John Sinclair 1994 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 1994 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Ich, John Sinclair, der Geisterjäger, der Sohn des Lichts, sollte als Exorzist aktiv werden!

Ich hatte mich immer dagegen gewehrt, als solcher betrachtet zu werden, aber wenn ich ehrlich war, sah ich dieses Mal keine andere Möglichkeit.

Ich war von der Weißen Macht nach Rom gerufen worden, man brauchte dringend meine Unterstützung. Und wenn mein alter Freund Father Ignatius mich um Hilfe bat, dann war die Lage verdammt ernst.

Das sollte sich bald bestätigen. Denn dieser Fall hielt einige schreckliche Überraschungen für mich bereit ...

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Seitenzahl: 142

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Inhalt

Cover

Impressum

Ich, der Exorzist

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-3655-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Ich, der Exorzist

von Ian Rolf Hill

Der Mann schnarchte leise. Obwohl es Nacht war, herrschte in dem kleinen Raum eine drückende Wärme, die nur von Zeit zu Zeit von einem Windhauch abgemildert wurde, der durch das offene Fenster wehte.

Die Stubenfliege störte sich jedoch weder an der Wärme noch an der Dunkelheit. Zielsicher flog sie durch das offene Fenster in das Zimmer. Sie war zwar deutlich größer als ihre natürlichen Artgenossen, doch immer noch so klein, dass sie keine Aufmerksamkeit erregte.

Sie beschrieb über dem Schlafenden einen Kreis, schien den Mann genau zu beobachten und flog dann spiralförmig auf ihr Ziel zu – direkt in den halb offenen Mund des Schläfers hinein, bis zum Rachen!

Sofort setzte der Schluckreflex ein, und eine Sekunde später war die dicke, schwarze Fliege im Schlund des Mannes verschwunden …

»Ah, willkommen in der Hauptstadt der Antike des Westens und der Christenheit!«

Bill Conolly lächelte und verscheuchte zwei besonders aufdringliche Fliegen, die ihn umkreisten. Waren die nicht schon im Taxi um ihn herumgeschwirrt?

»Danke, Ignatius. Ich freue mich, dass wir uns mal wiedersehen. Seit du in Rom die Führung der Weißen Macht übernommen hast, haben sich unsere Wege leider kaum noch gekreuzt.«

»Umso schöner, dass es jetzt mal wieder geklappt hat.«

Die beiden Männer umarmten sich herzlich und klopften sich auf die Schultern. Dank Bills Freundschaft zu einem gewissen Oberinspektor von Scotland Yard, den seine Freunde auch scherzhaft Geisterjäger nannten, und Father Ignatius’ Beziehungen war es dem Reporter nicht nur gelungen, in das Zentrum des Vatikans vorzustoßen, sondern auch zu dessen Geheimdienst.

Die Weiße Macht, einst gegründet von Ernesto Bentini, um die Bundeslade zu finden, hatte es sich mittlerweile zur Aufgabe gemacht, das Böse weltweit in seine Schranken zu weisen. Zumindest dort, wo es sich körperlich in Form von Dämonen manifestierte.

Father Ignatius arbeitete schon seit Jahren für die Weiße Macht und hatte nach dem Tod Bentinis auch deren Führung übernommen. Für Bill Conolly war es unverständlich, wie er es trotzdem schaffte, immer noch die geweihten Silberkugeln für John Sinclair und dessen Team herzustellen, denn diese Aufgabe wollte er trotz aller Verantwortung nicht aus der Hand geben.

Es war wie eine Berufung für Ignatius, ein inneres Bedürfnis, vielleicht auch die letzte Verbindung zu seinem früheren Leben, das er in dem schottischen Kloster St. Patrick verbracht hatte. Obwohl er immer noch in brieflichem Kontakt mit den dort lebenden Mönchen stand, war es etwas vollkommen anderes, wenn er handwerklich seiner alten Profession treu blieb. Nur den Schmiedehammer schwang er nicht mehr, aber das war zum Teil auch dem fortschreitenden Alter geschuldet.

»Ich soll dich natürlich auch herzlich von John und Suko grüßen«, sagte Bill und unterbrach damit seinen eigenen Gedankenfluss.

Der Chef der Weißen Macht lächelte verschmitzt und zwinkerte Bill verschwörerisch zu. »Nicht ganz ohne Hintergedanken, oder? Wahrscheinlich spekulieren sie auf eine neue Lieferung Silberkugeln, die du gleich mitnehmen willst. Habe ich recht?«

Bill setzte einen treuherzigen Gesichtsausdruck auf. »Wenn es dir keine Umstände macht.«

Beide Männer mussten lachen, und Bill wurde es sofort warm ums Herz. Es war das erste Mal, dass er der Weißen Macht in Rom einen Besuch abstattete, und es war lange her, seit er Ignatius persönlich begegnet war, doch es war, als ob sich die beiden Männer schon seit Jahren tagein tagaus gesehen hätten. Sie lagen auf einer Wellenlänge, wie man so schön sagte.

