Jesus war kein Theologe - Sebastian Moll - E-Book

Jesus war kein Theologe E-Book

Sebastian Moll

5,0

Beschreibung

Das Christentum hat sich von einer einfachen und klaren Botschaft zu einem komplexen System entwickelt, das nur noch von Fachleuten zu verstehen ist. War dies im Sinne seines Begründers? Jesus war kein Theologe, kein Akademiker, kein Schriftgelehrter - und er wollte auch keiner sein! Dieses Buch versucht, den Gottessohn hinter den turmhohen Bibliothekswänden der Theologen hervorzuholen.

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Seitenzahl: 84

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„Ein Quäntchen Frömmigkeit ist mehr wert als zehn Zentner Gelehrsamkeit, ein Tropfen wahrer Liebe edler als ein ganzes Meer von Wissenschaft.“

Franz von Assisi

Inhaltsverzeichnis

Motto

Einleitung

Kinder statt Gelehrte

Einfachheit

Ehrlichkeit

Freude

Kirche statt Hochschule

Wahrheit statt Wissenschaft

Ausblick

Nachwort

Einleitung

Jedes System muss von Zeit zu Zeit reformiert werden. Wenn dieser Zeitpunkt zu lange aufgeschoben wird, kann es passieren, dass ein System einen Punkt erreicht, ab dem es sich nicht mehr selbst von innen heraus reformieren kann. Ein hervorragendes Beispiel für einen solchen Fall ist die durch Martin Luther entfachte Reformation, deren 500-jähriges Jubiläum wir in diesem Jahr begehen. Der junge Dozent aus Wittenberg hätte sich wohl nie träumen lassen, dass ihn die Veröffentlichung seiner 95 Thesen einmal zu einem der einflussreichsten Menschen der Weltgeschichte machen würde. Dabei hatte er im Grunde nur über einen internen Missstand der Kirche aufklären wollen.

An jenem 31. Oktober des Jahres 1517 war Luther, wie er später selbst zugeben sollte, regelrecht naiv gewesen. Er war der festen Überzeugung, dass die Unsitte des Ablasshandels ein Produkt einzelner Übeltäter war, die ohne Wissen oder Genehmigung der Kirchenoberen agierten. Dementsprechend war er auch der Überzeugung, dass ein klares Benennen dieser Unsitten dem Spuk ein schnelles Ende bereiten würde. Schließlich müsse jeder, dem das ganze Ausmaß dieses Geschäfts bewusst sei, unweigerlich zu dessen vehementer Ablehnung gelangen – so zumindest dachte Luther.

Doch leider war alles ganz anders. Der Ablasshandel war eine von höchster Stelle geplante und geförderte Maßnahme. Papst Leo X. wollte die Einkünfte in erster Linie zur Fertigstellung des Petersdoms verwenden, eines der bis heute großartigsten Bauwerke der Christenheit, das jährlich Millionen von Besuchern in seinen Bann zieht. Schon an diesem Ergebnis lässt sich ersehen, dass man es sich zu einfach macht, wollte man Leo X. lediglich als einen schlechten Menschen darstellen, der durch sein unmoralisches Verhalten die Krise der katholischen Kirche herbeiführte. Natürlich war dieser Papst kein Vorbild an Heiligkeit. Sein durch und durch hedonistisches und verschwenderisches Wesen, das sich sowohl in seinen üppigen und prunkvollen Gelagen als auch in Verrücktheiten wie dem Halten eines eigenen Hauselefanten manifestierte, macht ihn zum genauen Gegenstück des aktuellen Repräsentanten auf dem Stuhl Petri. Andererseits war er, wie bereits erwähnt, ein großer Förderer der Künste sowie der Wissenschaften. Auch karitative Einrichtungen wie Kranken- oder Waisenhäuser wurden von ihm unterstützt.

Der Ablasshandel war überdies mitnichten einfach nur eine spontane Laune geschäftstüchtiger Bischöfe gewesen, sondern konnte auf ein gewisses intellektuelles Fundament bauen, das durchaus auch von seriösen Geistern jener Zeit verteidigt wurde. Er findet sogar bis heute seine Anhänger. So schrieb etwa der Journalist Alan Posener 2014 in der WELT: „Der Ablasshandel war eine gute Sache. Im Mittelalter lehrt die Kirche, dass sie durch die Heiligen und Märtyrer einen ‚Gnadenschatz‘ aufgehäuft habe, an dem alle Christen durch gute Werke teilhaben könnten. Im Rahmen dieser Ökonomie der Gnade ist der Ablasshandel zu verstehen. Durch ihn können sich die Menschen von der Höllenangst freikaufen. Es ist ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Der Sünder bekommt einen Teil seiner Zeit im Fegefeuer erlassen, der Papst erhält die Mittel zum Bau des Petersdoms und zur Förderung der Künste. Der Ablass ist eine Art Lebensversicherung für die Zeit nach dem Tod. Übrigens mit gestaffelten Sozialtarifen: Auch der Arme kann die Gewissheit ewigen Lebens erlangen. Nun kann man das alles als Aberglauben abtun. Doch die Menschen klammerten sich damals angesichts von Pest und Elend an die Vorstellung eines Lebens nach dem Tod. Der Ablass gibt ihnen die Hoffnung, trotz Sünden dem Gericht Gottes zu entgehen.“

