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Es ist eine alte Schuld, welche die Rancherin Meg Jackson nach Wyoming treibt, kaum, dass sie die Zeitung mit der Meldung über das Urteil gegen den ehemaligen Ranger Roughman Jones gelesen hat. Er soll gehängt werden!
Meg und ihr Bruder haben zwanzig Jahre zuvor nur durch Roughmans kühnes Eingreifen eine Geiselnahme überlebt. In Wyoming angekommen aber stößt Meg bald in ein Wespennest, als sie den wahren Hintergründen des Mordes nachgeht, für den Roughman zum Tode verurteilt wurde ...
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Seitenzahl: 154
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Alte Schuld
Vorschau
Impressum
Alte Schuld
Für die Rancherin Meg Jackson ist es ein Schock, als sie in der Zeitung liest, dass der ehemalige Ranger Roughman Jones in Wyoming wegen Mordes verurteilt worden ist. In drei Tagen soll das Urteil am Galgen vollstreckt werden.
Vor zwanzig Jahren hat der angebliche Mörder durch sein kühnes Eingreifen Meg und ihrem Bruder das Leben gerettet. Jetzt sieht sie endlich ihre Chance gekommen, Roughman zu danken und ihr altes Versprechen einzulösen ...
Es rumpelte im Kamin. Draußen pfiff eiskalt der Wind über die Ebenen von West-Texas. Die Frau und die beiden kleinen Kinder am Tisch blickten auf ihre Geiselnehmer.
Der eine stand am Fenster, die Springfield in den Händen. Der andere hob sein Messer. Er hatte gedroht, der dreijährigen Megan den Hals durchzuschneiden.
Wieder rumpelte und rauschte es. Dann sauste von oben eine Gestalt in das lodernde Feuer, dass Funken und brennende Holzstücke nach allen Seiten in die Stube flogen.
Ein Mann kam aus dem großen Kamin, rußgeschwärzt, den Colt in der Hand. Er sah aus wie ein Rußteufel – vierschrötig, der buschige Bart rußig und schwarz.
Er lachte grimmig. Seine Hosenbeine schwelten.
»Hohoho!«, dröhnte er. »Ich bin Santa Claus! Fröhliche Weihnachten. Waffen weg, ihr Halunken!«
Der Outlaw am Fenster drehte sich um, die Springfield im Hüftanschlag. Ehe er abdrücken konnte, traf ihn die Kugel des Rußigen in die Stirn und warf ihn um.
Der andere warf das Messer. Der Rußige wich ihm aus. Als dieser Bandit seinen Revolver zog, schoss der Mann im Kamin ihn nieder.
Dann war Stille. Am groben Teppich schwelten und glimmten die Holzstücke. Die Ranchersfrau fasste sich ans Herz und umklammerte ihre Kinder.
»Sie schickt der Himmel!«, stieß sie hervor.
»Eher die Texas Rangers. Ich bin Roughman Jones. Die anderen meinten alle, durch den Kamin könnte man nicht herein, um den Geiselmord zu verhindern. Laufen lassen können wir die zwei da nicht nach dem Massaker, das sie in Amarillo angerichtet haben – einer Schwangeren in den Bauch geschossen und sieben Leute getötet.«
Der Ranger hustete. Der Rutsch durch den Kamin war nicht so einfach gewesen. Fast wäre er stecken geblieben und in dem Fall von dem großen Feuer unter ihm geschmort worden. Ruß und Staub waren ihm in die Atemwege geraten und reizten seine Schleimhäute.
Es grenzte an ein Wunder, dass er dennoch gezielt und schnell hatte schießen können.
Er hustete eine ganze Weile. Die Rancherin brachte ihm ein Glas Wasser. Er keuchte.
»Wasser? Was soll ich mit Wasser? Haben Sie keinen Whiskey im Haus, Ma'am?«
»Natürlich. Doch. Doch. Ich hole gleich welchen.«
Die Rancherin hastete ins Nebenzimmer. Der fünfjährige Junge und das dreijährige Mädel sahen den rußigen schwarzen Mann mit großen Augen an.
