John Sinclair 2180 - Rafael Marques - E-Book

John Sinclair 2180 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Als mein Kreuz sich erwärmte, wusste ich Bescheid. Das bedeutete Gefahr!
Plötzlich hallten seltsame Geräusche durch die Tiefgarage, die so gar nicht an diesen Ort passten - monotone Klänge einer Trommel.
Und dann erschien wenige Meter von mir entfernt auch schon ein Schatten, der so etwas wie einen Hauch des Bösen mit sich brachte. Ich wirbelte herum - und blickte direkt in die Totenfratze eines lebenden, vor dunkelgrünem Schleim triefenden Skeletts ...

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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Plan des Voodoo-Meisters

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Barandash Karandashich; Wilqkuku/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9666-9

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Plan des Voodoo-Meisters

von Rafael Marques

Mein Kreuz hatte sich erwärmt! Das bedeutete Gefahr!

Plötzlich ertönten monotone Klänge einer Trommel, die sich regelrecht in meinen Schädel hämmerten, als kündigten sie schreckliches Unheil an.

Da erschien wenige Meter von mir entfernt auch schon ein Schatten, der das Böse mit sich brachte …

Kurz zuvor

Das Schrillen des Telefons riss mich aus dem Schlaf.

»Verdammter Mist«, fluchte ich und wühlte mich aus der Bettdecke hervor.

Mindestens ebenso unbeholfen tastete ich nach dem Schalter der kleinen Nachttischlampe, warf dabei aber zunächst nur den Wecker um. Irgendwann war ich es leid, setzte mich auf die Bettkante und stemmte mich in die Höhe.

Selbst im Halbschlaf konnte ich mich in meiner eigenen Wohnung auch mit geschlossenen Augen orientieren. Gerade als ich den Lichtschalter drückte, erstarb das Klingeln. Der Anrufbeantworter schaltete sich an, bevor der Anrufer einfach auflegte.

»Das darf doch nicht wahr sein«, murmelte ich, während ich mich in Richtung Wohnzimmer schleppte. Ich wollte einfach herausfinden, wer mich zu dieser nachtschlafenden Zeit – es war zehn Minuten nach Mitternacht – anrief. Immerhin musste sich auch ein Geisterjäger mal von den Kämpfen gegen die Mächte der Finsternis erholen, und wer das verhindern wollte, sollte meinen Zorn zu spüren bekommen.

Mit nicht mehr als Boxershorts bekleidet trat ich in das Wohnzimmer und schaltete auch hier das Licht an. Ein paar Schritte genügten, um das Telefon zu erreichen. Ich drückte eine Taste und ließ mir die Liste der entgangenen Anrufe anzeigen. Unbekannt, zeigte das Display lediglich an. Also hatte der Anrufer seine Nummer unterdrückt. Sicher nicht zufällig, denn niemand, den ich kannte, hätte einen Grund, sie vor mir zu verstecken. Es sei denn, derjenige wollte nicht erkannt werden.

Ich schüttelte den Kopf und wollte mich gerade abwenden, als sich das Telefon erneut meldete. Zwei Mal ließ ich es klingeln, dann nahm ich den Hörer ab. »Sinclair«, meldete ich mich mit belegter Stimme.

»John Sinclair? Der Oberinspektor von Scotland Yard, auch Geisterjäger genannt?«, sprach mich eine tiefe, männliche Stimme an. Der afrikanische Akzent war unüberhörbar.

