John Sinclair 2142 - Rafael Marques - E-Book

John Sinclair 2142 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Die Rache des Druidenfürsten

Die Faust hämmerte mit brachialer Gewalt auf den Tisch. "Das kannst du nicht machen!", brüllte der zwei Meter große, bullige Krieger durch den Raum. Seine grünlich-graue Gesichtshaut verzog sich zu einer Fratze der Wut. "Ich werde das nicht hinnehmen."
Auf der anderen Seite des Tischs erhob sich eine weitere Gestalt. Wären Menschen in dem Raum gewesen, hätten sie sich an die Figur des Papageno aus der Oper "Die Zauberflöte" erinnert gefühlt. Die Kleidung des Mannes bestand aus Pflanzen und Blättern, die im starken Kontrast zu der rostroten, wilden Haarpracht standen. Die Haut war eher blass und zeigte keine Falten, obwohl er bereits uralt war. Oft wirkte er verspielt, wenn er mit seiner Flöte durch das Land zog, doch im Moment war davon nichts zu sehen. Seine Miene war und blieb ernst ...

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Rache des Druidenfürsten

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Björn Craig

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8392-8

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Rache des Druidenfürsten

von Rafael Marques

Die Faust hämmerte mit brachialer Gewalt auf den Tisch. »Das kannst du nicht machen!«, brüllte der zwei Meter große, bullige Krieger durch den Raum. Seine grünlich-graue Gesichtshaut verzog sich zu einer Fratze der Wut. »Ich werde das nicht hinnehmen.«

Auf der anderen Seite des Tischs erhob sich eine weitere Gestalt. Wären Menschen in dem Raum gewesen, hätten sie sich an die Figur des Papageno aus der Oper ›Die Zauberflöte‹ erinnert gefühlt. Die Kleidung des Mannes bestand aus Pflanzen und Blättern, die im starken Kontrast zu der rostroten, wilden Haarpracht standen. Die Haut war eher blass und zeigte keine Falten, obwohl er bereits uralt war. Oft wirkte er verspielt, wenn er mit seiner Flöte durch das Land zog, doch im Moment war davon nichts zu sehen. Seine Miene war und blieb ernst …

»Es ist unsere einzige Chance, Namek«, entgegnete er dem hünenhaften General, dessen Ohren ihn als den Elfen zugehörig auswiesen. Das wulstige Gesicht und der muskulöse Körper deuteten dagegen eher auf einen Troll hin. Der aus magischem Eichenholz gefertigte, von kleinen, dunklen Kristallen übersäte Brustpanzer sollte seine Position in Ryans Truppen noch mehr verdeutlichen.

»Unsere einzige Chance? Das kann nicht dein Ernst sein. Wir müssen verhindern, dass die Kräfte in Aibon wieder aus dem Gleichgewicht geraten. Der Dualismus muss unter allen Umständen gewahrt bleiben. Was glaubst du, warum es dir trotz aller Bemühungen immer noch nicht gelungen ist, Guywanos einstiges Reich deinem eigenen vollständig anzupassen?«

Der General atmete tief durch. Er war jemand, der seine gesamte Existenz in Aibon verbracht hatte. Er kannte viele Geheimnisse dieses Landes, so wie etwa, dass zahlreiche der hier lebenden Wesen einst aus den gefallenen Engeln der ersten großen Schlacht entstanden waren.

Elfen, Trolle, Feen, Zwerge, Banshees und zahllose andere Gestalten bevölkerten das Paradies der Druiden, dessen Beiname von den mächtigen Magiern vergangener Jahrtausende herrührte, die von ihrer Welt aus Kontakt zu Aibon herstellen konnten. Viele von ihnen waren vor oder nach ihrem Tod in dieses Reich eingegangen.

Aibon hatte schon immer zwei Seiten, eigentlich sogar drei. Zum einen das zumeist aus Wäldern, Wiesen, Seen und hohen Bergen bestehende Reich des Roten Ryan, dem sich Namek seit jeher zugehörig fühlte. Dem gegenüber stand die dunkle Seite, deren Landschaftsbild von einer großen Wüste, ausgetrocknetem Boden und toten Pflanzen geprägt wurde. Lange Zeit war sie von dem mächtigen Druidenfürsten Guywano beherrscht worden. Daneben existierte noch das Zwischenreich, eine Art neutralisierte Zone, in der sich sowohl Bewohner der guten wie auch der bösen Seite tummelten und teils ein völlig unabhängiges Reich geschaffen hatten. Dort sollte ein Riesentroll namens Hook herrschen, der allerdings schon lange nicht mehr gesehen wurde.