»Bist du wirklich nicht Santa Claus?«, fragte das Mädchen. Es war kesser als der Junge.
»Sehe ich so aus?«
»Hast du die beiden bösen Männer totgeschossen, die uns umbringen wollten?«
»Das will ich doch hoffen.« Seine Stimme war rau. »Seht nicht hin.« Sie sollten sich die Leichen nicht ansehen. »Seht mich an. Bald ist Weihnachten. Da konnte ich nicht zulassen, dass euch ein Leid geschieht. Wie heißt du denn, Kleine?«
»Meg. Das ist mein Bruder Ty. Und ich bin nicht klein. Ich bin groß für mein Alter.«
»Wie alt seid ihr denn?«
»Drei ...« Megan deutete auf sich. »... und fünf.«
»Jetzt ist alles gut«, sagte der Texas Ranger. »Ich bin da. Ihr braucht keine Angst mehr zu haben. Ich gehe gleich mal zum Fenster und rufe den Hurensöhnen draußen zu, dass alles vorbei ist.«
Er meinte die Männer vom Aufgebot. Das Haus war umstellt.
Die Rancherin kam mit Flasche und Glas herein.
»Ich dulde nicht solche Reden vor den Ohren von meinen Kindern«, schimpfte sie streng. »Sie sollten sich schämen, Mister.«
»Ja, verdammt, es ist mir so rausgerutscht.«
Die Rancherin stellte Flasche und Glas ab und knallte ihm eine. Es war eine schallende Ohrfeige. Erschrocken entschuldigte sich die Frau im nächsten Moment.
»Sorry, das war der Schreck. Ich bin noch nicht ganz Herrin meiner Sinne. Wir haben Todesangst ausgestanden. Hauptsächlich fürchtete ich um meine Kinder. Das sind Banditen und Bankräuber und Mörder. Sie müssen Schreckliches getan haben.«
»Das kann man wohl sagen.«
Von draußen wurde gerufen. Noch antwortete Jones nicht.
»Der eine, der Blonde da, sagte: Wir kommen hier nicht mehr weg, Emmett. Aufhängen lasse ich mich nicht. Wir bringen die drei alle um. Dann rennen wir raus, schießen aus allen Rohren und lassen uns erschießen. Der andere meinte, er wollte vorher mich ... Sie wissen schon. Das hätten sie auch getan. Doch dann kamen Sie ...«
Die Rancherin schluchzte. Ihre Spannung löste sich.
»De nada«, sagte der Ranger. Seine Stimme war nicht mehr rau. »Löschen Sie Ihren Teppich, Ma'am, bevor uns die Bude abbrennt.« Er klopfte sich die Glut von der schwelenden Hose. »Verd... ähm, das war knapp. Lassen Sie mich den Whiskey trinken. Dann rufe ich den ... Kameraden was zu.«
»Ich will Ihnen einschenken.«
»Wer hat was von Einschenken gesagt?«
Roughman Jones nahm die Flasche, entkorkte sie mit den Zähnen, spuckte den Korken in den Kamin und trank. Sein rußiger Adamsapfel hüpfte auf und ab.
Besorgt beobachtete die Rancherin, wie sich der Pegel der Flasche senkte.
»Sie sollten nicht so viel trinken, Mister.«
»Das sagen mir alle.« Jones wischte sich den Mund ab. Seinen Colt hatte er längst im Holster. »Jetzt will ich mit dem Aufgebot reden.«
Draußen war mehrfach gerufen worden. Roughman Jones hatte es als Einziger gewagt, sich in spärlicher Deckung ans Haus heranzupirschen, auf das Dach zu steigen und durch den Kamin zu kommen.
Die anderen vom Aufgebot hatten ihn für verrückt erklärt.
Das schaffst du nie, hatten sie gesagt. Bevor du beim Haus bist, knallen sie dich ab. Der Kamin ist zu eng.
Das weiß man erst, wenn man es probiert hat, war seine Antwort gewesen.
