John Sinclair 2281 - Rafael Marques - E-Book

John Sinclair 2281 E-Book

Rafael Marques

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Anwesen, vor dem der Mann seine dunkle Limousine ausrollen ließ, war völlig in Dunkelheit gehüllt. Kein Licht brannte, nicht einmal der Schein der fernen Straßenlaternen erfasste das Grundstück. Lediglich dem Halbmond gelang es, die gut zweihundert Jahre alten Mauern aus der Finsternis zu reißen. Zumindest dann, wenn er nicht gerade von den sanft dahinziehenden, in den letzten Stunden immer zahlreicher werdenden Wolken verdeckt wurde.
Der Mann ließ das Fenster herunter und schnippte die Reste seiner Zigarette auf die Straße. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, wäre er davon ausgegangen, dass die dreistöckige, aus Ziegelsteinen errichtete Villa verlassen war. Zumindest deuteten das vor den Fenstern sprießende Efeu und der verwilderte Garten darauf hin.
Nathaniel Dekker, der Detektiv aus New York, wusste es besser. Das Haus gehörte einem Mann, dessen Frau angeblich vor Jahren gestorben war - Barclay Hollister!


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 144

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Todesgruß aus Twilight City

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Todesgruß ausTwilight City

von Rafael Marques

Das Anwesen, vor dem der Mann seine dunkle Limousine ausrollen ließ, war völlig in Dunkelheit gehüllt. Kein Licht brannte, nicht einmal der Schein der fernen Straßenlaternen erfasste das Grundstück. Lediglich dem Halbmond gelang es, die gut zweihundert Jahre alten Mauern aus der Finsternis zu reißen. Zumindest dann, wenn er nicht gerade von den sanft dahinziehenden, in den letzten Stunden immer zahlreicher werdenden Wolken verdeckt wurde.

Der Mann ließ das Fenster herunter und schnippte die Reste seiner Zigarette auf die Straße. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, wäre er davon ausgegangen, dass die dreistöckige, aus Ziegelsteinen errichtete Villa verlassen war. Zumindest deuteten das vor den Fenstern sprießende Efeu und der verwilderte Garten darauf hin.

Nathaniel Dekker, der Detektiv aus New York, wusste es besser. Das Haus gehörte einem Mann, dessen Frau angeblich vor Jahren gestorben war – Barclay Hollister!

Im Gegensatz zu seiner Begegnung mit dem Mann, der sich gerne Mister X nannte, zeigte sich Dekker nun wieder in seiner menschlichen Tarngestalt. Als Echsendämon Rakk durfte er in dieser Welt nur äußerst selten agieren, denn im Gegensatz zu seiner Heimatstadt Twilight City lebten hier Menschen und Dämonen nicht mehr oder weniger friedlich nebeneinander.

Mister X, dessen wahrer Name selbst ihm unbekannt war, hatte ihm kurz vor seinem Tod diese Adresse preisgegeben. Jetzt trieb seine Leiche irgendwo im Atlantik, während er mit seiner Yacht zurück an die britische Küste gefahren war. Um diesen Kerl war es wirklich nicht schade, im Gegenteil, er hatte mit seiner Ermordung der Welt einen Gefallen getan, insbesondere John Sinclair. Zumindest nach dem, was in dem Tagebuch eines gewissen Costello stand, das sich jetzt in seinem Besitz befand. Eigentlich war es ihm überhaupt nicht um dieses Buch gegangen, aber vielleicht ließ sich damit ja noch etwas anfangen.

Während er ausstieg, dachte er über den Mann nach, den er jetzt zur Rede stellen wollte. Hollister war vor Jahren – einige Zeit vor seiner ersten Begegnung mit einem gewissen Wynn Blakeston – in seinem Büro in TC aufgetaucht und hatte ihn nach seiner Frau Melanie gefragt. Ausgerechnet Melanie Hollister, eine Serienmörderin, deren Spitzname in der Presse Eisprinzessin lautete. Damals war sie gerade von der Gefängnisinsel Land's End entkommen, und kurz nach seiner Begegnung mit Barclay Hollister hatte sich seine Spur schon wieder verloren. Doch das war erst der Anfang seiner Probleme gewesen ...

