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Carolina ist ein normales, 15-jähriges Mädchen. Sie ist gerade dabei ihre erste Liebe mit Philip zu entdecken. Doch die Beziehung gibt Carolina nicht das, was sie sich davon erwartet hat.
Enttäuscht wendet sie sich ihrer Fantasie zu und muss entdecken, dass sie wohl nicht so ist, wie die meisten anderen ihres Alters. Als sie dann im Internet auch noch die gleichaltrige Andrea kennenlernt, gerät ihr Leben vollends aus den Fugen.
Mit der Liebe zu ihr ändert sich plötzlich alles. Um sich zu betäuben flüchtet sie sich in die Drogenhölle. Nur mit Hilfe von Alexander, einem seltsamen Jungen aus ihrer Klasse, schafft sie es endlich sich zu lösen und die Liebe zu akzeptieren.
Doch nun verschwinden Freunde, die Familie ist nicht mit der Beziehung einverstanden. Nur Alexander und Andrea geben ihr noch Halt. Doch das Schlimmste steht ihr erst noch bevor...
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Stephanie M. Schwartz. Geboren 1982 in der Nähe von Salzburg in Österreich, aufgewachsen an einem kleinen See, im Oberösterreichischen Seengebiet, kam bereits früh mit dem Medium Buch in Kontakt.
Kaum konnte sie lesen, verschlang sie regelrecht jedes Buch, das ihr zwischen die Finger kam. Als sich bei einer Untersuchung herausstellte, dass sie unter einer leichten Form der Legasthenie leidet, beschloss sie diese zu bekämpfen indem sie begann ihre Gedanken und Erlebnisse zu Papier zu bringen.
Ein begonnenes Studium der Germanistik und Kommunikationswissenschaften scheiterte an der österreichischen Studiengebühr.
Als Angestellte verbringt sie nun ihre Freizeit mit dem Schreiben diverser Bücher und Kurzgeschichten.
Neuigkeiten über die letzten Buchprojekte finden sich auf der Facebookseite.
Feedbacks, Vorschläge und Sonstiges können an [email protected] gesendet werden.
Für meine Liebsten
Die Handlung dieses Romans, sowie die handelnden Personen sind frei erfunden.
Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
© Schwartz, Stephanie M.
Alle Rechte vorbehalten.
Der Inhalt dieses Buches ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung nicht vervielfältigt oder weitergegeben werden.
Wie beinahe jeden Tag um diese Uhrzeit holte der Wecker Carolina unsanft aus dem Tiefschlaf. Wieder einmal wachte sie aus diesem seltsamen Traum über Baywatch auf, der sie in letzter Zeit immer häufiger beschäftigte. Warum wurde sie diese Träume einfach nicht los? Immerhin war es Jahre her, seit sie das letzte Mal die Serie gesehen hatte. Noch schlimmer war allerdings, dass ihr diese dunkelhaarige Schauspielerin nicht mehr aus dem Kopf ging.
Ein warmes Gefühl durchströmte sie, als das Gesicht der Frau vor ihrem geistigen Auge vorüberzog.
Mit einer Handbewegung wischt sie das Bild von sich und wälzte sich murrend aus ihrem Bett. Es wurde langsam notwendig, dass sie ihr Zimmer wieder einmal aufräumte. Dieses Durcheinander war mittlerweile selbst für ihre Verhältnisse zu viel.
Aus den kleineren und größeren Kleiderhaufen fischte Carolina ein Paar Socken und einen Tanga, die sauber aussahen und nicht stanken. Die Schranktür stand offen und für einige Augenblicke betrachtete sie sich im darin angebrachten Spiegel.
Wirklich hübsch fand sie sich nicht, auch wenn sie sich über mangelnde Aufmerksamkeit seitens der Jungs nicht beschweren konnte. Gut, der Bauch war schön flach und das Piercing darin, von dem ihre Eltern nichts wussten, glitzerte aufregend.
Aber sonst?
Die Oberschenkel waren zu dick, die Hüfte zu breit. Das was dort zu viel war schien dafür an ihrem Busen zu fehlen. Ein mickriges A-Körbchen. Damit war Carolina mehr als unzufrieden.
Warum hatte sie nicht die Brüste ihrer Mutter geerbt? Die waren schön groß und auch nach vier Kindern und mit über 40 noch fest und straff.
Gähnend kratzte sie über ihren Bauch und schloss die Schranktür. Für heute hatte sie sich genug über ihren Körper geärgert. Der anstehende Tag verdarb ihr ohnehin bereits so kurz nach dem Aufstehen die Laune. Ein typischer Schultag eben.
Der einzige Lichtblick war, wie eigentlich immer, dass sie Philip jetzt gleich im Bus treffen würde. Er war wirklich ein Traum von einem Jungen und jede ihrer Freundinnen war von Neid zerfressen, dass ausgerechnet sie ihn sich geangelt hatte.
Seit über drei Monaten waren sie nun bereits zusammen und langsam aber sicher wurde es ernst. Philip war mittlerweile bereits bis in ihr Höschen vorgedrungen und drängte immer mehr darauf mit ihr zu schlafen. Noch war sich Carolina nicht wirklich sicher, ob sie das auch wirklich wollte.
Allerdings fühlte sie langsam aber sicher den Druck, der von allen Seiten auf sie einzudringen schien. Ihre Freundinnen waren alle keine Jungfrauen mehr und so manche trieb es bereits jetzt schon mehr als wild. Carolina war dafür, dass sie ihren Spaß hatten, doch für sich selbst, sah sie die Sache etwas konservativer.
Nicht, dass ihr etwas an dem Häutchen liegen würde oder, dass sie gar Angst vor dem ersten Mal gehabt hätte. Aber sie wusste nicht, ob Philip wirklich der Richtige dafür war.
Etwas fehlte einfach.
Noch konnte Carolina nicht mit dem Finger darauf zeigen, doch sie wusste es. Die Beziehung zwischen ihnen war nicht so, wie sie es sich erträumt hatte. Sie mochte Philip, das stand außer Frage, doch Liebe?
War das wirklich Liebe, was sie fühlte? Wenn ja, dann übertrieben Sänger und Drehbuchschreiber wirklich maßlos.
Abermals öffnete Carolina die Schranktür und blickte sich selbst in die grünen Augen. Das schwarze, lange Haar wirkte fettig und nicht sonderlich gepflegt, doch sie hatte am Vortag keine Lust gehabt, es zu waschen.
Wieder wanderte ihr Blick an ihrem nackten Körper hinab und mit einem Kopfschütteln schlug sie die Tür wieder zu.
›Es wird so oder so bald passieren‹, dachte sie, ›Dann doch lieber mit einem Typen, den ich mag.‹
Ihre Hand strich über ihren Bauch, hinab zu ihrem Schamhaar. Seit zwei Wochen hatte sie sich nicht mehr rasiert. Es störte sie auch nicht, denn so dicht wuchsen sie noch nicht, doch vielleicht würde es Philip stören.
Bevor sie in ihren Tanga schlüpfte, beschloss sie, sich am Abend ein Bad zu gönnen und sich wieder einmal gründlich zu rasieren.
Als sie ihre Socken angezogen hatte fehlte noch ein BH. Genervt ging Carolina auf die Knie und durchwühlte die verschiedenen Wäschehaufen, bis sie endlich einen gefunden hatte. Wie es der Zufall wollte, passte der sogar farblich einigermaßen zu ihrer Unterhose.
Im gleichen Haufen fand sie auch ihren schwarzroten Rock mit Rautenmuster und eine weiße Bluse. Zwar hatte das etwas von einer Schuluniform, doch sie mochte es.
Noch einmal öffnete sie ihre Schranktür und stellte sich vor den Spiegel. Rock und Bluse waren schnell angezogen und es ging ans Styling. Mit schnellen Griffen teilte Carolina ihre schwarzen Haare in zwei Zöpfe, links und rechts über den Ohren und befestigte sie mit zwei großen, roten Schleifen.
Ihr Blick fiel auf ihre alte Hello-Kitty-Wanduhr. Die Farbe war bereits ausgeblasst und die Zeiger etwas verbogen, doch sie hing an dieser Verbindung zu ihrer Kindheit.
Kurz vor sechs Uhr, Carolina war bereits spät dran. Allerdings musste sie vorsichtig und leise sein, denn die Familie schlief bestimmt noch.
Vorsichtig öffnete sie die Tür und huschte hinüber ins Badezimmer. Auch hier herrschte das Chaos. Das war allerdings nicht weiter verwunderlich. Immerhin benutzten nur sie und ihren drei Geschwistern dieses Bad und waren auch dafür verantwortlich, dass es sauber gehalten wurde. Kein Wunder also, dass das nicht wirklich funktionierte.
Auf dem höchsten der Regale standen Carolinas Sachen. Sie musste sie dort oben in Sicherheit bringen, damit Stefanie, ihre kleine Schwester, sich nicht noch einmal mit ihrem wasserfesten Kajal selbst tätowieren konnte. Allerdings war sie mittlerweile fünf Jahre alt und sollte es eigentlich besser wissen.
Das helle Gesichtspuder ließ ihre sonst eher dunkle Haut beinahe weiß erscheinen. Wie immer am Morgen von einer eher düsteren Stimmung beseelt, geriet der Kajalstrich viel zu dick, was sie mit dunklem Lidschatten und schwarzer Wimperntusche allerdings auch kaum kaschierte.
