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Das eiserne Schloss brach, und die schwere Tür schwang nach innen. Eine seltsam feuchte Luft drang aus dem Inneren des Gebäudes. Der Mond war von Wolken verdeckt, es herrschte beinahe absolute Dunkelheit. Ein perfektes Wetter für Gestalten, die nicht gesehen werden wollten.
Sam Jocks übernahm wie immer die Führung. Der ehemalige Seemann wusste genau, was er zu tun hatte. Immerhin war das nicht sein erster Einbruch. Sein chinesischer Partner Yang Ho und er hatten sich inzwischen in gewissen Kreisen in Schottland einen Namen gemacht. So kam es, dass verschiedene Unterweltgrößen ihre Dienste buchten, wenn sie sich nicht selbst die Finger schmutzig machen wollten.
Wie in diesem Fall. Ein lokaler Gangster war über einen Mittelsmann an ihn herangetreten. Irgendwo in diesem Lagerhaus sollte eine mit Waffen gefüllte Kiste lagern. Woher der Kerl davon wusste, interessierte Sam nicht. Keine Fragen stellen - so lautete seine Devise. Die zweitausend Pfund als Vorauszahlung ließen ihn jedoch ahnen, dass es um eine größere Sache ging ...
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Mörderische Fracht
Briefe aus der Gruft
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Kletr/shutterstock
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-9288-3
„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
www.john-sinclair.de
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Mörderische Fracht
von Rafael Marques
Das eiserne Schloss brach, und die schwere Tür schwang nach innen. Eine seltsam feuchte, nach nassem Holz und verschiedenen Chemikalien duftende Luft drang aus dem Inneren des Gebäudes. Durch die den Mond verdeckenden Wolkenberge war es fast stockdunkel. Ein perfektes Wetter für Gestalten, die nicht gesehen werden wollten.
Sam Jocks übernahm wie immer die Führung. Der breitschultrige einstige Seemann wusste genau, was er zu tun hatte. Immerhin war das nicht sein erster Einbruch. Zunächst nur um Spielschulden zu decken, war er zum Kriminellen geworden, doch inzwischen hatten sich sein chinesischer Partner Yang Ho und er in gewissen Kreisen in Schottland einen Namen gemacht. So kam es, dass verschiedene Unterweltgrößen ihre Dienste buchten, wenn sie sich nicht selbst die Finger schmutzig machen wollten.
Wie in diesem Fall. Ein lokaler Gangster war über einen Mittelsmann an ihn herangetreten und hatte ihn mit den notwendigen Informationen versorgt. Irgendwo in diesem Lagerhaus sollte eine mit Waffen gefüllte Kiste lagern. Woher der Kerl davon wusste, interessierte Sam nicht. Keine Fragen stellen – so lautete seine Devise. Die zweitausend Pfund als Vorauszahlung ließen ihn jedoch ahnen, dass es um eine größere Sache ging …
Yang und er waren inzwischen Profis, die sich blind vertrauten. Deshalb wechselten sie auch kein einziges Wort, während sie durch die Flure der Lagerhalle schlichen. Von seinem Auftraggeber wusste Sam, dass hier mehrere abgetrennte Bereiche existierten. In einem Teil wurden verderbliche Güter wie Lebensmittel gelagert, in einem anderen Maschinenbauteile und andere Großwaren.
Daneben existierte noch eine dritte Abteilung, in der Gefahrgüter wie Chemikalien deponiert wurden, teilweise unter der Verwendung von Trockeneis. Und genau dort sollte die Kiste mit den Waffen versteckt sein.
Normalerweise durfte eine solche Halle nie unbewacht bleiben, selbst wenn diese Gefahrgüter nicht für die Luft-, sondern für die Seefracht bestimmt waren. Um dieses Problem hatte sich Yang gekümmert, von dem Sam wusste, dass er lästige Zeugen ohne mit der Wimper zu zucken beseitigte.
Nach den Beschreibungen seines Auftraggebers musste sich der Bereich der Gefahrgüter am hinteren Ende des langen Flurs befinden. Durch die wenigen Fenster fiel kaum Licht, sodass sich Yang und er nur auf ihre Nachtsichtgeräte verlassen konnten. Taschenlampen waren gerade bei dieser tiefen Dunkelheit viel zu auffällig, zumal sie stets mit weiteren Zeugen rechnen mussten.