»Wer will das wissen?«

»Ein Bewunderer. Ich habe schon sehr viel über Sie und Ihre Fähigkeiten gehört. Deshalb bin ich sehr daran interessiert, Sie einmal persönlich kennenzulernen.«

Ich glaubte dem geheimnisvollen Anrufer kein Wort. »Schön, dann wenden Sie sich bitte an meinen Chef, Sir James Powell. Er …«

»… kann mir nicht weiterhelfen«, fiel mir der Mann ins Wort. »Sie dagegen schon, Mister Sinclair. Da ich um Ihre Fähigkeiten und Erfolge weiß, muss ich auf ein persönliches Treffen bestehen. Es geht um eine wichtige, dringliche Angelegenheit. Jemand, der nicht der ist, für den er sich ausgibt, ist hinter mir her. Ich fürchte, mein Leben ist in Gefahr, und ich möchte, dass Sie mir zu Hilfe kommen. Als eine Art Leibwächter sozusagen.«

»Warum sagen Sie mir nicht erst mal, wer Sie überhaupt sind?«

»Das werde ich. Ich erwarte Sie in der Tiefgarage, dort werden wir alles Weitere besprechen.«

»Sie glauben doch nicht, dass ich …«, wollte ich erwidern, als der Anrufer einfach auflegte. Etwas verdutzt ließ ich den Hörer wieder sinken und dachte über das Gespräch nach.

Wer war dieser Kerl? Seine Stimme war mir völlig unbekannt, aber er kannte mich, was an sich nicht unbedingt etwas bedeuten musste. Nicht nur unter den Dämonen war ich bekannt wie ein bunter Hund, sondern auch in der Fachpresse, die mir schließlich den Beinamen Geisterjäger verpasst hatte.

Da musste ich nur an zahlreiche Berichte meines besten Freundes, Bill Conolly, denken. Wenn man es genau nahm, konnte er alles, was er über mich gesagt hatte – und das war wirklich nicht viel gewesen – aus irgendwelchen Artikeln entnommen haben. Anders sah das mit meiner Telefonnummer aus. Diese war geheim und nur meinen Freunden und dem Yard bekannt.

Natürlich schrie dieser Anruf nach einer Falle, und es wäre beileibe nicht das erste Mal gewesen, dass mir meine Gegner in der Tiefgarage aufgelauert hätten. Im Laufe der Jahre war ich dort einigen gefährlichen Gestalten begegnet, von einem japanischen Killerkommando über Kobolde aus Aibon bis hin zu einem der Horror-Reiter, um nur einige zu nennen. Folglich konnte mich dahingehend nichts mehr überraschen.

Eigentlich hatte ich den Anrufer abwimmeln wollen, doch jetzt war meine Neugier geweckt. Ich ging auch einfach davon aus, dass es der Kerl nicht einfach so darauf beruhen lassen würde. Deshalb zog ich mich an, nahm meine Waffen an mich und verließ die Wohnung.

Darauf, meinen Partner Suko zu informieren, verzichtete ich zunächst. Zwar konnte eine gewisse Rückendeckung nie schaden, doch bisher gab es noch keinen Hinweis darauf, dass jemand wirklich einen Angriff auf mich plante. Trotzdem ging ich insoweit auf Nummer sicher, dass ich nicht einfach blindlings mit dem Aufzug in die Tiefe fuhr, sondern die Treppen hinabstieg.

Mein Kreuz blieb bisher kalt, aber das würde sich vielleicht bald ändern. Zusätzlich trug ich noch die Beretta, den Bumerang und die magische Kreide bei mir. Damit konnte ich mir schon einige gefährliche Dämonen vom Leib halten.

So verschlafen ich gewesen war, als mich das Telefon aus dem Bett gerissen hatte, so wach war ich jetzt. Ich wollte einfach wissen, was der Anrufer genau von mir wollte. Jemand, der nicht das war, was er zu sein vorgab, war hinter ihm her. Das konnte alles und nichts bedeuten, von einem Stalker bis hin zu einer Kreatur der Finsternis. Oder es war einfach nur eine Lüge, die mich aus meiner Wohnung locken sollte. Das hätte der Kerl dann aber auch einfacher haben können.

Nach einem schier endlosen Abstieg erreichte ich den tiefsten Punkt des Treppenhauses und zog die schwere Eisentür auf. In der fast bis zum Anschlag mit Autos gefüllten Tiefgarage herrschte um diese Zeit natürlich eine geradezu gespenstische Stille. Das Rolltor war geschlossen, also musste sich der Anrufer schon länger hier aufhalten. Es sei denn, er verfügte über magische Kräfte, aber in dem Fall hätte er auch direkt in meiner Wohnung erscheinen können.