»Es braucht alles seine Zeit«, entgegnete Ryan ungerührt. »Was vor Äonen dem Bösen zugefallen ist, kann nicht innerhalb weniger Jahre in unsere Welt integriert werden. Es ist ein schleichender Prozess, und das weißt du auch.«

Namek schüttelte den Kopf. Seine grünen Augen sprühten dabei förmlich Funken, so sehr war er angesichts der Haltung des Roten Ryan erzürnt. »Dieser schleichende Prozess führt nur dazu, dass Aibon dem Untergang entgegenstrebt. Ohne die Dunkelheit kann kein Licht existieren. Du weiß, wie Aibon einst entstand – aus der Magie der gefallenen Engel. Diese Engel gehörten sowohl der Seite Luzifers als auch der des Himmels an. Wir müssen diese Vergangenheit respektieren, sonst haben wir keine Zukunft mehr.«

»Dank Luzifer werden wir sehr bald keine Zukunft mehr haben. Er ist dabei, seine einstigen Schwüre gegenüber dem Seher zu brechen. Einige der alten Gesetze hindern ihn weiterhin daran, hier seine ganze Macht zu entfalten. Noch. Mit seiner Hilfe wird die schlafende Armee wiederauferstehen und unser Reich überrennen.«

»Wir sind stark genug, um uns dem entgegenzustellen«, erwiderte Namek.

»Nein, das sind wir nicht.«

»Oh doch. Wir werden kämpfen und genau den Status Quo beibehalten, der Aibon schon seit Anbeginn der Zeiten prägt. Außerdem vergisst du, dass es dir zu verdanken ist, dass Luzifer und dieser verfluchte Dravotan überhaupt erst an Macht und Einfluss gewinnen konnten. Du weißt selbst, dass ich immer an deiner Seite gegen die Heerscharen Guywanos gekämpft habe. Und doch habe ich dich immer davor gewarnt, den Druidenfürsten persönlich anzugreifen. Du hast es getan und ihn sogar vernichtet. Und jetzt sieh dir an, was du angerichtet hast!«

Ryan schüttelte den Kopf. »Ich habe getan, was nötig war. Und genau das werde ich auch jetzt tun.«

»Dann wirst du es ohne mich tun, und auch ohne meine Truppen. Dir muss klar sein, dass eine größere Gruppe der Trooping Fairies auf mein Wort hört. Ich werde sie nicht einfach dem Untergang Aibons entgegenreiten lassen.«

Plötzlich erhob sich eine dritte, am Tisch sitzende Gestalt. Eines der erfahrensten und treuesten Mitglieder der aus Elfen bestehenden Armee war von Ryan ebenfalls zu der Runde eingeladen worden. Lev, der trotz seiner zierlichen Gestalt schon einige harte Kämpfe überstanden hatte – unter anderem auch gegen den Magier Dravotan und sein gigantisches Fischmonster –, stellte sich wie üblich auf die Seite des Roten Ryan. »Wenn du das tust, wirst du alle anderen Trooping Fairies in den sicheren Tod schicken«, warf er ein.

»Nein, nicht ich. Ryan schickt sie in den Tod.«

»Wir dürfen keine Zeit verlieren«, versuchte es der selbsternannte Beschützer Aibons noch einmal. »Wir müssen zuschlagen, bevor die schlafende Armee erwacht.«

Namek schnaufte und ballte die Hände zu Fäusten. »Dann schlag eben zu«, erwiderte er. »Aber ohne mich.«

»Namek!«, hörte er den Roten Ryan noch rufen, doch der General ignorierte ihn. Mit stampfenden Schritten verließ er den kleinen Saal, der unter den Wurzeln einer riesenhaften, uralten Eiche errichtet worden war. An den blattreichen Baumwipfeln tummelten sich zahlreiche glitzernde Feen.

