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In Wyoming laufen die unterschiedlichsten Lebenswege zusammen und verknüpfen sich manchmal auf schicksalhafte Weise. Der Sheriff von Casper ist einerseits ein Frauenheld, andererseits durchaus tüchtig in seinem Beruf. Der heraufziehende Weidekrieg zwischen Rinderzüchtern und Schafhirten macht ihm diese Aufgabe nicht leichter. Im Zentrum dieses Konflikts liegt die riesige Ranch eines bärbeißigen Schotten. Als dieser viel Geld investiert, um jemanden zu finden, der den schwarzen Hengst Diablo meistern kann, kommt privates Drama zum geschichtsträchtigen Konflikt hinzu ...
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Seitenzahl: 157
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Marilyn, die Ungehorsame
Vorschau
Impressum
Marilyn, dieUngehorsame
Garry Bluefeather, ein umherstreifender Halbindianer und Rodeoreiter, ist völlig abgebrannt, als er nach Casper, Wyoming, kommt. Als er nach Arbeit fragt, erfährt er, dass der reiche Rinderbaron Big Jonathan McLowry tausend Dollar für denjenigen ausgesetzt hat, der ihm den schwarzen Wunderhengst Diablo zureitet.
Garry ist sofort Feuer und Flamme und begibt sich noch am selben Tag zur Bullshead Ranch. Dort angekommen, lässt ihm nicht nur Diablos Anblick den Atem stocken, sondern auch Marilyn, die schöne und wilde Tochter seines Bosses. Doch während der Hengst ihm bald gefügig folgt, lässt sich Marilyn nicht zähmen ...
»Hey, Jungs, wie geht's euch denn so? Alles okay bei euch?«
Der Sheriff stand auf dem Dach des großen Lagerschuppens, drei Meter über dem Erdboden. Er blickte hinab in die schmale Gasse zwischen der Center Street und der First Street von Casper, Wyoming. In der Gasse kamen von rechts und links die Kylehammer-Brüder, zwei von rechts, einer von links.
Sie hatten die Waffen schon angelegt und schlichen mordlüstern daher, um den Sternträger umzubringen. Mac Morris hatte sie überlistet. Er war auf das Dach gestiegen und hielt den Colt schon in der Faust.
Die Kylehammers erstarrten. Sie waren hagere, schnurrbärtige Gestalten, bis an die Zähne bewaffnet. Üble Banditen und Pferdediebe. Wenn man aufzählte, was sie nicht verbrochen hatten, war man eher fertig als mit der Auflistung ihrer Verbrechen.
Jetzt sahen sie, dass sie sich verrechnet hatten. In der Gasse, dem Kreuzfeuer ihren Kugeln ausgeliefert, hatten sie den Sheriff umbringen wollen. Seinen Weg kannten sie.
Doch Mac Morris war an einer stark an der Wand emporwachsenden Efeuranke aufs Dach gestiegen. Er hatte die Falle gerochen.
Einen Moment standen die Killerbrüder wie erstarrt.
Dann sagte Lászlo, der Älteste: »Eh, woher wusstest du, dass wir dich in die Mangel nehmen wollen, Sternträger?«
»Ihr habt mir zu auffällig nachspioniert. Da dachte ich mir gleich, was in euren Bumsköpfen vorgeht. Okay, Männer, das war's. Lasst eure Waffen fallen, oder ...«
»Oder was?«
»Oder es knallt.«
János, der zweite Bruder, lachte höhnisch.
»Wir schießen dich Vogel vom Dach. Los, Brüder, füllt ihn mit Blei!«
Er hatte noch nicht richtig ausgesprochen, als Mac Morris ihn zwischen die Augen traf. János drückte trotzdem noch die beiden Revolver ab – weit vorbei. Er fiel mit einem dritten blutigen Auge in der Stirn.
Lászlo wurde getroffen, schwer, doch nicht tödlich. Denn Mac musste den Kugeln ausweichen, besonders der Schrotladung des jüngsten Kylehammer, Zoltan. Der feuerte beide Läufe seiner Greener-Schrotflinte ab.
Es gab einen Donnerschlag, und unterarmlang zuckte das Mündungsfeuer. Die Bleisaat hagelte dorthin, wo der Sheriff gerade noch gestanden hatte. Doch Mac sprang vom Dach.