Ich schritt zwischen den zahlreichen Autos hindurch, ohne etwas Ungewöhnliches zu entdecken. Plötzlich reagierte mein Kreuz, indem es einen sanften Wärmestoß auf meine Brust absandte. Automatisch zog ich die Beretta, wobei ich weiter vorging. Was auch immer sich in der Nähe aufhielt, es war für mich nicht zu erkennen.

Nach etwa fünf Metern stoppte ich ab, weil mir etwas aufgefallen war. An einem grauen Van stand die Fahrertür einen Spaltbreit offen. Ich erinnerte mich dunkel, den Wagen hier schon einige Male gesehen zu haben, nur wer der Halter war, wusste ich nicht mehr.

So vorsichtig wie möglich näherte ich mich der Tür. Dabei nahm ich auch ein leises Platschen wahr, so als würde von irgendwo eine Flüssigkeit auf einen harten Untergrund tropfen. Als ich näher an den Wagen herantrat, entdeckte ich auch den Ursprung des Geräuschs. Über den Lack des Autos bahnte sich eine dunkelrote Substanz ihren Weg auf den Untergrund. Ich musste kein großer Prophet sein, um zu erahnen, dass es sich dabei um Blut handelte.

Ich machte mich auf einiges gefasst, als ich die Fahrertür aufzog, und meine schlimmsten Befürchtungen bestätigten sich. Hinter dem Lenkrad saß eine etwa vierzig Jahre alte Frau mit dunkelbraunen Haaren. Ihr eigentlich recht hübsches Gesicht war nicht mehr als eine blasse, vor Grauen verzogene Fratze. Jemand hatte ihr mit derart brutaler Gewalt die Kehle aufgerissen, dass ihr Kopf nur noch lose am Rest des Körpers hing. Ihr dunkler Hosenanzug war über und über mit Blut besudelt, und die Windschutzscheibe und der Rest des Fahrzeuginneren sahen nicht besser aus.

Mein Herzschlag ging nun deutlich schneller. Selbst ich musste einen so scheußlichen Anblick erst einmal verkraften. Wer war bloß zu so etwas fähig? Oder – was? Der Mann, der sich hier mit mir treffen wollte? Oder würde ich ihn hier auch bald tot auffinden?

Das Kreuz sandte noch einmal einen Wärmestoß aus. Zugleich hallten unvermittelt seltsame Geräusche durch die Tiefgarage, die so gar nicht an diesen Ort passten. Bumm, Bumm, Bumm, Bumm – quasi aus dem Nichts drangen die monotonen Klänge einer Trommel an meine Ohren.

Die Trommelschläge blieben nicht wirkungslos. Plötzlich erschien wenige Meter von mir entfernt ein Schatten, der so etwas wie einen Hauch des Bösen mit sich brachte. Ich wirbelte herum – und blickte direkt in die Totenfratze eines lebenden, vor dunkelgrünem Schleim triefenden Skeletts.

Ich brauchte nicht lange, um die Überraschung zu verdauen. Auf den zweiten Blick fielen mir noch die kleinen Teufelshörner auf, die sich auf dem blanken Schädel der Kreatur abzeichneten. Was sich da vor mir präsentierte, war kein normaler Untoter. Eher schon ein Dämon aus irgendeiner düsteren Höllenwelt, der keinen Fetzen Fleisch mehr an den Knochen trug und eben von diesen Schleimfäden eingehüllt war.

Das furchtbare Geschöpf riss sein Maul auf, präsentierte mir seine spitzen Reißzähne und hob die blutüberströmten Krallenfinger an. Dann warf es sich einfach auf mich.

Instinktiv drückte ich zwei Mal ab. Beide Kugeln schlugen knapp oberhalb des Brustbeins in den skelettierten Körper ein. Dass dabei kurz etwas silbrig aufblitzte, nahm ich nur am Rande wahr, denn im nächsten Moment erreichte mich das Skelett.

