1,99 €
Für den braven Farmer Lucas Muller bedeutet ein plötzlicher Geldsegen, dass alle Sorgen seiner Familie auf einen Schlag erledigt sein könnten. Wäre da nicht der Umstand, dass ein schwer verletzter Bankräuber in seinen letzten Zügen mit diesem Geld auf der Farm eintrifft.
Die Verlockung ist groß, bringt aber jede Menge vorhersehbare wie auch unerwartete Probleme mit sich. Vorhersehbar ist, dass ein US-Marshal dem Bankräuber alsbald folgt. Weniger vorhersehbar ist, dass ein arbeitsloser Cowboy ebenfalls leicht auf dumme Gedanken kommen kann.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 139
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Jeder macht mal Fehler
Vorschau
Impressum
Jeder macht mal Fehler
Für den braven Farmer Lucas Muller bedeutet ein plötzlicher Geldsegen, dass alle Sorgen seiner Familie auf einen Schlag erledigt sein könnten. Wäre da nicht der Umstand, dass ein schwer verletzter Bankräuber in seinen letzten Zügen mit diesem Geld auf der Farm eintrifft.
Die Verlockung ist groß, bringt aber jede Menge vorhersehbare wie auch unerwartete Probleme mit sich. Vorhersehbar ist, dass ein US-Marshal dem Bankräuber alsbald folgt. Weniger vorhersehbar ist, dass ein arbeitsloser Cowboy ebenfalls leicht auf dumme Gedanken kommen kann ...
Der Reiter, der sich an diesem Nachmittag der kleinen Farm am Rande der Berge näherte, konnte sich kaum noch im Sattel halten. Er saß vornübergebeugt auf seinem Braunen und drohte jeden Moment den Halt zu verlieren. Schon von Weitem konnte man erkennen, dass er völlig fertig war.
Das von Durst geplagte Pferd schien das Wasser im Brunnentrog zu riechen, denn es beschleunigte, ein heiseres Wiehern von sich gebend, seine Gangart. Statt seines müden Trotts verfiel es in einen leichten Trab. Das führte dazu, dass sein darauf nicht gefasster Reiter seitwärts kippte und wie ein Betrunkener schwankte. Mitten im Farmhof fiel er vom Pferd und stürzte schwer in den Staub, während das Pferd weiterlief, Sekunden später seine Nüstern ins kühle Nass tauchte und durstig zu saufen begann.
Lucas Muller, der das Herannahen des Fremden beobachtet hatte, kam über den Hof geeilt und beugte sich forschend über die am Boden liegende Gestalt. Von der Scheune her kamen seine Söhne Hugh und Hank, während auf der offenen Veranda des einfach gebauten Farmhauses seine Frau Clara und seine Tochter Laura erschienen. Sie alle richteten ihre Augen auf den vom Pferd Gestürzten.
Der Unbekannte hatte das Bewusstsein verloren. Er war ohne Hut und hatte ein von der Sonne verbranntes Gesicht, das mit langen Bartstoppeln bedeckt war. Er mochte an die vierzig Jahre alt sein. Seine Kleidung war völlig verdreckt und mit geronnenem Blut verkrustet. Als der Farmer ihn an der Schulter anfasste und vorsichtig zur Seite drehte, wurde im Rücken ein Kugelloch sichtbar.
»Den hat es schwer erwischt«, sagte Lucas Muller mit ernster Miene. »Jemand hat ihm von hinten ein Stück Blei verpasst. Ich schätze, er ist auf der Flucht.«
Unwillkürlich blickte der fünfzigjährige Farmer zum Pass hinauf, woher der Unbekannte gekommen war, als erwartete er, Verfolger auftauchen zu sehen. Doch es näherte sich niemand. Das nach Norden hin leicht ansteigende Tal war verlassen.
Das Revolverholster des Fremden war leer. Er musste die Waffe, wie auch seinen Hut, unterwegs verloren haben.
»Wir können den Mann nicht so liegen lassen«, sagte Lucas Muller zu seinen halbwüchsigen Söhnen. »Tragt ihn ins Haus.«
Die beiden Burschen packten zu. Der eine ergriff den Verwundeten an den Schultern, der zweite an den Beinen. Der Unbekannte gab dabei ein schmerzliches Stöhnen von sich.