Das bewies Ignatius auch, als er Bill erst zu den Gästequartieren führte. Nachdem der Reporter sein Gepäck abgelegt hatte, begleitete er Ignatius in den Garten, wo sie sich auf dem Lieblingsplatz des ehemaligen Mönchs niederließen, einer hölzernen Bank, von der aus man einen wundervollen Blick über den Garten hatte. Auf einem kleinen Tisch daneben hatte Ignatius bereits einen Begrüßungsschluck für den Gast bereitstellen lassen. Einen wundervollen Grappa di Chianti aus der Toskana, bei dessen strohgelber Farbe Bill bereits glänzende Augen bekam.

»Hier, mein lieber Bill, sitze ich oft und denke über Gott und die Welt nach«, sagte Ignatius, während er sich und seinem Gast von dem edlen Tresterbrand kredenzte. Er reichte Bill ein Glas und setzte sich dann neben den Reporter. »Wohl bekomm’s«

Ignatius hob sein Glas, und Bill tat es ihm gleich. Dann tranken die Männer, und der Reporter schloss genießerisch die Augen, als sich der Grappa samtweich an seinen Gaumen schmiegte, um dann kräftig und trotzdem fruchtig in den Magen zu gleiten, wo er sich als wohltuende Wärme ausbreitete.

»Ah, das tat gut. Wirklich einzigartig. So schmeckt der Grappa nur in Italien.«

Ignatius musste lachen. »Ja, da kann ich dir nur zustimmen. Aber du bist ja nicht nur gekommen, um Urlaub zu machen und mit mir im Garten Grappa zu trinken. Ganz so einfach ist mein Job dann leider auch wieder nicht.«

Bill nickte. »Richtig. Ich habe dir ja bereits am Telefon von meinem Anliegen erzählt und …«

Ignatius winkte ab. »Entschuldige, dass ich dich unterbreche, Bill. Um ehrlich zu sein, habe ich dein Kommen bereits viel früher erwartet. Aber du bist doch nicht nur wegen der Geheimarchive des Vatikans gekommen, oder irre ich mich?«

Bill schüttelte den Kopf. »Nein, du irrst dich nicht, Ignatius. Die Geheimarchive sind eine Sache und sicherlich für mehr als eine gute Story vollkommen ausreichend. Doch du bist der Chef der Weißen Macht, dem Geheimdienst des Vatikans. Ich denke, ihr habt Zugang zu Schriften, die noch geheimer sind als das, was sich in den Archiven befindet.«

»Dabei ist das Archivum Secretum gar nicht so geheim, wie man anhand des Namens vielleicht meinen könnte«, sagte Ignatius. »Die eigentliche Benennung weist lediglich darauf hin, dass es sich um das private Archiv des Papstes handelt. Verschwörungstheorien wirst du dort vermutlich nicht bestätigt finden. Oder glaubst du, die Illuminaten haben über all ihre Aktivitäten akribisch Buch geführt, damit ein findiger Journalist ihnen auf die Schliche kommen kann?«

Der Chef der Weißen Macht lächelte und schenkte seinem Gast von dem Grappa nach.

Bevor Bill antwortete, verscheuchte er die beiden dicken Fliegen, die ihn offenbar wiedergefunden hatten und ihn nun ständig umkreisten. Dabei bekamen sie Unterstützung, denn es schwirrten mittlerweile mindestens zehn dieser lästigen Insekten im Garten herum.

»Warum nicht?«, antwortete Bill daher. »Es gibt noch genug Ungereimtheiten um die Illuminaten. Auch wenn wir lange nichts mehr von ihnen gehört haben, heißt das nicht, dass sie nicht mehr aktiv sind. Vielleicht finde ich Zusammenhänge, über die wir bisher noch nicht nachgedacht haben. John Sinclair selbst fehlt dazu leider die Zeit.«

»Glaubst du, das hätten wir nicht schon alles getan? Der Geheimdienst des Vatikans ist sehr effektiv, und tatsächlich besteht ein Großteil unserer Tätigkeit im Forschen und Sammeln von Hinweisen und Zusammenhängen, die letztendlich auch John zugutekommen. Auch die Illuminaten, soweit sie uns bekannt sind, stehen weiterhin unter Beobachtung, auch wenn die Bedrohung durch sie zunächst in den Hintergrund getreten ist.«

»Ist das so?«, fragte Bill und schlug nach einer grünlich schillernden Schmeißfliege, die sich für seinen Geschmack ein wenig zu dicht an sein Gesicht heranwagte.