Die spitzen Finger wühlten sich in meine Schultern. Ich schrie auf und rammte zugleich meinen linken Fuß in die schleimige Masse. Der Untote taumelte kurz zurück, fing sich jedoch schnell wieder und stürmte erneut auf mich zu.

Noch einmal drückte ich ab. Diesmal hatte ich etwas höher gezielt. Wuchtig schlug die dritte geweihte Silberkugel in den Knochenschädel und zerschmetterte ihn. Das lebende Gerippe zuckte zurück, fiel aber nicht. Bevor es noch irgendwie regenerieren konnte, zog ich mir das Kreuz über den Kopf, nahm es in die linke Hand und drückte es in die schleimige Masse.

Wie von einem Blitz getroffen sackten die Knochen in sich zusammen. Im Nu verwandelten sie sich in hellen Staub, während sich der Schleim zu einer kristallinen Masse verformte, ähnlich wie bei einem Ghoul.

Mit der Vernichtung der Kreatur waren auch die Trommelschläge verklungen. Irgendwie ging mir der Gedanke an eine Art afrikanische Magie nicht aus dem Kopf. Immerhin hatte auch der Anrufer mit einem Akzent gesprochen, der auf diesen Kontinent hindeutete. Nur fehlte von ihm hier unten jede Spur.

Ich atmete tief durch und rieb mir über die verletzten Schultern. Jetzt wurde es doch langsam Zeit, Suko zu informieren. Und meine Kollegen von der Metropolitan Police …

Die Nachtschicht der Mordkommission war noch nicht ganz mit ihrer Arbeit fertig, als ich mich von dem leitenden Inspektor verabschiedete und gemeinsam mit Suko in dessen Wohnung zurückkehrte. Im Prinzip hatte ich auch nicht viel mehr tun können, als dem Kollegen einen kurzen – für jemanden, der nicht oft mit derlei Fällen in Berührung kam, ziemlich abenteuerlichen – Bericht abzugeben und den Abtransport der Toten zu organisieren.

Inzwischen wusste ich zumindest, dass die Tote Anna Lacey hieß und im zweiten Stock wohnte. Laut einem Nachbarn waren ihr Mann und ihre beiden Kinder zu einem Abenteuerurlaub nach Kanada gereist. Für sie würde es bestimmt ein schwerer Schock sein, wenn es den Kollegen gelang, sie dort zu erreichen. Mich machte ihr Tod einfach nur wütend, weil ich davon ausging, dass er mit dem Anrufer in keinerlei Verbindung stand und sie wohl nur für eine Art Machtdemonstration gestorben war.

Gemeinsam mit Shao saßen Suko und ich am Esstisch und tranken Tee. An meinem Hemd zeichneten sich zehn kleine Löcher ab, die von den Krallen des Skeletts stammten. Ein Sanitäter hatte die Wunden desinfiziert, das Blut abgewischt und mit Pflastern abgedeckt.

»Und du hast keine Ahnung, wer dieser Anrufer gewesen sein könnte?«, fragte Shao, die im Gegensatz zu ihrem Partner noch ziemlich verschlafen wirkte. Kein Wunder, es war immer noch nicht ein Uhr nachts.

Ich schüttelte den Kopf. »Nicht die geringste. Aber ich bin mir sicher, dass er nicht dieses Schleimskelett war. Ich denke auch nicht, dass dieses Geschöpf mich töten sollte. Eher, dass man mir zeigen wollte, wie mächtig die andere Seite ist. Nur weiß ich nicht, wie die aussieht.

