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Jimmi Johnsons Leben ist trostlos und von Armut geprägt. In der Bäckerstube seines Vaters in Xandera, ist er dazu verdammt, zu arbeiten. Nur zu gerne würde er die Welt bereisen, doch dies kommt nicht in Frage. Erst als Handor, der Elf aus Maskara, aus dem Nichts in der Backstube steht und ihn für eine Mission mitnehmen will, geht Jimmis Wunsch in Erfüllung. Eine Theorie besagt, dass nur Jimmi die aufkommende Macht des Bösen auf dem Kontinent Atramonia, besiegen kann. Schnell lernt Jimmi einige Geschöpfe von Atramonia kennen, die ihn dabei unterstützen wollen. Eine kleine Gruppe, bestehend aus einem Kobold, einem Werwolf, einem Bär, einem Elf, einem weissen Ritter und Jimmi macht sich auf den gefährlichen Weg nach Maskara, in dem eine Waffe versteckt liegen soll. Schnell wird Jimmi klar, das die Bösen Mächte ihn lieber tot sehen wollen, bevor er die Elfenstadt erreichen würde. Die erste richtig grosse Hürde ist der Berg Nagur. Ehemalige Heimat der Kobolde und nun im Besitz der Bösen Mächte. Die Reise beginnt und sie wird Jimmi mehr abverlangen, als er es sich jemals vorstellen hätte können.
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Seitenzahl: 396
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Für meine Familie
Danke für eure Unterstützung. In allen Belangen des Lebens
Jimmi Johnson Trilogie
Berg Nagur
Der grosse Karamangawald
Maskara
Ein alter Bekannter
Die alte Theorie der Elfen
Die Reise beginnt
Die Karibur Plantagen
Der Weg durch die Berge
Die Vorstadt
Der Vogel singt
Sir Larzerons Verwandschaft
Ein rettender Baum
Faldoks Hütte
Aufbruch nach Nagur
Ein freundlicher Gastgeber
Yugak
Handors Pläne
Einstieg in das Ungewisse
Der Verräter
Ein gewagter Plan
Auf dem höchsten Punkt
Der Tag erwachte zum Leben. Regnerisch, kühl und kein einziger Sonnenstrahl drang durch das dichte Gewölk hindurch. Eigentlich nichts aussergewöhnliches für einen Tag mitten im Herbst. Viel mehr wunderte man sich über den viel zu kalten Sommer. Statt den herrlichen Sonnen- gab es sehr viele Regentage und die Sonne vermochte sich kaum gegen die dunklen Wolken am Himmel zu behaupten. Äusserst trostlos und unheimlich war das Ganze.
In den Spelunken des Dorfes Xandera wurde viel gemunkelt und geredet. Natürlich gab es verschiedene, sowohl sinnvolle wie auch alberne, Theorien die aufgestellt wurden. Einige sahen es sehr positiv und waren erfreut über den Regen.
Das Wasser, das ansonsten ausserordentlich knapp war, gab es nun im Überfluss. Die Leute aus den Armenvierteln
Xanderas freuten sich über das frische Regenwasser, das die Bewohner auf jede erdenkliche Art sammeln konnten.
In den ansonsten sehr heissen und trockenen Sommermonaten konnten sie das Wasser nur vom Dorfbrunnen beziehen und durch die Regeln, die von der Regierung aufgestellt worden waren, war dies meist viel zu wenig. Es reichte für die Bewohner gerade einmal knapp zum Trinken und für einen Monatswasch. Mehr durfte man nicht verwenden, denn ansonsten würde es nicht für alle Bewohner reichen.
Früher war ein grosser Bergsee noch ideal gewesen, für die Bewohner Xanderas, um Wasser zu holen.
Heutzutage jedoch ist der See verschmutzt und unbrauchbar.
Die Bewohner waren selbst schuld an der Verschmutzung des Sees, denn es wurde viel Abfall und Unrat achtlos hineingeworfen und so konnte heutzutage kein Trink- oder Waschwasser mehr aus dem See gefördert werden.
Nur die Reichen Leute von Xandera mussten sich kaum Gedanken über das Wasser machen. Ein unterirdischer Fluss, der von der nördlich gelegenen Bergkette her bis inmitten der Mauern des Reichenviertels führte, versorgte die knapp sechzig Personen mit mehr als genug Wasser.
Viele dutzende Male wurde ein Protest, der von den ärmlichen Dorfbewohnern eingereicht worden war, bei der Regierung abgeschmettert.
Der Grund war natürlich nur allzu offensichtlich. Die Leute im Reichenviertel hatten Gold, viel Gold. Meist waren es kleinere Familien die von den Erbeutungen ihrer Grossväter in einem vergangenen Krieg profitierten und dies geerbt hatten.
Die Regierung benötigte das Gold der Reichen für den Handel von Nahrung und ein wenig Kriegsgerüst, das sehr wichtig für die Stadt war.
Auch wenn die Regierung dies nie öffentlich kund tun würde, war es sehr offensichtlich, dass man von den reichen Bewohnern abhängig war. Diese Rechnung konnte jedes Kind in Xandera machen.
In dem Dorf gab es nicht wenige Personen die versuchten die unterirdische Leitung zu finden und diese für den Eigengebrauch anzuzapfen. Alle scheiterten sie früher oder später bei dem Versuch und die Regierung von Xandera kannte mit diesen Personen meist keine Gnade und verbannte diese Verbrecher direkt aus dem Dorf.
Das Dorf Xandera liegt südwestlich auf dem grossen Kontinent Atramonia. Viele der Dorfbewohner kannten nur das Dorf Xandera und das nahegelegen Gebiet, da sie sich nie aus dem Dorf wagten. Im Norden und im Osten war Xandera umgeben von einer riesigen Bergkette und im Süden lag die Grenze zum Hexenwald. Etwa einen Tagesmarsch nach Süden musste man vollbringen um an das rauchende Meer zu gelangen. Das rauchende Meer verdankte seinen Namen durch die Vulkanfelder und den Lavastrom, der südlich von Xandera in das Meer floss. Südlich des Hexenwaldes und am Rande der Vulkanfelder lebten die Hexen. Die wenigen Dorfbewohner, die diesen Ort schon einmal zu Gesicht bekommen hatten, nannten den Ort Hexonia und beschrieben ihn als trostlos und unbarmherzig. Allerdings konnte man diesen Aussagen nur wenig Glauben schenken. Meist waren es betrunkene in einer der Kneipen Xanderas, die haarsträubende Geschichten über die Hexen preisgaben um die Bewohner einzuschüchtern. Nicht selten wurde dabei über die üblen Experimente der Hexen gemunkelt, welche sie an diesem Ort mit ihren sonderbaren Heilmittelchen verrichten sollen. Diese Gerüchte machten die Hexen nicht gerade sympathisch bei den Dorfbewohner Xanderas. Man war froh über den Pakt, den Xandera mit Hexonia hielt. Einmal im Monat wurde ein Dienstgnom entsandt, der mit Pferden und einem Anhänger durch den Hexenwald fuhr und den Hexen frisches Trinkwasser brachte. Im Gegenzug erhielt Xandera von den Hexen wichtige Heilmittel, Pflanzen und Kräuter, die auf dem Dorfmarkt ersteigert werden konnten.
Im Norden hinter der grossen Bergkette lag die grosse Stadt. Die grosse Stadt ist die wichtigste Handelsdomäne Xanderas. Mit den riesigen Getreidefeldern und der grossen Viehzucht ist die grosse Stadt überlebenswichtig für Xandera. Da die grosse Stadt nicht abhängig von Xandera ist, muss viel Gold investiert werden, damit die wichtigen Lebensmittel nach Xandera gelangen konnten. Deshalb brauchte die Stadtverwaltung Xanderas das wichtige Gold Reichen.