Die Lippen zeichnete sie mit einem knallroten Lippenstift nach und betonte das rechts neben ihrer Lippe gelegene Muttermal. Am Schluss sprühte Carolina noch etwas Deo unter die Achseln, indem sie die Hand mit der Dose in ihre Bluse schob.
Sie machte ein paar Schritte zurück und betrachtete sich im Spiegel. Anscheinend nannte man den Stil Gothic-Lolita, aber sie glaubte eher es wäre mehr in Richtung Punk angesiedelt. Allerdings war es ihr auch egal, es war ihr Stil, den sie für sich selbst entwickelt hatte.
Gedankenverloren schluckte sie die Pille und erkannte, dass noch etwas fehlte.
Natürlich!
Die blickdichte Strumpfhose.
Schnell huschte Carolina zurück in ihr Zimmer, zog die weiße Strumpfhose an, die schwarzen Strümpfe darüber und suchte ihre letzten Sachen für die Schule zusammen.
Als der Rucksack gepackt war ging es leise hinunter ins Untergeschoss des Hauses. Eigentlich war ihr ja auch egal, wenn ihre Geschwister aufwachten, doch die waren wie kleine Steine, die eine Lawine in Gang setzten. Sie würden ihre Eltern aufwecken. Mama und Papa kamen nach unten und sahen ihre Älteste. Dann könnte sie sich wieder eine Standpauke über ihren Aufzug anhören. Und genau das fehlte ihr noch um diese Uhrzeit.
Frühstücken wollte sie nicht, aber Carolina packte einen Apfel für die Schule ein, damit sie wenigstens etwas zwischen die Zähne bekam. Zu viel wollte sie ohnehin nicht essen, sonst würde sich ihr Arsch noch weiter ausdehnen und das wollte sie unbedingt vermeiden.
Der Blick auf die Uhr verriet, dass es allmählich Zeit wurde, zum Schulbus zu gehen. Der Weg zur Haltestelle war zwar nicht sehr weit, doch wie immer geriet sie gleich unter die anderen Schüler, die auch auf dem Weg waren. Und wie immer dauerte es auch nicht lange bis die ersten blöden Sprüche kamen. Man zog sie wegen ihrer Kleidung auf oder weil sie noch Jungfrau war und Carolina revanchierte sich mit Sprüchen über ihre Pickelgesichter und Minischwänze. Insgeheim trafen die Sticheleien Carolina jedoch tiefer, als sie es sich selbst eingestand. Einerseits waren es nur Kinder und selbst die würden wohl irgendwann erwachsen werden. Andererseits bildeten sie den Kern der Gesellschaft. Die angepasste Masse, sozusagen.
Wie würden sie sich wohl in Zukunft verhalten. Würden sie weiterhin jedem Fremden derart feindlich gegenüberstehen? Oder würden sie bereit sein sich Neuem zu öffnen, Anderes zu akzeptieren oder gar selbst über ihren Schatten zu springen?
Für Carolina war dies eine rein rhetorische Frage. Sie hielt die Masse der Menschen ohnehin für dumm. Je mehr Menschen sich zu einem Haufen zusammenrotteten, umso dümmer und irrationaler wurden sie. Das schien ein Naturgesetz zu sein. Nicht anders war es hier. Wer zu schwach war sich selbst zu erkennen und zu akzeptieren, der passte sich der Masse an und übernahm ihren Geschmack und ihre Vorlieben.
Nein, sie würden sich nie ändern, schloss Caro still für sich ab und diese Einsicht machte sie doch etwas traurig. Immerhin stellten diese Kinder, genauso wie sie selbst, die Zukunft dar.
Nach außen wirkte Carolina selbstsicher, als könnten ihr der Spott und die Sprüche nichts anhaben. Doch innerlich war sie zerbrechlicher als ihr selbst bewusst war. Ihre Kleidung war für sie wie eine Maske. Hinter ihr konnte sie sich selbstbewusst geben. Außerdem brachte sie ihr Aussehen oft ins Gespräch, wenn sie niemanden kannte. Andererseits schreckte es auch ab, doch damit konnte sie leben.
Carolina war nicht dumm, auch wenn sie sich gerne so stellte. Jungs in ihrem Alter konnten mit klugen Mädchen nicht umgehen. Vermutlich genauso wenig wie die meisten Männer mit intelligenten Frauen. Sie fühlten sich von ihnen bedroht oder in ihrer Männlichkeit angegriffen oder welch lächerliche Gründe dahinter auch stecken mochten. Caro wusste es nicht und es war ihr auch egal. Sie hatte sich damit abgefunden ständig aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt und nicht für voll genommen zu werden. Doch sie würde es allen beweisen!
An der Haltestelle wartete bereits Lily auf sie. Lily war ihre beste Freundin, schon seit sie gemeinsam in den Kindergarten gegangen waren. Sie war ähnlich gekleidet wie Carolina und hätte sie nicht knallrote Haare gehabt, hätte man sie gar für Zwillinge halten können.
Wie jeden Tag begrüßten sie sich mit einem Kuss auf den Mund. Die Jungs lästerten immer über die, wie sie meinten, Lesben, die sich jeden Tag küssten, doch die Mädchen reagierten nicht darauf.
Insgeheim musste sich Carolina sogar eingestehen, dass es immer einer der schönsten Momente des Tages war, wenn sie Lily küsste. Es war so angenehm ihre Lippen zu fühlen, so weich und zärtlich.
Carolina schnitt eine Grimasse und wischte den Gedanken beiseite.
Mit Philip war es schöner, versicherte sie sich mehrfach, als sie in den Bus stiegen.
Da saß er auch schon. Wie immer breit grinsend und mit seiner Baseballkappe. Wortlos zog er sie auf seinen Schoß und steckte Carolina seine Zunge so tief es ging in den Hals.
›Als wäre mein Hals ein Glas und er fischt mit seiner Zunge nach der letzten Olive darin‹, schoss Carolina durch den Kopf.
Wirklich gut küssen konnte er nicht, aber wenn es ans Streicheln ging, dann war er sehr zärtlich. Zumindest fühlte es sich schön an, wenn er sie berührte.
»Hi mein Süßer, wie geht’s dir?«, wollte sie wissen, nachdem er von ihr abgelassen hatte und rutschte von seinem Schoß auf den Platz neben ihn.
»Super. Was tust du heute nach der Schule? Meine Eltern sind nicht daheim.«
Er war selten direkt, das war typisch für ihn.
Warum sagte er nicht einfach, was er wirklich dachte: ›Komm zu mir und lass mich endlich zwischen deine Beine!‹
Irgendwie mochte Carolina doch genau dieses Verhalten an ihm. Auch wenn er es nicht aussprach, so wusste sie doch gleich, woran sie war. Und waren sie alleine, dann lag sowieso alles in seiner Hand. Es gefiel ihr, dass er die Zügel in die Hand nahm und sie führte. Allerdings ob sie wirklich heute mit ihm den Nachmittag alleine verbringen wollte, wusste sie noch nicht.
Ihre Zweifel verdrängend antwortete sie, ohne groß darüber nachzudenken: »Cool, klingt gut.«
Die Fahrt zur Schule nahm ihren gewohnten Lauf. Wie immer fummelte Philip etwas ungestüm und alles andere als zärtlich an ihren Brüsten herum, während er ihr seine Zunge so tief er konnte, in den Hals steckte. Doch es störte Carolina nicht weiter. In gewisser Weise war es doch auch angenehm.
Hand in Hand wanderten sie von der Haltestelle in die Garderobe und dann hinauf zu ihren Klassen. Da blieb er schließlich stehen und sah Carolina tief in die Augen.
»Dann sehen wir uns nach der Schule? Du fährst einfach gleich mit zu mir?«
»Klar können wir machen. Bis dann«, hauchte sie und wandte sich ab.
Abermals stiegen Zweifel in ihr hoch, doch sie unterdrückte sie, wie bereits so oft. Es würde seinen Weg gehen. Das war nun einmal so.
Obwohl es ein Freitag war und nur sechs Stunden am Plan standen, wollte die Zeit nicht vergehen. Besonders die letzten zwei Stunden Sport würden wieder anstrengend und vor allem nervend.
Vielleicht sollte sie über Regelschmerzen klagen, dann dürfte sie aussetzen, aber das konnte sie kaum. Nicht schon wieder! So oft hatte niemand die Regel, das würde sicher auch Frau Schuster auffallen.
Nein, sie würde in den sauren Apfel beißen müssen. Und ihrem Arsch würde etwas Bewegung bestimmt auch nicht schaden. Außerdem mochte sie Frau Schuster.
Die Mädchen im Umkleideraum waren laut wie immer. Carolina war die Einzige, die mit wirklich allen der Mädchen befreundet war und auch in der Klasse war sie sehr beliebt. Ihre Maske half ihr dabei sich zu verstellen. Keiner wusste, wie es in ihr aussah. Wenn sie ehrlich zu sich war, wusste sie es selbst nicht genau.
Ihre Klasse verstand sich ohnehin als Einheit. Es gab nur einen Außenseiter, mit dem sich niemand verstand und der allerdings auch nicht versuchte sich in diese Gruppe zu integrieren.