Natürlich argumentiert Posener hier aus rein weltlicher Sicht, fernab aller theologischen Überlegungen über Wahrheit und Wirksamkeit des Ablasses. Möglicherweise hat auch Papst Leo X. so gedacht. So sicher es ist, dass die Sorge um die Seelen der Gläubigen nicht das vorrangige Ziel seines Pontifikats war, so wenig ist erwiesen, dass er nicht vielleicht dennoch an eine gewisse tröstende Wirkung des Geschäfts mit dem Ablass glaubte. Doch was immer nun seine Gründe im Einzelnen gewesen sein mögen, eines ist klar: Zu keinem Zeitpunkt hat er sich darum geschert, ob die Versprechungen des Ablasswesens tatsächlich wahr sind.

„Aus Liebe zur Wahrheit und in dem Verlangen, sie zu erhellen“ – mit diesen Worten leitet Martin Luther seine Veröffentlichung vom 31. Oktober ein und markiert damit, noch bevor er zu seiner ersten eigentlichen These kommt, den entscheidenden Unterschied zwischen ihm und seinen Gegenspielern. Was ihn leitet, ist einzig die Suche nach der Wahrheit. Ob die gefundene Wahrheit für die Menschen dann tröstend oder eher verstörend ist, spielt für ihn keine Rolle. Wahrheit ist Wahrheit. Punkt. Mit diesem Ansatz veränderte Luther die Welt für immer.

Dass er, der einfach nur eine geistliche Erneuerung der Kirche anstrebte, letztlich mehr als jeder andere zu ihrer Spaltung beitrug, gehört zu den tragischen Wahrheiten seines Lebens und Wirkens. Es zeigt aber vor allem eines: Die katholische Kirche des frühen 16. Jahrhunderts hatte genau jenen kritischen Punkt erreicht, von dem zu Beginn die Rede gewesen ist. Sie konnte nicht mehr von innen heraus reformiert werden, wie Luther es wollte. Zu tief hatten sich Lüge oder auch schlichtes Desinteresse an der Wahrheit in ihrem Organismus festgesetzt. Die Kirche Jesu Christi aber kann auf Dauer nicht gegen die Wahrheit geführt werden. Schon der Apostel Paulus schrieb an die Gemeinde in Korinth: „Wir vermögen nichts wider die Wahrheit, sondern nur für die Wahrheit.“

Nachdem sich die Reformation rasend schnell in immer mehr Ländern Europas auszubreiten begann, und sich die Abspaltung der Protestanten als unumkehrbar erwies, berief die katholische Kirche schließlich das Konzil von Trient ein, um auf die neue Situation zu reagieren. Unter anderem wurde hier im Jahre 1562 ein Verbot des Ablasshandels beschlossen. Man stelle sich vor: Hätte sich ein entsprechendes Konzil bereits 50 Jahre zuvor zu dieser Entscheidung durchringen können, so hätte es die Reformation vermutlich nie gegeben. Doch bedauerlicherweise war die katholische Kirche seinerzeit zu dieser inneren Reform nicht in der Lage. Es brauchte den Druck von außen.

Gibt es in unserer heutigen Zeit Parallelen zu jener Epoche? Noch vor wenigen Jahren hätte ich eine solche Behauptung als völlig überzogen zurückgewiesen. Mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher. Sowenig ich mich selbst mit dem großen Reformator auf eine Stufe stellen kann und will, so sehr kann ich zumindest die Überraschung nachvollziehen, die er nach der Publikation seiner Thesen empfunden haben muss. Als ich im Jahre 2011 mein Buch „Jesus war kein Vegetarier“ veröffentlichte, war ich, wie damals Luther, Dozent an einer theologischen Fakultät. Ohne größere Ambitionen ging ich meinem akademischen Alltag nach. Die Idee zu besagtem Buch war mir eher spontan gekommen. Ich hatte mich geärgert über die mir immer häufiger untergekommene Behauptung, Jesus sei Vegetarier gewesen – daher der leicht ironisch klingende Buchtitel. Natürlich kam diese völlig absurde Vorstellung ausschließlich von Menschen, die selber dem Vegetarismus anhingen. Ihre ‚Kenntnis‘ über die Essgewohnheiten Jesu stammte dementsprechend auch nicht aus irgendeiner Form exegetischer Untersuchung, sondern aus einer ganz praktischen Überlegung: ‚Was ich persönlich für richtig halte, muss grundsätzlich richtig sein, und was grundsätzlich richtig ist, muss von Jesus vertreten worden sein.‘