Einer der Bewohner von Xandera ist Jimmi Johnson. Jimmi, der Sohn eines Brotbäckers, der im Armenviertel ein sehr bescheidenes Leben führen muss, war ein unscheinbarer Typ. Früher wurde er in der kleinen Schule im Armenviertel meist ausgelacht und gehänselt. Er war damals ein kleiner Junge mit kantigem Gesicht und kurzen, dreckigen schwarzen Haaren. Seine ungewöhnlich blass schimmernde Haut konnte er nur schlecht verbergen und so kam es nicht selten vor, dass er als Vampir oder als Leiche bezeichnet wurde. Allerdings war Jimmi Johnson sehr stolz auf seine Augen. Funkelnd grosse, blaue Augen, die er offensichtlich von seiner Mutter geerbt hatte. Mit vier Jahren verlor Jimmi seine Mutter. Er konnte sich kaum noch an sie erinnern. Nur ein kleines, verdrecktes Foto erinnerte ihn an sie. Gross und schlank war seine Mutter gewesen. Mit ihren blonden, langen Haaren und den strahlenden blauen Augen war sie nicht zu übersehen gewesen im Armenviertel von Xandera. Jimmi wusste, dass er die bleiche Haut von seiner Mutter geerbt haben musste. Genau wie Jimmi strahlte sie förmlich im Dunkeln. Nicht wenige im Viertel munkelten, dass Jimmis Familie steinreich sein müsse. Genau dies wurde ihr dann warscheinlich auch zum Verhängnis. Eines Tages wurde Jimmis Mutter tot in einer Seitengasse aufgefunden. Ihre Tasche mit der sie einkaufen ging hing noch immer um ihren Arm als man sie entdeckt hatte. Die Ursache des Todes fand Jimmi nie heraus. Es wurde geheim gehalten und so konnte Jimmi nur vermuten, dass sie Räubern zum Opfer gefallen war.
Seit diesem schrecklichen Tag war sein Leben fortan ein anderes gewesen. Jimmis Vater, der auch klein gebaut war und dunklen Haare und schwarzen Augen hatte, trieb ihren Tod fast in den Wahnsinn. Durch den Tod seiner Mutter wurde auch automatisch klar, dass Jimmi irgendwann die kleine Bäckerei übernehmen musste, die sein Vater und bis zu ihrem Tod auch Jimmis Mutter geführt hatten.
Früher hatte Jimmis Vater noch einen Hilfsgnom gehabt, der ihn beim Backen unterstützt hatte. Nun musste Jimmi seinem Vater unter die Arme greifen und natürlich war das für ihn ein Albtraum.
Jimmi ist sehr entdeckungslustig und nicht wenige Male schlich er sich in den nahegelegenen Hexenwald um die Gegend zu erkundigen.
Sein Vater schäumte danach meist vor Wut und schrie ihn an von wegen »GEFÄHRLICH!« und »BRAUCHE DICH NOCH!«
Jimmis Vater ging es dabei jedoch weniger um seine Gesundheit als vielmehr um den helfenden, kostenlosen Arm in der Backstube. Dies bekam Jimmi vor allem durch das Wall-Holz zu spüren, mit dem sein Vater unzählige Male auf ihn eingedroschen hatte und dies noch immer tat, wenn er unzufrieden war mit Jimmi.
Wie gerne hätte Jimmi einen Freund, dem er alle seine Sorgen und Nöten erzählen konnte. Doch niemand, der noch alle Tassen im Schrank hatte, war mit diesem sonderbaren Jimmi Johnson befreundet.
Während dem Brotverkaufen, für das Jimmi ebenfalls zuständig war, mochten ihm die Bewohner des Armenviertels kaum in die Augen blicken. Nicht wenige dachten er sei verflucht oder sonst irgendetwas verrücktes.
Natürlich hatte sich damals die sonderbare Geschichte des kleinen Johnson Jungen sehr schnell herumgesprochen.
Von den Kindern in der Schule erfuhren es die Eltern und die restlichen Bewohner erfuhren es von den Eltern. So ging die Geschichte rasend schnell umher. Jimmi war damals zehn Jahre alt gewesen. Wieder einmal wurde er an diesem Tag in der Schule gehänselt. Daraufhin hatte er sich hinter einem Baum bei der Schule versteckt. Zu seinem Pech wurde er rasch entdeckt und daraufhin zogen ihn einige ältere Schüler in die Mitte des Pausenareals. Nach ein zwei Schlägen, die er grundlos einstecken musste, fingen die anderen schaulustigen Schüler an zu johlen und zu jauchzen. Jimmi hatte auch so nicht gerade den besten Tag erwischt. Stress mit den Lehrern und eine miserable Prüfung, die er zurück erhalten hatte, waren schon Gift gewesen für sein Gemüt.
Nach den Schlägen vier und fünf platzte ihm schliesslich der Kragen. Jimmi wusste er hatte keine Chance gegen die älteren Mitschülern, dennoch fing er an zu schreien und zwar so laut wie er es noch nie zuvor getan hatte. Er zitterte vor Wut und als er aufhörte zu schreien, bemerkte er überrascht, dass die anderen Kinder zwei, drei Schritte von ihm weggestolpert waren.Manche blickten irritiert andere sogar ängstlich. Jimmi verstand nicht warum. Einige der Schüler tuschelten daraufhin aufgeregt miteinander und Jimmi konnte ein Wort aufschnappen.
»Missgeburt!«
Daraufhin ergriff Jimmi weinend die Flucht. Er hatte es satt und es war im vollkommen gleich, dass er noch zwei Lektionen Schule hatte. Er spurtete davon und blieb erst stehen, als er kaum noch Luft bekam vor Anstrengung.
Jimmi keuchte, stützte seine Hände in die Hüfte und blickte zu Boden. Ein kleiner Schrei entfuhr ihm, als er in einer Regenpfütze auf dem Boden sein Spiegelbild betrachtet hatte. Seine Arme, Beine und sein Kopf waren komplett violett angelaufen. Jimmi hatte nicht die leiseste Ahnung wieso er plötzlich ganz violett angelaufen war. Er spurtete nach Hause um seinen Vater zu fragen, doch der sagte ihm nur, dass er etwas verdorbenes gegessen haben musste. Jimmi war davon ganz und gar nicht überzeugt gewesen.
Seit diesem Tag an sprachen die Leute kaum mehr ein Wort mit Jimmi. Auch in der Schule wurde er kaum mehr beachtet, was allerdings den Vorteil hatte, dass er nicht mehr gehänselt wurde.
Die Einsamkeit wurde von Tag zu Tag stärker. Etwas musste Jimmi dagegen unternehmen und so bat er seinen Vater sich ein Haustier zulegen zu dürfen. Natürlich hiess die Antwort nein und zwar sehr deutlich. Jimmi gab allerdings nicht auf und etliche Wall-Holzschläge später gab sein Vater klein bei und kaufte ihm auf dem Dorfmarkt ein kleines Kapuzineräffchen.
Für Jimmi war das ein Geschenk des Himmels gewesen. Es war kein ein anständiger Gorilla oder ein lustiger Orang-Utan wie es die Reichen zu besitzen pflegten, doch das Kapuzineräffchen war ein treuer Gefährte für Jimmi und er nannte es Gamba.
Am Anfang hatte er ziemlich grosse Mühe gehabt mit der Haltung des Äffchens.
Ständig rannte es in Richtung Hexenwald davon. Glücklicherweise kam es immer wieder zurück und so lernte Jimmi auch, dass man ihm ausreichend Freiraum bieten musste.