Wie jedes Mal wanderte ihr Blick unbewusst durch die Umkleide, als die Mädchen in Unterwäsche dastanden. Sie war sich dessen zwar bewusst, konnte es aber nicht verhindern. Unwillkürlich musterte sie die andern Mädchen und verglich sich mit ihnen. Viele hatten bereits eine viel weiblichere Figur als sie, aber auch einige, die noch immer sehr knabenhaft wirkten. Doch am besten gefiel ihr Kisha.
Kisha war die Tochter eines Einwanderers aus dem Kongo, der eine Einheimische geheiratet hatte. Die Mulattin hatte eine wunderschöne, dunkle Haut und bereits mit fünfzehn einen äußerst sinnlichen Körper. Ihre großen, mandelförmigen Augen wirkten so offen und in den unzähligen, engen Locken hätte sie am liebsten ihre Hände vergraben.
Mit einer Handbewegung wischte sie auch diese Gedanken von sich. Immer wieder in letzter Zeit wurde sie davon überrascht und immer weniger war sie dazu in der Lage sich dagegen zu wehren.
Nach über einer Stunde Volleyball war sie erschöpft, verschwitzt und freute sich bereits auf eine heiße Dusche. Glücklicherweise mussten sie nicht mit den Jungs der Klasse Sport machen. Vierzehn Mädchen unter sich waren viel angenehmer und sie musste sich nicht mit der sinnlosen Brutalität und Aggressivität der Jungs herumplagen.
Wie immer war Carolina eine der Letzten in der Dusche. Sie timte das immer so, denn so konnte sie einen Blick auf all ihre Mitschülerinnen werfen.
Der Vergleich mit ihnen gab Carolina ein Gefühl der Sicherheit. Sie konnte sich davon überzeugen, dass sie ihr körperlich nicht so weit voraus waren, wie sie manchmal dachte. Aber dieser Vergleich war nicht der wahre Grund.
Der dampferfüllte Raum leerte sich mit der Zeit zusehends und immer wieder ertappte sich Carolina wie sie ihren Freundinnen kurz nachstarrte, als sie zurück in die Umkleide gingen, um sich wieder anzuziehen.
»Ciao Mädels«, tönte die Stimme von Frau Schuster durch die Garderobe, »Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!«
Die Lehrer benutzten immer die gleiche Dusche wie die Schüler, wenn auch immer erst nach ihnen. Es dauerte nicht lange, bis der schlanke, durchtrainierte Körper von Carolinas Lehrerin in den dichten Dampfschwaden auftauchte.
»Oh, hallo Carolina. Noch nicht fertig?«
»Nein, Frau Professor. Ich bin immer etwas langsamer, weil ich das warme Wasser genieße.«
Frau Schuster lachte. Es war ein glockenhelles, aufrichtiges Lachen. Wenn sie bloß einmal zu ihr käme und Carolina berührte.
Erschrocken über diesen Gedanken fühlte das Mädchen, wie sie langsam rot wurde. Sofort begann sie ihre Haare intensiver zu waschen um sich davon abzulenken.
»Ich verstehe dich gut, ich genieße es auch, besonders wenn es draußen kalt ist«, sagte Frau Schuster.
Etwas entspannter seifte sich Carolina ein und streifte dabei immer wieder ihre Klitoris, was sofort ein warmes Gefühl in ihrem Bauch auslöste. Sie beobachtete ihre Lehrerin, deren Körper von den unzähligen Wassertropfen glänzte. Wie gern würde sie diese von der glatten, hellen Haut von Frau Schuster ablecken.
Entsetzt schüttelte Carolina den Kopf und stellte das Wasser ab. Sie war bereits stark erregt und fühlte ,wie sie abermals rot wurde. Hoffentlich bemerkte die Professorin das nicht.
»Ein schönes Wochenende«, wünschte Carolina mit gesenktem Kopf und hörte die Erwiderung erst, als sie bereits in der Umkleide war.
Schnell trocknete sie sich ab, die erogenen Zonen so gut wie möglich aussparend um sich nicht noch mehr in Fahrt zu bringen und zog sich an.
Woher kam bloß diese ungewohnt starke Erregung? Und warum immer dann, wenn sie an Frau Schuster dachte?
Ein Blick auf die Uhr bewies, dass sie kaum noch Zeit hatte. Der Bus würde nicht auf sie warten.
Sie hetzte durch die Gänge runter in die Garderobe, zog ihre Straßenschuhe an und rannte den Weg hinter der Schule entlang bis zur Haltestelle. Der Bus stand noch da, aber viel zu viele Schüler drängten sich, wie immer, in die beiden Busse.
Laut dem, was in den Bussen stand, wie viele Passagiere sie befördern durften, wären die Verkehrsbetriebe noch nicht einmal mit dreien ausgekommen. Aber so quetschte man sich einfach hinein und auch Carolina fand noch einen Platz direkt an der Eingangstür.
Irgendwo musste hier auch Philip sein, doch sie konnte ihn nicht entdecken.
Im selben Augenblick läutete ihr Handy.
»Ja?«
»Hey Baby, wo bist du?«
»Ich bin im Bus und du?«, antwortete sie leicht genervt.
»Ich auch. Ich hoffe, du vergisst jetzt dann nicht auf mich?«
»Nein, nein, ich steige bei dir aus.«
»Gut, dann bis gleich.«
Der Bus ruckte an und Carolina wurde gegen Kisha gedrückt. Für einen Augenblick spürte sie ihre weichen Brüste, roch das nach Blumen duftende Shampoo und fühlte ein seltsames, vertrautes Gefühl, ehe sie sich wieder von ihr trennte.
»Sorry.«
»Kein Problem. Gehst du heute fort?«, fragte Kisha.
»Ich weiß nicht. Philip hat heute sturmfrei.«
»Oh«, machte ihre Freundin leise und lächelte wissend, »Endlich der Abschied von der Jungfräulichkeit?«
»Ich weiß nicht Kisha. Ich weiß nicht, ob ich dafür schon bereit bin«, antwortete Caroline, »Und das ist nun wirklich nicht der richtige Ort für solche Gespräche.«
»Ach was«, lachte Kisha, »Kein Mensch hört uns hier zu. Pass auf: Ficken!«
Carolina fühlte, wie sie errötete, doch niemand kümmerte sich um das, was Kisha gesagt hatte.
»Siehst du«, meinte sie triumphierend, »Das erste Mal ist nicht so schlimm, wie man denkt. Ich fand es ganz schön, auch wenn mich der Kerl danach total verarscht hat.«
»Vielleicht hast du ja recht«, gab Carolina zu, »Aber ich habe meine Zweifel. Auch an Philip.«
»He, wir sind fünfzehn«, antwortete Kisha, »Meine Mutter war mit dem Alter schon mit mir schwanger.«
»Ich weiß.«
»Du siehst allerdings nicht so aus, als ob du es wolltest.«
»Müssen wir wirklich hier darüber reden, Kisha?«
»Hier ist so gut wie woanders auch.«
Sie lächelte und zeigte ihre wunderbaren, weißen Zähne. In Carolina stieg plötzlich das Verlangen auf ihr ein Kompliment zu machen, doch sie unterließ es.
»Also?«, fragte Kisha und legte ihre Hand auf Carolinas Schulter.
Die Stelle an der ihre Schulkameradin sie berührte, schien heiß zu werden.
»Es ist nichts. Ich weiß nur nicht, ob er der Richtige ist«, antwortete Carolina schließlich flüsternd.
»Ach was«, machte Kisha, »Wenn du auf den Richtigen wartest, entgeht dir unendlich viel Spaß, das kannst du mir glauben. Und selbst wenn es dir nicht gefällt, dann gibt es noch so viele Jungs da draußen. He, du siehst doch gut aus, auf deine etwas abgedrehte Art. Und irgendwann kommt der Richtige und du hast schon Erfahrung und es wird besser als du dir jemals vorstellen könntest!«
Kisha lachte abermals und drückte Carolina an sich. Die wünschte, dieser Moment würde ewig dauern, doch viel zu schnell lösten sie sich wieder voneinander.
»Du hast bestimmt recht«, meinte Carolina, »Ob jetzt mit ihm oder mit jemand anderem ist auch schon egal.«
»Meine Rede. Mehr Spaß für uns Mädel!«, lachte Kisha, »Das erste Mal wird sowieso überbewertet. Normalerweise ist es Scheiße, weil oft beide nicht wissen, was sie tun. Wirklich gut wird es erst mit der Zeit. Wenn du weißt, was du willst und er sich etwas besser auskennt.
Außerdem wird die Jungfräulichkeit überbewertet. Dieser ganze Reinheits-Scheiß, das geht mir sowieso auf die Nerven.«
»Um das geht es mir nicht«, antwortete Carolina, »Es ist kompliziert. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt will. Ach, vergiss es.«
»Hast du Angst vor den Schmerzen oder was?«
»Vergiss es, ich glaube, ich tu es einfach. Dann hab ich es endlich hinter mir.«
Der Bus hielt in einer kleinen Ortschaft. Wie immer war an diesen Stellen das Gedränge am größten und auch für Kisha war es an der Zeit auszusteigen.
»Also wir sehen uns vielleicht heute Abend. Vielleicht bist ja dann um ein paar Erfahrungen reicher«, meinte Kisha, zwinkerte und verließ den Bus.