Die doppelte Schrotladung verfehlte ihn. Lászlos Revolver donnerte. Es krachte in der engen Gasse wie Kanonenschläge.
Pulverdampf wölkte. Mac Morris feuerte noch einmal, ehe er der Boden berührte. Er traf Zoltan in die Brust, was im freien Fall ein Kunststück und Meisterschuss war.
Mac Morris landete – er war durchtrainiert, knickte ein, stürzte und überrollte sich. Dabei schoss er nochmals, verfehlte jedoch Lászlo. Zoltan kippte mit einem dumpfen Laut hinterrücks um.
Lászlo schoss wieder. Rechts und links vom Sheriff schlugen die Kugeln ein. Mac sparte sich seinen letzten Schuss auf, bis er sicher war zu treffen.
Er feuerte, als er ruhig lag.
Lászlo stöhnte: »Du Hund!«
Er fügte einen ungarischen Fluch hinzu, eine üble Verwünschung. Dann knickten seine Knie ein. Er kniete und versuchte, noch einmal die Revolverläufe hochzubringen.
Das schaffte er nicht mehr. Der Tod griff nach ihm. Ihm fehlte die Kraft. Lászlo fiel aufs Gesicht – er würde nicht mehr aufstehen.
Der Sheriff erhob sich. Er klopfte sich den Staub von der Kleidung und lud seinen Revolver nach. Tief atmete er durch. Er spürte die Landung aus drei Meter Höhe in den Knien und den Gliedern. Doch er war unverletzt. Durchtrainiert und sehnig, wie er war, hatte er den Sprung vom Dach gut überstanden.
Zoltan stöhnte. Mac Morris ging zu ihm.
»Du hast einen guten Freund von uns erschossen. Vor ein paar Jahren in Kansas City. Warren die Bestie. Hier haben wir dich nun durch Zufall gefunden.«
»Warren the Beast war ein übler Schurke. Wer mit ihm befreundet gewesen ist, kann sich dessen nicht rühmen. Ihr hattet also keinen Auftraggeber, der euch auf mich hetzte?«
»Nein. Wozu sollte ich den verschweigen, jetzt, wo meine Brüder tot sind und ich vielleicht auch sterben muss? Du hattest eine Menge Glück, Sheriff.«
»Kommt drauf an, wie man es sieht. Glück oder Können.«
»Leck mich am Arsch. Ich brauche einen Doc, ich bin schwer verletzt.«
»Du bekommst deinen Doc – und eine faire Gerichtsverhandlung. Trotzdem, mein Freund, schätze ich nach allem, was du auf dem Kerbholz hast, dass du gehängt wirst. Falls du überhaupt überlebst.«
»Du elender Hundesohn!«
»Mein Vater tut nichts zur Sache. Der Doc wird gleich kommen.«
Zoltan hustete und spuckte Blut.
»Jetzt weiß ich, warum man dich den Joker nennt, Morris. Du hast einen Humor, dass es einen graust. Ich ...«
Er litt starke Schmerzen. Seine Augen trübten sich. Würde er sterben? Mac hörte Stimmen – die Schüsse waren gehört worden. Männer eilten herbei, um zu sehen, was in der Gasse geschehen war.
Schon erschienen die Ersten an der Einmündung der Center Street, allen voran Macs Deputy Frankie Malone, Spitzname Gurnard – der Knurrhahn. Ein barscher Hardliner, der eine harte Faust und selten mal gute Laune hatte.
Mac winkte ihm und den anderen, Abstand zu halten.
Zoltans mit Bordüren bestickte schöne Jacke tränkte sich mit seinem Blut. Er röchelte fürchterlich.
»Hast du mir noch was zu sagen, Zoltan?«
Zoltan hörte ihn nicht mehr. Er war bewusstlos geworden. Weil sich seine verkrampfte Hand von der Schusswunde löste, nahm Mac sein Halstuch und drückte es auf die Wunde.
Gurnard Malone und andere näherten sich. Sie stellten neugierige Fragen.