Ab und zu kam es auch betrunken nach Hause, nämlich dann, wenn es wieder einmal in den verlumpten Pubs des Armenviertels umherstrich und sich Bier von den ahnungslosen Leuten klaubte.
Jimmi war das ziemlich egal, denn er fand, dass alle seinen Spass haben sollten. Nur sein Vater war nicht immer so tolerant gewesen. Beispielsweise als das Äffchen ihm nach einer Sauftour in den Getreidetopf gereihert hatte wurde er daraufhin rasend vor Wut und sperrte es eine Woche lang aus.
Jimmi beendete die Schule als einer der schlechtesten, doch es spielte keine Rolle für ihn, da er nach der Schule bei seinem Vater in der Bäckerei aushelfen musste.
Dies war seine Bestimmung, ändern konnte er wohl oder übel sowieso nichts.
Irgendwo her kam der krächzende Ruf eines Hahns, der Jimmi jeden Morgen aus dem Schlaf riss.
Schlaftrunken schaute sich Jimmi in seinem Zimmer umher.
Es war klein und eng und das Zimmer bot gerade einmal Platz für ein Bett, ein kleines Nachttischlein mit dem Foto seiner Mutter darauf und ein kleines Nest für Gamba, seinem Kapuzineräffchen.
Gamba döste weiter vor sich hin und Jimmi war sich sicher, dass er wieder einmal ausser Haus gewesen war am vorherigen Abend.
Jimmi zog sich sein altes T-Shirt und ein paar alte dreckige Jeans über und versuchte Gamba zu wecken.
»Los, steh auf, du musst mir beim Tragen helfen.«
Das Äffchen grunzte nur, drehte sich zur Seite und schlief weiter.
Jimmi seufzte und grübelte ein wenig darüber nach, wie er den Faulpelz dazu bewegen konnte aufzustehen.
»Komm schon, dann versuche ich dir auch einen Apfel zu besorgen.«
Gamba drehte sich um und stierte ein wenig verträumt zu Jimmi hinauf.
»Ja, du weisst wenn Vater das erfahren würde setzt es bei mir eine Tracht Prügel ab! Aber das riskiere ich für dich, also los du Faulpelz.«
Diese Versprechung genügte für Gamba. Das Äffchen stand auf und streckte sich ein wenig. Daraufhin gingen Jimmi und Gamba gemeinsam zur Tür hinaus und die extrem steilen Stufen ihres Hauses in die Backstube herunter.
Jimmis Vater war bereits bei der Arbeit und beachtete die beiden kaum als sie die Backstube betraten.
Jimmi ging direkt zu seinem Arbeitsplatz hin und begann mit dem Brotbacken.
Gamba arbeitete artig mit und holte jedes Mal wenn ein Brot fertig war den Korb her um das Brot hineinzulegen.
»Was ist denn heute mit deinem Schmutzfink los? Ansonsten sträubt er sich doch immer gegen das Mithelfen«, bemerkte Jimmis Vater misstrauisch.
»Ich habe ihm gedroht draussen zu übernachten, Vater«, gab Jimmi locker zur Antwort zurück.
Wenn sein Vater erfahren würde, das Jimmi vorhatte eines seiner Brote gegen einen Apfel einzutauschen, würde es Prügel setzen, das wusste Jimmi.
Nach zwei Stunden backen waren zwei Dutzend Brote fertig für den Verkauf.
Jimmi holte wie jeden Tag den Schubkarren hinter dem Haus hervor und hievte, zusammen mit Gamba, die Körbe die randvoll mit Broten gefüllt waren darauf.
Während Jimmi und Gamba sich auf den Weg zur Mitte des Armenviertels aufmachten, erwachte das Viertel langsam zum Leben. Hie und da sah Jimmi verstohlene Blicke von einzelnen Leuten, die hinter den Vorhängen hervorblickten.
Jimmi schnaubte laut auf, denn immer wenn er zurückschaute, verschwanden die Leute wieder hinter ihren Vorhängen.
Jimmi brauchte gar nicht erst zu rufen, dass das Brot fertig sei, als er sein tagtäglicher Ort erreicht hatte wo er die Ware verkaufen wollte.
Etwa 50 Personen standen bereits in der Mitte des Viertels, das zusammen mit allen Häusern einen Kreis bildete und warteten auf ihn.
Natürlich könnten sie Jimmi überrumpeln und ihm das Brot einfach wegnehmen, doch das wagte niemand.
Nicht nach der Geschichte in der Schule.
Die Leute waren recht abergläubisch und deswegen wagten sie es schon kaum die Brote zu essen, die Jimmi und sein Vater backten, geschweige denn den Jungen anzufassen.
Unglaublicherweise musste Jimmi den Leuten tatsächlich seinen Beutel hinstrecken, damit sie ihr Geld dort hineinlegen konnten und ihn somit nicht anfassen mussten.
Wenn sie allerdings nicht verhungern wollten, mussten die Leute wohl oder übel die Brote essen.
Jimmi hörte einzelne Leute sogar beten wenn sie das Brot kauften.
Lächerliche Dinge von wegen »Herr gib mir die Kraft und lasse das Brot deines Leibes nicht vergiftet sein.«
Natürlich gab es für die 50 Personen nicht alle ein Brot zu kaufen.
Der Preis war dabei entscheidend und so nahm Jimmi wie gewöhnlich die besten 23 Angebote an.
Das Höchste, das an diesem Tag geboten wurde, war 20 Silberstücke und das tiefste 50 Bronzestücke.
Im Armenviertel ging es immer ziemlich gut auf. Wer an diesem Tag kein Brot ergattern konnte, hatte dafür für den nächsten Tag mehr Geld zur Verfügung. Dies bedeutete allerdings, dass die Leute sich nur alle drei bis vier Tage ein Brot leisten konnten, was ziemlich traurig ist.
Zehn Bronzestücke waren ein Silberstück und 1000 Silberstücke waren ein Goldstück.
Gold besass niemand im Armenviertel, denn sonst würde kaum jemand in diesem dreckigen Loch wohnen.
Das letzte Brot gab Jimmi der Obstverkäuferin, die immer gleich neben ihm Obst verkaufte und erhielt dafür zwei Äpfel.
Auf dem Rückweg zum Bäckerhaus mampften Gamba und Jimmi genüsslich ihre Äpfel.
Jimmi war während dem Verkaufen des Brotes wieder einmal etwas Merkwürdiges aufgefallen, was ihn diese Woche schon mehrmals beschäftigt hatte.
»Du Gamba, seit etwa einer Woche steht immer ein Mann etwas weiter hinten in der Menge und beobachtet uns beim Verkaufen. Ist dir das auch schon aufgefallen?«, fragte Jimmi an sein Hausäffchen gewandt.
Das Äffchen kreischte fragend auf und schüttelte mit dem Kopf.
»Du denkst doch nicht, dass der Typ von der Regierung ist und uns die Lizenz zum Verkaufen wegnehmen will, oder?«, murmelte Jimmi.
Das Äffchen blickte ihn verdutzt an.
»Du weisst doch, die Typen die beim Dorfplatz wohnen.«
Gamba nickte langsam mit dem Kopf, allerdings ohne sich weiter dafür zu interessieren. Er wandte sich lieber wieder seinem saftigen Apfel zu.
Allerdings, dachte sich Jimmi, ist dieser Typ angezogen wie ein lausiger Bettler aus dem Armenviertel und deshalb konnte er sich nur schwer vorstellen, dass dieser Mann von der Regierung sein sollte. Die Herren von der Regierung trugen immer die besten Anzüge und waren allesamt schick gekleidet.