»Vielleicht«, erwiderte Carolina mit schwacher Stimme.
»Ruf mich an!«, rief Kisha dem Bus hinterher, der sich langsam wieder in Bewegung gesetzt hatte.
Noch immer war Carolina verwirrt. Woher kamen dieses Gefühl der Geborgenheit und Wärme, dass sie in Kishas Gegenwart gespürt hatte?
Woher kam diese unheimliche Anziehung, die von ihr und Frau Schuster ausging?
Das alles war nicht richtig. Sie sollte sich von Jungs angezogen fühlen, nein, sie fühlte sich von Jungs angezogen. Zumindest glaubte Carolina das. Allerdings mochte sie auch Mädchen, wie ihr ein weiteres Mal klar wurde.
Natürlich gefiel ihr auch Philip. Warum auch nicht? Er war ein hübscher Kerl, nett, zärtlich, treu. Aber trotzdem fehlte etwas.
Wenn sie sich küssten, dann war da zwar eine gewisse Spannung und es war durchaus befriedigend, wenn er sie streichelte, aber dennoch fehlte etwas. Was es war konnte sie einfach nicht sagen.
Vielleicht war es einfach, weil sie ihn nicht wirklich liebte.
Erschrocken über diese Erkenntnis hielt sie ich die Hände vor den Mund, als wollte sie verhindern, dass sie die Worte aussprach.
Nein, wenn sie ehrlich mit sich war, dann liebte sie Philip nicht. Sie mochte ihn, verbrachte gern Zeit mit ihm, aber es war bestimmt keine Liebe.
Der Bus leerte sich zusehends und hielt schließlich endlich in der Nähe des Hauses von Philips Eltern.
In diesem winzigen Kaff gab es nicht viel außer zwei Gasthäusern, einem kleinen Geschäft und ein paar Wohnhäusern. Wenn er am Wochenende fortgehen wollte, musste Philip in den nächsten Ort fahren. Wenigstens hatte er schon ein Auto und seit ein paar Monaten auch den Führerschein, wenn auch mit Einschränkungen, weil er erst siebzehn war.
Kaum war Carolina aus dem Bus gestiegen, kam auch er aus der hinteren Türe. Erst ignorierte er sie vollständig und verabschiedete sich von seinen Freunden, doch dann kam er endlich zu ihr. Ungestüm packte er Carolina um die Hüften und drückte sich fest an sie. Wie immer drängte seine Zunge forsch zwischen ihre Zähne und suchte die ihre, während seine Hände sanft, aber bestimmt über ihre kleinen Brüste streichelten.
»He«, meinte Carolina neckisch, »heb dir was für später auf.«
Ohne weitere Worte marschierten sie Hand in Hand zum Haus von Philips Eltern und direkt hinauf in sein Zimmer. Als er die Tür schloss, wurde Carolina ganz flau im Magen, während sie sich auf dem Bett ausstreckte.
Obwohl sie alleine im Haus waren verschloss Philip die Zimmertür, ehe er sich neben sie ins Bett fallen ließ.
Carolina wurde sich in diesem Moment gleich mehrerer Dinge bewusst. Es würde passieren. Hier und heute. Und morgen wüsste sie, ob sie es noch ertragen, könnte auch weiterhin mit Philip zusammenzubleiben.
Sie schloss ihre Augen und fühlte Philips Atem auf ihrer Haut. Seine Hände, wie sie langsam über ihren Körper streichelten und sie unterdrückte ein Stöhnen.
Es würde passieren.
Es musste endlich passieren.
Carolina hatte keine Angst davor. Dennoch war sie froh, als die aufkommende Erregung ihre Zweifel langsam abtötete und ihre Bewusstsein vernebelte.
Lange hatte die Beziehung mit Philip nicht gehalten. Die Zeit war zwar wie im Flug vergangen, aber wahre Liebe kam, vor allem von Carolinas Seite, nie auf. Also beendete sie schließlich die Geschichte, bevor es sich noch mehr vertiefte und die Trennung noch schmerzhafter wurde.
Es folgte ein Jahr, in dem sich ihr Privatleben las, wie das Drehbuch eines schlecht geschriebenen Pornos. Freund kam nach Freund, Affäre folgte auf Affäre. Carolina fühlte sich wie getrieben. Sie war auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit. Doch mittlerweile war sie sich darüber im Klaren, dass sie genau das in ihren oberflächlichen Sexbeziehungen niemals finden würde.
Also nahm sie sich vor, vorerst einfach nur Spaß zu haben und das Leben zu genießen. So folgte weiterhin Mann auf Mann, One-Night-Stands wechselten sich mit Beziehungen ab, die jedoch nie länger als ein paar Monate hielten.
Immer häufiger ertappte sich Carolina allerdings dabei, dass sie selbst während des Sex an Kisha oder Frau Schuster dachte. Was sie in den Momenten zwar irritierte, ihr andererseits zu größter Lust verhalf.
Ansonsten hatte sich in den letzten beiden Jahren kaum etwas geändert. Außer, dass sie mittlerweile um einiges zufriedener mit ihrer Figur war. Zwar waren ihre Hüften noch immer viel zu breit und ihr Arsch zu groß, doch nachdem ihre Brüste einen wahren Wachstumsschub hinter sich und nun drei Körbchengrößen zugelegt hatten, passte wenigstens das Gesamtbild. Zumindest fand das Carolina.
Doch erst als Lily und später auch Kisha feste Freunde fanden, mit denen sich auch ernsthafte Beziehungen entwickelten, beruhigte sich Caro langsam wieder.
Es war Montagmorgen und sie lag mit offenen Augen im Bett. Der Wecker hatte noch nicht geläutet, aber ihr ging zu viel durch den Kopf, um wieder einschlafen zu können. Sie hatte bisher mit fünfundzwanzig verschiedenen Männern geschlafen, rekapitulierte sie.
Der jüngste war siebzehn gewesen, der älteste zweiunddreißig. Jeder war besser als der andere, zumindest hatte sie den Eindruck. Sie hätte auch nicht behaupten können, ihr hätte der Sex nicht gefallen. Sie fühlte sich, mehr oder weniger, jedes Mal befriedigt. Doch das war es auch. Es schien keine Nähe zu den Männern zu geben, kein Gefühl der Geborgenheit.
Das fehlte.
Seit Monaten fühlte sie nun diese unendliche Leere in sich, die immer mehr von ihrem Selbst Besitz zu ergreifen schien. Eine unerfüllbare Leere, wie ein gähnendes schwarzes Loch, das sich aufmachte, ihre Seele zu verschlingen.
In den vielen Stunden, die sie immer wieder wach im Bett gelegen hatte, versuchte sie sich darüber klar zu werden, was sie vermisste. Was sie brauchte, um diese Leere in sich zu füllen. Langsam kristallisierte sich eine Antwort auf all ihre Fragen heraus. Und diese Antwort machte ihr Angst.
Immer wenn sie an Kisha, Lily oder Frau Schuster dachte schien sich diese Leere für einen kurzen Augenblick zu füllen. Es war, als würden ihre Gesichter wie Kerzen einen dunklen Raum erhellen, der sich dort befand, wo eigentlich Carolinas Herz sein sollte. Doch das Licht währte immer nur kurz, ehe sich ihr Geist dagegen auflehnte.
›Nein, das kann nicht sein. Das ist nicht richtig so!‹, dachte sie und glitt aus dem Bett.
Im Dunkeln schlich sie an ihren Laptop und schaltete ihn ein. Das vertraute Summen ertönte und es dauerte einige Zeit, bis er endlich hochgefahren war. Die Systemzeit zeigte 4:18, der Wecker würde erst um 5:45 läuten, so wie jeden Tag. Aber sie würde jetzt ohnehin nicht mehr einschlafen können.
Gelangweilt surfte sie durchs Netz und landete schließlich auf einer der zahlreichen Singleseiten, auf der sie bereits registriert war. Die Männer umwarben sie, wie eigentlich jedes Mädchen mit Foto auf solchen Seiten. Täglich kamen unzählige Mails mit, teilweise grotesken, Fotos und eindeutigen Einladungen. Manchmal war sie auch schwach geworden und bislang hatte sie auch zwei der Typen getroffen, die sie hier angeschrieben hatten. Doch das waren immer nur kurze Geschichten gewesen, nie etwas ernsthaftes.
Nachdem sie alle Mails ihres Postfaches gelöscht hatte, klickte auf den Button »Zufälliges Profil« und wartete, bis es sich aufgebaut hatte. Es war ein Typ. Nicht ihr Alter und auch vom Aussehen her nicht das, was sie gerade haben wollte.
Abermals klickte sie auf »Zufälliges Profil« und wartete. Ein Mann mit kurz geschorenen, zurückweichenden Haaren und Bart. Schöne blaue Augen, aber das war‘s auch schon.
Sie gähnte und klickte wieder auf den Button. Diesmal schien es ewig zu dauern, bis sich der Verweis aufbaute. Die verfluchte Werbung machte alles extrem langsam.
Dieses Mal war es das Profil eines Mädchens, in etwa so alt wie sie selbst. Ein wirklich hübsches Ding, doch ihr Gästebuch war beinahe vollständig leer.