Der General hatte dafür keinen Blick. Auch nicht für die anderen Schönheiten des Landes, die waldreichen Berge, blauen Seen und tiefen Schluchten, die er von der prägnanten Anhöhe besonders gut betrachten konnte. Er wollte auch nicht in das nicht weit entfernt angelegte Zeltlager, indem eine Abordnung der Trooping Fairies zu ihrem Schutz untergebracht war. Ihn interessierte nur sein Reittier, ein unnatürlich weißer Hirsch mit erstaunlichem Geweih, der nicht weit entfernt auf ihn wartete.

Mit grimmiger Miene schwang er sich in den Sattel und ritt los. Er musste sich an einen ihm sehr vertrauten Ort zurückziehen, um zu entscheiden, wie er weiter vorgehen sollte. Aus dem Zorn heraus durfte er keine Entscheidung treffen. Und schon gar nicht wollte er dabei zusehen, wie Ryan mit den Trooping Fairies dem Untergang Aibons entgegenritt.

Das kleine, von Bergen umrahmte Tal war für ihn wie eine eigene Welt, ein Paradies im Paradies der Druiden. An manchen Tagen war der beinahe kreisrunde See, der den Mittelpunkt dieses Ortes bildete, so klar, dass man bis zum Grund hinabblicken konnte. Dann war auch die Ruine eines Dorfes zu erkennen, das vor lange Zeit in dem Tal existiert hatte.

Seit sich ein Fluss über einen donnernden Wasserfall seinen Weg durch das Felsmassiv gebahnt hatte, gab es das Dorf nicht mehr. Darin, so war sein Name. Namek war dort geboren worden und aufgewachsen. Seine Eltern waren damals bei der großen Flut umgekommen, ebenso viele seiner Freunde. Er hegte deswegen keinen Groll. So war nun einmal der Lauf der Dinge in Aibon – die Natur beherrschte letztendlich alles.

Nicht weit hinter den Bergen der Westseite begann das Zwischenreich. Namek kannte es von seinen zahlreichen Besuchen. Die Landschaft war der dieses Tals nicht unähnlich. Auch dort existierten Schluchten, Täler und tiefe, dunkle Tannenwälder, ebenso wie ein riesiges Felsmassiv und eine Küste zu einem weitgehend unerforschten Meer. Allerdings war das Leben dort um einiges gefährlicher und gnadenloser, weshalb dort nur besondere Wesen lange überleben konnten.

Schweigend wanderte der General der Trooping Fairies am Ufer des Sees entlang. Eine halbe Tagesreise lag hinter ihm, nur um ihn zu erreichen. Sein Reittier, das sich für ihn sehr verausgabt hatte, graste einige Dutzend Meter weit entfernt.

Das Ufer wurde nicht nur von Tannen, sondern auch von Farnen gesäumt, die durch den nährstoffreichen Boden teils mehrere Meter in die Höhe wuchsen. Die Tierwelt schwieg. Er wusste, dass es in den umliegenden Wäldern riesige Herden der Hirsche gab, die mehr waren als nur normale Tiere.

Hin und wieder zeigten sich Fische an der Oberfläche des Sees und sorgten dafür, dass das Wasser kleine Wellen warf. Ansonsten lag das Gewässer seelenruhig da, genau so, wie es sich für einen Friedhof gehörte. Denn genau das war es im Prinzip.

Obwohl er eigentlich zunächst einmal zu sich selbst finden wollte, kam er mit seinen Gedanken nicht von dem Gespräch mit dem Roten Ryan los. So viele Jahre waren sie Seite an Seite in die Kämpfe gegen die dunkle Seite Aibons gezogen.

Ryan kannte ihn und wusste, dass er stets seine eigene Meinung behielt. So war er beispielsweise auch immer dagegen gewesen, diesen John Sinclair und seinen Partner Suko – oder in der Vergangenheit Menschen wie einen gewissen Hector de Valois – in das Paradies der Druiden zu holen, wenn es wieder galt, einen Vorstoß der dunklen Seite zurückzuschlagen. Deshalb war er auch nie zugegen gewesen, wenn einer von ihnen in diese Welt gereist war. Aibon musste für sich bleiben.