Das Schwert des Mannes, der sie beobachtet hatte, war Jimmi allerdings sehr wohl aufgefallen und es machte ihn nur noch stutziger.
»Nun ja, vielleicht wartet er auf eine Möglichkeit ein Brot zu kaufen, wenn einmal nicht so viele Leute auf dem Platz stehen«, sagte Jimmi laut, ohne allerdings davon überzeugt zu sein.
Wenn er auf solch eine Gelegenheit hoffte, konnte er noch lange warten, dachte sich Jimmi. Bei fast 1000 Leuten die in dem Armenviertel wohnten kam es nicht vor, dass nicht mindestens fünfzig Personen pro Tag auf Brot warteten.
Als Jimmi und Gamba schliesslich in der Bäckerstube angekommen waren, war Jimmis Vater gerade damit beschäftigt seine Finanzen zu prüfen.
Jimmi legte ihm das verdiente Geld auf den Tisch und wartete gespannt darauf, was er zu den Einnahmen zu sagen hatte.
Als sein Vater das Geld angeschaut hatte, grunzte er nur und beugte sich wieder über sein Pergament.
Natürlich hatten Jimmi und sein Vater nicht viel Geld, dennoch hatten sie jeden Tag frisches Brot auf dem Tisch.
Im Vergleich mit den restlichen Leuten des Armenviertels in Xandera konnte man sich darüber wahrlich nicht beklagen, denn den meisten Leuten reichte das Geld gerade einmal für ein Laib Brot pro Woche.
Dennoch, Jimmi war alles andere als glücklich mit seinem Leben. Nur zu gerne würde er einmal auf die Bergkette hinaufklettern um zu schauen wie es dahinter im Norden aussah.
Sein grosser Traum war es schon immer gewesen, Xandera zu verlassen und in eine grosse Stadt zu ziehen, doch dies kam im Moment überhaupt nicht in Frage. Sein Vater brauchte ihn in der Bäckerei und es wäre undenkbar von Jimmi seinen Vater mit der ganzen Arbeit einfach zurückzulassen.
Jimmi ging wieder auf sein Zimmer und betrachtete wie jeden Tag das Foto seiner Mutter.
Wie es wohl wäre wenn sie noch hier war? Hätte er noch Brüder oder Schwestern?
Jimmis Gedanken an seine Mutter waren immer sehr emotional und es gab Tage da liess ihm das Bild sogar für einen wunderbaren Moment ein Lächeln über das Gesicht fliegen.
An den meisten Tagen allerdings wurde er sehr traurig und nachdenklich und oft hinterfragte er denn Sinn des Todes seiner Mutter, natürlich ohne dabei auf ein einleuchtendes Ergebnis zu kommen.
An diesem Nachmittag durfte Jimmi mit seinem Vater auf den grossen Dorfplatz mitgehen um Getreide einzukaufen.
Gamba musste zu Hause bleiben, denn das Treiben auf dem Markt würde ihn wahnsinnig machen.
Auf dem grossen Dorfplatz Xanderas befand sich auch der grosse Dorfmarkt.
Wieder schob Jimmi den Schubkarren, doch dieses Mal ging es ausserhalb des Armenviertels. Er freute sich immer wenn sie auf den Dorfplatz gingen um Getreide zu holen. Es war eine willkommene Abwechslung zum jämmerlichen Dasein des Armenviertels.
Es dauert etwa eine halbe Stunde, bis man den Dorfplatz von dem Armenviertel aus erreichte.
Auf dem Weg dahin kamen sie an der Einmündung zur Hexenstrasse vorbei.
Jimmis Vater betete dabei wie gewohnt seinen Vortrag über die Gefährlichkeit dieser Strasse und die des Hexenwaldes herunter. Jimmi bewegte mittlerweile seine Lippen lautlos mit.
» … du weist nie was dich dort erwartet …« … »… Leute verschwunden... «
Immer das Gleiche, dachte sich Jimmi.
Auch kamen sie auf den gefährlichen Platz wie sein Vater ihn nannte.
Wenn man diesem Weg geradeaus weiterfolgen würde, käme man in die dunklen Gassen von Xandera.
Die dunklen Gassen waren von Bäumen umgeben und Jimmi hatte noch nie die Möglichkeit gehabt, einen Blick auf diesen verwunschenen Ort zu werfen. Angeblich war das die Wohngegend von den Dienstgnomen, allerdings hörte man auch Gerüchte über Finderlingen die dort Zuflucht gefunden hätten. Kleine diebische Gestalten in Kapuzenmäntel gehüllt und angeblich sollen sie die Hilfsarbeiter der Hexen gewesen sein.
Jimmi hatte noch keinen von ihnen zu Gesicht bekommen und konnte sich so auch kein Bild von diesen sonderbaren Geschöpfen machen.
Der Weg, den sie nehmen mussten, führte in Richtung Süden in das Dorfzentrum und zu dem Dorfplatz.
Ein ganz kleines Stück mussten sie noch auf der Hauptstrasse entlang gehen und bald darauf erreichten er und sein Vater den grossen Dorfplatz.
Der Aufenthalt auf dem Dorfplatz dauerte nicht lange, denn Jimmis Vater wusste genau von wem und wie viel Getreide er einkaufen musste und daher waren die Einkäufe meist rasch erledigt.
Jimmi fand das sehr schade, denn auf dem Dorfmarkt gab es viele tolle Sachen zu entdecken.
Verschiedene Esswaren, tolle Kleider, prachtvolle Haustiere und vieles mehr, was es zu entdecken gab.
Jimmis Vater wollte von dem ganzen »Kram«, wie er selbst sagte, nichts wissen.
»Das ist alles zu teuer«, betont er jedes Mal wenn sie auf dem Markt waren.
So begaben sie sich auch schon wieder auf dem Rückweg in die Backstube.
Sie gingen den ganzen Weg zurück und Jimmi hatte dabei das komische Gefühl den ganzen Weg beobachtet worden zu sein.
Am nächsten Morgen erwachte Jimmi sehr früh und noch bevor der Hahn auch nur einen Mucks gemacht hatte. Er meinte ein Klopfen gehört zu haben und wunderte sich darüber.
Niemand kam je freiwillig zu ihnen nach Hause angesichts der angeblichen Verrücktheit von Jimmi war das auch nicht verwunderlich.
Auch Gamba musste es gehört haben, denn sein Kopf war gerade in die Luft gestreckt und er horchte aufmerksam.
Tatsächlich hörte Jimmi zwei Stimmen in der Backstube, die sich miteinander unterhielten.
Die Eine war von seinem Vater, doch die andere war ihm fremd.
Gerade als Jimmi sich dazu entschlossen hatte nachzusehen, ertönte die Stimme seines Vaters von unten an der Treppe.
»Komm mal herunter Junge«, rief er.
Zögerlich und vorsichtig ging Jimmi die steilen Treppen zur Backstube herunter.
Gamba schlich hinter ihm her und machte keinen Mucks.
Als er in der Backstube angekommen war erblickte Jimmi einen grossen Mann, der auf einem Stuhl am Tisch sass.
Das Gesicht des Mannes konnte Jimmi nicht erkennen, da er eine Kapuze aufgesetzt hatte.
Zunächst schien ihm der Mann sehr fremd, denn er hatte einen schönen grünen Mantel und saubere braune Hosen an.
Erst auf den zweiten Blick erkannte Jimmi sein schön schimmerndes, silbriges Schwert, das den Fussboden berührte.
Erschrocken blickte Jimmi seinen Vater an, doch dieser wies ihn mit einer Handbewegung an, sich auf einen freien Stuhl zu setzen.