Neugierig las sie sich das Profil durch. Sie war tatsächlich sogar jünger als Carolina, hörte ähnliche Musik, war sportlich, gern draußen unterwegs und hatte sogar »One-Night-Stand« als Suchoption angekreuzt, ganz abgesehen von diesem Modelkörper und den wunderbaren, graublauen Augen.
Warum hielten sich die Männer hier so zurück?
Dann erst bemerkte sie die Suchparameter des Mädchens am oberen Rand der Seite.
>>Frau sucht Frau<<
»Ha, eine Lesbe. Mit dem Alter?«, meinte Carolina herablassend halblaut zu sich und wollte schon wieder weiterklicken, aber etwas ließ sie wie gebannt auf das Bild starren.
Eine gefühlte Ewigkeit verbrachte sie damit das Foto anzustarren und fühlte eine seltsame Erregung, eine Vertrautheit mit dem ihr fremden Mädchen, während sie sich immer mehr in den graublauen Augen verlor.
Sie vermerkte das Profil als Lesezeichen und beschloss sich noch ein bisschen zu vergnügen. Die Erregung des Bildes ließ sie nicht mehr los und Carolina dachte, dass sie vielleicht wenigstens danach noch etwas Schlaf finden könnte.
Beinahe automatisch wanderte ihre Hand unter ihr Nachthemd, während sie eine Seite anwählte, die Gratis-Pornos anbot.
So einem kleinen Scharfmacher konnte sie kaum widerstehen und klickte sich durch die einzelnen Streams, bis sie etwas fand, das ihr gefiel.
Es war eine dieser anspruchsvoll geschriebenen Nummern, in der es darum ging, dass eine Lehrerin ihre Schülerin verführte und dann der Direktor reinkam, um sie beide zu vernaschen. Diese Drehbuchautoren waren doch wohl alle auf den Kopf gefallen, aber für Carolina reichte diese Storyline völlig aus.
Bis zum Direktor kam sie gar nicht erst. Allein die beiden Frauen und die Dinge, die sie miteinander anstellten, erregte sie so sehr, dass sie beinahe augenblicklich mit einem leisen Röcheln kam.
Ihre Hand hatte sich um die Computermaus verkrampft und sie fühlte, wie sie schwitzte. Mit geschlossenen Augen rekapitulierte sie nochmals die Szene und war nicht überrascht als plötzlich sie die Schülerin war und Frau Schuster die Lehrerin.
Allein diese Vorstellung genügte, um sie auf einer Welle reiten zu lassen, ehe sie einen weiteren Orgasmus erlebte. Erschrocken musste sie feststellen, dass sie dabei laut vor sich hin stöhnte. Hoffentlich hatte sie niemand gehört, die Wände im Haus waren doch verdammt dünn.
Nur mit Mühe konnte Carolina sich beruhigen, ehe sie feststellte, dass sie schon seit Langem nicht mehr so befriedigt gewesen war.
Kopfkino war etwas Schönes.
›Vielleicht‹, dachte sie, brach den Gedanken jedoch gleich ab.
Doch etwas in ihr wehrte sich dagegen, den Gedanken fallen zu lassen.
›Aber warum eigentlich nicht? Nur einmal probieren.‹
So viel ging ihr durch den Kopf, als sie auf die Singleseite zurückkehrte und das Profil des Mädchens aufrief.
›Bei meinem Glück wohnt die ein paar Hundert Kilometer weit weg!‹, dachte Carolina und suchte nach der Stadt.
Das war ein wirklicher Zufall, sie kam aus der Stadt, in der ihre Schule lag, keine dreißig Kilometer entfernt. Sofort wurde Carolina heiß und sie begann zu zittern.
»Nur ein Versuch. Wenn es mir nicht gefällt, bitte schön. Wenn es mir gefällt bin ich noch lange nicht lesbisch«, murmelte sie vor sich hin ehe sie begann ein Mail zu verfassen.
Drei Mal musste sie von Neuem beginnen, bis der Text schließlich dem entsprach, was sie sagen wollte.
Hi.
Ich hab zufällig grade dein Profil entdeckt und sehe, dass wir so einiges gemeinsam zu haben scheinen. Aber ich komme lieber gleich auf den Punkt: Du schreibst du bist auf der Suche nach einem ONS und ich habe bisher noch keine Erfahrung mit Frauen, bin aber sehr neugierig darauf.
Vielleicht hättest du ja mal Lust dich mit mir zu unterhalten, eventuell zu treffen oder Ähnliches.
Fotos von mir findest du in meinem Profil.
Ich würde mich über eine Antwort freuen.
LG C.
Kaum hatte sie auf Senden gedrückt bereute Carolina es bereits wieder. Doch nun war es zu spät. Leise gähnend lehnte sie sich in dem Stuhl zurück und drehte sich ein paar Mal im Kreis. Wirklich müde war sie auch nach ihrer kleinen Selbstbelohnung zwar noch immer nicht, aber was sollte sie sonst noch machen?
Sie dachte über das Mail nach. Wenn sie ehrlich war, war sie jetzt nicht mehr so erpicht wirklich mit einer Frau ins Bett zu gehen. Das musste die Erregung gewesen sein. Jetzt wo dies abgeklungen war, wurde sie wieder von dieser Leere beherrscht, wie schon seit so langer Zeit.
Während sie noch überlegte was sie tun sollte gab es das übliche Geräusch wenn sie auf der Seite eine Schnellmitteilung bekam.
›Mal wieder einer dieser alten, schlaflosen Perverslinge, die sich im Netz an jüngere Frauen ranmachen‹, dachte sie und drehte sich wenig begeistert zum Bildschirm um.
Sie öffnete das Mail, und als sie den Absender sah, begann ihr Herz heftiger zu pochen.
Hi,
ich war zufällig on und hab dein Mail gelesen.
Du bist also neugierig darauf, wie es mit einer Frau ist? Nun, ich kann dir davon erzählen, aber ich weiß nicht ob dir das reicht. Ich könnte es dir natürlich auch zeigen, aber davon fang ich jetzt nicht an. ;-D
Aber wir können uns gern mal treffen, wenn du Zeit und Lust hast.
GLG A.
Überrascht sog Carolina laut Luft ein. Mit einem Mal wurde ihr heiß und ihre Finger begannen abermals zu zittern. Sollte sie ihr wirklich antworten?
Wirklich sicher, ob sie mit einer Frau schlafen wollte, war sie nun nicht mehr. Und doch fühlte sie wie sich die feinen Härchen auf ihrem Arm vor Erregung aufrichteten.
Nein, sie musste ihr einfach antworten und versuchte ihre Nachricht einzutippen, unfähig das Zittern ob ihrer Aufregung zu unterbinden.
Hi,
was treibst du um die Uhrzeit? Auch schlaflos wie ich?
Ich bin äußerst neugierig, wie es mit einer Frau ist und ich muss dir sagen, du gefällst mir wirklich gut auf den Fotos. Außerdem sind wir im gleichen Alter. Deshalb hab ich dich angeschrieben.
Wo willst du dich denn treffen? Ich bin jeden Tag in der Stadt, weil da meine Schule ist. Wir könnten uns danach ja mal treffen ...
LG C.
Immer noch zitternd vor Aufregung, drückte sie nervös immer wieder auf Aktualisieren, doch es kam keine Antwort mehr. Die in ihr aufgestiegene Hitze verschwand allmählich, dafür machte sich die Unmenge an Tee, die sie am Abend getrunken hatte, bemerkbar.
So leise es ging schlich sie auf die Toilette und nahm sich vor den Laptop auszuschalten und doch noch zu versuchen, wenigstens ein paar Minuten Schlaf zu finden, als sie auf dem Bildschirm das kleine Symbol entdeckte. Sie hatte also zurückgeschrieben.
Sofort wurde ihr wieder gleichzeitig heiß und kalt.
»Ich bin nur neugierig, das hat gar nichts zu bedeuten«, flüsterte sie wie ein kleines Mantra vor sich hin, bevor sie die Nachricht öffnete.
Hi,
ja, schlaflos und gelangweilt, das trifft‘s wohl am besten.
Hab mich mal durch deine Fotos geklickt, du bist sehr hübsch und von den Interessen sind wir uns auch ähnlich. Aber bei dir steht nur Frau sucht Mann drin.
Wo treffen? Es gibt jede Menge Cafés am Stadtplatz, da könnten wir uns ja treffen, da ist man ziemlich ungestört und kann sich nett unterhalten.
Die Frage ist das WANN! Das müsstest du entscheiden. Ich bin Montag und Freitag um 13.00 aus der Schule, Dienstag und Donnerstag um 18.00 und Mittwoch um halb 5.
Ich hoffe, es ist dir ernst mit einem Treffen, weil ich wirklich keine Lust habe dann dort auf dich zu warten und du tauchst nicht auf!
LG A.
Carolina war nicht überrascht über den kritischen Unterton. Natürlich wusste sie aus eigener Erfahrung, wie oft man von Kontakten solcher Seiten versetzt wurde. Doch auf sie war Verlass.
Mit zitternden Fingern begann Carolina zu tippen. In ihr stritt sich noch immer ihr Gewissen mit sich selbst, ob sie das nun wirklich probieren sollte oder nicht. Aber ihre Finger tanzten wie von selbst über das Keyboard. Sie war wirklich überrascht was sie da schrieb, aber sie konnte sich nicht dagegen wehren.