»Bist du anderer Meinung?« Ignatius trank einen Schluck von seinem Grappa.

Bill hob die Schultern. »Ich habe keine konkreten Hinweise, aber ich habe mich schon öfter gefragt, was wir noch von Sir Richard Leigh und seinen Partnern zu erwarten haben. Du selbst hattest einen Agenten auf ihn angesetzt.«1)

»Stimmt.« Ignatius nickte. »Es gibt Sir Richard noch. Aber auch er steht momentan auf unserer Liste nicht ganz oben.«

»Sondern?«

Ignatius blickte Bill streng in die Augen. »Bist du deshalb nach Rom gekommen, um das Wirkungsspektrum der Weißen Macht zu analysieren? Entschuldige, Bill, aber selbst dir gegenüber müssen wir unsere Tätigkeiten geheim halten.«

»So wie den Auftrag von Clément Bellier?2) Wusstest ihr denn von Francis Leech3) und seinen Ambitionen? Ich meine, macht ihr auch Jagd auf Werwölfe?«

Ignatius stellte sein leeres Glas ab und hob die Hände. »Über Bellier habe ich bereits mit John Sinclair gesprochen. Ich kann nicht jeden Job eines Agenten von ihm absegnen lassen. Aber um ehrlich zu sein, habe ich den Eindruck, dass wir etwas vom Thema abkommen.«

Sorgenvoll blickte Ignatius in den Himmel, der sich immer noch wolkenlos präsentierte. Doch die Sonne stand bereits deutlich tiefer, und langsam begannen sich die Schatten der Dämmerung über den Vatikan zu senken.

»Woher kommen bloß all diese Fliegen?«, murmelte Ignatius.

Zunächst hatte Bill den Eindruck, dass Ignatius ihm ausweichen wollte. Während dieser gesprochen hatte, hatte auch der Reporter sein Glas geleert und war durch den Genuss des edlen Tropfens einen Moment abgelenkt gewesen. Vielleicht war ihm deshalb nicht aufgefallen, dass die Fliegen Gesellschaft bekommen hatten.

Nicht nur die Dämmerung sorgte für schlechter werdende Lichtverhältnisse. Auch der Schwarm tausender von Fliegen trübte die Sicht.

***

Sekundenlang sprach niemand ein Wort. Gebannt starrten Bill Conolly und Father Ignatius in den dunkler werdenden Himmel, der von unzähligen Insekten verfinstert wurde.

Schließlich fasste Bill sich ein Herz und sprach seinen Gastgeber darauf an. »Das ist doch nicht normal, oder?«

Ignatius schüttelte den Kopf. »Keineswegs. Um ehrlich zu sein, habe ich so etwas auch noch nicht erlebt. Es ist wahrscheinlich am besten, wenn wir hineingehen. Sie scheinen zwar keine feindlichen Absichten zu hegen, aber wohl ist mir trotzdem nicht.«

Bill stutzte. »Feindliche Absichten? Glaubst du denn, dieser Schwarm hat eine abnorme Ursache?«

Ignatius hob die Schultern. »Ich möchte es zumindest nicht ausschließen. Wir werden das Phänomen weiter beobachten. Außerdem wurde für deine Ankunft eine Kleinigkeit zu Essen vorbereitet. Ich werde Signor Conte Bescheid geben, damit er herausfindet wie weit sich die Schwärme ausdehnen und ob es ein begrenztes Phänomen ist.«

»Signor Conte ist dein Stellvertreter, richtig?«

»Genau. Warte, ich stelle ihn dir vor. Wir werden das Mahl dann in meinem Arbeitszimmer einnehmen.«

Ignatius und Bill erhoben sich von der Bank und gingen in das Gebäude hinein, wobei der Chef der Weißen Macht den Grappa nicht draußen stehen ließ. Er legte die Flasche in die Armbeuge und verschloss dann sorgfältig die Tür nach draußen. Trotzdem waren ein paar Fliegen mit hineingekommen. Der Reporter wartete auf seinen Gastgeber, denn er wusste ja nicht, wohin er sich wenden musste.

Kaum hatte sich Ignatius zu Bill umgedreht, als ein Mann in einem dunklen Anzug den Gang heruntergeeilt kam. Das graue Haar war zu einer Stoppelfrisur geschnitten, und das Gesicht sah hager, ja, beinahe eingefallen aus.