Im Haus legten sie ihn auf das Küchensofa. Dann versuchte Lucas Muller, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Aber der Mann war nicht ansprechbar. Alles, was er von sich gab, war ein unverständliches Lallen. Er musste die Kugel schon vor mehreren Tagen abbekommen haben. Inzwischen hatte sich die Wunde entzündet, und er hatte Wundfieber bekommen. Seine Stirn war heiß, die Augen glänzten fiebrig.
»Wir müssen den Doc holen«, erklärte Clara Muller, nachdem sie dem Fremden etwas Wasser eingeflößt hatte.
»Ich fürchte, dafür ist es zu spät«, erwiderte Lucas. »Den weiten Weg in die Stadt können wir uns sparen. Der Mann würde weder den Transport überstehen, noch könnte der Knochenflicker rechtzeitig hier eintreffen, um noch etwas für den Verwundeten zu tun.«
»Dann sollten wir ihm wenigstens das Sterben erleichtern«, meinte die Farmersfrau mitfühlend.
Während sie und ihre Tochter Laura sich um den Verwundeten kümmerten, ging Lucas hinaus, um nach dem fremden Pferd zu sehen. Das Fell des ziemlich erschöpften Braunen war mit Schweiß und Staub verkrustet, Hals und Brust waren mit eingetrockneten Schaumflocken verklebt. Das alles wies darauf hin, dass er einen langen Ritt hinter sich hatte und oft scharf angetrieben worden war. Im Scabbard steckte ein Gewehr, das der Farmer herauszog und nach kurzer Besichtigung – es war noch geladen – an die Hauswand lehnte. Dann nahm er dem Pferd Sattel und Packtasche ab.
»Bringt den Gaul zum Korral und reibt ihn ab«, befahl er seinen Söhnen. »Gebt ihm auch etwas Hafer.«
Hugh, der Ältere, nahm das müde Pferd am Kopfhalfter und führte es weg, gefolgt von Hank, dem Jüngeren.
Lucas öffnete die fremde Satteltasche. Im nächsten Moment durchzuckte es ihn heiß, und er pfiff durch die Zähne. Denn was er zu sehen bekam, war mehr als überraschend. Die fremde Satteltasche war mit Geld gefüllt! Sie enthielt einen dicken Packen Banknoten, in ein schmutziges Tuch gewickelt, und einen schweren Leinenbeutel, offenbar voller Münzen.
»Donnerwetter!«, entfuhr es ihm überrascht. »Mich laust der Affe!«
Er glaubte beinah zu träumen und brauchte fast eine Minute, um zu begreifen, dass er keiner Sinnestäuschung erlag, sondern wirklich einen Schatz gefunden hatte. Er brachte die Satteltasche ins Haus und entleerte sie auf den Küchentisch.
»Seht, was ich da habe!«, rief er dabei. »Kneift mich mal in den Arm, denn ich kann es noch immer nicht glauben.«
Auch Clara und ihre Tochter Laura, ein ausnehmend hübsches Mädchen von neunzehn Jahren, machten große Augen, als sie das viele Geld zu sehen bekamen.
»Allmächtiger!«, entfuhr es der Farmersfrau. »Das kann nicht wahr sein! So eine Menge Geld auf einem Haufen habe ich noch nie gesehen.« Nach einigen Sekunden fügte sie mit einem sehnsüchtigen Gesichtsausdruck hinzu: »Wie dringend wir das brauchen könnten.«
»Du sagst es«, brummte Lucas.
Er öffnete den schweren Leinenbeutel und schüttete den Inhalt auf den Tisch. Nicht nur eine größere Anzahl an Silbermünzen kamen zum Vorschein, sondern auch mehrere Goldmünzen. Matt glänzende Goldeagles, deren Anblick das Blut des einfachen Farmers erneut in heftige Bewegung brachte. Seine Augen begannen verlangend zu funkeln.
»Aber es gehört uns nicht, dieses Geld«, sagte Clara Muller bedauernd.
Sie war eine verhärmt wirkende Frau, deren Gesicht noch Reste einstiger Schönheit zeigte. Die harte Farmarbeit und ein entbehrungsreiches Leben hatten sie vorzeitig altern lassen. Trotz ihrer erst fünfundvierzig Jahre wies ihr Gesicht bereits viele Falten auf, und ihr Haar war ergraut. Ihre einst so stolze Haltung wirkte gebeugt.
»Dem Kerl, der es bei sich hatte, kann es aber auch nicht gehören«, brummte Lucas, ohne seinen Blick von den vor ihm liegenden Banknoten und Münzen zu nehmen. »Nein, auf seinem Mist kann es nicht gewachsen sein. Er muss es irgendwo geraubt haben«.