Hi,
also wenn ich sage, ich komme, dann tauch ich bestimmt auch auf! Ich steh zu meinem Wort! Auch wenn ich jetzt schon extrem nervös bin. Um dir zu zeigen, wie ernst es mir ist, wie wär’s mit einem Treffen heute? Ich bin heute auch um 13.00 aus der Schule, wir könnten uns beim Meißl treffen, wenn du das Café kennst.
Ich häng dir noch meine Handynummer an, damit wir uns zusammenrufen können, wenn was dazwischen käme.
Würd mich freuen, wenn du so kurzfristig Zeit hättest.
LG Carolina
Sie hatte es wirklich getan. Carolina konnte es nicht fassen. Gerade hatte sie ein Date mit einer Frau vereinbart.
›Das ist falsch‹, sagte ihr Kopf, während ihr Herz ihr sagte, wie richtig es nicht wäre. Aufregung ergriff Besitz von ihr und ließ sie wieder auf die F5-Taste hämmern bis schließlich ein leises *Ding* eine neue Nachricht ankündigte.
Hi,
du bist ganz schön spontan, das gefällt mir. ;-)
Heute klingt gut. Also um halb 2 beim Meißl? Ich denke, wir werden uns schon irgendwie erkennen. Ich freu mich drauf dich zu sehen und keine Angst, ich werd dich bestimmt zu nichts drängen was du nicht willst. Wir werden nur reden, ok? Handynummer ist anbei.
LG Andrea
Darüber hatte Carolina noch gar nicht nachgedacht. Nur reden, natürlich. Sie war ohnehin schon nervös genug, da würde sie bestimmt nicht sofort mit einem Mädchen ins Bett hüpfen, das sie kaum kannte. Aber was sollten sie sonst machen?
Da würde sich sicherlich etwas ergeben und Stoff für eine Unterhaltung würden sie bestimmt auch finden können.
Hi,
halb 2 klingt gut. Ich werde dort sein und ich bin schon total aufgeregt.
Trotzdem versuche ich noch ein paar Minuten Schlaf zu kriegen, bevor die Schule mich wieder hat.
Also dann bis heute Nachmittag, ich freu mich.
LG Carolina
Mit einem Seufzen fuhr sie den Laptop herunter und legte sich zurück in ihr Bett. An Schlaf war eigentlich gar nicht mehr zu denken, doch dann beugte sich plötzlich dieses Mädchen über sie.
Andrea.
Ihre dunkelblonden Haare umschmeichelten ihr Gesicht und genau im Zentrum saßen diese graublauen Augen, bei denen Carolina ein Schauer über den Rücken lief.
Langsam kam das Gesicht näher und versuchte sie zu küssen. Doch das Piepsen des Weckers ließ es schlagartig verschwinden.
Zitternd vor Nervosität zerbrach Carolina den mittlerweile achten Zahnstocher in winzige Stücke und warf die Teile in den Aschenbecher.
Immer wieder wanderte ihr Blick auf die Uhr.
13:33.
War sie versetzt worden?
Sie ärgerte sich über sich selbst. Warum hatte sie nur so auf ein Treffen gedrängt und nicht erst noch abgewartet? Wer wusste schon, was das für eine war? Vielleicht erlaubte sie sich bloß einen bösen Scherz mit ihr und morgen war ein Foto von ihr, wartend im Café, auf einer Internetseite, einem Blog oder auf Facebook.
Gleichzeitig jedoch stieg in ihr die Vorfreude auf, wenn Caro an die Fotos zurückdachte. Es war nur ein unverbindliches Treffen. Nichts würde passieren. Sie würden sich nur unterhalten.
Im Augenwinkel sah sie eine Gestalt.
War sie das?
Nein, das Mädchen hatte dunkle Haare.
Enttäuscht blickte sie abermals auf die Uhr.
13:34.
Sie war versetzt worden.
Gereizt speiste Carolina die Kellnerin zum dritten Mal mit einem »Ich warte noch auf jemanden!« ab, als plötzlich das Handy klingelte. Auf dem Display ein Name der ihre, im Abklingen befindliche, Nervosität mit einem Mal wieder sprunghaft ansteigen ließ: Andrea.
»Hallo?«, meldete sie sich zaghaft und leise.
»Hi«, antwortete eine erstaunlich tiefe, rauchig klingende und vor allem äußerst erotische Stimme, »Ich bin leider etwas spät dran, tut mir leid. Bin in zwei Minuten im Meißl. Ich hoffe, du bist noch da.«
»Ja, klar. Ich warte auf dich. Sitze ganz hinten in der Ecke.«
»Ok, ich bin gleich da. Bis dann. Ciao.«
»Ciao.«
Carolina musste mit ihrer Stimme kämpfen, die ihr zu versagen drohte. Zwei Minuten hatte sie noch Schonfrist. Panik stieg in ihr auf. Den Fluchtinstinkt, der sie vor einer nicht näher erkennbaren Gefahr flüchten lassen wollte, konnte sie nur mit Mühe unterdrücken.
Sie traf sich hier mit einem Mädchen, na und?
Das Mädchen war lesbisch, na und?
›Sie wird schon nicht gleich über dich herfallen, also wovor fürchtest du dich?‹, dachte Carolina nur um sich gleich darauf selbst die Antwort zu geben, ›Davor, dass mir gefällt was sie mit mir macht.‹
Doch statt der bereits insgeheim geplanten Flucht ging es nun dem neunten Zahnstocher an den Kragen. Wie auch seine Vorgänger wurde er fein säuberlich in kleine Stücke zerbrochen und landete im Aschenbecher.
»Hi.«
Die Stimme war plötzlich so nah und real, dass Carolina unwillkürlich zusammenzuckte und ihren Körper tiefer in die dunkle Ledercouch drückte. Langsam hob sie den Kopf und sah in die graublauen Augen, an die sie seit heute Morgen dachte.
»Hallo«, sagte Caro zögerlich.
»Tut mir leid, dass ich so spät komme«, meinte Andrea, legte ihre Tasche auf den Stuhl neben sich und setzte sich genau gegenüber von Carolina, »Aber mein Prof hat mich einfach nicht gehen lassen.«
Sie lachte.
Was für ein wunderbares Lachen.
Die Kellnerin kam und beide bestellten einen Cappuccino.
»So. Da bin ich«, fuhr die Blonde schließlich fort, während Caro ihre Sprache nicht fand, »Ich war nicht ganz sicher, ob du wirklich auftauchst. Mädels die nur neugierig sind, sind selten zuverlässig. Umso mehr freu ich mich, dass du wirklich da bist.«
Carolina brachte noch immer keinen Ton heraus, sondern sah nur in diese Augen.
»He, du brauchst nicht nervös zu sein. Ich bin ein stinknormales Mädchen wie du auch. Also, erzähl mal ein bisschen von dir«, sagte Andrea und stütze ihren Kopf auf ihre Hände.
»Was willst du wissen?«, Caro konnte kaum glauben, dass wirklich Worte ihre Lippen verließen.
»Ich weiß nicht. Welche Filme magst du zum Beispiel?«
»Naja, eigentlich viele. Also "Herr der Ringe" mag ich, allein schon weil ich die Bücher liebe«, antwortete Carolina und blickte nervös auf den dunklen Tisch.
»Du magst die Bücher? Ich habe sie verschlungen!«
»Wirklich? Man trifft komischerweise selten Leute, die überhaupt noch lesen. In meiner Klasse ist das wirklich schlimm. Ich glaube ich bin die Einzige die freiwillig was liest. Naja, außer unserem Klassenspinner. Nur offen sagen darfst du das nie, sonst wirst du zum Gespött.«
»Ich kenn das. Traurig, nicht wahr? In welche Schule gehst du?«, wollte Andrea wissen und warf ihr einen offenen Blick zu.
»Handelsakademie und du?«
»Hauswirtschaftsschule«, meinte die Blonde mit einem Ton in der Stimme als würde sie sich dafür schämen.
»Dann kannst du kochen.«
Andrea lachte abermals und am liebsten hätte Carolina sie sofort geküsst. Doch allein, dass ihr dieser Gedanke kam, lähmte ihren Körper völlig.
»Naja, natürlich, aber das kann doch jeder.«
»Also ich kann nicht kochen«, antwortete Caro ehrlich.
»Wirklich nicht? Wenn ich das gewusst hätte, dann hätt ich dich zu mir nach Hause eingeladen und wir hätten was gekocht.«
Nun lachte Carolina. Ihre Nervosität verschwand langsam, denn etwas seltsam Vertrautes schien zwischen ihnen zu sein. Als würden sie sich schon ewig kennen.
»Besser nicht. Ich meine, ich kenn dich noch nicht, da will ich dich nicht gleich vergiften.«
»So schlimm wird’s schon nicht sein! Darf ich dich mal fragen, warum du neugierig bist? Ich meine, du musst nicht drauf antworten.«
Sofort wurde Carolina knallrot im Gesicht.
Sollte sie die Frage wirklich ehrlich beantworten?
Wobei, eine Lesbe würde wohl nicht deshalb negativ über sie denken, wie es vielleicht Heteros tun würden.
»Tut mir leid, ich bin immer etwas schnell und direkt. Du musst wirklich nicht darauf antworten«, meinte Andrea, Carolinas Zögern falsch deutend.