Jones, auch als Rough – der Grobe – und als Roughman bekannt, hatte zahlreiche Fehler. Doch er besaß eine Menge Schneid.
Bevor er zum Fenster ging, fasste die Rancherin seine noch immer rußige Hand. Die Glutstellen auf dem Teppich hatte sie ausgetreten. Er hatte seine Hose abgeklopft und mit ihrer Hilfe auch die Jacke. Sein Bart war angesengt.
»Sie heißen doch nicht wirklich Roughman?«
»Nein. Sam. Aber jeder nennt mich so.«
»Sam Jones, heute haben Sie unter Einsatz Ihres Lebens meinen Kindern und mir das Leben gerettet. Das werden wir Ihnen nie vergessen. Hier auf der Ranch haben Sie immer einen Platz. Wenn Sie in Not sind, wenn Sie Hilfe brauchen, wenn Sie irgendetwas brauchen, was für uns erschwinglich und zumutbar ist, melden Sie sich. Die Jacksons bezahlen ihre Schulden. Wir stehen für immer in Ihrer Schuld, meine Kinder und ich.«
»Ma'am, machen Sie nicht so ein Wesens. Das gehört für mich zu meinem Job. Auch wollte ich immer mal wissen, wie es ist, durch so einen Kamin zu rutschen.« Er kniff der Rancherin und ihren Kindern ein Auge zu. In seinem rußgeschwärzten Gesicht sah das seltsam aus. »Den Kamin braucht ihr die nächste Zeit nicht zu kehren. Fröhliche Weihnachten. Decken Sie die Toten zu, Ma'am. Der Anblick ist nichts für Kinder.«
»Ja. Das hätte ich längst schon tun sollen. Ich bin immer noch ganz durcheinander. Meine Knie zittern ...«
Die Rancherin musste sich setzen. Der Junge fing an zu weinen.
»Was ist denn, mein Sohn?«, fragte Jones.
»Mister Jones. Sir. Ich ... ich habe mir in die Hose gemacht vor lauter Angst.«
Tröstend strich ihm der Ranger über den Kopf.
»Deshalb brauchst du dich nicht zu schämen. In deinem Alter kann das jedem mal passieren. Und du, Kleine, hast du dir auch in die Hose gemacht?«
Die dreijährige Megan sah ihn an.
»Nein!«, rief sie empört. »Wie können Sie so etwas denken? Ich bin doch ein Mädchen. Mädchen sind tapfer.«
»Gilt das nicht mehr für Jungs?«
»Das wird nur so gesagt. Ich weiß es besser. Bei mir ist es auf jeden Fall so. Die Leute sagen immer, dass ich ein Wildfang bin. Ty ist eher zaghaft und schüchtern, sagen sie. Hast du dir nicht in die Hose gemacht, als du durch den Kamin gerutscht bist?«
»Ich glaube nicht. Willst du mal nachschauen?«
»Was reden Sie da? Pfui. Das gehört sich nicht.«
»Meg!«, mahnte die Mutter. »Gib nicht so an. Der Mann will zur Tür.«
Mehrere Rufe waren draußen ertönt. Jones ging ans Fenster und meldete sich. Mrs. Jackson legte eine Tischdecke über einen toten Banditen und eine Wolldecke über den anderen. Sie erschauerte, als sie die beiden Banditen sah, übelste Typen, die ihr nach dem Leben getrachtet hatten – ihr und ihren Kindern.
Jones schrie laut wie ein brüllender Stier hinaus in den heulenden Wind und das leichte Schneegestöber.
»Ihr könnt herkommen, ihr Heldensöhne.« Das andere Wort sagte er nicht mehr. »Ich habe die beiden erledigt. Keiner schießt mehr auf euch.«
»Was ist mit den Geiseln?«, wurde von draußen gerufen.