Als Jimmis sich wortlos gesetzt hatte, zog sich der Mann die Kapuze von seinem Gesicht herunter und Jimmi schaute in ein anmutigendes, glattes Gesicht eines Mannes, das makellos schien. Seine Augen waren strahlend Blau und seine Haut war ähnlich blass wie die von Jimmi. Auffallend waren seine grossen Runden Ohren und die spitzige Nase.
»Nun«, begann der Fremde und setzte sich ein wenig gerader hin, auf seinem Stuhl.
»Mein Name ist Handor. Ich komme von weit weg aus der Stadt Maskara. Ich kann mich noch gut an deine Mutter erinnern. Selbst unter uns war sie eine auffällige Person und ihre Geschichte ist natürlich sehr bekannt bei uns«, sagte der Mann in einem sehr weichen und wie Jimmi fand sehr beruhigendem Tonfall.
Jimmi starrte den Mann einige Sekunden ungläubig an.
»Woher kennen Sie meine Mutter Sir und was ist Maskara?«, fragte Jimmi und war dabei überrascht, dass er so klar und deutlich sprechen konnte, da er am Anfang vor Schreck ziemlich gelähmt gewesen war.
Der Mann schaute von Jimmi zu seinem Vater auf der mit verschränkten Armen beim Fenster stand und mit grimmiger Miene hinaus schaute.
»Was soll das heissen?«, fragte der Mann an Jimmis Vater gerichtet. »Ist er etwa nicht im Bilde?«
Jimmis Vater rümpfte seine Nase und seufzte laut.
»Ich habe bisher nicht die Möglichkeit gehabt es ihm zu sagen«, antwortete Jimmis Vater zähneknirschend und ohne den Blick vom Fenster abzuwenden.
»Das ist nicht dein Ernst«, sagte der Mann namens Handor langsam und in einem ernsten Tonfall.
»Ich meine mich zu erinnern, dass wir nach Cecilias Tod darüber einig waren, dass du ihn bald darauf unterrichten würdest!«, fügte Handor hinzu.
Jimmis Vater wurde kreideweiss und drehte sich zu dem Mann um. Mit leiser Stimme sprach er: »Ich konnte es ihm nicht sagen, er wurde schon genug gestraft mit dem Tod seiner Mutter!«
Der Mann am Tisch zuckte kaum merklich zusammen.
»Was soll das bedeuten er wurde schon genug gestraft. Ich glaube der junge Mann hat ein Anrecht darauf die Wahrheit über seine Abstammung zu erfahren. Aber ich glaube das ist wieder ein ziemlich typisches Merkmal von Menschen. Den gemütlichen Weg nehmen und einfach einmal abwarten«, sagte Handor und blickte durchdringend mit seinen klaren blauen Augen Jimmis Vater an.
Jimmi indes verstand kein Wort. Was soll das heissen ein Anrecht darauf die Wahrheit über seine Abstammung zu erfahren? Und was zum Teufel war dieser Mann? Ein Mensch konnte er nicht sein, da er ziemlich grob über die Menschen hergezogen ist. Und warum kannte er seine Mutter sogar mit ihrem Namen?
»Verzeihung, Sir«, sprach Jimmi den Mann an.
»Bitte nenn mich nicht Sir, sondern Handor«, gab der Mann zu verstehen.
»Verzeihung, Handor! Woher kannten Sie meine Mutter? Und was sind Sie genau? Waren Sie das auf dem Platz der mich beobachtet hatte?«, sprudelte es neugierig und ängstlich zugleich aus Jimmis Mund heraus.
Handor lächelte kaum merklich.
»Ja, ich habe dich beobachtet. Verzeih mir bitte, ich wollte nicht dass du ab mir erschrickst und so habe ich dich auch nicht angesprochen. Ich hielt es für angebracht zuerst mit deinem Vater darüber zu diskutieren.«
Handor legte eine kurze Pause ein in der er offensichtlich nachdenken musste.
»Hmm, warum ich Cec kenne und was ich bin... Das kann dir dein Vater beantworten, immerhin kennt er die Geschichte genau so gut wie ich«, antwortete der Mann schliesslich mit einem stechenden Seitenblick auf Jimmis Vater gerichtet und zog eine dicke Pfeife aus seinem Umhang heraus und entzündete diese. Danach lehnte er sich ein wenig auf seinem Stuhl zurück.
Jimmi blickte rasch zu seinem Vater auf. Dieser kam mit einem langgezogenen Seufzen an den Tisch und setzte sich auf einen Stuhl.
»Junge, ich hätte es dir schon viel früher sagen müssen, zugegeben«, begann er und stocherte dabei nervös mit seinen Fingern in einem Loch am Tisch herum. »Du hast dich sicher gefragt, warum du so blass aussiehst und warum du in der Schule immer gehänselt wurdest. Nun du bist eben … ähm … ein wenig … anders«, sagte Jimmis Vater etwas lahm und ohne dabei seinen Sohn anzusehen.
»Wie anders?«, wollte Jimmi stirnrunzelnd von seinem Vater wissen.
Jimmis Vater rutschte etwas unbehagen wirkend auf seinem Stuhl umher, während Handor einige Rauchkringel aus seinem Mund ausstiess.
»Deine Mutter stammte, wie Handor bereits gesagt hatte, aus der Schlucht Maskara. Früher war es noch üblich gewesen eine Zeit lang zu verreisen um andere Sitten und Kulturen kennenzulernen und so zog es mich nach Maskara. Eine wunderschöne Stadt, gelegen im Osten von Atronomia.«
Der Blick von Jimmis Vater hatte plötzlich etwas Träumerisches an sich und er setzte kurz aus.
Erst als Handor sich leise räusperte fuhr Jimmis Vater fort.
»Maskara… eine Stadt, gelegen in einer Schlucht. Wunderschön! Klare Flüsse, grünes Gras soweit das Auge reicht. Viel Getreide und viel Viehzucht. Es war, als befände ich mich in einem Traum. Ich kam an, durstig und hungrig, auf der Suche nach einer Unterkunft. Handor betrieb eine kleine Gaststätte in Maskara und er nahm mich auf. Er sagte zu mir, dass seine Sitte nur sehr wenig Besucher von ausserhalb der Schlucht hätte. Natürlich, es waren gefährliche Zeiten gewesen und man war fast nirgendwo sicher. Im Norden und im Süden regte sich etwas. Etwas Böses und man war nicht gerade erpicht darauf in die Nähe dieser Ländereien zu kommen«, führte Jimmis Vater aus und starrte nachdenklich Handor an, als ob er eine Bestätigung brauchte.
Handor nickte daraufhin kaum merklich mit dem Kopf.
»Ich wollte dort eigentlich auch arbeiten, denn mein Geld war verbraucht und ich konnte meinen Aufenthalt nicht mehr länger bezahlen. In Maskara ist es Fremden allerdings nicht erlaubt zu verweilen und zu arbeiten und so versuchte Handor für mich eine Spezialbewilligung einzuholen, damit ich in seinem Gastbetrieb aushelfen könnte. Leider wurde auch bei mir keine Ausnahme gemacht und ich musste die Stadt in absehbarer Zeit verlassen. An dem letzten Abend vor meinem Aufbruch, sass ich wie fast jeden Abend, an der Bar und trank ein Bier. Dann sah ich sie. Klare blaue Augen, langes blondes Haar und so anmutigend wie sie hereingekommen war, verliebte ich mich in jener Sekunde in sie.«
Und wieder blickten seine Augen träumerisch ins Leere.
Jimmi sass wie auf glühenden Kohlen und er brannte darauf mehr zu erfahren.