»Nein, nein. Schon ok. Ich weiß nicht. Ich meine ... Das ist wirklich schwer für mich«, stotterte die Angesprochene und blickte nervös wieder auf den Tisch.
»Du musst echt nicht antworten, ich war nur ...«
»Nein, nein«, wurde Andrea von Carolina unterbrochen, »Es ist bloß so, ich weiß es selbst nicht genau.
Ich meine, ich hatte Sex mit vielen Männern. Ich meine richtig viele für mein Alter, wenn man mal ehrlich ist. Dennoch fühle ich mich leer. Ja, ich denke, das ist das richtige Wort. Mir war, als fehle mir etwas. Es war jedes Mal schön und hat Spaß gemacht. Ich kann auch nicht behaupten, ich wäre nicht auf meine Kosten gekommen, doch trotzdem fühle ich mich einfach unbefriedigt.
Ich weiß nicht ob du verstehst, was ich meine, immerhin verstehe ich es selbst nicht.«
»Nein, ich versteh schon, was du meinst. Ich denke viel mehr Frauen als du denkst tun das.«
»Bist du eigentlich bi oder stehst du nur auf Frauen?«, wollte Caro wissen.
Nun errötete Andrea leicht, sah sich nach der Kellnerin um, die gerade ihre beiden Cappuccinos brachte und wartete, bis sie weg war.
»Nein, ich bin lesbisch. Ich hatte zwar ein paar Mal was mit Männern, aber es hat mir nie viel gegeben. Sie haben mir nichts bedeutet, nicht so wie Frauen. Deshalb kommen sie für mich auch als Partner nicht infrage. Höchstens als Kumpels, Freunde. Aber keine Liebe.
Es war immer so eine Art geistige Leere danach da, die sie nicht füllen konnten. Als ich dann mit fünfzehn meine erste Freundin hatte und mit ihr ein halbes Jahr zusammen war, fühlte ich mich so wohl, verstanden und geborgen wie noch nie zuvor. Ich musste mich einfach nicht mehr verstellen. Ich konnte ich bleiben.«
»Kann ich verstehen. Warum seid ihr auseinander?«, fragte Caro neugierig.
»Sie hat mich betrogen.«
»Das tut mir leid«, meinte Carolina und ergriff instinktiv Andreas Hände, zog sich aber sofort wieder zurück, als ihr klar wurde, was sie da tat.
»Da kann man nichts machen. Wenn sie mir nicht treu sein konnte, dann war ihre Liebe wohl auch geheuchelt. Aber egal, ich bin drüber hinweg und kann auch offen darüber reden.«
Wieder blickten sie sich tief in die Augen und Carolina lief abermals knallrot im Gesicht an. Andrea lächelte.
»Das ist echt interessant«, stellte Andrea fest, »Du flirtest mit mir und, wenn ich es erwidere, spielst du die Schüchterne. Die Typen müssen nur so auf dich fliegen.«
Die Blonde schenkte ihrem Gegenüber ein entwaffnendes Lächeln. Deren Gesicht leuchtete wie eine rote Ampel.
»Ich muss zugeben, über mangelndes Interesse kann ich mich nicht beklagen ...
Oh Mist, da sind ein paar Jungs aus meiner Klasse.«
Andrea drehte sich um und beobachtete die vier Burschen, die gerade zur Tür hereingekommen waren.
»Wenn die uns hier sehen«, zischte Caro.
»Wovor hast du Angst? Du bist mit einer Freundin einen Kaffee trinken. Soweit ich weiß, steht auf meiner Stirn nicht groß das Wort ›LESBE‹ tätowiert«, sagte Andrea scharf.
Carolina zuckte zusammen und warf ihr einen entschuldigenden Blick zu.
»Tut mir leid, ich bin immer noch extrem aufgeregt«, antwortete sie kleinlaut.
»Schon gut. Das musst du nicht«, sagte Andrea und streichelte kurz über Caros Hände.
Diese kleine Geste brachte Carolina den Tränen nahe, doch sie konnte sich im letzten Moment noch beherrschen. Was war bloß mit ihr los?
Die Jungs hatten mittlerweile Carolina entdeckt und kamen zu den beiden Mädchen herüber.
»He Caro«, meinte Erik und setzte sich betont lässig verkehrt herum auf einen Stuhl, »Wer ist denn deine entzückende Freundin? Ein bisschen Spaß gefällig?«
»Ich weiß nicht Erik«, konterte Carolina, »mit deinem kleinen Schwanz würde das wirklich nur ein winziges bisschen Spaß werden!«
Für einen Moment schien es, als würde im Café absolute Stille herrschen, ehe Eriks Freunde vor Lachen losbrüllten, während der immer kleiner zu werden schien. Carolina zog ihn immer wieder in der Art auf, obwohl sie aus eigener schmerzhafter Erfahrung wusste, dass sein kleiner Freund alles andere als klein war. Doch solche Sticheleien steckte er üblicherweise weg. Nichts konnte sein unermessliches Ego erschüttern.
Erik beschloss daraufhin Carolina zu ignorieren und wandte sich Andrea zu. Zärtlich nahm er ihre Hand und küsste den Handrücken.
»Hi, ich bin Erik und du bist?«
»Nicht interessiert«, antwortete die Blonde kühl mit einem spielerischen Lächeln, während im Hintergrund die drei anderen Burschen wieder vor Lachen losbrüllten.
»Lass dich nicht verarschen. Ich bin fasziniert, wie jemand solche Tiefschläge wegstecken kann. Das muss dir doch ständig passieren, bei diesen blöden Anmachsprüchen.
Ich bin Andrea.«
Der Reihe nach stellten sich auch Rolf, Mike und Kevin vor, bevor sie sich an den Tisch setzten. Alle drei schienen nur Augen für Andrea zu haben und begannen sie auszufragen, doch die zeigte wenig Interesse an ihnen, was die Jungs allerdings nur noch mehr anzuspornen schien.
In der Unterhaltung zeigte Andrea eine Souveränität, die sie so erwachsen und weise wirken ließ, dass sich die Jungs daneben wie Kleinkinder fühlen mussten. Carolina fand sich in diesen Augenblicken selbst unglaublich kindisch und jung. Das verstärkte die außerordentliche Anziehung der Blonden jedoch nur noch.
Schließlich hatten sie ihre Cappuccinos ausgetrunken und Andrea wandte sich zum Gehen.
»Es tut mir leid Jungs, aber wir waren eigentlich im Begriff zu gehen«, meinte sie und winkte der Kellnerin.
»Bleibt doch noch«, bettelten die vier wie aus einem Mund, doch, nachdem Andrea für sie beide gezahlt hatte, verließen sie und Carolina das Café.
»Tut mir leid. Das sind noch solche Kinder. Danke für den Kaffee«, meinte Caro.
»Dafür kannst du doch nichts. Und gern geschehen. Ich hab ja gemerkt, wie unangenehm dir das Ganze war. Wo waren wir vorher eigentlich?«
»Ich weiß es nicht mehr. Aber ich hätte eine andere Frage an dich. Wie hast du eigentlich gemerkt, dass du auf Frauen stehst?« fragte Carolina.
»Nun ja, es begann schon, als ich kleiner war. Ich fand Frauen immer schon anziehend, erotisch, einfach auch körperlich schöner als Männer.
Zuerst war es nur eine Schwärmerei für meine Lehrerin, dann für eine Klassenkameradin und schließlich habe ich es einfach mal ausprobiert.
Hab im Internet eine hübsche Frau gefunden, die allerdings vierzehn Jahre älter war als ich. Ich hab ihr erzählt, ich wäre achtzehn.
Mit ihr hab ich mich ein paar Mal getroffen und hatte schließlich auch den ersten Sex. Danach wusste ich, dass ich angekommen war, wo ich hingehörte. «
Während sie sprach, beobachtete sie Caros Gesicht genau. Immer wieder konnte sie kurz Erkenntnis aufblitzen sehen. Carolina fand sich in der Beschreibung wieder, doch sie tat sich schwer damit, sich dessen bewusst zu werden.
»Du weißt, was ich meine, oder?«, fragte Andrea schließlich in die entstandene Stille, »Schwärmst du denn für jemanden?«
Diese Frage traf Carolina völlig unvorbereitet. Sie schwieg und Andrea bohrte nicht nach.
Wortlos gingen die beiden Mädchen durch den kleinen Stadtpark und fanden schließlich eine Bank die etwas abseits stand.
»Tut mir leid, dass ich vorhin nicht geantwortet habe«, brach Carolina schließlich das Schweigen, als sie saßen, »aber ich muss mir selbst erst einmal darüber klar werden, was ich eigentlich will.
Ja, ich schwärme für eine Lehrerin und auch für eine Klassenkameradin, aber es kommt mir einfach nicht richtig vor.«
»Es spricht immer jeder vom Coming-out, dabei ist das Coming-In viel schwieriger«, meine Andrea verständnisvoll.
»Coming-In?«, wiederholte Carolina.