»Father Ignatius«, begann er und breitete die Arme aus. »Gut, dass ich Sie hier antreffe.« Erst jetzt schien er den Besucher wahrzunehmen und wandte sich an Bill Conolly. »Sie müssen der Reporter sein, der Freund des Geisterjägers John Sinclair.« Signor Contes Lippen zeigten ein schmales Lächeln, als er Bill die Hand reichte.

»Ganz richtig. Mein Name ist Bill Conolly«, antwortete dieser und schüttelte Contes Hand. »Schön Sie kennenzulernen. Aber weshalb sind Sie denn so aufgebracht? Liegt es an dem Fliegenschwarm?«

Signor Conte nickte heftig. »Ja, es fing ganz harmlos an. Erst schwirrten nur vereinzelt welche in der Luft herum. Völlig normal, wenn Sie mich fragen. Dann wurden es ein paar mehr, und plötzlich brachen Tausende von Ihnen über uns herein. Ich habe sofort nachprüfen lassen, wo dieses Phänomen beobachtet wurde, und es scheint sich tatsächlich nur auf den Vatikan zu beschränken.«

Während Bill und Father Ignatius den Ausführungen Signor Contes gelauscht hatten, waren sie die hohen, getäfelten Gänge hinab zum Arbeitszimmer des Geheimdienstchefs gegangen. Jetzt blieb Ignatius abrupt stehen.

»Also doch«, murmelte er.

Signor Conte war irritiert. »Was meinen Sie?«

»Ich meine, dass dieser Fliegenschwarm nicht unbedingt natürlichen Ursprungs ist. Ich würde ihn fast mit einer Plage gleichsetzen.«

»Ein Fall für John?«, fragte Bill sofort, doch Ignatius schüttelte den Kopf.

»Bislang gibt es keinen Hinweis dafür, dass sie feindliche Absichten haben oder das Leben von Menschen bedrohen. Außerdem sind wir als Geheimdienst des Vatikans nicht so hilflos, dass wir sofort Unterstützung anfordern, wenn etwas ungewöhnlich erscheint.«

Ignatius setzte sich wieder in Bewegung und öffnete die Tür zu seinem Arbeitszimmer, das mit wuchtigen antiken Holzmöbeln eingerichtet war. Er stellte den Grappa in einen Schrank, dessen Türen Glaseinfassungen hatte.

Dann nickte er Signor Conte zu. »Wir beobachten erst einmal weiter. Mein Gast und ich werden das Essen hier in meinem Arbeitszimmer einnehmen, wenn sich etwas Neues ergibt, möchte ich sofort informiert werden.«

Signor Conte nickte knapp und erwiderte: »Alles klar, ich werde Ihre Anordnungen umgehend weiterleiten.« Dann drehte er sich um und verließ das Arbeitszimmer.

»Ein tüchtiger Bursche«, kommentierte der Reporter den Abgang des stellvertretenden Geheimdienstchefs lakonisch.

Ignatius blieb ernst und nickte. »Durchaus. Ich kann mich glücklich schätzen, einen Mann wie ihn an meiner Seite zu wissen.«

Hinter dem Schreibtisch nahm er Platz und bedeutete Bill mit einer einladenden Geste, sich ihm gegenüber hinzusetzen. »Ich habe uns eine Kleinigkeit zusammenstellen lassen. Keine große Sache. Ein wenig Carpaccio vom Rind, Ciabatta und Insalata Caprese. Natürlich mit echtem Mozzarella aus Büffelmilch mit Tomate und frischem Basilikum. Nichts Exotisches, aber perfekt zubereitet.«

Bill lief das Wasser im Mund zusammen. »Und was gibt es zu trinken?«, konnte er sich nicht verkneifen, zu fragen.

Ignatius grinste breit. »Wein natürlich. Was dachtest du denn?«

Bill lachte herzlich. »Dolce Vita.«

Dann wurden die beiden Männer wieder ernst, und der Chef der Weißen Macht wirkte plötzlich sehr nachdenklich, als er seinen Gast fragte: »Glaubst du wirklich, dass hinter den Fliegen eine dämonische Macht steckt?«

Der Reporter hob abwehrend die Hände. »Moment, das habe ich nicht behauptet, kann es aber auch nicht ausschließen. Du weiß selbst, wie vielseitig unsere Gegner sind, und Fliegen gehören nun einmal zu den Tieren, die Vergänglichkeit und Tod symbolisieren.«

»Habt ihr, ich meine John Sinclair, Suko und du, denn schon mit Fliegendämonen zu tun gehabt?«

Bill zögerte kurz mit einer Antwort und dachte angestrengt nach, als es an der Tür klopfte. Ignatius signalisierte durch ein knappes »Ja, bitte«, dass der Neuankömmling eintreten durfte. Dabei handelte es sich um zwei Bedienstete, die einen Rollwagen hereinschoben, auf dem mehrere abgedeckte Teller standen, sowie zwei Weingläser und eine Karaffe mit dem roten Rebensaft.