Mac antwortete knapp: »Die drei wollten mich in der Gasse killen. Das haben sie nicht geschafft. Wo bleibt denn der Doc?«
»Gleich kommt er.«
Der grauhaarige Doktor erschien im Eilschritt, die Arzttasche in der Hand und das Stethoskop um den Hals. Zuerst sah er flüchtig nach Lászlo und János, die am Eingang der Gasse zur Center Street hin lagen.
Bei ihnen schüttelte er nur den Kopf. Tot, bedeutete das. Dann kam er zu Zoltan, der von der First Street gekommen war. Er hörte ihn ab und sah sich die Wunde an.
»Die Lunge ist nicht verletzt«, sagte er. »Da hatte er Glück. Ihn kann ich noch retten.«
»Für den Galgen«, sagte der Deputy und spuckte aus.
»Du hast Manieren wie ein Schwein, Gurnard!«, stauchte ihn der Doc zusammen. »Hier liegen zwei Tote – da spuckt man nicht. Das gehört sich nicht. Achte die Würde des Todes.«
»Meinst du, den Tod stört es, wenn ich ausspucke, Doc?«
Kopfschüttelnd stand der Doc auf.
»Du lernst es nie, Knurrhahn. Irgendwann habe ich dich auf dem Tisch liegen, da bin ich mir sicher. Dann merkst du mal, wie es ist, wenn einer angeschossen ist und um sein Leben ringt. Männer, holt eine Trage! Bringt diesen Mann in mein Lazarett. Einsperren kannst du ihn später, Sheriff. In dem Zustand läuft er dir nicht weg.«
Die beiden Toten und der Schwerverletzte wurden fortgebracht. Mac beantwortete keine weiteren Fragen.
Als er mit seinem Deputy zum Office ging, holte der Reporter des »Thunder Basin Messenger« sie ein. Das war Larry Strickler, ein hoch aufgeschossener dürrer Mann mit Nickelbrille und Knickerbockern. Ein Sensationsjäger ersten Ranges. Man sagte ihm nach, dass er das Gras wachsen hörte, Druckerschwärze in seinen Adern hatte und für eine gute Story seine Mutter verkauft hätte.
»Sheriff, was ist geschehen? Erzählen Sie es mir genau. Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information.«
»Und ich habe keine Lust zum Reden«, antwortete Mac knapp. »Jetzt nicht. Komm morgen wieder.«
»Die Schießerei fand heute statt. Heute ist das die Sensation. Morgen kommt wieder was Neues.«
»Das wollen wir nicht hoffen. Noch so einen Gunfight kann ich nicht gebrauchen. Aber wenn es denn sein muss ... Komm mit ins Office, Strickler, dort erzähle ich dir, was du wissen musst.«
Der Reporter freute sich sehr. Er rieb sich die Hände.
»Ohne Leichen ist kein Leben in der Zeitung«, sagte er.
Gurnard Malone wies ihn zurecht.
»Schmück es nicht zu sehr aus, Larry. Bring keine Falschmeldungen. Sonst komme ich in die Redaktion und korrigiere nach. Das würde dir gar nicht gefallen.«
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Frankie ›Gurnard‹ Malone war ein mittelgroßer, sehr breitschultriger Klotz von Mann mit plattgeschlagener Nase und kantigem Kinn. Er knurrte mehr, als er sprach, und war für seine herbe Art bekannt. Er war jedoch furchtlos und unbestechlich, nahm seinen Job ernst und machte ihn gut. Er trug meist eine Fransenjacke, hatte zwei Sechsschüsser am Gürtel und konnte mit der Winchester gut umgehen.
Mac Morris, der Sheriff, sein Vorgesetzter, wegen seines eigenartigen Humors manchmal Joker genannt, überragte ihn um einen ganzen Kopf. Baumlang, blond und athletisch, mit stahlblauen Augen, war er ein Bild von einem Mann. Ein Frauenschwarm, wovon er weidlich Gebrauch machte. Von ihm hieß es, vor ihm wäre keine sicher, die nicht bei drei auf dem Baum war. Er war jedoch ein erstklassiger Sheriff. Seine Sexeskapaden bereiteten manchmal Ärger, obwohl er diskret war und Affären mit verheirateten Frauen vermied.