Als sie die Tür zur Gefahrgutabteilung erreichten, gab Sam seinem Partner ein Zeichen, dass er zurückbleiben sollte. Der Zugang war mit einem Zahlenschloss gesichert. Inzwischen wusste er auch damit umzugehen. Er war im Besitz eines speziellen Geräts, das man nur an das Tastenfeld anschließend musste, um mit einem elektrischen Impuls das Schloss außer Kraft zu setzen.
Sam öffnete eine kleine Klappe und drückte das klobige, faustgroße Gerät in die Öffnung. Per Knopfdruck sandte er den Impuls aus. Etwas knackte, woraufhin eine elektrische Entladung durch das Tastenfeld fuhr. Der Geruch von verbrannten Kabeln erfüllte die Luft. Er drückte die Klinke nach unten, und tatsächlich schwang die Tür nach innen.
»Weiter«, zischte er dem Chinesen zu.
Die Gefahrgutabteilung hatte eine höhere Decke als die restlichen Bereiche der Halle. Sam passierte ein größeres Tor und einen Gabelstapler, bevor er sich den verschnürten Kisten näherte, die hier darauf warteten, in die entsprechenden Container verfrachtet zu werden. Welche es genau sein sollte, wusste er nicht. Er kannte nur den Absender – AP Import-Export. Jetzt galt es, den Namen auf einem der vorgeschriebenen Aufkleber wiederzufinden.
Die meisten Güter wurden in verschieden großen Metallboxen verschifft. Um sie herum herrschten zwar keine arktischen Temperaturen, trotzdem war er froh, einen dicken Wintermantel angezogen zu haben. Sam passierte eine ganze Reihe, ohne den passenden Absender zu finden. Er fluchte leise, weil ihm klar war, dass er mit der Suche zu viel Zeit verlor. Jemand konnte inzwischen die Wachleute vermissen und die Bullen alarmiert haben. Wenn er nicht bald die richtige Kiste fand, konnte es für Yang und ihn brenzlig werden.
»Sam!«
Der Angesprochene zuckte leicht zusammen und sah sich um. Yang Ho winkte ihm aus einer parallel verlaufenden Reihe zu. Anscheinend hatte er etwas gefunden.
Sam lief zu seinem Partner, und als der Chinese auf eine nicht ganz hüfthohe Kiste wies, wusste er, dass sie an dieser Stelle richtig waren. Da er früher lange auf Frachtschiffen zur See gefahren war, konnte er anhand der angebrachten Gefahrgutaufkleber ablesen, dass in der knapp drei mal drei Meter großen Metallbox Lithiumbatterien transportiert werden sollten. Der Schmuggler wusste offenbar sehr genau, auf was es ankam.
Im Gegensatz zu der Tür war die Kiste nicht mit einem Zahlenschloss gesichert. Sam zog ein Stemmeisen aus seinem Rucksack, während Yang es ihm gleichtat. Mit einigem Druck gelang es ihnen, den Deckel in die Höhe zu stemmen. Sofort trat eine neblige Wolke aus, die wohl von dem Trockeneis stammte.
»Komm schon!«, stieß Sam hervor. Noch einmal erhöhte er den Druck, und diesmal sprang der Deckel auf. Die Metallplatte landete mit einem lauten Scheppern neben der Box.
Aus der offenen Kiste strömte weiter das Trockeneis hervor. Zwischen den hellen Schwaden entdeckte er zwei weitere Boxen, in denen sich wahrscheinlich die Waffen befanden. Doch sie waren nicht der einzige Inhalt der Kiste. Neben den beiden Boxen schälten sich weitere Umrisse aus dem abziehenden Eisnebel hervor.
Sam Jocks starrte in die Gesichter zweiter gefrorener Leichen!
☆
Der Ex-Seemann zuckte zurück. »Verdammt noch mal!«, entfuhr es ihm. Er konnte seinen Blick einfach nicht von den Gesichtern der beiden Toten abwenden.
Die Augen standen weit offen, auch die Münder waren aufgerissen, als wären sie bei lebendigem Leibe eingefroren worden.
»Was ist das für eine Scheiße, Sam?«, zischte Yang ihm zu. »Das war nicht abgesprochen.«
»Ja, ja, ich weiß.«
»Und was machen wir jetzt?«
»Keine Ahnung. Warte noch, ich …«
Alles in ihm schrie danach, die Halle so schnell wie möglich zu verlassen, bevor er noch weiter in etwas mit hineingezogen wurde, das ihm schnell das Genick brechen konnte. Doch seine Neugier war stärker, und das, obwohl es eigentlich seine Devise war, keine Fragen zu stellen.