»Ich bat Handor sie mir vorzustellen und er tat es«, fuhr Jimmis Vater fort. »Wie sich herausstellte war sie die Tochter eines hohen Tieres der im Rat von Maskara sass. Natürlich wäre man gegen unsere Liebe gewesen, hätte sie mich dazumal ihrer Familie vorgestellt. Deine Mutter, musst du wissen, war zu meiner Überraschung alles andere als abgeneigt von mir.«
Handor fügte lächelnd hinzu: »Zu unser allen Überraschung wahrscheinlich.«
Jimmis Vater schenkte Handor einen halb belustigten halb bösen Blick.
»Wie auch immer, wir waren sofort unzertrennlich und wollten den Rest unserer Tage gemeinsam verbringen. Das grosse Problem war nur, dass Cecilias Vater eine Beziehung mit einem Menschen niemals genehmigt hätte. So verliessen wir Hals über Kopf die Stadt und mit gütiger Hilfe unseres Freundes Handor hier«, sagte Jimmis Vater mit einem Kopfnicken in Handors Richtung.
Handor bewegte sich daraufhin ein wenig verlegen auf seinem Stuhl hin und her und sagte: »Nun ja, ich wurde fast verbannt, als meine Regierung von meiner Mithilfe zu dieser ›Flucht‹ erfuhr.«
Jimmis Vater blickte Handor entschuldigend an.
»Also, nachdem wir die Stadt verlassen hatten, machten wir uns auf den weiten Weg zurück nach Xandera. Danach erbte ich diese Bäckerstube von meinem Vater und wir waren nicht unzufrieden mit unserem Leben. Es verging kaum Zeit und dann bekamen wir dich. Vier Jahre lang waren wir eine glückliche kleine Familie... «
Der Tonfall seines Vaters änderte sich schlagartig. Nun klang er traurig und hohl.
»Dann, eines Tages, ich war gerade am Brotbacken, kam ein Dienstgnom zu uns nach Hause und…«
Jimmis Vater brach ab. Tränen rannen ihm die Backen herunter und er schniefte laut.
»Er teilte euch mit, dass sie Cecilia in einer Gasse tot aufgefunden hatten«, schloss Handor mit leiser und ernst klingender Stimme.
Minuten vergingen, ohne dass jemand ein Wort sprach. Nur das Ticken des Sekundenzeigers der Wanduhr in der Backstube und das leise Schniefen von Jimmis Vater war zu hören. Jimmi fasste sich schliesslich wieder und fragte mit leiser Stimme: »War meine Mutter denn etwas Besonderes?«
Jimmis Vater war offenbar noch immer wie gelähmt und so ergriff Handor das Wort. »Sie war meinesgleichen. Wir sind Elfen von Maskara.«
Wieder trat Stille ein, doch dieses mal lag Spannung in der Luft. Jimmi musste diese Worte erst verdauen. Eine Elfe? Dieses Fabelwesen kannte er nur aus Büchern von der Schule her.
»Aber Elfen sind doch klein und haben Flügel«, bemerkte Jimmi schliesslich mit stutziger Miene und zu spät merkte er, dass dies wohl eine Beleidigung war, denn Handor schnaubte kaum merklich auf.
»Dass, ist wieder typisch Menschen! So stellt ihr euch Elfen vor? Das ist natürlich Unfug! Ich glaube nur eure Regierung und dein Vater wissen wie Elfen richtig aussehen. In diesem verkommenen Nest hier traut sich doch niemand weiter als fünf Meter über die Dorfgrenze hinaus!«
Handor hatte diese Worte in einem Sachlichen und ruhigen Ton gesagt, doch mit sehr viel Bestimmtheit. Jimmi war das ein wenig peinlich, er wollte ihn nicht verärgern.
»Also gut«, begann Jimmi, als er den Mut gefunden hatte, Handor weiter Fragen zu stellen. »Und was bin ich denn nun genau? Ein Elfenmensch?«
»Du bist ein Halbling, ganz einfach«, antwortete Handor. »Darum bin ich hier. Meine Regierung hat mich entsandt, dich mitzunehmen nach Maskara«, schloss er.
Jimmi war baff und sprachlos. Natürlich, er hätte es beinahe vergessen! Deshalb stand der Mann also am frühen Morgen in der Bäckerstube der Johnsons! Es dauerte eine ganze Weile bis Jimmi darauf etwas sagen konnte.
»Wieso sollte ich denn nach Maskara mitkommen?«, fragte er schliesslich erstaunt und verwirrt klingend zugleich.
»Das sage ich dir, wann es Zeit dazu ist«, antwortete Handor mit ruhiger Stimme.
Jimmis Vater starrte Handor daraufhin ungläubig an. »Was ist der Grund dazu?«, fragte er aufgebracht an Handor gewandt. »Er wird doch nicht zur Rechenschaft gezogen, für das was Cecilia und ich getan haben?«, fügte er mit einem leicht ängstlichen Unterton in der Stimme hinzu.
Handor fasste daraufhin Jimmis Vater ins Auge und antwortete: »Du kannst beruhigt sein, mein alter Freund, es geht nicht um dich und Cecilia. Viel Wichtigeres muss sofort in Gange gesetzt werden und zwar so rasch wie möglich!«
Handor stand auf, löschte seine Pfeife, blickte direkt in Jimmis Augen und sagte: »Ich erwarte dich morgen früh im Regierungsgebäude Nummer drei. Du brauchst nichts mitzunehmen, ausser alle Kleider die du besitzt.«
Daraufhin wandte sich Handor geradewegs Jimmis Vater zu und sprach: »Sei unbesorgt. Ich bringe in dir wieder. Ich weiss nicht wann, dennoch hoffe ich dass du mir vertraust und zwar so gut wie ich dir dazumal vertraut habe. Hier, eine kleine Entschädigung für die Abwesenheit deines Sohnes!«
Handor griff in seinen Umhang, holte einen Sack hervor und warf ihn auf den Tisch, wobei ein Klimpern zu hören war.
Daraufhin verbeugte sich der Elf vor Jimmi und seinem Vater und ging zur Türe hinaus.
Verdutzt starrte Jimmi die Türe an, doch sein Vater hatte den Sack geöffnet und leerte den Inhalt geradewegs auf dem Tisch aus.
Es waren einhundert Goldstücke.
Am nächsten Morgen erwachte Jimmi mit dem ersten Hahnenschrei in aller Frühe. Er hatte eine unruhige Nacht hinter sich. Ständig war er mit seinen Gedanken bei seiner Mutter gewesen oder bei Maskara. Das Reich der Elfen, dass er sich als kleines Paradies vorstellte. Die Informationen von dem Vortag waren gewaltig gewesen und sie hatten ihn wie ein Schlag auf die Glocke getroffen. Den ganzen Tag über war Jimmi in seinen Gedanken vertieft gewesen. War es nicht das, was er schon immer gewollt hatte? Ein Abenteuer erleben? Weg von der ganzen Armut und einfach einmal die Welt bereisen? Es gab zwei Stimmen in Jimmis Kopf, die verschieden klangen. Die Abenteuerlustige flüsterte ihm immer wieder zu, dass er sich das kaum zwei Mal überlegen musste. Die besinnlichere, vernünftigere Stimme jedoch warnte ihn ausdrücklich. Du hast keine Ahnung um was es sich handelt bei dieser Reise! Gefahren warten wahrscheinlich an jeder Ecke!
Im Endeffekt hatte er kaum eine andere Wahl. Jimmis Vater hatte ihn ermutigt und fast schon gezwungen zu gehen. Natürlich, er würde es sich kaum nehmen lassen einen Sack voll Gold zu erhalten, Sohn hin oder her.