Diese jedoch nicht immer mit ihm. Manch eine hatte sich schon in ihrer weiblichen Eitelkeit getroffen gefühlt, wenn er sie verschmähte. Dann konnten solche Frauen sehr direkt und gemein sein. Mit dem Sheriff etwas gehabt zu haben, galt als Markenzeichen und Auszeichnung in der Stadt und im County.
Mac Morris begnügte sich mit einem Revolver, seinem Colt Thunderer, einem sechsschüssigen Double Action im gebräuchlichen Kaliber .44. Damit schoss er bis auf dreißig Meter genau. Für größere Distanzen nahm er das Gewehr, und auch mit der Winchester feuerte er rasend schnell.
Er konnte brachte damit ein paar Kunststücke zustande, zum Beispiel auf fünfzehn Meter einen in die Luft geworfenen Dollar treffen oder im Reiten im Galopp einhändig mit einem Ruck aus dem Handgelenk durchladen und schießen.
Gurnard Malone äußerte sich in seiner knurrigen Art anerkennend zu ihm, als sie zum Office im Stadtzentrum gingen.
Casper war eine raue Stadt – am breit und schlammig dahinfließenden North Platte River gelegen, mit einem Bahnhof, seit im vergangenen Jahr 1888 die Fremont, Elkhorn & Missouri Valley Railroad die Town erreichte. Sie war ein Abzweig der Northern Pacific; nach Süden hin war die Town ebenfalls ans Bahnliniennetz der USA angeschlossen.
Das ersparte den Rinderzüchtern in der Umgebung, von denen Big Jonathan McLowry der Größte war – er hatte auch das größte Mundwerk – enorme Trailwege. Die Stadt war nach dem Fort in der Nähe benannt, das nun schon seit Jahren verfiel und nicht mehr sonderlich gut erhalten war.
Verlassen, mit wucherndem Gras auf dem Exerzierplatz und drinnen mit Schimmel und Wasserflecken vom Durchregnen in den Baracken. Das Fort hatte seinen Namen in seiner Blütezeit während der Indianerkriege nach Lieutenant Caspar Collins erhalten, der 1865 zur unrechten Zeit einer Cheyenne-Kriegerhorde in den Weg ritt und seinen Skalp verlor.
Die Armee buchstabierte seinen Vornamen falsch, als sie die vormalige befestigte Platte Bridge Station nach ihm benannte und ausbaute. So hatte er zwei Mal Pech gehabt.
Die Indianerkämpfe waren vorüber, die Macht und die Kraft der großen Präriestämme durch die Wucht und Waffen der US-Army zerstört. Die Stämme der Sioux und Cheyenne spielten keine Rolle mehr – sie waren dezimiert, ihr Kampfgeist gebrochen.
Ihre Überlebenden in Reservate gepfercht. Man brauchte keinen Militärstützpunkt bei Casper mehr.
In Casper und Umgebung lebten um die neuntausend Menschen. Mac Morris war seit einem guten Jahr Sheriff und hatte alle Hände voll zu tun. Schafhirten strömten ins Land; traditionell vertrugen sie sich mit den Rinderzüchtern und Cowboys nicht. Auch in der Nähe von Casper hatten sich welche niedergelassen.
Es kochte und brodelte innerhalb der Bevölkerung.