»Wohlauf.«
✰
Einundzwanzig Jahre später, auf derselben Ranch, nordwestlich von Amarillo
Meg Jackson kam in die Stube. Es war dieselbe, in der sie damals als Kind zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder gerettet worden war. Der Raum sah jedoch völlig anders aus und war viel größer geworden. Man hatte eine Wand herausgebrochen, zur Diele erweitert und eine große Halle geschaffen.
Den Kamin, durch den Roughman Jones damals gerutscht war, gab es immer noch. Er war jedoch restauriert worden. Der neue Kamin war groß genug, um ein Kalb überm Rost zu braten.
Der Raum war gediegen und im Rancho-Stil geschmackvoll ausgestattet. Ausstattung und Dekoration verrieten eine weibliche Hand.
Megan war vierundzwanzig Jahre alt und eine bildhübsche dunkelhaarige Frau mit schulterlangem Haar und einer tollen Figur. Sie trug Männerkleidung und Stiefel. Sie hatte eine dicke gefütterte Jacke an.
An der Seite trug sie einen 44er Colt, den Lightning Double Action, der Patronen verschoss. Kein Perkussions-Donnereisen, wie Roughman Jackson es damals gehabt hatte.
Wieder war es Wochen vor Weihnachten, und wieder heulte der Wind. Die Gegend zwischen Odessa und Fort Stockton war tief verschneit. Der Winter war unüblich früh gekommen und kalt.
Er brachte viel Schnee.
Meg trampelte sich den Schnee von den Stiefeln. Ihr Bruder Ty saß in seinem Rollstuhl am Tisch. Er wirkte ausgezehrt im Gesicht und hatte einen grüblerischen Zug und tiefe Falten an den Mundwinkeln. Er sah älter aus als die 26 Jahre, die er zählte.
Seit einem Reitunfall mit 15 war er von der Hüfte abwärts gelähmt. Er hatte Zeitungen vor sich liegen. Im Kamin prasselte ein Feuer. Es war gemütlich und warm in dem großen Raum, den zu haben und zu beheizen sich nur eine große Ranch erlauben konnte.
Die Slash J – ein J mit einem schrägen Querstrich war das Brandzeichen der Ranch – hatte einen enormen Aufschwung genommen. Allerdings hatten die Jacksons auch herbe Rückschläge und Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Megs und Tys Vater war schon früh gestorben.
Ihre Mutter hatte die Ranch allein bewirtschaftet und ihre beiden Kinder großgezogen. Sie hatte sie erheblich vergrößert. Tonya Jackson war eine bemerkenswerte, starke Frau. Sie übertraf die meisten Männer an Willens- und Charakterstärke und Organisationstalent.
Allerdings verausgabte sie sich dabei völlig. Sie legte sich Lasten auf, die zu bewältigen drei Männer erfordert hätte. Als sie 45 war, versagte ihr Herz. Bei einem Kontrollritt auf der Weide fiel sie tot vom Pferd.
Das war zwei Jahre her. Mit 15 schon fiel Ty so unglücklich vom Pferd, dass er sich die Wirbelsäule brach. An sich war er ein erstklassiger Reiter, wenn auch nicht so kühn wie Meg, Seitdem saß er im Rollstuhl und konnte sich allenfalls mühsam ein Stück mit Krücken fortbewegen. Dann schaffte er vielleicht zehn Meter oder fünf Treppenstufen.
Seine Mutter und seine Schwester hatten ihn davon abgehalten, Selbstmord zu begehen oder in tiefe Depression zu verfallen. Tonya war eine gläubige Frau gewesen.
Das ist das Los, dass dir der Herr auferlegt hat, hatte sie zu ihm gesagt. Das musst du meistern. Sei stark. Du hast noch Aufgaben im Leben.
Ty erledigte die Buchhaltung und war für die Verwaltung der Ranch zuständig. Er fand sich hinein, er war intelligent und hatte es mit den Zahlen – im Gegensatz zu Meg, der das ein Gräuel war. Sie war lieber auf der Weide unterwegs, brändete Rinder, trieb Herden zum Bahnhof nach Abilene oder Wichita oder Texarkana.
