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Wenn vom Herbst bis ins Frühjahr im Süden Kaliforniens die Santa-Ana-Winde wehen, findet sich auch schon mal ein Pyromane, der diesen natürlichen Fächer für seine diabolischen Absichten nutzt. Burned Ellen ist eine junge Frau, die als Einzige ihrer Familie einen Brandanschlag des Gangsters Danger Delgado und seiner Feuerreiter überlebt hat und sich - unterstützt von Murieta und dem Gun Monk - an die Fersen der Brandstifter heftet ...
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Im Höllenwind
Vorschau
Impressum
Im Höllenwind
Wenn vom Herbst bis ins Frühjahr im Süden Kaliforniens die Santa-Ana-Winde wehen, findet sich auch schon mal ein Pyromane, der diesen natürlichen Fächer für seine diabolischen Absichten nutzt.
Burned Ellen ist eine junge Frau, die als Einzige ihrer Familie einen Brandanschlag des Gangsters Danger Delgado und seiner Feuerreiter überlebt hat und sich – unterstützt von Joaquin Murieta und dem schießwütigen Mönch Anselmo del Valle, meist kurz der Gun Monk genannt – an die Fersen der Brandstifter heftet ...
In Dulzura, nahe der mexikanischen Grenze, fand die Fiesta zu Ehren des Heiligen Fermin statt. Den guten Fermin hatten zu Anfang des 4. Jahrhunderts die heidnischen Römer einen Kopf kürzer gemacht. Seitdem galt er als Märtyrer – alle Teilnehmer der Prozession, die zum Auftakt der Fiesta gehörte, trugen im Gedenken an seine Enthauptung ein rotes Tuch oder einen roten Stoffstreifen um den Hals.
Auf dem Balkon der Bodega »Anita Salvaje« – wilde Anita – standen drei wüste Gestalten, Revolverhelden und Sattelwölfe, Bandidos, die keine Gnade und keinerlei Rücksicht kannten.
Vor drei Tagen hatten sie sich in dem Ort eingenistet, passenderweise in der »Wilden Anita«, einem Bordellsaloon. Beim Nahen der Prozession rissen sie wüste Witze.
»Da kommen sie, die Sakristeiwanzen«, lärmte ihr Wortführer, eine lange Latte von Mann.
Manuel Rojo hieß er – der Rote Manuel –, und er trug abgerissene Charrokleidung. Zwei Patronengurte kreuzten sich vor seiner Brust.
Im Gürtel hatte er zwei schwere Coltrevolver. Zudem schleppte er noch eine abgesägte Schrotflinte und eine Machete mit sich herum. Beides hing in Schlaufen an seinem Gürtel.
Rojos brandrotes borstiges Haar und ein paar Narben in seinem Gesicht, wo es nicht viel zu verunzieren gab, passten dazu. Die Narben hatte ihm mal eine feindlich gestimmte Person vor Jahren zugefügt, als er zu betrunken gewesen war, um sich zu wehren.
Sie stammten von einer abgebrochenen Flasche. Seine beiden Kumpane Juan el Barril – Juan das Fass – und Adolfo el Asesino – Adolfo der Meuchler – passten zu ihm. El Barril war sehr dick; er hatte das aufgedunsene, rotblau verfärbte Gesicht eines schweren Trinkers und trug seine Pistolen in einer Schärpe um den Leib.
El Asesino wirkte wie die Tücke persönlich – verschlagen, mit Wurfmessern und gleich drei Colts ausgestattet. Die drei wirkten wie wandelnde Waffenlager.
Sie gehörten zur Bande des berüchtigten Diegrito Carranza. Dieser Halunke hatte um die dreißig Bandoleros unter seinem Kommando und terrorisierte Baja California und das neuerdings an die USA gefallene Goldwunderland Kalifornien nördlich davon. Wer sich mit Diegrito und seiner Bande anlegte, konnte von Glück sagen, wenn er einen schnellen Tod starb.
Zwei barbusige Weibsbilder kamen zu dem Trio auf dem Frontbalkon. Sie schmiegten sich an Rojo und Asesino. Sie waren grell geschminkt und auffällig gekleidet. Herausgeputzt, mit großen Ohrringen und klimpernden Billiggoldketten.