»Dann ist dieser Mann«, Clara zeigte auf den stöhnend auf dem Küchensofa liegenden Fremden, »also ein Bandit?«
»Ein Räuber auf der Flucht«, setzte Lucas Muller hinzu. »Wahrscheinlich hat er eine Bank überfallen. Aber der Überfall ist wohl nicht nach Wunsch gelaufen. Immerhin gelang ihm die Flucht. Aber man hat ihm nachgeschossen und ihn schwer getroffen. Das muss schon vor mehreren Tagen geschehen sein. Irgendwie ist es ihm trotz seiner Verletzung gelungen, in die Berge zu entkommen. Aber ...«
Lucas machte eine Nachdenkpause, ehe er weitersprach: »Aber es ist wohl jemand hinter ihm her. Seine Verfolger haben bestimmt nicht aufgegeben. Man wird nach ihm suchen, bis man ihn hat.«
Mit einem Ausdruck des Bedauerns stopfte er das Beutegeld in die Satteltasche zurück und stellte sie unter den Tisch. Dann sah er nach dem fremden verdächtigen Gast.
Um diesen stand es schlecht. Er war noch immer bewusstlos. Das bärtige Gesicht war fahl, die Wangen waren eingefallen. Clara hatte seine Kleidung geöffnet, um das Kugelloch freizulegen. Das Blei steckte tief in seinem Körper – zu tief, um es herausholen zu können. Jeder diesbezügliche Versuch hätte nur das Ende des Unbekannten beschleunigt.
Ja, der Mann würde sterben. Daran bestand kein Zweifel. Und es waren bestimmt Verfolger auf seiner Fährte. Sobald diese auf der Farm eintrafen, würden die Mullers erfahren, wer der Unbekannte war und was er auf dem Kerbholz hatte.
✰
Es war Nacht geworden. Dunkelheit senkte sich über das einsame Bergtal und umhüllte die Gebäude der Muller-Farm. Der Mond hielt sich noch hinter den im Osten aufragenden Berghängen versteckt.
Im offenen Herd des Farmhauses brannte knisternd ein wärmendes Feuer und sorgte gemeinsam mit einer flackernden Lampe für spärliches Licht, das gerade mal ausreichte, um die bescheidene Einrichtung erkennen zu können.
Man hatte bereits zu Abend gegessen. Hafergrütze hatte es gegeben, dazu für jeden ein gekochtes Ei. Danach hatte Lucas Muller die mit Geld gefüllte Satteltasche unter dem Tisch hervorgeholt und wieder entleert. Nun war er dabei, die Banknoten zu zählen. Lautlos bewegte er dabei die Lippen.
Seine Söhne sahen ihm mit offenem Mund zu. Nebeneinander saßen sie an der anderen Seite des Tisches und machten Stielaugen. Als einer von ihnen nach den Geldscheinen greifen wollte, schlug ihm der Farmer auf die Finger.
»Pfoten weg!«, knurrte er grob. Der Bursche zog seine Hand zurück und wagte keine Widerrede.
Lucas zählte weiter das Geld, während seine Frau neben dem Herd saß und ein Kleidungsstück ausbesserte.
Draußen war Wind aufgekommen. Er wirbelte feinkörnigen Sand über den Hof und warf ihn gegen die Hauswand. Irgendwo flatterte ein loses Brett.
Der auf dem Sofa liegende Verwundete bewegte sich unruhig. Immer wieder gab er ein dumpfes Stöhnen von sich. Wahrscheinlich hatte er starke Schmerzen. Er kam aber nicht zu sich.
Clara hatte wieder nach ihm gesehen, konnte aber nichts weiter für ihn tun, als mit einem feuchten Tuch seine Stirn zu kühlen.
Jetzt saß sie wieder an ihrem Lieblingsplatz und versuchte, das schadhafte Wäschestück zu flicken.
Laura war noch mit dem Abwasch beschäftigt. Das junge Mädchen war nicht nur sehr hübsch, sondern hatte auch eine höchst aufregende Figur. Ihre festen Brüste vibrierten bei jeder Bewegung, die sie machte. Sie wirkte sehr anmutig. Ihre brünetten Haare glänzten im Schein des Herdfeuers.
