang und riss sein drittes Gewehr vom Sattelknopf, hob es in den Anschlag und feuerte.
Der Herde stürmte jetzt in ein weites Prärietal, auf einen kleinen See zu, der von einem breiten Creek gespeist wurde. Grün und saftig wuchs hier das hohe Gras. Immer mehr Tiere wurden von den Kugeln getroffen und zu Boden gerissen, und immer mehr Bisons stürmten über sie hinweg, kamen ins Straucheln und stolperten und fielen übereinander.
An mehreren Stellen kam die Herde ins Stocken, und zahlreiche Tiere stolperten, stürzten und kippten übereinander. Dafür hatten die ersten Büffel nun den See erreicht und rannten in ihrer kopflosen, panischen Flucht ins Wasser.
Hoch stob die Gischt, laut schnaubten und prusteten die Büffel, erbarmungslos krachten die Schüsse.
Der Halbindianer Big Joke Burner und die Daltonbrüder preschten ebenfalls in das Wasser des kleinen Sees, an der Seite der Herde dahingaloppierend, und schossen unaufhörlich auf die riesigen Tiere. Nahezu ein Dutzend Bisons wurden getroffen, kippten tot oder sterbend oder schwer verletzt ins Wasser und färbten mit ihrem Blut den See rot.
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»Corporal Kinkade und Mr. McCain sollen in mein Büro kommen«, befahl der Captain. Er war zum Fort zurückgekehrt und wandte sich an den Soldaten, der vor dem Tor in der Sonne auf Wache stand.
»Okay!« Der Gefreite salutierte.
Hudson ging rasch weiter in sein Blockhaus und in sein kleines Arbeitszimmer. Er setzte sich hinter den Schreibtisch, auf dem ein bronzene Büste des großen Abraham Lincoln stand, und goss sich einen Whiskey ein.
In einer Ecke des Raumes stand eine Flagge der Vereinigten Staaten, und in der Vitrine neben dem Fenster verwahrte der Captain einige persönliche Gegenstände: seine Orden aus dem Civil War, eine Karte der Farm in Pennsylvania, auf der aufgewachsen war, und einige Bücher über Militärstrategie. Hinzu kam der Band mit den blutrünstigen Dramen von William Shakespeare, die der Captain liebte. Und selbstverständlich standen hier auch Fotografien von seiner kleinen Tochter, von seiner damals noch jungen und hübschen Frau und von ihm selbst.
Doch nun war Claire zu einer jungen Lady herangewachsen und würde ihn besuchen! Das hatte sie ihm in dem Telegramm mitgeteilt. Seine kleine Claire. Vier Jahre hatte er sie nun nicht mehr gesehen. Das war eine ganz schön lange Zeit, gerade in einem so jungen Leben.
Was tat sie jetzt eigentlich? Sie hatte ihr Internat abgeschlossen. Für das Internat war Hudsons halber Sold draufgegangen. Würde sie nun bald heiraten? Bislang hatte sie ihm noch nichts von einem Verehrer und eventuellem Bräutigam geschrieben.
Na, er war gespannt. In drei Tagen schon würde sie mit der Eisenbahn in der Station Three-Hills eintreffen. Three-Hills war die derzeitige Endstation des Schienenstrangs der Chicago-Pacific-Railways, der eines Tages weiter über die Rockies bis hinüber zum pazifischen Ozean führen sollte. Aber das war noch Zukunftsmusik. Claire hätte ihren Besuch ruhig ein wenig früher ankündigen können. Na, das sah ihr wieder mal ähnlich. Sie hielt sich eben für eine kleine Prinzessin.