Suko nippte an seiner Tasse. »Hast du schon mal an Voodoo gedacht?«

»Ein wenig schon. Merkwürdige Trommelklänge, ein Anrufer mit afrikanischem Akzent, das könnte schon in diese Richtung deuten, allerdings gibt es in Afrika so viele unterschiedliche Kulturen, dass das, was ich erlebt habe, nicht unbedingt etwas mit Voodoo zu tun haben muss.«

»Und was hast du jetzt vor?«

»Tja, mir bleibt wohl nichts weiter, als abzuwarten, bis der geheimnisvolle Fremde erneut anruft. Solange ich nicht weiß, wer er ist, bin ich quasi sein Spielball.«

»Aber er will deine Hilfe, also muss er sich dir irgendwie öffnen.«

»Oder er versucht, mich in die nächste Falle zu locken.«

Suko trank die Tasse leer und seufzte. »Dann gehst du wieder in deine Wohnung zurück?«

»Klar. Oder soll ich mich zwischen euch beide ins Bett kuscheln?«

Shao grinste schief. »Das könnte dir so passen.«

»Schon, ja.«

»Na klar. Raus hier, und zwar fix! Und schlaf gut.«

Ich lachte. »Danke, ihr auch.«

Kaum, dass ich die Wohnung meiner Freunde verlassen hatte, wurde es schon wieder totenstill um mich herum. Das Kreuz hing wieder vor meiner Brust. Schon seit der Vernichtung des Skeletts sandte es keine Wärme mehr aus. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, von der anderen Seite aus dem Unsichtbaren beobachtet zu werden.

Ich ließ mir nichts anmerken, schloss die Tür zu meiner Wohnung auf, schaltete das Licht ein und ließ mich auf die Couch fallen. Auch wenn es noch einige Stunden bis Dienstbeginn waren, war die Nacht für mich gelaufen. Wie ich mich kannte, würde ich bis zum Sonnenaufgang kein Auge mehr zubekommen. Zudem ging ich fest davon aus, dass der Anrufer sich über kurz oder lang wieder melden würde.

Bis auf das Kreuz legte ich alle meine Waffen auf den Tisch. Ich musste wieder an Sukos Vermutung denken. Dass es hier um Voodoo-Magie ging, lag durchaus im Bereich des Möglichen. Es gab diesen Kult in verschiedenen Ausprägungen. In manchen Ländern, vor allem in Haiti, gehörte er zu den Religionen mit den meisten Anhängern. Wie bei den meisten religiösen Strömungen konnte man sie auf die eine oder andere – sprich gute oder böse – Weise auslegen.

Für viele Menschen war das Praktizieren von Voodoo, in dem sowohl christliche als auch traditionell-westafrikanische Glaubensvorstellungen einflossen, eine völlig normale Sache. Andere versuchten, diese Magie für das Böse oder eben für ihre Zwecke zu missbrauchen. Ich dachte dabei an die Bokor oder Voodoo-Königinnen, die Kontakte zu bösen Geistern in anderen Dimensionen herstellen konnten und auch in der Lage waren, Zombies und andere Geschöpfe zu erschaffen.

Über all dem schwebte eine Gestalt, die man nicht unbedingt als Götze, sondern eher als eine Art Manifestation des Bösen bezeichnen musste – Macumba.

Während ich über all das nachdachte, merkte ich kaum, wie die Müdigkeit jetzt doch langsam wieder von mir Besitz ergriff. Gerade als mir die Augen zuzufallen begannen, meldete sich tatsächlich das Telefon.

Ich schreckte leicht auf, war aber sofort wieder bei Sinnen. Ohne zu zögern griff ich nach dem Hörer und nahm das Gespräch an. »Ja?«

»Hallo, Mister Sinclair. Es freut mich, wieder Ihre Stimme zu hören. Ich hoffe, meine kleine Vorführung hat nicht zu tiefe Spuren bei Ihnen hinterlassen.«

»Das war keine Vorführung. Sie haben eine unschuldige Frau getötet.«

Der Anrufer stieß ein leises Lachen aus. »Erwarten Sie nicht, dass ich mich dafür entschuldige. Es musste sein. Ich musste Ihnen zeigen, dass ich nicht scherze und dass ich mächtig genug bin, um diejenigen zu bestrafen, die nicht auf meine Forderungen eingehen. Hätten Sie gleich eingewilligt, mir zu helfen, wäre die Frau vielleicht nicht gestorben. Denken Sie mal darüber nach.«