»Erlaubt ihr euch mit der Prozession einen Spaß?«, gurrte die eine, die ihre besten Jahre schon eine Weile hinter sich hatte. »Hier ist es so langweilig.«
»Wir sind euch langweilig?«, fragte Rojo, kniff sie fest in die Brust und zerrte an ihrem linken Nippel.
Die Puta quiekte.
»Au, nicht so grob!« Sie sprach Spanisch. »Ihr seid tolle Hombres, wahre Stiere und prächtige Hengste. Ich meine, ihr könntet ein wenig Stimmung in diese Prozession hineinbringen. Zeigt diesen Frömmlern, was ihr von ihnen haltet.«
»Warum nicht?«, fragte Rojo. »Wir wollen uns einen Spaß erlauben. Was müssen sie auch unbedingt hier vorbeiziehen?«
Er redete mit seinen beiden Kumpanen. Dann gingen er und El Asesino vom Balkon herunter und bauten sich auf der Straße auf. El Barril blieb oben auf dem Balkon. Zu den beiden Putas auf dem Balkon gesellten sich drei weitere.
Eine davon war alt und so hässlich, dass sie nur noch zum Saloonausfegen und Spucknapfleeren und andere niedere Tätigkeiten taugte. Der scheeläugige schmierige Barmann trat vor die Tür unten.
Der Besitzer der Bodega oder des Saloons, wie es die Americanos nannten, wenn sich mal welche hierher verirrten, ließ sich wohlweislich nicht blicken. Er hatte Diegrito Carranzas drei Leuten die Schlüssel übergeben, den Inhalt der Kasse herausgerückt und ihnen gesagt, sie sollten sich nur bedienen.
Er würde eine Luftveränderung brauchen. Dann war er verschwunden und froh, dass er mit dem Leben und unverletzt davonkam. Sein Personal blieb – das musste es. Es freundete sich mit Rojo und den beiden anderen an.
Und betete, dass nicht die ganze Bande nach Dulzura kommen würde. Denn dann wäre es noch viel schlimmer geworden für den ganzen Ort. Einen Sheriff gab es hier nicht – Dulzura gehörte seit anderthalb Jahren zu den USA – und auch kein Gesetz.
Es war nur ein unbedeutender Grenzort.
Die Prozession näherte sich mit Gesang und einem Blasorchester. Vorneweg gingen ein paar Honoratioren, soweit man in dem Kaff von solchen sprechen konnte. Dann kam hinter dem weihrauchfasschwingenden Messdiener der Pfarrer im vollen Ornat. In zwei Reihen folgte den Honoratioren die Prozession, um die hundertfünfzig Personen, Männer, Frauen und Kinder.
Eine Marienstatue und die des Heiligen Fermin – mit Kopf, unenthauptet, wurde innerhalb der zwei Reihen getragen. Die Prozession näherte sich mit Gesang und mit Blasmusik.
Ihre Teilnehmer freuten sich schon auf die Fiesta mit ausgelassenem Treiben und Amüsement, Essen und Trinken, Tanzen und Feuerwerk am Abend nach dem Auftakt durch die Prozession.
Die Honoratioren, der Alkalde und weitere, blieben vor den breitbeinig aufgepflanzten Bandoleros stehen. Blasmusik und Gesang verstummten.
»Wollt ihr an unserer Prozession teilnehmen, Señor Rojo?«, fragte der Alkalde, ein älterer Mann, unterwürfig. »Es wäre uns eine große Ehre. Der Heilige Fermin wird es euch vergelten.«
»Der Heilige Fermin kann mich mal«, antwortete Rojo barsch. »Er hat auf der Toilette genauso gestunken wie jeder andere. Und hat die Knie krumm machen müssen, wenn er einen Haufen fallen ließ.«
Asesino, Barril und die Weiber auf dem Balkon krümmten sich vor Lachen.
»Dann gebt uns bitte den Weg frei«, bat der Alkalde demütig. »Damit wir unsere Prozession fortsetzen können. Zu unserer Fiesta seid ihr herzlich eingeladen.«
Er hoffte, dass sie nicht kamen.
Rojo grinste ihn an.