Als sie die Teller verteilen wollten, winkte Ignatius ab, bedankte sich und entließ die beiden Bediensteten.

»Um auf deine Frage zurückzukommen«, sagte Bill, während er Ignatius dabei half, Teller und Tabletts auf dem penibel aufgeräumten Schreibtisch zu verteilen. »Ich glaube, es gab da mal eine Fliegenkönigin und eine Kreatur der Finsternis in Tschechien. Wenn ich bedenke, gegen was für Geschöpfe wir schon antreten mussten, würde ich fast sagen: nichts Weltbewegendes.«

»Dann lassen wir es doch einfach darauf ankommen. Immerhin müssen gerade wir darauf achten, dass wir bei all den Dämonen und übernatürlichen Vorkommnissen nicht paranoid werden.«

Der Reporter grinste und schenkte sich und Ignatius von dem Wein ein. »Darauf sollten wir trinken.«

Die beiden Männer prosteten sich zu, ehe Ignatius den Deckel von dem größten Teller abnahm, unter dem sich das zart geschnittene Carpaccio befinden sollte.

Sollte, wohlgemerkt. Denn als Bill und sein Gastgeber sahen, was sich auf dem Teller befand, drehte sich ihnen der Magen um.

Statt saftigen Rindfleisches offenbarte sich ihnen ein Übelkeit erregendes Gewimmel aus hunderten von dicken, weißen Maden.

***

Drei der weißen Körper hatten sich über den Tellerrand gewälzt und zogen eine Schleimspur hinter sich her.

Father Ignatius ließ den Deckel wieder auf den Teller fallen und flüsterte: »Das ist kein Zufall, Bill.«

»Also doch ein Fall für John Sinclair.«

»Damit kommen wir auch alleine klar«, erwiderte Ignatius eine Spur schärfer als beabsichtigt.

Bill spürte geradezu körperlich, dass sich der ehemalige Mönch persönlich herausgefordert fühlte. Die Weiße Macht war schon früher von Dämonen angegriffen worden, und eigentlich wunderte es Bill, dass solche Attacken nicht viel öfter stattfanden, doch im Gegensatz zu den Menschen hatten die Dämonen einen entscheidenden Vorteil. Sie existierten außerhalb der Zeit, die für sie gewissermaßen bedeutungslos war.

»Was tun wir jetzt?«, wollte Bill wissen.

Ignatius griff zum Telefon und rief einige Befehle in den Hörer. Wenig später erschien Signor Conte auf der Bildfläche, gefolgt von einem schwarz gekleideten Mann, der wohl zu den Agenten der Weißen Macht gehörte. Er wirkte durchtrainiert, breitschultrig und einschüchternd. Die Wangen glattrasiert, das Haar pechschwarz und kurz geschnitten, die Augen grau und kalt wie Gletschereis. Solch einen Mann hätte Bill als Leibwächter eines Mafia-Paten erwartet oder als Troubleshooter irgendeines gewöhnlichen Nachrichtendienstes, nicht aber unbedingt in der unmittelbaren Nähe des Heiligen Vaters.

»Was ist passiert?«, fragte Conte und bestätigte Bill somit seinen anfänglichen Eindruck, dass dieser Mann effizient und verlässlich war. Er kam ohne Umschweife zur Sache, bereit, Lösungen zu präsentieren, statt Probleme zu wälzen.

Ohne ein unnötiges Wort zu verlieren hob Ignatius den Deckel vom Teller mit dem Carpaccio, und Bill erwartete halb, dass sich das dünn geschnittene Rindfleisch normal präsentieren würde, doch die Maden waren immer noch vorhanden. Der Reporter war sich nicht sicher, ob er deshalb erleichtert sein sollte.

Signor Conte atmete scharf ein, während sein Gorilla keine Miene verzog und regungslos auf das ekelhafte Gewimmel auf dem Teller blickte.

»Hier ist was im Gange, und ich will wissen, was«, befahl Ignatius und sah seinen Stellvertreter scharf an.

»Sicher«, antwortete dieser. »Aber wenn Sie aus dem Fenster sehen, werden Sie feststellen, dass der Schwarm spurlos verschwunden ist. Die Dunkelheit ist hereingebrochen, und die Fliegen sind genauso schnell weggeflogen, wie sie gekommen sind.«