Eine Krähe schrie irgendwo her aus dem nahe gelegenen Hexenwald und Jimmi horchte nach dem grässlich klingenden Krächzen. Nach einer Weile stand er schliesslich auf und zog sich ein T-Shirt und seine Jeans an. Schon am Vortag hatte er von seinem Vater einen alten Getreidesack für seine Reise erhalten. Rasch schmiss Jimmi sein zweites T-Shirt und sein zweites Paar Jeans in den Sack und betrachte noch einmal sein schäbiges kleines Zimmer. Er würde es bestimmt nicht vermissen. Nun senkte er seinen Blick auf das Nest in dem Gamba lag. Jimmi bemerkte, dass das Äffchen ihn mit grossen Augen beobachtet hatte.
»Guten Morgen, Gamba. Heute beginnt wohl ein neuer Abschnitt in meinem Leben«, murmelte ihm Jimmi zu.
Das Äffchen kreischte leise und starrte in weiter an. Auch um ihn hatte sich Jimmi seine Gedanken gemacht. Er würde ihn mitnehmen. Dies war seine einzige Bedingung, die er Handor dem Elfen, stellen würde.
Jimmi seufzte und trat die wenigen Schritte auf die Türe zu. Das Äffchen sprang sofort auf und umklammerte mit einem lauten Schrei seine Beine. Jimmi konnte nicht anders, er fing an zu lachen und sagte: »Natürlich Gamba, du darfst mitkommen, was würde ich nur ohne dich machen!«
Das Äffchen löste seine Umklammerung und hüpfte wie ein Känguru im Zimmer umher, offensichtlich vor Freude. Jimmi schmunzelte und machte die Türe zur Treppe auf. Mit einem Fuss war er schon draussen, als Gamba einen weiteren Schrei ausstiess und nochmals zurück zu Jimmis Bett hüpfte. Das Äffchen packte das alte Foto von Jimmis Mutter und brachte es ihm. Jimmi nahm es dankend entgegen und sagte: »Siehst du, genau deshalb brauche ich dich! Danke mein Kleiner!« Und so gingen sie gemeinsam die Treppe hinunter in die Backstube.
Jimmis Vater sass bereits am Tisch und erwartete sie. Sein Gesicht war ausdruckslos und Jimmi konnte nicht sagen, an was er gerade dachte. Er setzte sich zu seinem Vater und begann schweigend das Stück Brot zu essen, das ihm sein Vater auf den Tisch gestellt hatte. Jimmi wusste nicht was er seinem Vater noch sagen sollte, doch dieser nahm im die Mühe ab.
»Jimmi Johnson, deine Augen hast du von deiner Mutter und das Blut, das durch deine Adern fliesst, ist gemischt. Ich hoffe du hast mehr von ihrem Mut, als von meinem bekommen. Eines kannst du dir sicher sein. Es werden Gefahren warten auf diesem mühsamen Weg. Ich kann beruhigt sein, dass dich Handor begleitet. Dennoch wirst du die Augen selber offen halten müssen«, schloss sein Vater und blickte Jimmi dabei weiter mit unergründlicher Miene an. Dann stand er auf und ging zu einem kleinen Schrank, den er sonst nie öffnete. Er holte ein kleines Stück Pergament hervor und reichte es Jimmi.
Jimmi nahm es schweigend entgegen und begann es zu lesen.
Für meinen Sohn, Jimmi. Der Weg ist das Ziel und das Ziel ist der Weg. Ich werde dich immer lieben, egal wo ich gerade bin. Deine Mutter.
Jimmi starrte das Stück Pergament an. Es war etwas wunderbares, etwas so herzergreifend schönes, die Handschrift seiner Mutter auf diesem Fetzen Papier zu sehen. Mit Tränen in den Augen schaute er zu seinem Vater auf.
»Warum hat sie das geschrieben, Vater? Wusste sie, das ihr etwas zustossen würde?«, fragte er mit sehr leiser und trauriger Stimme.
Jimmis Vater sass nun gerade hin und blickte in die Augen seines Sohnes.
»Man kann nie wissen wann oder wo einem etwas zustossen wird, Jimmi!. Deine Mutter hat diesen Text beinahe direkt nach deiner Geburt verfasst.«
Jimmi schauderte es und er steckte das Pergament in seinen Getreidesack.
Gleichzeitig standen Vater und Sohn auf und nahmen sich in den Arm. So etwas hatte es seit Jahren nicht mehr gegeben. Mit einem letzten Blick zurück verliess Jimmi das Haus, zusammen mit Gamba und einem alten Getreidesack in dem er seine Utensilien bei sich hatte.
Es war noch dunkel und es regnete leicht, als Jimmi das Armenviertel verliess und sich auf den Weg zu den Regierungsgebäuden aufmachte. Der Weg dorthin war ihm natürlich bekannt, von den Einkäufen, die er mit seinem Vater auf dem Dorfplatz erledigt hatte. Während er und Gamba dahinschritten machte keiner von Beiden unnötige Geräusche.
Das Rauschen des Windes war zu hören, der vom Hexenwald herüberwehte und als sie bei der Hexenstrasse vorbeikamen, fragte sich Jimmi, welchen Weg er und Handor wohl auf ihrer Reise einschlagen würden. Von seinen Streifzügen durch den Hexenwald kannte er sich ein wenig aus, doch war er nie über die Hexenstrasse in den Wald gezogen sondern nur vom Rande des Armenviertels aus.
Während Jimmi in seinen Gedanken vertieft war fiel ihm der Karren fast nicht auf, der gerade in den Wald verschwand. Als er ihn, kurz bevor der Wald ihn verschluckt hatte, doch noch sah, vermutete Jimmi, dass wohl wieder einmal eine Lieferung Wasser für die Hexen fällig war.
Ohne sich weiter Gedanken darüber zu machen begab er sich rasch an dem gefährlichen Platz vorbei und schlug den Weg in Richtung Dorfmitte ein.
Nach einer guten halben Stunde kam er schlussendlich auf den Marktplatz. Einzelne Händler waren bereits damit beschäftigt, ihre Stände für den heutigen Tag aufzustellen.
Jimmi ging schweigend an den Händler vorbei und auf die Häuserreihe am oberen Teil des Dorfplatzes zu.
Vier Regierungshäuser gab es in Xandera. Haus Nummer eins war für die Ein- und Auswanderungen zuständig. Haus Nummer zwei für Verhandlungen, jeglicher Art. Haus Nummer drei war für Tagungen und Zusammenkünfte. Und schlussendlich Haus Nummer vier für Gesetze und Kontrollen.
Wie Handor es ihm gesagt hatte, betrat Jimmi das Regierungsgebäude Nummer drei. Jimmi war noch nie in einem der Regierungsgebäude gewesen. Er war ziemlich beeindruckt von der Grösse dieses Gebäudes. Er durchquerte eine hübsch eingerichtete Eingangshalle und entdeckte an den Wänden des Gebäudes viele Porträts ehemaliger Regierungsmittglieder, eine riesige Dorfkarte von Xandera und ein grosses Banner in den Farben Grün und Weiss, das die Stadtfarben darstellte.
Jimmi stand nun vor einer Türe, die aus schwerem Stahl gefertigt war. Es gab keine Fenster in der Türe, doch gleich daneben hing eine kurze Schnur und ein Schild auf dem draufstand: »Bitte ziehen!«
Jimmi zog an der Schnur und wartete gespannt. Ein lautes Knacken verriet ihm schliesslich, dass die Türe von innen geöffnet wurde.
Vor ihm baute sich ein grosser, bärtiger Mann auf, der ganz in Grün gekleidet war und Jimmi fiel auf, dass er ein Schwert bei sich trug.
»Name, Wohnort und dein Verlangen«, raunte der Mann kurz angebunden, mit seiner tiefen Stimme.
