Jesus war kein Vegetarier - Sebastian Moll - E-Book

Jesus war kein Vegetarier E-Book

Sebastian Moll

4,6

Beschreibung

Kein Buch hat im Laufe der Weltgeschichte über größere Autorität verfügt als die Bibel. Dieser Umstand hat in der Vergangenheit immer wieder Menschen dazu verleitet, ihre eigene Ideologie auf die Heilige Schrift zu projizieren und somit zu legitimieren – nicht selten mit überaus gewagten Interpretationen. Heutzutage neigen wir dazu, diese Versuche zu belächeln und uns zu fragen, wie überhaupt jemals jemand auf so etwas kommen konnte. Betrachten wir jedoch einige der aktuell gültigen Bibelinterpretationen, so drängt sich der Verdacht auf, dass auch künftige Generationen noch einiges zu lachen haben werden.Der vorliegende Band geht kritisch mit denjenigen ins Gericht, die uns weismachen wollen, Jesus habe auf das Essen des Passahlamms verzichtet oder sei für eine Frauenquote unter seinen Aposteln eingetreten. Es handelt sich weniger um ein Plädoyer für mehr kirchliche Bibeltreue, als vielmehr um einen sachlichen Aufklärungsversuch.

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Inhalt

Titelseite

Impressum

Widmung

Warum dieses Buch?

Tiere

Frauen

Homosexualität

Judentum

Die Bibel in gerechter Sprache

Ist die Theologie an allem schuld?

Sebastian Moll

Jesus war kein Vegetarier

Berlin University Press

Sebastian Moll

Jesus war kein Vegetarier

Zweite Auflage im Februar 2012

© Berlin University Press 2011

Alle Rechte vorbehalten

Ausstattung und Umschlag

Groothuis, Lohfert, Consorten | glcons.de

Umschlagmotiv

Time&Life Pictures / Getty Images

eISBN: 978-3-86280-037-7

Gewidmet dem Deutschen Netzwerk Ernährungsethik – eine Initiative der Münchner Schweisfurth-Stiftung – in Erinnerung an und in Vorfreude auf viele anregende und kontroverse Gespräche

Freiheit ist die Freiheit zu sagen, dass zwei plus zwei vier ist.Wenn das gewährt ist, folgt alles Weitere.

Winston Smith in „1984

Warum dieses Buch?

Im zarten Alter von zwanzig Jahren erhielt ich zum ersten Mal die Gelegenheit, einen selbständigen Artikel zu veröffentlichen. Papst Johannes Paul II. hatte das Jahr 2000 zum großen Jubeljahr erklärt, und eine evangelische Kirchenzeitschrift bat mich aus diesem Anlass, eine kurze Abhandlung über das Verhältnis der beiden großen Konfessionen zu verfassen. Ich fühlte mich ebenso geschmeichelt wie nervös, ging aber umso eifriger ans Werk, ich recherchierte gründlichst, alles sollte perfekt sein. Gedruckt wurde der Artikel nie.

Dieser Artikel dürfe unter keinen Umständen veröffentlicht werden, da er den ökumenischen Frieden gefährde, so die Meinung des Chefredakteurs. Als ich mich nach den terroristischen Inhalten meines Werkes erkundigte, erhielt ich die Auskunft, ich würde in diesem Artikel die Unterschiede der Konfessionen zu deutlich benennen. Dieser Vorgang war genau das, was Menschen später gerne als ‚Aha-Erlebnis‘ beschreiben, auch wenn ich zugeben muss, dass ich das Ganze damals noch nicht in seiner ganzen Tragweite erkannte. Wirklich verstehen tue ich es im Übrigen bis heute nicht, aber ich habe mittlerweile einen entscheidenden menschlichen Denkmechanismus durchschaut.

Als man mich beauftragte, das Verhältnis der Konfessionen zu beschreiben, hielt ich es für meine Pflicht, dies so objektiv wie nur irgend möglich zu tun. Dass zu dieser Darstellung natürlich auch die konfessionellen Unterschiede gehörten, war für mich selbstverständlich – schließlich möchten die Menschen doch wissen, warum die Konfessionen nach wie vor getrennt sind. Aber genau das ist mein Denkfehler gewesen. Denn es geht überhaupt nicht darum, was Menschen wissen möchten, sondern darum, was sie wissen sollen. Das oberste Ziel des Chefredakteurs bestand offenbar in der Förderung der Ökumene, nicht in der Verbreitung von Informationen. So eine Vorgehensweise ist durchaus möglich, nur handelt es sich dann eben nicht mehr um Journalismus, sondern um Propaganda.