Namek sah sich selbst als kleinen Jungen, wie er hier oben am Hang entlang gewandert war und sich auf einen großen Felsbrocken gesetzt hatte, um die wunderbare Aussicht zu genießen. Aus dem Hang war das flache Ufer eines Sees geworden. Nur der Fels existierte noch.

Er fühlte sich wie ein müder Krieger. Zum wiederholten Male fragte er sich, wie es so weit kommen konnte. Wesen wie er lebten zwar nicht ewig, hatten aber eine weitaus größere Lebensspanne als die Menschen. Er gehörte zu einer anderen Generation, ohne wirklich alt zu sein, zumindest für ein Mitglied seines Volkes. Dennoch wurde er das Gefühl nicht los, dass das Ende seiner Existenz langsam näher rückte.

Trotz seines Einflusses auf die Trooping Fairies würde Ryan in die Schlacht ziehen, das stand außer Frage. Wenn er siegreich war, würde in Zukunft kein Platz mehr für ihn in seiner Truppe sein.

Aber er glaubte nicht, dass es ihm gelingen würde. Nicht ohne seine Helfer, die zwar nur einen kleinen Teil der Trooping Fairies ausmachten, jedoch zu den erfahrensten Kriegern zählten. Durfte er die anderen einfach so ihrem Untergang entgegenreiten lassen? Und wie konnte Ryan das zulassen? War er wirklich so sehr von sich selbst überzeugt?

Seufzend bestieg er den Felsbrocken. Er wollte noch einmal einen Blick auf sein altes Dorf werfen, falls der See das zuließ. Die nahende Dämmerung zeigte bereits Wirkung. Das Licht, das über die Berggipfel strich, wurde langsam rötlicher und düsterer. Auch die Farbe des Sees veränderte sich dadurch.

Er erreichte die Spitze des Felsens, blickte in die Tiefe – und erstarrte. Normalerweise hätte er jetzt sein eigenes Gesicht sehen müssen. Stattdessen wurde es von dem Abbild einer anderen Gestalt überlagert. Es gehörte zu einem Wesen, das er sehr gut kannte, weil er lange Zeit gegen seine Vasallen gekämpft hatte. Viele seiner Getreuen waren dabei gestorben. Er hasste diese Gestalt und wusste doch, dass Aibon mit ihr besser dran war.

Auf der Wasseroberfläche zeigte sich niemand anderes als der tote Druidenfürst Guywano!

Für einige Sekunden glaubte er, die Zeit würde stillstehen. Er gefror förmlich auf der Stelle, nicht nur äußerlich, sondern auch in seinem Inneren.

Das, was er da unten sah, durfte einfach nicht sein. Was einmal tot war, blieb für alle Zeiten tot. Er war selbst nicht zugegen gewesen, als der Rote Ryan Guywano verbrannt hatte. Allerdings wusste er von seinen Kameraden, dass es keine Zweifel an seiner Vernichtung geben konnte. Der Druidenfürst war von dem Feuer vollkommen verzehrt worden. Nicht einmal ein Häufchen Asche war von ihm zurückgeblieben.

Und trotzdem zeigte er sich jetzt auf dem Wasser.

Was war er? Eine Projektion, ein Geist, ein Hirngespinst? Oder eine Versinnbildlichung von Nameks innerer Zerrissenheit, die die Magie, die in diesem Gewässer wohnte, ihm darstellen wollte?

Das Abbild Guywanos bewegte sich nicht. So konnte Namek genau die Züge des dunklen Herrschers erkennen. Das schlohweiße Haar umspielte ein etwas hageres, irgendwie altersloses Gesicht, dessen Haut an Baumrinde erinnerte. Seinen kalten, funkelnden Augen konnte man kaum entgehen, ebenso wenig wie dem starr auf ihn gerichteten Blick.

Seine Kleidung bestand aus einem weiten, weißen Mantel oder Umhang, der sich im Wind bewegte. Oder sorgte die leichte Brise nur dafür, dass sich die Wasseroberfläche kräuselte?

Irgendwie gelang es Namek, sich aus seiner Starre zu lösen. Er ging in die Knie, nahm einen Kieselstein in die Hand und ließ ihn hinab ins Wasser fallen. Er musste einfach wissen, ob diese Gestalt echt war oder nur seiner Fantasie entstammte.