Etwas an den Gesichtern irritierte ihn. Erst auf den zweiten Blick erkannte er, dass die Toten in gläsernen Särgen lagen. Doch das war es nicht, was seine Aufmerksamkeit erregte. In ihren Mündern zeichnete sich etwas ab, das es eigentlich nicht geben durfte. Aus ihren Oberkiefern wuchsen je zwei spitze, überlange Zähne.
Vampirzähne …
Sam hätte beinahe gelacht, wenn die Sache nicht so ernst wäre. Warum sollte jemand halb eingefrorene Leichen mit falschen Vampirzähnen verschicken? Und was, wenn das nicht der Fall war? Was war die Alternative? Dass er einen echten Blutsauger vor sich sah.
»Komm schon, Sam«, rief Yang, diesmal etwas lauter. »Lass uns abhauen!«
»Gleich.«
»Nein, jetzt. Das ist eine verdammte Falle. Als nächstes rücken noch die Bullen an.«
»Ja, ja, ich will nur noch kurz etwas nachsehen.«
Welcher Teufel ihn ritt, noch länger auf die beiden Toten zu starren, wusste er selbst nicht. Er war einfach von einer bizarren Faszination ergriffen, die ihn auf der Stelle fesselte. Unentwegt starrte er auf die verzerrten Gesichter – bis ein Auge des rechten Toten kurz zuckte.
Sam blinzelte und wischte sich über die Augen. Die Bewegung wiederholte sich nicht, weshalb er davon ausging, dass die Fantasie ihm einen Streich gespielt hatte. Ausgerechnet ihm! Er machte sich nichts aus Religion und Aberglaube, nicht einmal aus Weihnachten oder anderen kommerzialisierten Festen. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen – wollte er einfach mehr über diese Leichen erfahren.
Kein Mensch konnte mehrere Stunden oder Tage in der direkten Umgebung von Trockeneis überleben, nicht einmal, wenn sie in einem gläsernen Sarg lagen. Zudem ging nach kurzer Zeit bereits der Sauerstoff aus. Dieser Tote konnte sich also gar nicht bewegen, selbst wenn er bei lebendigem Leibe dort eingesperrt worden war.
»Sam …«
Sam Jocks hob eine Hand, beugte sich aber noch weiter über den linken der beiden Toten. Das Gesicht blieb weiterhin starr. Die Haut kam ihm außergewöhnlich blass vor. Zudem zeichneten sich an der linken Halsseite zwei dunkle Einstichstellen ab. Oder … Bissstellen?
Es gelang ihm nicht, den Gedanken zu Ende zu führen. Plötzlich ruckten die bisher so starren Pupillen des Toten in seine Richtung. Im nächsten Moment wühlte sich die Leiche aus dem gläsernen Sarg hervor.
Ein Meer aus messerscharfen Splittern ging auf ihn nieder. Sie schnitten ihm an jeder erdenklichen Stelle die Haut auf, doch einen Schrei stieß er nicht aus. Zwei stahlharte Krallen legten sich um seine Schultern, dann zuckte der Kopf des Toten vor. Sam stöhnte leise, als sich die Vampirzähne des Mannes in seine Halsschlagader wühlten …
☆
Reisen nach Schottland waren für mich immer etwas Besonderes. Nicht allein wegen der rauen, wechselhaften Natur, der malerischen Landschaften, der zerklüfteten Küsten und der mystischen Highlands, sondern auch, weil hier meine Heimat lag.
Meine Eltern stammten aus dem kleinen, schottischen Ort Lauder, in den sie, nachdem mein Vater in Rente gegangen war, wieder zurückgekehrt waren. Letztendlich waren sie dort auch ermordet worden, was bis heute ein schmerzhaftes Kapitel in meinem Leben bildete.
Diesmal führte mich unsere Reise nicht in die Nähe von Lauder, sondern in die Lowlands, genauer gesagt an die Westküste Schottlands, nach Ayr. Dort existierte nicht nur einer der bedeutendsten Häfen Schottlands, die waldarme Umgebung gehörte auch zu den wichtigsten landwirtschaftlichen Regionen Großbritanniens.