Unter Propaganda verstehe ich den bewussten, systematischen Versuch, Wahrnehmung zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und Verhalten zu steuern, um eine Reaktion hervorzurufen, die der Absicht des Propagandisten förderlich ist.1 In unserem Fall besteht diese Methode in dem bewussten Versuch, bestimmte Informationen zu unterdrücken, die dem gewünschten Ziel des Redakteurs (seiner Meinung nach) abträglich sind. Ich möchte behaupten, dass die selektive Auswahl von Informationen die in unserer Gesellschaft verbreitetste Form der Propaganda darstellt. Wir haben dies in den letzten Jahren mehrfach beobachten können.

Der prominenteste Fall war vermutlich der Streit um Erika Steinbach im Jahre 2010. Was war passiert? Frau Steinbach hatte auf die (historisch völlig unbestrittene) Tatsache hingewiesen, dass die polnische Armee im Frühjahr 1939 mobilmachte, und damit einen Eklat von unglaublichen Ausmaßen entfacht. „Geschichtsklitterung!“, lautete der gängige Vorwurf gegen die BdV-Vorsitzende. Die Sache ist jedoch nicht so recht klar. Ich verstehe zum Beispiel nicht, wie man Geschichte klittern kann, indem man historische Fakten benennt. Ich dachte immer, klittern hieße, die historischen Tatsachen zu verdrehen, wenigstens ein klein bisschen. Natürlich könnte man die oben erwähnte historische Information tatsächlich so auslegen, dass Polen durch seine Mobilmachung zum Ausbruch des Krieges beigetragen habe. Aber ist Frau Steinbach (oder sonst irgendjemand) denn wirklich dafür verantwortlich zu machen, wie Menschen bestimmte Fakten interpretieren? Sind die Menschen denn wirklich so dumm, dass man sie vor bestimmten Informationen schützen muss? Nach Meinung vieler Verantwortlicher in diesen Diskussionen offenbar schon, denn die Liste der entsprechenden Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen.

Man erinnere sich an die Diskussion um eine Kriminalitätsstatistik, die offenbarte, dass in Berlin 79 Prozent der jugendlichen Intensivstraftäter einen Migrationshintergrund haben. Lange Zeit hatte man versucht (glücklicherweise ohne Erfolg), die Erfassung solcher Daten zu verhindern, weil diese zu dem Schluss führen könnten, dass es einen Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und Kriminalität gäbe.

Ähnlich verhält es sich bei der nicht enden wollenden Debatte um den Klimawandel. Selbst das riesige Portal Wikipedia – das ja angeblich ‚Volkes Stimme‘ wiedergibt, da es schließlich von sämtlichen Nutzern bearbeitet werden kann – ist nicht frei von Unterwanderung. William Connolley, ein britischer Informatiker und Hobbyklimatologe, hatte es in den mächtigen Rang eines Wikipedia-Administrators gebracht, und missbrauchte seine Autorität dazu, sämtliche Daten und Informationen, die den Klimawandel anzweifelten, aus Millionen von Wikipedia-Artikeln zu entfernen.2 Mittlerweile wurden ihm, Gott sei Dank, seine entsprechenden Privilegien entzogen.

Was hat das alles aber nun mit der Bibel und der Frage nach den Essgewohnheiten Jesu zu tun? Nun, auch die Bibel ist in ihrer langen Geschichte von vielen Ideologien konfisziert und zu Propagandazwecken missbraucht worden. Das verwundert kaum, handelt es sich doch ohne Zweifel um das Buch mit der größten Autorität aller Zeiten. Der weitverbreitete Eindruck, diese Autorität gehe kontinuierlich zurück, mag zwar für unsere Gesellschaft richtig sein, weltweit gesehen geht der Trend beinahe eher in die andere Richtung, schließlich hatten noch nie zuvor so viele Menschen überhaupt Zugang zu den biblischen Texten. Misst man den Einfluss eines Textes an der Anzahl derjenigen, die in der Lage sind, ihn zu lesen, dann ist die Macht der Bibel sogar in Deutschland heute um ein vielfaches höher als beispielsweise im Mittelalter – nicht zu verwechseln mit der Macht der Kirche. Somit leistet das ‚Buch der Bücher‘ auch bei uns nach wie vor seinen Beitrag zu gesellschaftlichen Debatten, die über das rein innerkirchliche Interesse hinausgehen. Eben mit diesen Themen wird sich das vorliegende Buch befassen.

An dieser Stelle möchte ich einen ganz entscheidenden Punkt klarstellen: Mein Ziel in diesem Buch ist es, die Aussagen der Schrift zu den genannten Themen so objektiv wie möglich herauszustellen und sie somit vor ideologischem Missbrauch zu schützen. Ob die Bibel in all diesen Dingen tatsächlich das letzte Wort haben muss, ist eine gänzlich andere Frage und soll dabei außer Acht bleiben. Eben dies ist genau das methodische Vorgehen, das ich mir so gern in all diesen Debatten wünschen würde. Erst müssen alle Fakten auf den Tisch, dann kann man sich aufgrund dieser seine Meinung bilden. Um den unsterblichen Sherlock Holmes zu zitieren: „Es ist ein enormer Fehler, Theorien aufzustellen, bevor man die Tatsachen kennt. Unbedacht beginnt man, die Fakten zu verdrehen, um sie den Theorien anzupassen, anstatt die Theorien den Fakten anzupassen.“3 Und wo wir gerade davon sprechen, möchte ich dieses Vorgehen auch gerne all denjenigen ans Herz legen, die voraussichtlich reflexartig über meine Darstellungen herfallen werden.