»Das Eingeständnis vor dir selbst, dass du eben nicht so bist, wie die Gesellschaft dich haben will. Ich brauchte sehr lang um es mir selbst einzugestehen. Immerhin bin ich ja ›nicht normal‹ im herkömmlichen Sinne.«
Sie deutete Anführungszeichen mit ihren Zeige- und Mittelfingern an und fuhr fort: »Allerdings weiß ich jetzt, dass ich ohne das wohl nie hätte glücklich werden können. Und ich weiß, dass ich nur so wirklich ich bin, wie ich jetzt bin. Ich weiß nicht, ob du verstehst, aber ich könnte nie mit einem Mann eine längere Beziehung führen.«
»Also mich treibt die Neugier. Aber wer weiß«, gab Carolina zu und wunderte sich über die Worte, die ihren Mund verließen.
Hatte sie das gerade wirklich gesagt?
Nein, sie war nicht lesbisch, nur weil sie für die Lehrerin und Kisha schwärmte. Sie war bloß neugierig, Punkt aus und es würde ihr vermutlich noch nicht einmal gefallen.
»Ich meine«, stammelte sie weiter, »Ich kenne das alles. Zumindest glaube ich das. Aber das heißt nichts.«
»Wenn du wirklich lesbisch bist, dann fühlst du das tief in dir. Du kannst die Stimme vielleicht unterdrücken, weil du glaubst, das wäre nicht normal oder ignorieren und versuchen dein Leben mit einem Mann zu verbringen. Doch irgendwann holt es dich ein. Dann entscheidest du dich entweder dafür oder es zerstört dich innerlich, bis du nur noch eine leere Hülle bist«, sagte Andrea mit einem Lächeln auf den Lippen, das nicht zu ihren ernsten Worten passte.
»Ist das wirklich so?«, fragte Caro mit zitternder Stimme nach.
»Ich weiß es nicht, ich habe es mir selbst eingestanden und lebe damit. Meine Umwelt hat sich zugegeben ein bisschen verändert. Ich habe Leute verloren, die ich für meine Freunde hielt, doch das waren einfach keine wahren Freunde. Ansonsten habe ich eigentlich viele positive Erfahrungen mit den Menschen gemacht.
Allerdings muss man auch zugeben, dass Lesben eher akzeptiert werden als Schwule.«
Vielleicht war genau das Carolinas Problem. Sie konnte es sich einfach nicht eingestehen. Zu fremd, zu unnatürlich erschien es ihr von Frauen angezogen zu sein. Doch die eine Stunde, die sie bisher mit Andrea verbracht hatte, war angenehm und voller erotischer Spannung. So etwas hatte sie bislang noch nie mit einem Mann erlebt.
Allein dieses Eingeständnis fiel ihr nicht leicht und sie versuchte, sich für ein paar Augenblicke nur auf sich selbst zu konzentrieren. Ihr Herz schlug laut vor Aufregung, das Blut rauschte in ihren Ohren, die Hände waren schweißnass und ihr Bauch von einem wunderbaren, kribbelnden Gefühl erfüllt.
Carolina versuchte den Blick der Dunkelblonden einzufangen und schließlich ruhten ihre graublauen Augen auf ihr. Angenehme Wärme durchströmte ihren ganzen Körper, während unzählige Schmetterlinge sich in ihrem Magen verselbstständigten.
Der Blick schien fordernd und zögernd zugleich. Sie wusste genau, was sie tun wollte, nein sogar musste.
Langsam wanderte Carolinas Hand sanft über Andreas Wange, während sich ihre Gesichter einander annäherten. Sie fühlte wie sie zu zittern begann. Die Nervosität war wieder da.
Sie fühlte warmen Atem auf ihren Lippen und instinktiv öffnete Carolina sie leicht. Doch noch, bevor sie sich überhaupt berühren konnten, zuckte ihr Kopf plötzlich zurück.
»Nein«, stöhnte sie und versuchte ihre zitternden Hände unter Kontrolle zu bekommen.
»Tut mir leid. War ich zu schnell?«, meinte Andrea und schien zerrissen zu sein, ob sie ihr nun die Hand auf die Schulter legen oder doch lieber etwas von ihr wegrutschen sollte.
»Nein, das war es nicht. Es tut mir so leid. Ich wollte es ...
Wirklich.
Doch ich konnte nicht. Es ist ...«, stotterte Carolina, bevor Tränen über ihre Wangen kullerten.
Warum weinte sie jetzt bloß?
War es, weil sie unterbewusst hoffte, dass ihr allein der Kuss mehr geben würde, als alles, was sie bisher mit Männern erlebt hatte?
War es, weil sie sich eingestehen musste, dass vielleicht wirklich mehr an ihrem Interesse an Frauen dran war als bloße Neugier?
»Ganz ruhig«, meinte Andrea und überwand sich nach kurzem Kampf dazu Carolina zu berühren.
Sanft nahm sie ihren Kopf in beide Hände und drückte ihn an ihre Schulter. Die Geste, die sie eigentlich beruhigen sollte, brachte Caro nun völlig aus der Fassung.
Seit Jahren hatte sie sich nicht mehr so hilflos gefühlt. Ihr fiel in diesem Moment wieder ein wie sie, als sie noch klein war, ihre Puppe in der Autotür einklemmte und zerriss. Ihre Mutter hatte sie ganz fest an sich gedrückt, wo sie weinen konnte ohne sich dafür zu schämen.
Genauso fühlte sie sich jetzt auch.
»Sch«, machte Andrea und streichelte sanft über ihren Kopf, »Es ist alles in Ordnung.«
Unendliche Minuten lang hielt sie Carolina im Arm, bis diese sich schließlich beruhigt hatte.
»Es tut mir leid, ich weiß nicht, was das war«, schniefte sie und nahm dankbar das angebotene Taschentuch an.
»Ist schon ok. Ich hoffe nur, es war nicht wegen mir«, meinte Andrea und streichelte ihr sanft über die Wange.
»Doch, es war wegen dir. Aber nicht weil du etwas falsch gemacht hast« schwächte Caro sofort ab.
Sie schnäuzte sich lautstark und blickte durch einen Tränenschleier in Andreas Augen.
»Es war, weil ich es wirklich wollte«, fuhr sie schließlich schluchzend fort, »Doch meine innere Stimme sagte nein. Dann konnte ich einfach nicht mehr.
Ich habe dich enttäuscht.«
Abermals drückte Andrea sie an sich und Carolina wünschte sich ewig in diesem Moment verharren zu können.
»Ganz ruhig. Du hast mich nicht enttäuscht. Ich merke doch, wie unsicher du bist und ich merke, dass es mehr als bloße Neugier ist«, meinte die Blonde schließlich und küsste Carolina sanft auf die Stirn.
Die konnte nur nicken. Selbst wenn sie es sich nicht eingestehen konnte, so hatte Andrea doch recht. Es war wohl wirklich mehr als bloße Neugier, die dahinter steckte. Doch die Angst vertrieb diese Gedanken sehr schnell wieder.
»Ich kann das verstehen«, meinte die Blonde und drückte Caro wieder an sich, »Mir ging es damals nicht anders und es ist teilweise heute noch immer so.
Du willst nicht wahrhaben, was dein dir Herz sagt und bist innerlich völlig zerrissen. Es ist nichts dabei. Es ist ganz natürlich.«
»Meine Eltern würden das nie verstehen ...«, zweifelte Carolina.
»Ich denke, du traust ihnen da zu wenig zu. Du schiebst deine Angst nur vor, weil du sie als Schutzschild gegen deine Gefühle verwendest. Es wird dir nicht gelingen ihnen zu entfliehen und je eher du das verstehst umso früher kannst du glücklich werden.«
»Aber ich bin nicht lesbisch«, antwortete Carolina trotzig, doch ihre Selbstzweifel ließen ihre Stimme schwanken.
»Das kannst nur du beantworten! Doch die Spannung die du zwischen uns aufgebaut hast, die kleinen Flirts und die zufälligen Berührungen sprechen für mich eine sehr deutliche Sprache«, stellte Andrea mit einem eindeutigen Lächeln fest.
Jetzt war es Carolina, die sich an Andrea drückte. Sie roch das dezente Parfüm und den wunderbaren Duft ihrer Haut, durch den dünnen Stoff ihres Shirts.
»Kannst du mich halten?«, fragte sie leise und fühlte, wie die Tränen sie abermals übermannten.
»So lang du willst«, antwortete Andrea und küsste sie abermals sanft auf die Stirn.
Es fühlte sich wie Stunden an, die sie hier saß und von einer Frau in den Armen gehalten wurde, die sie gerade einmal etwas mehr als eine Stunde kannte. Doch es war eine seltsame Vertrautheit zwischen ihnen. Es fühlte sich an, als würde Caro Andrea seit Jahren kennen. Sie vertraute ihr bereits jetzt so sehr, wie sie nur Lily vertraute.
Es dauerte lange, bis Carolina nicht mehr weinen konnte. Als hätte sie all ihre Tränen aufgebraucht. Sie schniefte laut und wischte sich mit dem Ärmel über ihre Augen.
»Gott, ich seh bestimmt furchtbar aus«, stöhnte sie und schnäuzte sich in ihr Taschentuch.
»Nicht so schlimm, wie du denkst. Geht es dir jetzt besser?«, fragte Andrea.
»Nicht wirklich. Ich bin irgendwie verzweifelt, weil ich in mir etwas fühle, das ich eigentlich nicht wahrhaben will oder kann.
Außerdem bin ich todunglücklich, weil ich deinen Nachmittag ruiniert habe.«