Aufgrund der großen Distanz mussten Suko und ich auf unsere Fahrt mit unserem Dienst-Audi verzichten. Nach dem Flug von London nach Glasgow waren wir in zwei Leihwagen – passenderweise zwei Rover, die Marke unserer inzwischen ausgemusterten, langjährigen Dienstwagen – nach Ayr gefahren. Dort, im von zahlreichen Lagerhäusern und Logistikzentren geprägten Hafenbereich, wurden wir bereits von einem Captain der schottischen Polizei und etwa einem Dutzend Uniformierten erwartet.
Wir parkten unsere Wagen in der Nähe der großflächig angebrachten Absperrbänder und stiegen aus. Das für diese Gegend so typische, milde Westküstenklima schlug uns auch hier entgegen. Zwar wehten die Fetzen einiger zerrissener Gewitterwolken über den ansonsten sonnigen Himmel hinweg, doch der Wind, der über den Hafen pfiff, war nicht einmal wirklich kalt.
»Sieht aus, als würden wir schon sehnlichst erwartet werden«, rief mir Suko zu und wies dabei auf die beiden Uniformierten, die sich kurz nach unserer Ankunft hinter dem Absperrband postiert hatten.
»Die wollen uns bestimmt nur einen schönen Tag wünschen.«
Suko lachte und vollführte einige Dehnungsübungen, bevor wir uns auf den Weg machten. Die Polizisten nickten uns bereits zu. Wahrscheinlich waren sie von ihren Vorgesetzten genauestens über uns informiert worden.
»Oberinspektor Sinclair und Inspektor Suko von Scotland Yard?«, fragte uns ein dunkelhaariger, etwa dreißig Jahre alter Kollege.
»Die sind wir«, antwortete ich.
»Captain Banks erwartet sie bereits. Mein Kollege und ich werden Sie zu ihm führen.«
»Hat sich in der Zwischenzeit noch etwas an der Ausgangslage geändert?«
Noch im Laufen schüttelte der Beamte den Kopf. »Nein, alles ist auf dem Stand von dem Moment, als wir Sie alarmiert haben. Ich nehme an, Sie wissen genau, worum es geht.«
Das wussten wir tatsächlich. Unser Chef, Sir James, hatte uns darüber in Kenntnis gesetzt, dass bei einem Einbruch in ein Lagerhaus am Hafen von Ayr offenbar zwei Vampire entdeckt worden waren. Zumindest laut der Aussage des überlebenden Einbrechers, ein aus China stammender ehemaliger Hafenarbeiter namens Yang Ho.
Demnach war einer der Blutsauger über seinen Partner, Sam Jocks, hergefallen, woraufhin er selbst die Flucht ergriff. Anschließend waren zwei Beamte, die durch einen anonymen Tipp bereits auf zwei tote Wachleute gestoßen waren, in das Lagerhaus eingedrungen und hatten dies beinahe selbst mit dem Leben bezahlt. Ihre Aussagen waren so glaubwürdig, dass ihr Vorgesetzter Scotland Yard alarmiert hatte.
»Wo befinden sich die beiden angegriffenen Kollegen?«, fragte ich.
Einige Dutzend Meter weit entfernt entdeckte ich mehrere Streifenwagen, die vor der Lagerhalle postiert worden waren. Unter ihnen musste auch Captain Banks sein. Ein grauhaariger, hochgewachsener Mann mit faltenreichem, wettergegerbtem Gesicht stach bereits aus den Reihen der Uniformierten hervor.
»Im Krankenhaus. Einer erlitt bei dem Angriff eine Gehirnerschütterung, der andere brach sich einen Arm.«
»Keine Bisswunden?«, fragte Suko.
Der Beamte blickte mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck zu meinem Partner herüber. »Nein, keine Bisswunden«, erwiderte er schließlich.
Noch ehe wir Captain Banks erreichten, trat er uns entgegen und begrüßte uns mit einem kräftigen Händedruck. »Gut, dass Sie da sind, meine Herren. Ich werde keinen meiner Leute mehr in dieses Höllenloch schicken.«
»Das kann ich gut verstehen«, erwiderte ich.