»Das werden wir gern. Doch bevor ihr weiterzieht und euren Lärm verbreitet, wollen wir die Jungfrau und den Heiligen Fermin zu einem Drink in der Bodega einladen. Sie haben ihn sicher nötig. Bringt die zwei Figuren rein. Stellt sie an den Tresen. Wir wollen sie mit Schnaps begießen, um sie aufzuheitern.«
»Señor, das dürfen Sie nicht!«, flehte der Alkalde. »Das ist eine Lästerung und ein Sakrileg!«
»Hat dich wer gefragt?« Rojo zog einen seiner 44er Walker Colts und schlug dem Alkalden den massiven Lauf quer durchs Gesicht, dass die Nase brach.
Der Alkalde taumelte mit einem Aufschrei zurück.
»Runter mit den beiden Figuren. Rein in den Saloon mit ihnen!«, verlangte Rojo.
Die Prozessionsteilnehmer waren total eingeschüchtert. Sie duckten sich, murmelten, doch keiner wagte auch nur ein lautes Wort. Die Heiligenstatuen waren aus Holz geschnitzt und wurden jede von vier Leuten auf Tragstangen befördert.
Die Träger zitterten. Da trat der Pfarrer vor.
»Señores, ich protestiere im Namen der Kirche gegen das, was Sie vorhaben! Besinnen Sie sich. Ich bitte Sie, nehmen Sie Abstand von diesem Vorhaben. Das war sicher nur ein Scherz. Das kann nicht Ihr Ernst sein.«
»Klar ist das unser Ernst!«, rief Barril mit seiner quäkenden Stimme vom Balkon herunter. Er fuchtelte mit seinen Pistolen. »Wird's bald, oder sollen wir euch Beine machen? Wenn ihr Widerstand leistet und nicht gehorcht, wird Carranza kommen und euch die Hölle bescheren. Stellt euch wegen der zwei Holzfiguren nicht so an.«
Die Putas stimmten ihm zu und forderten lautstark, die Prozessionsteilnehmer sollten gehorchen. Die fünf Weiber wurden in dem Ort verachtet. Sie lebten von Kundschaft von außerhalb, und von keiner guten. Für die Verachtung wollten sie sich rächen.
»Ja, zeigt es ihnen!«, rief die Barbusige, der Rojo in die Brust gekniffen hatten. »Rojo, mein Schatz, lass mal den Pfarrer tanzen!«
»Nichts lieber als das!«, antwortete ihr den Rothaarige mit dem Narbengesicht. »Los, Pfaffe, tanz! Du da ...« Das galt dem Messdiener. »... beweihräuchere ihn. Und du mit der Tuba, blas ihm den Takt!«
Der Messdiener und der Tubabläser gehorchten. Noch bewegte sich der Pfarrer nicht.
Da zog Rojo auch den zweiten Revolver und schoss ihm mit beiden Waffen abwechselnd knapp vor die Zehen. Der Pfarrer hüpfte im vollen Ornat. Sein bestickter Umhang flatterte.
Es knallte, die Mündungsblitze zuckten. Der Pfarrer hüpfte und sprang. Die Putas auf dem Balkon amüsierten sich köstlich. Auch die Bandidos hatten ihren Spaß. Dann waren die Colts leergeschossen. Der Pfarrer stand außer Atem da. Gedemütigt und beschämt.
Der Posaunist verstummte.
»Wer hat dir gesagt, dass du aufhören kannst?«, bellte ihn Rojo an. »Blas, du Kanaille!«
Wieder ertönte die Tuba. Rojo nahm seine abgesägte Schrotflinte, trat näher und schoss eine Ladung in Röhre und Schalltrichter der großen Blechtuba. Der Bläser erschrak, die zerschossene Tuba verstummte.
»Jetzt kannst du aufhören!«, grölte Rojo, sein Narbengesicht voll teuflischer Freude. Wenigstens war bei dem Schuss niemand verwundet worden. »Los, pronto! Rein mit den Figuren in den Saloon. Oder ich helfe euch auf die Sprünge.«
Keiner wagte einen Widerspruch. Die Prozessionsteilnehmer waren alle unbewaffnet. Arme Peones, die es gewöhnt waren, sich zu ducken. Kleinere Kinder weinten. Ihre Mütter beruhigten sie und drückten sie an sich, um nicht die Aufmerksamkeit und den Unmut der Bandoleros auf sich zu lenken.
Die Träger luden die beiden Heiligenfiguren ab.