Außerdem möchte ich zu Beginn dieses Buches einen Umstand erklären, der leicht einen falschen Eindruck erzeugen könnte. Ich meine die Tatsache, dass ich mich vor allem mit solchen Ideologien befasse, die eher dem linken politischen Spektrum zuzuordnen sind. Dies hat keineswegs etwas mit einer grundsätzlichen Ablehnung gegen ‚linke‘ Anliegen zu tun – wer meine eigene Biographie durchforstet oder auch nur die Widmung dieses Buches liest, wird feststellen, dass mir besonders eines der hier angesprochenen Themen selbst sehr am Herzen liegt. Dieses Vorgehen ist allein dem Umstand geschuldet, dass die linke Ideologie die heutigen gesellschaftlichen Debatten nun einmal stark dominiert. „Wer links ist, lebt in dem schönen Bewusstsein, im Recht zu sein, ja, einfach immer recht zu haben. Linke müssen sich in Deutschland für ihre Ansichten nicht wirklich rechtfertigen. Sie haben ihre Meinung weitgehend durchgesetzt, nicht im Volk, das störrisch an seinen Vorurteilen festhängt, aber in den tonangebenden Kreisen, also da, wo sie sich vorzugsweise aufhalten.“4

Hätte ich dieses Buch vor einigen hundert Jahren geschrieben, so hätte ich mich gegen eine angeblich gottgewollte Gesellschaftsordnung oder grausame Hexenprozesse ausgesprochen – und wäre dafür vermutlich selbst auf dem Scheiterhaufen gelandet. Hätte ich dieses Buch vor etwa achtzig Jahren geschrieben, so hätte ich gegen den ‚Nachweis‘ vorgehen müssen, Jesus sei arischer Abstammung gewesen. Jede Epoche hat nun einmal ihre eigene Form von ideologischem Missbrauch der biblischen Texte. Es wäre aber ein schwerwiegender Fehler zu glauben, dass sich daran in unserer heutigen Zeit irgendetwas geändert habe. Die Aussage, Jesus sei kein Jude gewesen, ist selbstverständlich falsch, aber sie ist nicht mehr oder weniger falsch als die Behauptung, Jesus sei Vegetarier gewesen. Es gibt bei richtig oder falsch nun einmal keine Steigerungsformen. Natürlich weiß ich, dass ich mir damit den Vorwurf eines ‚Nazi-Vergleichs‘ einhandele, aber ich sage es hiermit klipp und klar: Verfälschung der Wahrheit bleibt Verfälschung der Wahrheit, egal ob von rechts, links, oben oder unten.

Der Grund schließlich, warum sich meine Kritik in diesem Buch im Wesentlichen gegen Darstellungen von Seiten der evangelischen Kirche richtet, mag einerseits in meiner persönlichen Herkunft zu suchen sein, aber wahrscheinlich doch wohl eher darin, dass die evangelische Kirche für derartige ideologische Verirrungen nun einmal, sagen wir, anfälliger ist…

Nun kann man natürlich die berechtigte Frage stellen, ob es überhaupt so etwas wie das objektive Verständnis eines Textes gibt, insbesondere bei einer solch gigantischen Ansammlung von Texten, wie sie die Bibel darstellt. Die Antwort muss selbstverständlich lauten: Nein, es gibt kein Lesen ohne Interpretation. Diese Tatsache darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die Interpretation ihre Grenzen hat. Wenn auf einem Schild steht „Parken verboten“, dann kann ich zu der netten Dame, die einen Strafzettel an mein unter diesem Schild stehendes Auto heftet, schlecht sagen: „Ich habe dieses Schild aber so verstanden, als sei Parken hier erlaubt.“

Es gibt aber noch einen weiteren Einwand, vorbildlich formuliert in der Zeichentrickserie Die Simpsons. Nachdem ein Hurrikan das Haus von Ned Flanders, dem strenggläubigen Nachbarn der Familie Simpson, zerstört hat, wendet sich dieser verzweifelt an Gott mit der Frage „Warum ich, o Herr?“ Er verweist dabei auf seine Rechtschaffenheit, indem er ausruft: „Ich habe alles getan, was in der Bibel steht, selbst den Mist, der an anderer Stelle widerrufen wird.“5