Erneut musst er an diesen Mister X denken, oder vielmehr an etwas, das er ihm gesagt hatte – dass er einem Geist begegnet war und mit Hollister darüber reden wollte. Genau deswegen war er hier.

Das aus eisernen Gitterstäben bestehende Tor, der einzige Zugang zu Hollisters Grundstück, stellte für ihn kein Hindernis dar. Zur Sicherheit drehte er sich noch einmal nach allen Seiten um, und als er davon überzeugt war, nicht beobachtet zu werden, zog er einen seiner magischen Steine aus TC hervor. Ein Zauberspruch genügte, und das Schloss öffnete sich wie von Geisterhand.

Neben dem Haus befand sich eine Garage, in der ein Land Rover parkte. Ob das bedeutete, dass Hollister wirklich zu Hause war, blieb zunächst im Dunkeln, aber jemand war hier, das spürte er genau.

Ihm lag bereits der nächste Zauberspruch auf den Lippen, als er nach dem gusseisernen Knauf der Eingangstür griff, doch zu seiner Überraschung war sie nicht abgeschlossen. So leise wie möglich drückte er sie auf.

Als er über die Schwelle trat, traf ihn ein eisiger Hauch. Eis, ausgerechnet, schoss es ihm durch den Kopf. Instinktiv griff er nach seinem Revolver, obwohl er sich keiner unmittelbaren Gefahr gegenübersah. Allein die Erinnerung an eine bestimmte Person ließ ihn nervös werden.

Er schlich über einen weichen Perserteppich, passierte einige helle Tierstatuen, künstliche Pflanzen und abstrakte Malereien, mit denen die Wände geradezu tapeziert waren. Es roch, als wäre schon länger nicht gelüftet worden. Dementsprechend warm und stickig war die Luft, und trotzdem hielt sich hier auch diese nicht fassbare Kälte. Sie existierte schlichtweg auf einer anderen Ebene.

Der Detektiv passierte die Küche und das Badezimmer und begann, die Treppe hinaufzusteigen. Mit jeder Stufe griff die widerliche Kälte mehr nach ihm. Sie ließ sich nicht von der Kleidung aufhalten, schon gar nicht von seiner Schuppenhaut. Echsendämonen hatten eine naturgegebene Scheu vor Kälte, und in stark konzentrierter Form war sie sogar tödlich für sie.

Nach der Hälfte der Treppe warf er einen Blick aus dem Fenster. Das Grundstück war weiterhin menschenleer. Nicht, dass er etwas anderes erwartet hätte, aber sicher war sicher.

Bevor er ganz nach oben stieg, wollte er den ersten Stock durchsuchen. Hier befanden sich ein weiteres Bad, eine Abstellkammer und ein Schlafzimmer. Und genau dort intensivierte sich die Kälte noch einmal.

War er zu spät gekommen? Hatte sie ihn schon geholt? Wusste sie, dass er wieder hinter ihr her war? Immerhin war Hollister seine einzige Spur zu ihr.

Mit der Mündung seines Revolvers stieß er die lediglich angelehnte Tür auf. Das Bett war zerwühlt, eine Nachttischlampe lag zerbrochen auf dem Boden. Wie es schien, hatte hier ein Kampf stattgefunden. Oder jemand wollte diesen Eindruck erwecken.

Ihm lag schon ein Fluch auf den Lippen, als er den leblosen Körper entdeckte, der bäuchlings am Fußende des Bettes lag, seine Arme Richtung Boden hängend. Schnell wurde ihm klar, dass der Tote nicht Barclay Hollister war, obwohl er sein Gesicht nicht sah. Ein hochrangiger Diplomat wie er würde sich wohl kaum die Montur eines Kanalarbeiters überstreifen.

Erst auf den zweiten Blick fiel ihm der weiße Umschlag auf, der zwischen der Matratze und der Holzverkleidung des Bettes steckte. Direkt neben dem Kopf der Leiche, was bestimmt kein Zufall war. Jemand wollte ganz sicher sein, dass er die Botschaft entgegennahm.