»Jimmi Johnson. Armenviertel. Herr Handor wollte mich hier sprechen«, gab Jimmi mit etwas zittriger Stimme zurück.
»Einen Augenblick«, antwortete der Mann, drehte sich um und lief in den Raum hinein. Während Jimmi auf den Mann wartete, konnte er einen Blick in den kreisrunden Saal werfen. Es gab darin keine Fenster. Der Raum wurde von einem grossen Kronleuchter beleuchtet, der von der Decke herunterhing. Auf einem kleinen Podest stand ein Rednerpult und davor eine Bankreihe, die steil nach oben verlief.
Der Saal war praktisch leer. Nur auf der vordersten Bankreihe sassen ein paar wenige Geschöpfe, die Jimmi von seinem Standpunkt aus nicht näher betrachten konnte.
Ein Hilfsgnom sass direkt neben dem in der Mitte postierten Rednerpult. Er hatte ein Stück Pergament und eine Feder vor seiner langen Nase und schien bereit zu sein, loszuschreiben.
Der bärtige Mann kam zurück und gab Jimmi mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er ihm folgen solle. Als sie die Mitte des Saals erreicht hatten wurde er angewiesen sich auf die Bankreihe zu setzen.
Der Bärtige Mann verliess Jimmi, ohne ein weiteres Wort an ihn zu richten, ging nach draussen und verschloss die schwere Türe hinter sich. Kurz darauf kam Handor zu ihm herübergesaust.
»Nun, bist du bereit um aufzubrechen?«, fragte er Jimmi.
»Ja, das bin ich«, antwortete Jimmi, wenn auch mit einer wenig überzeugenden Stimme.
Handor nickte kurz mit dem Kopf und legte seinen Mantel ab. »Wir müssen allerdings erst noch eine Lagebesprechung durchführen und es werden uns unsere Gefährten vorgestellt.«
»Welche Gefährten?«, dachte sich Jimmi stutzig. Er war davon ausgegangen, dass er und Handor die Reise nach Maskara alleine unternehmen würden.
Ein Mann ging nun auf das Rednerpult zu und machte Anstalten etwas zu sagen. Handor nahm neben Jimmi Platz.
Erst jetzt blickte sich Jimmi nach den Geschöpfen um, die er von dem Eingang aus nicht erkannt hatte.
Ein Kobold, ein Mensch in einer weissen Rüstung, ein Bär und ein Werwolf sassen schweigend und mit einigem Abstand zueinander da und warteten auf die Rede des Mannes, der an das Rednerpult gegangen war.
Jimmi betrachtete die verschiedenen Geschöpfe mit offenem Mund und überlegte sich dabei ob diese Wesen sprechen konnten.
Der Mann am Rednerpult räusperte sich kurz und Jimmi wandte seinen Blick mit Mühe von den verschiedenen Geschöpfen ab.
»Verehrte Gäste. Die heutige, spezielle, Sitzung wurde einberufen wegen einer Tatsache die sich nicht länger umgehen lässt«, begann der Mann mit nervöser Stimme. Jimmi kannte ihn aber er wusste nicht mehr woher.
»Als Bürgermeister von Xandera bin ich stolz darauf Sie alle heute hier begrüssen zu dürfen.«
Jimmi war sofort klar, wo er den Mann schon einmal gesehen hatte. In der Schule hatten sie zur Einweihung der Amtszeit des neuen Bürgermeisters ein Gedicht auf dem Dorfplatz vorgetragen und dieser Mann hatte ihnen damals zugehört.
»Auf Wunsch von Herrn Handor...« Der Bürgermeister von Xandera deutete auf Handor. »…wurde diese Sitzung einberufen und Sie gebeten, sich nach Xandera zu begeben.«
Der Bürgermeister machte mit seiner Hand eine einladende Bewegung in die Runde, ehe er fortfuhr.
»Wie Sie vielleicht wissen, ist seit längerem eine Bedrohung im Gange. Das Böse ist auf dem Vormarsch. Verschiedene Spione der grossen Stadt haben uns diese Informationen zukommen lassen. Wir werden von Mächten bedroht, die sich schon seit mehr als fünfzig Jahren darauf vorbereiten, alle Ländereien von Atramonia für sich zu beanspruchen!«
Der Kobold rutschte unruhig auf seinem Sitzen umher. Der Bürgermeister übersah dies und fuhr fort.
»So viel wir wissen, geht diese Bedrohung von den drei dunklen Orten Atramonia aus. Von Zomga, Finsterstein und Mortenstein. Obwohl wir einen Friedensvertrag mit diesen drei Mächten haben, ist zu befürchten, dass sich die düsteren Tage von früher wiederholen. Diesen Krieg wollen wir nicht noch einmal führen. Vielleicht könnte uns Herr Gabamanga, aus Krokendar, mehr von dieser Bedrohung erzählen.«
Mit diesen Worten verliess der Bürgermeister das Rednerpult und setzte sich zurück auf die Bankreihe. Gleichzeitig stand der Werwolf auf und schlurfte auf das Rednerpult zu.
Listig sah er aus, dieser Werwolf, dachte sich Jimmi als er dessen Wolfsschädel und die starken Wolfsbeine betrachtete. Der Werwolf begann ohne Umschweife und mit einer tiefknurrenden Stimme zu sprechen: »Danke, Herrr Bürrgerrmeisterr!«
Jimmi lief es kalt den Rücken herunter, als er diese Stimme hörte. Sie war sehr kalt und düster und die Betonung auf dem R machten die Worte nicht gerade wärmer.
»Wie Sie wissen, ist Krrokendarr angrrenzend an die drrei bösen Mächte. Natürrlich schickten auch wirr Spione nach Zomga, Finsterrstein und Morrtenstein. Von den wenigen die zurrückkerrten, hörrten wirr wiederr und wiedrr das Gleiche. Etwas dunkles und finsterres brraut sich zusammen und bedrroht unserr Rreich. Heerrscharren von dunklen Gestalten rrüsten sich fürr einen errneuten Krrieg!«
Dunkel und finster fand Jimmi im Moment eher den Werwolf, der durch das spärliche Licht, das ihn beleuchtete, nur noch düsterer aussah als von Nahem.
»Wirr errhoffen uns von allen frreien Völkerrn Atrramonias Unterrstützung und natürrlich auch die des Jungen!«
Mit den letzten Worten deutete der Werwolf auf Jimmi, der daraufhin erschrocken zusammenzuckte. Was konnte er dagegen schon tun? Er war ein kleiner Niemand und dazu noch ein Mischling von zwei unterschiedlichen Völkern. Ausserdem hatte sich Jimmi während des Gespräches des Werwolfes die ganze Zeit gefragt, was zum Henker eigentlich Zomga, Finsterstein und Mortenstein ist. Der Werwolf stammte ja angeblich aus diesem Krokendar, doch von dem hatte Jimmi bisher ebenfalls noch nie etwas gehört.
Der Werwolf hatte sich inzwischen wieder zu seinem Platz begeben und nun machte der Kobold Anstalten sich zum Rednerpult zu begeben.
Mit einem Kopfnicken erlaubte es der Bürgermeister.
Der Kobold ging mit einem langsamen und schlurfenden Gang in Richtung Rednerpult. Seine langen Arme umklammerten eine grosse Keule und Jimmi wunderte sich darüber, dass der kleine Kobold diese Keule überhaupt halten konnte.
Der Kobold war viel zu klein um über das Pult hinaus zu sehen, also packte er, ohne viel Federlesen, den Hilfsgnom am Genick, stellte ihn beiseite und packte den Stuhl auf dem der Gnom gesessen hatte.