»Das hast du fein hingekriegt mit den Kylehammers«, sagte der Deputy in knurriger Anerkennung. »Clevere Idee, auf das Dach zu steigen. Da haben sie erst mal nicht hinaufgeblickt, als sie glaubten, dich in der Gasse eingekeilt zu haben und ins Kreuzfeuer zu nehmen.«
»So clever war die Idee auch wieder nicht. Wäre ich am Boden geblieben und sie hätten gefeuert, hätten sie sich gegenseitig über den Haufen schießen können, während sie zugleich mich umnieteten.«
»So was lässt sich vermeiden. Woher wusstest du denn, dass sie es auf dich abgesehen haben?«
»Sie hatten mich im Auge behalten, seit sie vor zwei Tagen in die Stadt kamen. Den Blick kenne ich, mit dem sie mich musterten. Natürlich konnten sie den Sheriff nicht öffentlich abknallen. So bot ich ihnen die Chance, mich in der Gasse zu erwischen.«
»Und mir hast du nichts gesagt?«
»Wozu?«
»Und warum hast du sie nicht gleich verhaftet? Steckbrieflich gesucht werden sie doch.«
»Nicht in Wyoming. Ich hatte von ihnen gehört. Die drei blutigen Ungarn nennt man sie anderswo, weil sie ungarische Migranten sind. In sehr jugendlichem Alter schon rübergekommen. Sie wären besser daheim in der Puszta geblieben.«
»Weshalb heißen sie Kylehammer, wenn das Ungarn sind?«
»Frag mich was Leichteres. Ihr richtiger Name, auf den sie getauft wurden, ist unaussprechlich. Kyögöbürczy oder so. Wie sie auf Kylehammer kamen, weiß ich nicht. Jedoch fängt das auch mit K an. Vielleicht hat ihr Alter den Namen an einer Metzgerei gesehen oder was in der Art, und er gefiel ihm. Was fragst du so viel, Alter?«
»Wer viel fragt, kriegt viele Antworten. Übernimmst du die erste Abendrunde, oder soll ich das machen? Die Witwe Bolton ist scharf auf dich; ich sah, wie ihr getuschelt habt. Falls du sie gleich aufsuchen willst, kann ich heute Abend die Runden gehen.«
»Henrietta kann warten. Wir machen es wie geplant.«
Mittlerweile hatten sie das Office erreicht, einen massiven Backsteinbau mit einem Anbau als Zellentrakt und dem Pferdestall nebenan.
Beim Eintreten in den karg möblierten Raum mit dem Kanonenofen – jetzt um die Jahreszeit, im Spätsommer, war er kalt – meldete sich Malone wieder zu Wort.
»Die Bolton-Witwe wäre was für mich. Eine gute Partie mit Grundstücken und einigem anderen. Die Hälfte vom General Store gehören ihr und zudem beide Mietställe. Ganz zu schweigen von ihrer strammen Figur. Das ist ein Weib, ich kann dir sagen! Auf ihrem strammen Hinterteil kannst du Läuse knacken.«
Mac haute ihm auf die Schulter.
»Da siehst du, warum die Frauen nicht auf dich stehen. Wer solche Ideen hat und solche Vergleiche bringt, wird nie ein Frauenschwarm sein. Du solltest dich schämen, Gurnard.«
Malone brummelte vor sich hin.
»Du bist ein Hallodri und Weiberheld«, sagte er. »Ein neuer Käse. Ich habe innere Werte.«
»Was soll denn das sein, ein neuer Käse?«
»Well, ein Casanova. Das ist Italienisch. Casa nova – soweit ich weiß, bedeutet das neuer Käse.«
»Casa heißt Haus, du Banause, jedenfalls auf Spanisch. Mi casa, su casa – mein Haus ist dein Haus. Mit nova liegst du richtig. Mit dem Käse nicht. Was deine inneren Werte betrifft: Lasse dich wenden, vielleicht hast du bei den Frauen dann mehr Erfolg. Jetzt will ich mich im Hinterzimmer etwas hinlegen. Das wird eine lange Nacht.«
»Bei Henrietta?«
»Das geht dich nichts an. Mach du dann die Spätrunde und den Abschluss heute Nacht, Gurnard. Und trink nicht so viel unterwegs, damit du nicht schwankend ins Office zurückkommst.«
»Das ist nur einmal geschehen. Da war ich erkältet. Der Mayor gab eine Geburtstagsparty.«
Die Zeit bis zum Abend verging. Mac hörte vom Doc, dass es mit Zoltan Kylehammer auf der Kippe stand. Am Abend machte der Sheriff die erste Runde. Er ritt auch durch die Außenbezirke der Stadt. Die meisten Probleme gab es erfahrungsgemäß auf der Amüsiermeile an der Westseite der Center Street. Dort gaben sich rauflustige Cowboys, Schafhirten aus dem Great Divide Basin, Freudenmädchen und zwielichtiges Gesindel ein Stelldichein.
Dort knallte es öfter und fanden Schlägereien und Messerstechereien statt. Mac ließ sich sehen. Er war der Mann, der an dem Tag die drei berüchtigten Kylehammer-Brüder allein niedergekämpft hatte.