Trotz ihrer Jugend war sie schon Trailboss gewesen und hatte sich von den härtesten Burschen nicht einschüchtern lassen. Früher war sie bei Rodeos aufgetreten, als Broncobuster und beim Bullriding, als Lassokünstlerin, und sie hatte sich als Schütze einen Ruf erworben.
Damals hatte sie kein Rodeo ausgelassen. Jetzt nahm sie nur noch an einem oder zwei im Jahr teil. Ihre Mutter hatte jeweils die Hände über den Kopf zusammengeschlagen, wenn sie die waghalsige Tochter in der Arena sah.
Immer wieder hatte sie sie gewarnt.
»Du brichst dir nochmal das Genick. Reicht es nicht, dass Ty im Rollstuhl sitzt?«
»Er war immer vorsichtig und nahm nie an einem Rodeo teil«, antwortete Meg dann. »Trotzdem ist ihm das passiert. Man kann auch aus dem Bett fallen und sich den Hals brechen.«
Sie ließ sich nichts sagen. Als Mädel war ihr kein Baum zu hoch gewesen, um darauf zu klettern. Mal hatte sie sich den Arm gebrochen. Noch bevor sie ihn aus der Schlinge hatte, kletterte sie wieder.
Einmal sah ihre Mutter sie oben auf dem Dachfirst sitzen, nur weil Meg sich das in den Kopf gesetzt hatte. Sie war durch die Dachluke geklettert und dann über die Ziegel hinauf.
Tanya blieb fast das Herz stehen. Eine Weile hatte sich Meg Vorwürfe gemacht, dass sie an dem frühen Herztod der Mutter schuld sei. Die legte sie dann jedoch ab. Sie hatte von ihrer Mutter geträumt, die ihr die Hand auf den Kopf legte und ihr sagte, das wäre nicht so.
Ein seltsamer Traum. Vielleicht hatte Megs Unterbewusstsein gesprochen. Jedenfalls verschwanden danach ihre Schuldkomplexe.
Sie konnte gut mit dem Revolver umgehen. Einmal hatte sie in Amarillo auf offener Straße einen Revolverhelden zum Duell gefordert. Er hatte angetrunken herumgepöbelt und sie und andere Frauen übel beleidigt.
Meg stellte ihn zur Rede, weil kein Mann in der Nähe war, der das wagte. Als er mit seinem Colt herumfuchtelte und ihr vor die Füße schoss, forderte sie ihn auf, die Waffe ins Halfter zu stecken und gegen sie zu ziehen.
Ein Wort gab das andere.
Es kam zum Duell. Der Gunman zog. Meg war schneller und schoss ihm ins Herz. Hinterher behaupteten einige Leute, er habe sie mit seinem Colt nur erschrecken wollen.
Das wusste man aber nicht. Meg hatte sich darauf nicht verlassen können. Sie hatte zwei Kinder von zwei Männern, mit denen sie beide nicht verheiratet gewesen war.
Toby, sechs Jahre alt, stammte aus der Affäre mit einem Rodeostar, die nicht lange dauerte, kaum mehr als ein One-Night-Stand. Der Rodeoreiter war schon längst weitergezogen, als Meg merkte, dass er ihn ein Andenken hinterließ.
Sie brachte das Kind zur Welt. Ihre Mutter regte sich furchtbar auf. Doch sie kriegte sich wieder ein, als sie den Enkel in ihren Armen hielt. Von da an war sie hin und weg vom Baby. Meg blieb kaum im Kindbett.
Eine besonders fürsorgliche Mutter war sie nicht. Toby wuchs größtenteils in der Obhut einer Amme auf, der dicken Mexikanerin Esmeralda, Haushälterin auf der Slash J. Esmeralda hatte drei eigene Kinder und einen mickrigen kleinen Mann, Juan, der Haushofmeister – Majordomo – auf der Ranch war.
Drei Jahre später kriegte Meg wieder ein Kind – Maryann, mittlerweile drei Jahre alt. Ein goldiges Mädchen, allerdings ein Wildfang wie ihre Mutter. Vor Maryann war nichts im Haus sicher. Sie war ein unerschöpflicher Wirbelwind und hatte schon Reiten gelernt, ehe sie gehen konnte.