»Dann wollen wir im Saloon der Jungfrau mal unter den Rock sehen!«, rief Asesino.
Das Kleidungsstück war aus Holz geschnitzt, also konnte der Vorgang nicht umgesetzt werden. Doch die üble Bemerkung war ein weiterer Schlag ins Gesicht der Einwohner von Dulzura. Die Träger packten die mannsgroßen Holzfiguren an.
Als sie mit ihnen in die üble Bodega wollten, meldete sich eine Stimme.
»Halt, es ist genug! Legt eure Waffen ab, ihr drei Bastarde, oder ich weise euch den Weg zur Verdammnis!«
»Wer spricht da?«, fragte Rojo, denn Prozessionsteilnehmer verdeckten ihm die Sicht.
»Ich bin der Gun Monk!«
✰
Um die Ecke eines kalkweiß getünchten Adobehauses kam eine merkwürdige Erscheinung hervor. Im Weg stehende Männer von der Prozession wichen aus. Der Neuankömmling baute sich seitlich an der Straße auf.
Er war mittelgroß und rundlich, barfuß und trug eine Mönchskutte. Sein rundes und auf den ersten Blick gutmütiges Gesicht beschattete ein rundkroniger Hut mit steifer gerader Krempe. Ungewöhnlich für einen Mönch war, dass er einen Revolvergurt mit zwei Hartford Dragoon Colts trug.
Außerdem baumelte von diesem Gurt ein Rosenkranz.
»Was bist du denn für ein seltsamer Heiliger?«, fragte ihn Rojo.
»Hast du noch nie von mir gehört? Ich bin der Revolvermönch, der seinem Orden entsagte, weil er der Meinung ist, man darf das Verbrechen und das Böse in der Welt nicht nur mit Gebeten und frommen Sprüchen bekämpfen.«
»Der Revolvermönch?«, fragte Rojo. »Ich dachte, das ist nur eine Legende. Der Gun Monk, der oft mit Joaquin Murieta zusammen reitet, dem Robin Hood der Goldfelder und Kaliforniens. Der den Reichen nimmt und den Armen gibt. Der Unrecht und Böses bekämpft, der aufsteht gegen die Tyrannei der Mächtigen und der dabei sein Leben einsetzt.«
»Murieta hältst du nicht für eine Legende?«
»Nein, der ist echt.« Rojo kniff lauernd die Augen zusammen. »Ist er bei dir? Hier in der Nähe?«
»Nein, Joaquin ist weit entfernt.«
»Dann bist du ganz allein?«
»Der Herr ist mit mir.«
»Das reicht nicht«, zischte der rothaarige Bandolero. »Legt ihn um!«
Das galt Barril und Asesino. Sie zogen. Der Gun Monk hatte seine Colts noch in den Holstern. Er zog schneller. Seine beiden Revolver krachten und spien Mündungsfeuer und heißes Blei. Asesino und Barril sanken getroffen nieder.
Rojo schaute betroffen in die Mündungen der rauchenden Colts des barfüßigen Mönchs in der härenen, braunen Kutte.
Seine Revolver waren leergeschossen, nachdem er den Pfarrer hatte tanzen lassen.
»Ich muss erst nachladen, Mönch«, sagte er. Seine Schießeisen hatte er wieder in den Holstern. »Du gibst mir doch eine faire Chance, oder?«
»Jederzeit«, sagte der Gun Monk. »Doch ich mag nicht warten, bis du geladen hast.«
Bei einem Perkussions-Revolver dauerte das knapp unter zwei Minuten, wenn man fit damit war. Dafür hatte er dann sechs Schüsse mit Pulver und Blei, Ladepfropfen und Pistons.
»Nimm dir den Revolver von deinem Messerwerfer-Freund neben dir.« Asesino lag tot am Boden. Er trug eine Weste mit Wurfmessern. Sie hatten ihm nichts genützt, nicht mal, um die Kugel des Gun Monks abzufangen. »Los, bück dich, Amigo. Ich warte mit dem Ziehen, bis du den Griff der Waffe gepackt hast.«
Der Gun Monk holsterte seine Colts. Rojo starrte ihn an. Ihm wurde es mulmig. Doch er war kühn und todverachtend. Er ging in die Knie und tastete langsam nach dem Colt, aus dem sein Kumpan keinen Schuss hatte abgeben können.