Bei jeder anderen Gelegenheit hätte er jetzt nach den Haaren des Toten gegriffen, um sich zumindest noch einmal das Gesicht anzusehen. Seine Erfahrung hielt ihn diesmal davon ab, zumal der Körper von einer kaum sichtbaren, kristallklaren Schicht überzogen war.

Eis ...

Es war eine zweite Botschaft. Nicht an Hollister gerichtet, sondern an ihn, davon war er überzeugt. Nur, was sollte sie ihm sagen? Dass er ihr nie wieder so nahe kommen würde wie damals in Twilight City? Warum hatte sie dann ausgerechnet diesen ihm völlig unbekannten Mann getötet und nicht gleich Barclay Hollister?

Weil sie noch etwas mit ihm vorhat, sagte ihm seine innere Stimme.

Er war ungewöhnlich aufgeregt, als er seine Finger nach dem Umschlag ausstreckte. Sein Instinkt sagte ihm, dass hier etwas nicht stimmte, dass man mit ihm spielte, und der Brief oder was auch immer sich in dem Kuvert befand, das Lockmittel war. Trotzdem wollte er die Botschaft unbedingt an sich nehmen.

Als hätte der Tote nur darauf gewartet, fuhr er ansatzlos in die Höhe, griff nach den Bettpfosten und stieß sich kraftvoll ab. Dekker gelang es gerade noch, den Briefumschlag zu fassen zu bekommen, ansonsten blieb ihm kaum Zeit, darüber nachzudenken, was hier geschah. Er musste schnell sein, wenn er überleben wollte.

Als der Untote gegen die Wand krachte, war der Detektiv bereits in Richtung der Glastür gehuscht, die hinaus auf den Balkon führte. Während er den Umschlag mit dem falschen linken Arm festhielt, richtete Dekker die Mündung des Revolvers auf den Zombie und drückte ab. Aus dieser Entfernung war er auch für einen ungeübten Schützen nicht zu verfehlen.

Die Kugel fuhr in die Brust des Mannes, der sich bereits wieder aufgerichtet hatte. Der Treffer hielt den Untoten jedoch nicht auf, und selbst als das Geschoss explodierte und ein faustgroßes Loch in seine Brust stanzte, brach er nicht zusammen.

Dekker blieb ruhig, zumindest äußerlich. Wieder schoss er, und diesmal fuhr die Kugel in das rechte Auge des lebenden Toten. Die folgende Explosion fetzte ihm fast die gesamte obere Hälfte seines Kopfes weg. Ein normaler Zombie wäre jetzt zusammengebrochen, doch in diesem Fall wurde der fehlende Teil des Körpers blitzschnell von einer dicken Eisschicht überdeckt.

Ihn weiter mit den Spezialgeschossen zu traktieren, erschien ihm sinnlos. Fragen würde ihm der Zombie auch keine beantworten, also warum weiter sein Leben riskieren? Immerhin befand sich der Umschlag in seinem Besitz, mehr würde er hier nicht erreichen können.

Ob der Zombie den Auftrag erhalten hatte, gerade ihn zu töten oder ihn schlicht der Drang zu morden vorantrieb, blieb ihm ein Rätsel. Mit kraftvollen, wenn auch leicht schwankenden Schritten schlich er auf den Detektiv zu.

Dekker schlug die Glasscheibe mit dem Griff des Revolvers ein und trat auf den Balkon. In diesem Moment reagierte der Zombie blitzschnell, huschte auf ihn zu und griff nach ihm. Es kam ihm wie der Hauch des Todes vor, als die Finger des Toten nur Zentimeter an seiner rechten Schulter vorbeifuhren. Die nahe Kälte ließ auch so alles in ihm verkrampfen, aber töten konnte sie ihn nicht. Nicht ohne eine direkte Berührung.

Er steckte den Revolver weg, griff nach dem Geländer und sprang über eiserne Streben in die Tiefe. Der Aufprall machte ihm nicht viel aus, und als er einen Blick in die Höhe warf, sah er, dass der Zombie ihm nicht gefolgt war.