Meg hatte manchmal Angst um sie – jetzt verstand sie besser, was ihre Mutter mit ihr erlebt hatte.
Maryanns Vater war Vormann auf der Slash J gewesen, ein blonder Hüne mit blitzendem Lächeln. Eine Zeitlang war von Heirat die Rede, doch leider spielte sich Orren Thomson zu sehr als Macho auf. Er war fest von seiner männlichen Überlegenheit überzeugt und wollte Meg gern an die Kandare legen.
Als sie von ihm schwanger war, meinte er, sie in die Hausfrauen- und Mutterrolle hineinzwängen zu können. Das ging bei der wilden Meg nun gar nicht. Als ihre blinde Verliebtheit verflog, in der sie den schönen und starken Orren mit den Augen der Liebe gesehen hatte, erkannte sie, dass es mit ihnen nicht gutgehen konnte.
Und sie zog Konsequenzen.
»Du bist schwer in Ordnung«, hatte sie ihm gesagt, als sie schon einen dicken Bauch hatte. »Bloß für mich nicht. Am nächsten Ersten ist für dich der Letzte. Nimm deinen Lohn und eine Abfindung und geh.«
»Wer soll meinen Job als Vormann übernehmen?«
»Wir werden schon jemanden finden.«
»Das Kind ... ich bin sein Vater.«
»Daran besteht kein Zweifel. Ich werde dich über seine Entwicklung auf dem Laufenden halten. Ab und zu kannst du es sehen.«
»Du willst es allein großziehen?«
»Hier auf der Ranch. Zusammen mit Toby.«
»Das kannst du nicht machen.«
»Doch. Ich heirate dich nicht. Hier kannst du nicht bleiben.«
»Warum nicht?«
»Weil es mit uns nicht gutgehen kann. Ich brauche nicht unbedingt einen Ehemann, schon gar keinen, der mich herumkommandiert und einengen will. Suche dir dafür eine andere.«
»Aber ...«
»Kein Aber. Das ist mein letztes Wort.«
Orren versuchte alles, um Meg umzustimmen. Vergebens. Grollend, im Zorn verließ er die Ranch und ging bis hoch nach Montana. Seitdem hatte er nichts von sich hören lassen. Er war zutiefst in seinem Stolz und in seiner Eitelkeit verletzt.
Er hatte Meg und das Kind gewollt – die Ranch hätte er auch genommen. Und dort die Führungsrolle. Das war nun passé.
Megs Mutter erlitt ihren ersten Herzinfarkt. Doch sie fand sich mit der Situation ab. Die Klatschmäuler in ganz Texas zerrissen sich dieselben über die Wilde Meg oder den Texanischen Buschteufel. Das waren noch relativ harmlose Bezeichnungen.
So viele Männerbekanntschaften hatte Meg überhaupt nicht gehabt. Keineswegs war sie ein Flittchen. Doch wenn sie sich verliebte, geschah das Hals über Kopf und mit allen Konsequenzen. Sie liebte bedingungslos – genauso bedingungslos und abrupt konnte sie sich wieder trennen.
Das Liebchen, das sich vor Kummer die Augen ausweinte und lange trauerte, war sie nicht. Obwohl sie durchaus Gefühle hatte und ihre Kinder liebte.
Sie war ein ungewöhnlicher Charakter und fiel völlig aus der Frauenrolle ihrer Zeit. Dass die Frau dem Mann untertan und ihm unterlegen sein sollte, sah sie überhaupt nicht ein.
An diesem Nachmittag im Dezember 1879 trampelte sie also in die Halle der Ranch, legte die dicke Überbekleidung ab und nahm auch die Ohrenschützer weg. Ihr Hut hing schon am Haken.
Sie begrüßte ihren Bruder und blickte auf die Zeitungen.
»Was liest du da? Geht es um Roughmans Prozess?«