Niemand hatte sich bis jetzt der Farm genähert. Aber Lucas rechnete noch immer damit, dass ein Aufgebot kommen würde, um den Fremden festzunehmen. Deshalb reagierte er nervös auf jedes Geräusch von draußen. Immer wieder lauschte er ins Freie und spähte durchs Fenster, neben dem er saß, auf den Hof hinaus, konnte aber nichts Verdächtiges wahrnehmen.
Nein, es kamen keine fremden Reiter. Falls der ominöse Gast, den sie seit Stunden im Haus hatten, Verfolger am Hals hatte, so hatten diese die einsam gelegene Farm in der Dunkelheit noch nicht entdeckt.
Schließlich gab Lucas Muller das Geldzählen auf und begutachtete stattdessen die glänzenden Münzen, besonders die aus Gold. Fasziniert betrachtete er die prächtigen Goldeagles, erfreute sich an ihrem Glitzern. Sein zerfurchtes Gesicht bekam einen gierigen Ausdruck.
Die wurmstichige Wanduhr verkündete die neunte Abendstunde. Mehrere Sekunden lang unterbrach sie das Fauchen des Windes, der an den Dachsparren rüttelte.
»Es ist Zeit zum Schlafen!«, sagte Lucas Muller. »Also legt euch aufs Ohr!«
Es war eine deutliche Aufforderung an seinen Nachwuchs. Schweigend erhoben sich die beiden Söhne und bewegten sich zur Tür, murmelten einen Gutenachtgruß und gingen hinüber zu dem kleinen Anbau, in dem sie ihr Nachtquartier hatten. Die Haustür fiel ins Schloss.
Wenig später ging auch Laura zu Bett. Behände kletterte sie die angelehnte Leiter zu ihrem Schlafplatz unter dem Dach hinauf. Es war ein enger Verschlag, den sie für sich beanspruchen durfte.
Da ihr das Kattunkleid nur bis zu den Kniekehlen reichte und jetzt noch ein gutes Stück hochrutschte, wurden nicht nur ihre strammen Waden sichtbar, sondern auch ihre wohlgeformten Schenkel. Aber nach wenigen Sekunden war sie oben angelangt und verkroch sich in dem winzigen Gemach, das ihr allein gehörte.
Nur Clara verblieb noch an ihrem Lieblingsplatz und hantierte mit Nadel und Zwirn, gab dabei aber ein bekümmert klingendes Seufzen von sich, denn das alte Unterhemd ihres Mannes war kaum zu retten; es würde bald auseinanderfallen.
»Es sind mindestens dreißigtausend Dollar«, sagte Lucas Muller in das zwischen ihnen herrschende Schweigen hinein, und seine Stimme klang rau. »Was wir damit alles anfangen könnten! Wir wären auf einen Schlag alle Sorgen los. Wir könnten nicht nur unsere Schulden bezahlen, sondern wir könnten auch Land kaufen und eine Rinderzucht beginnen. Dann wäre es vorbei mit diesem armseligen Leben.«
»Sicher«, erwiderte Clara, die von ihrer Näharbeit aufblickte. »Aber es ist nicht unser Geld.« Ihr Blick wurde forschend. »Du denkst doch nicht etwa daran, den Schatz zu behalten?«
Lucas gab keine Antwort, sondern lauschte ins Freie. Der Wind hatte zugenommen und wirbelte jetzt verstärkt Staub und losgerissenes Blattwerk über den Hof. Aber es hörte sich nicht so an, als würde er das Klopfen von Hufen herantragen, den Hufschlag der Verfolger des unbekannten Räubers, den ihnen das Schicksal ins Haus geführt hatte.
»Antworte mir!«, verlangte Clara. Sie war trotz ihrer Sanftmut eine resolute Frau, die in manchen Dingen keinen Spaß verstand. Das verglimmende Herdfeuer rötete ihr Gesicht. Als ihr Mann noch immer nicht antwortete, sagte sie forsch: »Wir dürfen das fremde Geld nicht behalten, Lucas. Es würde uns kein Glück bringen. Du musst in die Stadt reiten und es dem Sheriff übergeben, damit er es denen zukommen lässt, denen es geraubt worden ist. Das ist das einzig Richtige, was du tun kannst. Es wäre Unrecht, dieses Geld zu behalten. Aber vielleicht löst sich diese Angelegenheit ohnehin von selbst, weil bald jemand kommen wird, der hinter diesem Fremden her ist, um ihn zu verhaften. Ich glaube nicht, dass man die Suche nach ihm aufgegeben hat.«
Lucas Muller verstaute das vor ihm liegende Geld wieder in der Satteltasche und stellte sie unter den Tisch.