Kurz bevor der Stein das Wasser erreicht, schoss ein heller Blitz hervor und pulverisierte ihn!

Jetzt geriet Bewegung in die Gestalt. Der Umhang wallte auf, und zwei dürre Hände mit langen Fingern kamen zum Vorschein. Der Druidenfürst reckte Namek die linke Hand entgegen, streckte den Zeigefinger aus und deutete direkt auf ihn.

»Wer bist?«, hauchte der General. Seine Zähne mahlten so hart aufeinander, dass es schon wehtat.

Eigentlich war es offensichtlich, wen er da vor sich sah. Trotzdem wollte er Gewissheit haben, ob ihm nicht jemand einen Streich spielte. Vielleicht versuchte Ryan ja, ihm auf diese Weise vor Augen zu führen, wie falsch seine Haltung war. Andererseits glaubte er auch nicht, dass sich Ryan zu solchen Taschenspielertricks hinreißen lassen würde. Nicht bei ihm.

»Erkennst du mich nicht mehr, Namek?«

Die Stimme ließ den General innerlich erzittern. Natürlich kannte er sie, wenngleich er sie nicht oft vernommen hatte. Guywano war für ihn meist ein Phantom geblieben, die große Personifikation des Bösen, die stets im Hintergrund lauerte und Kreaturen aus seinem schier endlosen Vasallenheer vorausschickte. Er war ihm nur wenige Male gegenübergetreten und konnte von Glück reden, mit dem Leben davongekommen zu sein.

»Guywano«, sagte Namek nur. Er schüttelte den Kopf, weil er es noch immer nicht glauben konnte. Wie war das möglich? Konnte der Druiden-Dämon tatsächlich seine Vernichtung überlebt haben? Und wenn ja, wieso zeigte er sich erst jetzt, so viele Jahre nach seinem Ende?

Die Projektion deutete ein Nicken an, wobei sich der Mund zu einem wissenden Lächeln verzog. »Ich weiß, du fürchtest mich, Namek«, drang es aus der Gestalt hervor. »Jeder wie du fürchtet mich, selbst der Rote Ryan tut es, obwohl es ihm gelang, meinen Körper zu vernichten. Er erwischte mich zu einer Zeit der Schwäche, daran konnten auch die Männer in Grau nichts ändern, die sich auf meine Seite gestellt hatten. Ich litt unter einer nicht erklärbaren Krankheit, die sehr langsam meine Kräfte verzehrte. Deshalb habe ich mich auch so viele Jahre in die Tiefen meines Reiches zurückgezogen. Ryan hätte es wissen sollen – so ein altes und mächtiges Wesen wie mich kann man nicht einfach mit etwas Feuer vernichten. Mein Geist überlebte, nur hat es viele Jahre gebraucht, bis er stark genug wurde, wieder eine Form anzunehmen. Ich bin dabei, zurückzukehren, Namek. Ich will in meinem Reich wieder die Herrschaft übernehmen und auch die schlafende Armee unter meine Knute zwingen. Wie du ahnst, liegt es nicht in meinem Interesse, dass sie erwacht. Sie hat sich schon einmal gegen mich aufgelehnt, damals, als ein Vampir namens Whynnar gegen mich rebellierte. Ich werde dafür sorgen, dass alles wieder wird wie vor meiner Vernichtung. Ist es nicht das, was du dir wünschst, Namek?«

»Was?«, entfuhr es ihm. »Ist das ein Trick? Ryan, wenn du versuchst, mit meinen Gedanken zu spielen, dann wirst du dafür bezahlen, das schwöre ich dir!«

Die Projektion des uralten Druiden begann zu kichern. Seine Gestalt schob sich leicht nach vorne und wurde für kurze Zeit dreidimensional. Die Hand, die zuvor auf ihn gedeutet hatte, schoss hervor. Namek sprang vor Schreck zurück und erlebte mit, wie sich die Finger in das Gestein bohrten und dafür sorgten, dass der Felsbrocken vor seinen Augen zerbrach.

Nachdem sich die Hand wieder zurückgezogen hatte, wagte sich Namek erneut vor. Guywano zeigte sich wieder als flaches Abbild auf der Wasseroberfläche. Nur sein Lächeln war noch breiter geworden.