Er lag neben seiner toten Hand.
Als Rojo den Kolben des Colts berührte, zog der Gun Monk wieder. Sein Schuss krachte. Es riss Rojo nach hinten.
Er hatte ein Einschussloch in der Stirn. Die austretende Kugel riss ihm den halben Hinterkopf weg. Trotzdem hatte er noch einmal schießen können – doch nur in den Boden.
Reglos lag er dann da. Nur einmal noch scharrte sein rechter Fuß mit dem Absatz über den Boden.
Der Gun Monk lud den Revolver nach. Der Priester, der Alkalde und andere näherten sich ihm. Noch konnten sie nicht fassen, was geschehen war und wie sich die Lage für sie veränderte.
Die fünf Putas auf dem Balkon waren geschockt.
»So schnell kann es enden«, sagte die eine. »Gestern haben sie noch mit uns gehurt und gefeiert. Jetzt sind sie tot.«
»Bedeckt euch, ihr Töchter der Sünde«, sagte der Mönch zu den beiden Barbrüstigen. »Es gehört sich nicht, so in der Öffentlichkeit aufzutreten.«
»Ja, Padre.«
Rasch zogen sich die fünf zurück. Dem Alkalden hatte der Schlag mit dem Revolverlauf die Nase gebrochen.
Undeutlich nuschelte er: »Tausend Dank, Monje.« Mönch oder Klosterbruder hieß das. »Ihr habt uns gerettet und vor großem Unheil bewahrt. Die Heiligenbilder wurden nicht geschändet.«
»Das sind Figuren aus Holz«, sagte der Gun Monk. »Der wahre Geist und die Gerechtigkeit wohnen in den Herzen der Menschen. Oder sollten dort sein. Es ist mir eine Ehre, euch beigestanden zu haben. Leider konnte ich nicht eher eingreifen. Von einer Familie, die unweit von hier ihr kleines Anwesen hat, erfuhr ich, dass sich drei Übeltäter hier eingenistet hatten. Setzt eure Prozession fort. Dann feiert Fiesta. Ich habe euch von dem Bösen befreit.«
Viele drängten sich um den Revolvermönch, um sein Gewand zu berühren, als ob er ein Wundertäter sei. Oder als ob etwas von seiner Kraft und seinem Mut auf diejenigen übergehen würde, die ihn berührten.
Er streifte die Hände weg.
»Fasst mich nicht an und bewundert mich nicht. Ich bin nur ein sündiger, schwacher Mensch wie ihr. Ich habe Armut und Keuschheit gelobt und tue Gutes auf meine, mitunter auf böse Art. Heute habe ich wieder getötet.«
Er schlug das Kreuz über den beiden Toten auf der Straße und zum Balkon hinauf, wo Barrils Bauch aufragte.
»Der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen. Irgendwann wird er auch mein Leben nehmen. Hoffentlich genüge ich seinen Ansprüchen, wenn ich vor ihn treten und Rechenschaft ablegen muss. Begrabt diese Toten in Würde und Ehren.«
»Das werden wir, wenn du es wünschst«, sagte der Sohn des Alkalden. »Wie sollen wir euch ansprechen? Wir können nicht immer nur Gun Monk sagen.«
»Anselmo del Valle ist mein Name. Nennt mich Bruder Anselmo. Ich bin ein rauer Pilger im steinigen Tal.«
Der Alkalde schnüffelte. Er hielt sich ein Tuch vor die blutende Nase.
»Trotzdem wollen wir euch bitten, den Ort zu verlassen, noch ehe die Fiesta zu Ende ist. El Carranza wird herkommen und den Tod seiner drei wilden Lobos rächen wollen. Wenn wir Glück haben, verschont er uns, denn gekämpft hast du allein, Anselmo.«
El Carranza – der Stachel, hieß das. Er war ein Stachel im Fleisch aller anständigen Menschen.
»Ich bleibe«, sagte der Gun Monk. »Joaquin Murieta wird kommen.«
»Er ist ein Kämpfer sondergleichen«, nuschelte der Alkalde. »Doch ihr seid nur zwei. Und Carranza hat dreißig Mann.«
»Das lasst unsere Sorge sein. Meine und Joaquins. Jetzt setzt die Prozession fort – dann feiert, seid fröhlich, vergnügt euch. Der Herr im Himmel mag frohe Mienen.«
Damit ging der Gun Monk dorthin, wo er sein Pferd abgestellt hatte. Die Leichen wurden fortgetragen. Die beiden Heiligenfiguren wurden wieder auf die Trage gehoben. Die Prozession formierte sich, man zog weiter.