Natürlich ist die Projektion der eigenen vegetarischen Lebensweise auf Jesus nur eine von vielen modernen Verirrungen innerhalb unserer christlichen Kultur. Zudem hätte eine entsprechende Widerlegung kaum mehr als einige Seiten beansprucht und sich nie zu einem ganzen Buch ausweiten lassen. Daher entschloss ich mich, auch weitere theologische Ungereimtheiten aufzuzeigen und zu widerlegen. Schließlich muss unser Heiland ja noch für viele andere moderne Ideologien herhalten. Selbstverständlich war Jesus aber weder ein Anhänger des Feminismus, des Kommunismus, der Genderforschung, der Homo-Lobby noch sonst irgendeiner verwandten Bewegung, und jeder, der nicht an Legasthenie oder einer anderen Form von neurologischer Beeinträchtigung leidet, kann sich hiervon durch einfaches Nachlesen überzeugen – so zumindest dachte ich.

Doch leider war alles ganz anders. Bereits die erste Stellungnahme von kirchlicher Seite, die symptomatisch für viele weitere sein sollte, förderte Zustände innerhalb der Evangelischen Kirche und Theologie in Deutschland zutage, die ich mir in meinen schlimmsten Albträumen nicht hätte ausmalen können. So bezeichnete man mich als „weiteres Symptom des allgemeinen Niedergangs des christlichen Abendlandes“. Noch viel aufschlussreicher war allerdings die Tatsache, dass man sich nicht mit einem einzigen meiner Argumente befasste, geschweige denn sie widerlegte. Es kam sogar noch besser. Indirekt stimmte man meiner Kritik sogar zu: „Doch es ist keine große Leistung, die biblischen Begründungen mancher kirchenamtlichen Erklärung zu zerpflücken. Man muss bedenken, dass es sich bei ihnen meist um Verständigungsdokumente handelt, an denen viele Menschen in unterschiedlichsten Gremien mitgewirkt haben.“ Diese Formulierung muss man sich wirklich einmal in aller Ruhe zu Gemüte führen. Denn letztlich heißt das nichts anderes, als dass kirchliche Stellungnahmen, da von Menschen schwachen Geistes verfasst, nun mal keine echte biblische Grundlage haben und deshalb nicht sonderlich ernst genommen werden müssen. Papier ist schließlich geduldig, nicht wahr? Dass diese Stellungnahmen aber durchaus normativen und sogar exekutiven Charakter haben, dass Pfarramtsanwärter, die dem Inhalt dieser Dokumente widersprechen, nicht zum Dienst zugelassen werden, scheint den Verantwortlichen nicht bewusst zu sein.

Der gesamte Irrsinn der Argumentation war im Grunde allerdings bereits in der Überschrift eines Artikels zusammengefasst, mit dem ausführlich auf meine Thesen reagiert wurde. Die Antwort auf meinen Buchtitel „Jesus war kein Vegetarier“ lautete: „Jesus darf Vegetarier sein“. Was um alles in der Welt soll man von einer solchen Einlassung halten? Ist Jesus etwa ein imaginäres Wesen, das man sich je nach persönlicher Überzeugung zurechtbasteln darf? Ganz offenbar scheint dies die Überzeugung selbst hochrangiger Kirchenvertreter und Theologen zu sein. Wer fragt, was Jesus sein darf, anstatt zu fragen, wer er war und was er wollte, nimmt die Tatsache der Offenbarung nicht ernst.

Aus Liebe zur Wahrheit und in dem Verlangen, sie zu erhellen – mit diesem Ansatz war auch ich ans Werk gegangen. Doch letzten Endes zeigte sich in der mir entgegengebrachten Haltung ebenjenes oben beschriebene Desinteresse an der Wahrheit, das sich auch tief im Organismus unserer heutigen Kirche festgesetzt zu haben scheint. Es ist ja nicht so, dass die