Banks nickte. »Sie können sich denken, dass Begriffe wie ‚Vampir’ oder ‚Untoter’ für mich bisher eher Ammenmärchen waren. Aber was meine Leuten beinahe das Leben gekostet hätte, kann man nicht anders erklären. Ich kenne die beiden sehr gut und weiß, dass sie sich nichts zusammenspinnen. Außerdem sprechen ihre schweren Verletzungen für sich.«
»Und es ist wirklich niemand mehr in das Gebäude gegangen oder aus ihm herausgekommen?«
»Nicht seit wir angerückt sind. Die Betreiberfirma hätte gerne ihre Leute hineingeschickt, um einige zeitkritische Güter zu bergen. Es … ist doch so, dass sich Vampire vor Sonnenlicht fürchten, oder?«
Ich schenkte dem Unglauben, der in der Stimme des Kollegen mitschwang, kaum Beachtung. Immerhin konnte ich gut nachfühlen, was er gerade durchmachte. »Meistens trifft das zu«, antwortete ich. »Das ist unser Vorteil.«
»Dann gehen Sie jetzt rein?«
Ich lächelte schmal. »Dafür haben Sie uns ja gerufen.«
»Dann kann ich Ihnen wohl nur noch viel Glück wünschen.«
»Das können wir immer brauchen.«
Banks gab uns noch einige kurze Beschreibungen der Räumlichkeiten. Ich nickte dem Captain noch einmal zu, bevor ich mich mit Suko auf den Weg zur Eingangstür machte. Von außen wirkte die Lagerhalle vollkommen friedlich und nicht wie eine Brutstätte des Bösen. Auch wenn sich normale Vampire – im Gegensatz zu besonderen Blutsaugern wie Justine Cavallo oder Dracula II – tatsächlich vor Sonnenlicht fürchteten, mussten wir stets auf der Hut sein. Immerhin wussten wir nicht, mit wem oder was wir es hier wirklich zu tun hatten.
»Was denkst du?«, fragte Suko, der gerade die Dämonenpeitsche hervorzog.
»Dass das die Spitze eines gewaltigen Eisbergs sein kann. Es ist bestimmt kein Zufall, dass jemand in einer Kiste mit Gefahrgut Vampire verschickt.«
»Sicher nicht. Irgendwie erinnert mich das an Dracula.«
»Mallmann?«, fragte ich verwundert.
»Nein, an den Roman von Bram Stoker. Da hat sich Dracula selbst per Schiff nach England geschickt.« Als er meinen verwunderten Blick bemerkte, hob er grinsend die Schultern. »Fachliteratur halt.«
»Ja, ja … Aber ich glaube irgendwie nicht daran, dass die Blutsauger sich selbst verschickt haben. Ist nur so ein Bauchgefühl.«
»Darüber können wir später auch noch diskutieren.«
Suko hatte recht. Wir sprachen über ungelegte Eier, denn zunächst einmal galt es, die Vampirbrut in dieser Lagerhalle auszuräuchern. Und das durften wir wirklich nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Mein Partner zog die Tür auf. Die Einbruchsspuren waren unübersehbar. Mit einem leisen Quietschen schwang sie uns entgegen. Wir blickten in einen langen Flur, in den aufgrund der verschmutzten, weit oben liegenden Scheiben nur ein diffuser Lichtschein einsickerte. Zumindest erkannten wir, dass der Gang leer war. Das musste jedoch nichts heißen. Im Prinzip konnte hinter jeder der Türen einer der Blutsauger lauern.
Während wir langsam den Flur entlangschritten, tastete ich nach meinem Kreuz. Wenn sich wirklich Vampire in der Nähe befanden, musste es einfach darauf reagieren. Auf der Brust hatte ich nichts gespürt, doch als ich es hervorzog und meine Finger fest gegen das Metall drückte, nahm ich eine leichte Erwärmung wahr.
Ich ließ meinen Talisman zunächst einmal in der linken Jackentasche verschwinden und zog die Beretta. Bei einem plötzlichen Angriff war sie leichter einsetzbar, und normale Vampire waren gegen geweihtes Silber nicht gefeit.
Die Luft roch ein wenig abgestanden, ansonsten wirkte der Bereich relativ gepflegt. Die gelagerten Güter wurden hier sicher nicht entlang transportiert. Ich ging davon aus, dass dieser Flur allein dem Personal diente.
Unser Ziel war die letzte Tür auf der rechten Seite. Ich dachte daran, die Stiftleuchte herauszuziehen, verzichtete aber darauf. Man konnte zwar nicht jedes Detail erkennen, aber ich sah, dass der Eingang zur Gefahrgutabteilung halb offen stand. Das neben der Tür angebrachte Zahlenschloss wirkte, als hätte es vor Kurzem in Flammen gestanden. Ich ging davon aus, dass die beiden Einbrecher auf diese Weise in diesen Trakt gelangt waren.