Ich schnaufte. »Ich denke, Sie würden so oder so über Leichen gehen.«

»Möglich. Wie dem auch sei, ich werde nicht von meiner Bitte an sie abrücken. Ich brauche Ihre Hilfe, Mister Sinclair. Bisher hat es noch keinen direkten Anschlag gegeben, aber ich gehe fest davon aus, dass mir jemand nach dem Leben trachtet.«

»Ich schätze, es ist jemand, der auch Ihren Namen kennt.«

»Sie werden schon sehr bald noch viel mehr über mich lernen als nur meinen Namen. Zu Ihrer Information, ich heiße Colin Juba. Mit etwas Geduld werden Sie mit Sicherheit einiges zu meiner Person in Erfahrung bringen. Eines möchte ich Ihnen noch direkt mitteilen: Ich bin – wie Sie sich möglicherweise schon gedacht haben – ein Voodoo-Priester. Zu diesem Thema kann ich Ihnen viel mehr sagen, sobald wir uns persönlich gegenüberstehen. Dazu müssen Sie allerdings eine längere Reise unternehmen. Ich erwarte Sie auf der Île de Guior, einer Insel vor der Küste Senegals, die sogar über einen kleinen Flughafen verfügt. Kommen Sie so bald wie möglich, denn die Zeit eilt. Glauben Sie mir, es ist auch in Ihrem Interesse.«

»Sie meinen wohl, Sie würden mir sonst eine weitere Vorführung bereiten?«

Colin Juba lachte kurz. »Wir verstehen uns offensichtlich, Mister Sinclair. Auf bald.«

Ich fluchte innerlich, während ich den Hörer zurück auf das Gerät sinken ließ. So einfach ließ ich mich nicht erpressen, schon gar nicht von einem Voodoo-Priester. Andererseits blieb mir wohl letztendlich keine andere Wahl, als tatsächlich nach Westafrika zu reisen, bevor noch mehr Menschen Jubas Spielchen zum Opfer fielen. Wenn, dann aber unter meinen Bedingungen – und ganz sicher nicht in den nächsten Stunden.

Der monotone, hypnotische Klang der Trommeln hallte durch die Nacht. Die handgeschnitzten Holzrahmen waren mit dünner Menschenhaut überspannt, welche wiederum durch magische Zeichen den hohen Gottheiten weit entfernter Reiche geweiht waren. Jeder Schlag der Trommler, deren Gesichter komplett ausdruckslos waren, sorgte dafür, dass die Zuhörer noch weiter in einen magischen Trancezustand verfielen.

Selbst die zu Dutzenden aufgestellten Holzfackeln schienen im Takt zu zucken. Der über hundert Meter breite Zeremonienplatz war von einer mehrere Meter hohen Palisade umschlossen. Nur ein Tor führte nach draußen. Wer diesen Ort verlassenen wollte, musste an zwei mit Maschinengewehren bewaffneten dunkelhäutigen Soldaten vorbei.

Doch das wollte niemand. Die Menschen waren längst dem Zauber der Trommler und der geheimnisvollen Gesänge verfallen, die scheinbar aus allen Richtungen an ihre Ohren drangen. Sie tanzten, manche, als würden sie einen Anfall erleiden, andere in einem stakkatohaften Rhythmus, der jeden Zuseher an sich schon hypnotisiert hätte.

Die von der dunklen Magie gebannten Männer und Frauen waren vollkommen nackt, ganz im Gegensatz zu den Gestalten mit den glanzlosen Augen und der langsam verwesenden Haut, die sich etwas weiter im Hintergrund hielten.

Normalerweise gierten die Zombies stets nach frischem Menschenfleisch, doch eine weit höhere Macht hielt diesen Drang und sie selbst unter Kontrolle. Sie trugen zerlumpte Kleidung, manche sogar nur lange Hemden. Für die Zeremonie selbst waren sie bedeutungslos, sie sollten den Anwesenden lediglich symbolisieren, was mit den Körpern der Opfer geschah.