Ihn respektierte man, er war ein zweibeiniger Tiger, an dessen Ruf und Ruhm jedoch schon bald wieder Leute knabbern würden. Was es mit den Kylehammers auf sich hatte – zuvor hatten sie sich zurückgehalten und waren unauffällig aufgetreten – hatte sich in der Stadt verbreitet.
An dem frühen Abend war alles ruhig. Eine Schießerei mit zwei Toten und einem Schwerverletzten reichte erst mal für einen Tag. Nach der Streife entlang der Amüsiermeile ritt Mac durch die Außenbezirke der Stadt.
Hier, weiter weg von den Verladecorrals und dem Bahnhof, ging es ruhig zu. Beschaulich und idyllisch. In den hochgelegenen Prärieebenen, den Bergen und Wäldern fand man jede Menge Wildtiere.
Der Gabelbock war sehr verbreitet. Zwischen den verstreut liegenden Häusern in den Vororten diesseits und jenseits des Platte, der mitten durch Casper floss, grasten öfter mal Gabelböcke. Mac sah eine Gabelbock-Ricke mit zwei im späten Frühjahr geborenen Kitzen.
Sie säugten bei ihrer Mutter und drängelten sich dabei.
Ein Squatter, ein Siedler, legte mit dem Gewehr auf sie an. Mac ritt ihm in die Schusslinie und auf ihn zu.
»Musst du das Muttertier und die Kitze abknallen?«, fragte er den bärtigen, ungepflegten Squatter. »Kannst du nicht anderes Wild schießen, wenn du Fleisch brauchst?«
»Das geht dich das an, Joker? Ich bin ein freier US-Bürger und habe das Jagdrecht. Ich kann Wild schießen, so viel ich will.«
»Für dich bin ich der Sheriff oder Sir, Bill Smith. Bei dir verstehe ich keinen Spaß. Die Bisons, die vor Kolumbus in Abermillionen zählenden Herden den Kontinent durchstreiften, sind nahezu ausgerottet. Andere Wildtiere werden wahllos dezimiert. Die Indianer hungern, verhungern, seitdem sie sich nicht mehr von den Bisons ernähren können.«
»Was geht mich die rote Brut an? Sollen sie Gras fressen, wenn sie hungrig sind. Die Kitze will ich nicht schießen, nur die Ricke. Das wird ein guter Braten für mich und meine Familie.«
»Wenn du das Muttertier abschießt, verhungern die Jungen elend.«
»Bin ich ihr Vater? Was juckt mich das? Sollen sie sich eine andere Ziehmutter suchen.«
»Das geht bei Gabelböcken nicht. Das solltest du wissen. Die Kitze sind auf ihr Muttertier angewiesen. Eine andere Ricke nimmt sie nicht an.«
»Das ist nicht mein Problem, Sheriff. Geh mir aus der Schusslinie, damit ich den Braten erlegen kann. Was hat dieses Viehzeug hier in der Town zu suchen?«
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Die Holz- und Steinhäuser der Stadt glühten im Sonnenuntergang in Orangerot. Wolken zogen dahin, die in Pastellfarben von der halb hinter dem Horizont versunkenen Sonne angestrahlt wurden. Im Westen erhoben sich angestrahlt die Gipfel der Granite Mountains.
Es war ein romantisches, friedliches Bild gewesen, das Mac mit dem aussöhnte, was an dem Tag geschehen war. Jetzt war die friedliche Stimmung dahin.
»Bist du neuerdings ein großer Tierfreund?«, fragte der Squatter. Er war dem Sheriff unliebsam bekannt. »Verschwinde! Du hast es gerade nötig, dich wegen eines Gabelbocks aufzuspielen. Heute hast du zwei Männer erschossen. Ein anderer schwebt zwischen Leben und Tod.«
»Ich hätte gute Lust, noch einen dritten zu erschießen. Um dich wär's nicht schade. Du bist ein Säufer und Taugenichts, verprügelst deine Frau und vernachlässigst dein Anwesen und deine Kinder. Ohne dich könnte es für sie nur besser werden.«
»Oho! Das ist eine Beleidigung, du Schweinehund! Gleich hole ich dich von deinem hohen Ross herunter. Ob ich meine Frau schlage oder nicht, geht dich gar nichts an. Wenn ich sie schlage, dann hat das Weib es verdient.«