Rund um den Ort, der Kirche entgegen. Gesang und Blasmusik setzten ein. Die Tuba spielte nicht mehr mit.
✰
Zwei Tage später traf Murieta ein. Der Gun Monk war in einer leerstehenden Hütte untergekommen und genoss die Gastfreundschaft des ganzen Dorfs. Murieta kam um die Mittagszeit auf einem prächtig aufgezäumten Pferd.
Er war mexikanisch gekleidet, mit Gewehr und Revolvern und Messer bewaffnet und trug silberne Sporen an seinen Reitstiefeln. Die Sporen gebrauchte er allerdings nie.
Joaquin Murieta war über mittelgroß, groß für einen Mexikaner. Er hatte ein gut geschnittenes Gesicht mit scharf blickenden braunen Augen und trug einen kleinen Schnurrbart.
Sein Alter war schwer zu schätzen – er konnte Mitte Zwanzig, aber auch zehn Jahre älter sein. Er trug silberne Conchos an seiner Jacke. Seine Ankunft erregte Aufsehen. Man wies ihm den Weg zur Bodega »Anita Salvaje« und wollte ihn auch gleich unterrichten, was zu Beginn der Fiesta vorgefallen war.
Er winkte ab.
»Das weiß ich schon.«
Die Nachricht hatte sich schnell verbreitet. Murieta ritt zur Bodega, bei der zwei Tage zuvor sein Waffenbruder, der Gun Monk, Blut vergossen hatte. Rojo und seine beiden Kumpane hatten inzwischen ein ordentliches Grab auf dem Cemeterio.
Sogar Blumen hatte man ihnen aufs Grab gegeben. Der Gun Monk hatte darum gebeten.
»Das sollen sie haben. Ihre irdische Laufbahn ist beendet. Möge der Herr ihnen gnädig sein.«
Die Dorfbewohner waren nicht so human und christlich gesinnt. Sie hätten die drei Bandidos am liebsten einfach verscharrt. Aber der Gun Monk wollte es nun einmal so.
Murieta band sein Pferd im Schatten an. Kinder aus dem Dorf waren dem Reiter hinterhergelaufen und begafften ihn. Die Erwachsenen taten das weniger offen.
Der Perlvorhang am Eingang klirrte, als Murieta eintrat. Im Saloon war es kühl und schattig. Die Bodega war aus Adobe gebaut. An die Frontfassade war links eine barbusige Schönheit gemalt, von der die Farbe abblätterte.
Rechts saß ein Mexikaner mit einer anderen Brustfreien. Sie war etwas frischer. Damit man auch gleich wusste, was hier abging, hing eine rote Laterne über der Tür.
In der Bodega befanden sich nur der mittlerweile zurückgekehrte Besitzer, der Barmann, der Gun Monk und die fünf Putas. Letztere waren züchtig gekleidet. Murieta und der Gun Monk umarmten sich zur Begrüßung, jeder ehrlich erfreut, den andern zu sehen.
Murieta begrüßte kurz die zwei anderen Männer.
Sie betrachteten ihn voller Respekt.
»Ich habe dich mir größer vorgestellt«, sagte der Bodegero.
»Wie denn?«
»Nun, zwei Meter. Ein Hüne von Mann.«
»Ich bin groß genug«, sagte Murieta. »Ich kann auch kein Feuer spucken, falls man das von mir erzählt hat. Anselmo, mein Freund, ich finde dich in weiblicher Gesellschaft?«
»Ich versuche, diese Sünderinnen zu bekehren«, sagte der Gun Monk. »Leider sehe ich wenig Aussicht auf Erfolg.«
»Pass auf, dass sie dich nicht bekehren«, riet ihm Murieta – zu ihrem Lebenswandel, meinte er. »Kann man hier etwas essen?«
»Ich will niemanden kränken«, sagte der Gun Monk. »Doch wenn du einmal in die Küche geschaut hast, wo es von Kakerlaken wimmelt, vergeht dir der Appetit.«