»Wir werden sehen«, murmelte er.
Draußen rumorte der Wind.
✰
Die Nacht verging, ohne dass jemand kam. Und am Morgen war der Unbekannte tot. Er war gestorben, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen.
Lucas Muller, der um seine Existenz ringende, im Schweiße seines Angesichts auf dem kargen Boden schuftende Farmer, betrachtete das Geschehnis als einen Wink des Schicksals. Genauso hatte er sich die Entwicklung der Dinge gewünscht.
»Was nun?«, fragte seine Frau, nachdem die beiden Söhne den Toten aus dem Haus geschafft, auf der Veranda niedergelegt und mit einer alten Plane zugedeckt hatten.
»Wir werden den Mann begraben«, antwortete Lucas.
»Ohne zu wissen, wer er war? Wäre es nicht besser, ihn in die Stadt zu bringen?«
Lucas schüttelte den Kopf. »Nein, wir beerdigen ihn hier auf der Farm«, beharrte er auf seinem Entschluss. »Unsere Jungs werden ihm ein Grab schaufeln.«
Clara begriff, dass sie ihren Mann nicht umstimmen konnte. In manchen Dingen war er sturer als ein Maulesel.
»Na schön«, sagte sie. »Wie du willst.« Sie ging zum Herd und widmete sich dem Frühstück.
Lucas ging hinaus, um, wie er es jeden Morgen tat, nach dem Wetter Ausschau zu halten. Dabei ließ er seine Blicke auch das langgestreckte Tal hinaufwandern, das er von seiner Farm aus meilenweit überblicken konnte. Zu seiner Beruhigung war nichts außer weidenden Wildtieren war zu sehen.
Dann kehrte er ins Haus zurück, in die warme Stube, setzte sich an den Tisch und wartete darauf, dass ihm seine Frau das Frühstück servierte. Sie brachte ihm selbst gebackenes Brot, drei gebratene Eier und eine Kanne mit Melasse gesüßten Kaffee.
»Das Geld ist jetzt herrenlos«, sagte er, als er sich Kaffee einschenkte.
»Das scheint nur so, schätze ich«, erwiderte Clara. »Wie kannst du nur so etwas behaupten? Ich denke, es gehört noch immer der Bank, aus der dieser Bandit es geraubt hat. Oder willst du im Ernst etwas anderes behaupten?«
Lucas blieb ihr die Antwort schuldig und rührte in seiner Tasse. Mit trotziger Miene begann er, sich ein Stück Brot vom auf dem Tisch liegenden Laib abzuschneiden.
»Wir dürfen das Geld nicht behalten«, ergriff Clara wieder das Wort. »Du musst es zum Sheriff bringen.«
»Genau das werde ich nicht tun«, brummte Lucas. »Die dreißigtausend Dollar sind ein Geschenk des Himmels. Sie bedeuten für mich das Gleiche, als hätte ich eine Goldmine entdeckt. Sie werden dafür sorgen, dass sich unser Leben zum Besseren verändert. Ja, sie gehören jetzt uns.«
»Und wenn doch noch jemand kommt und Anspruch darauf erhebt? Was dann?«
»Dann wird sich derjenige damit abfinden müssen, dass es einfach nicht vorhanden ist«, antwortete der Farmer. »Überlass nur alles mir, Clara.«
Sein Entschluss stand fest; er würde das von einem unbekannten Outlaw erbeutete Geld behalten und betrachtete es als sein Eigentum.
»Wir waren immer anständige Menschen«, versuchte Clara ein letztes Mal ihren Mann umzustimmen. »Und ich möchte, dass das so bleibt.«
Doch er wies ihren Einwand brüsk zurück.
»Vergiss nicht die Not, in der wir gelebt haben«, sagte er. »Erinnere dich an die harten Zeiten, die wir durchgemacht haben. Denk an jenes Jahr, als wir mit einem klapprigen Planwagen auf der Suche nach einem Stück Land durch die Gegend gezogen sind und nicht wussten, was wir essen sollten. Als wir hungern und darben mussten und ich von den Leuten einer Ranch beinahe gelyncht worden wäre, weil ich ein verletztes Kalb geschlachtet hatte, um Fleisch für unsere Kinder zu haben. Ich hatte bereits die Schlinge um den Hals und ...«
»Ich weiß, Lucas, ich weiß«, sagte Clara. »Nur durch mein inständiges Betteln haben sie dich wieder freigelassen.«