Hatte er etwas übersehen? War er sehenden Auges in eine Falle gelaufen? Wie hatte sie wissen können, dass er ausgerechnet in dieser Nacht Hollisters Villa aufsuchen würde und der Diplomat nicht zu Hause war? Irgendein Detail musste ihm entgangen sein – oder er hatte seine Gegnerin unterschätzt. Und das kam bei ihm nur äußerst selten vor.

Erst als er ein Stück weit gefahren und sicher war, dass ihm niemand folgte, stellte Dekker den Wagen wieder ab. In diesem Fall konnte er nicht vorsichtig genug sein, immerhin ging es letztendlich um Leben um Tod. Das hatte ihm der Angriff des Zombies einmal mehr vor Augen geführt.

Auf den Straßen war zu dieser späten Stunde natürlich kaum etwas los. Und wenn, zog es die Menschen eher in die belebten Gebiete, in die Nachtclubs, Diskotheken und Bars und nicht in eine ruhige Wohngegend. So fiel es dem Detektiv besonders leicht, seine Umgebung im Blick zu behalten und jede verdächtige Bewegung sofort zu bemerken.

Zunächst galt sein Interesse aber dem strahlend weißen Umschlag. Die Lasche war mit einer winzigen Kristallrose verziert. Er hütete sich davor, sie anzufassen und zog stattdessen ein Klappmesser hervor, mit dem er die Lasche aufschlitzte und dabei auch die Rose zerstörte. Als feiner, heller Staub rieselte sie zwischen seinen Beinen zu Boden.

Innerhalb des Kuverts steckte tatsächlich ein Brief, den er vorsichtig aufklappte. »Tödliche Grüße aus Twilight City, Melanie Hollister«, las er die letzten Worte zuerst vor. »Du hättest mir nicht folgen sollen. Nie. Ich habe zweimal die Chance verpasst, mir deine Seele zu holen, ein drittes Mal wirst du mir nicht entkommen. Niemand nimmt mir das weg, was ich am meisten begehre.«

Das war alles. Nichts weiter, keine Botschaft, kein weiterer Hinweis, der ihn an einen anderen Ort oder zu einer neuen Falle locken sollte. Warum auch? Melanie Hollister hielt alle Trümpfe in der Hand, und ohne fremde Hilfe würde es ihm nicht gelingen, noch einmal eine Spur zu ihm zu finden. Er konnte schließlich nicht ewig vor dem Haus des Diplomaten parken und darauf warten, dass er doch vielleicht irgendwann zurückkehrte oder Melanie Hollister ihren Zombie zu sich holte.

Im Nachhinein wurde ihm bewusst, dass er einen Fehler begangen hatte. Er hätte Mister X nicht so schnell töten und stattdessen vorher noch fragen sollen, wie genau er mit Barclay Hollister in Verbindung stand. Möglicherweise wüsste er so längst, wo der Ehemann der Eisprinzessin sich aufhielt.

Wie es auch war, er war nicht bereit, jetzt schon aufzugeben. Nicht er, und vor allem nicht in London, nach der langen Reise, die nicht erst in New York ihren Anfang genommen hatte. Er würde sich Hilfe holen, von einem Mann, der einen solchen Fall niemals ablehnen würde: John Sinclair.

Die einsame Frau fuhr sich mit beiden Händen durch das Gesicht. Sie genoss es, wie ihre glatten Finger über die kleinen Eiskristalle strichen, die eine zweite Schicht auf ihrer Haut bildeten. Durch den sanften Druck brachen sie ab und rieselten zu Boden, doch die immerwährende Kälte sorgte dafür, dass sich bald neue bildeten.

Der Kontakt war noch vorhanden. Dem Dämon war es nicht gelungen, den Boten zu vernichten, den sie für ihn hinterlassen hatte, dafür die kleine Kristallrose. Der Zweck ihrer Existenz war es lediglich gewesen, über sie zu erfahren, ob Rakk ihre Botschaft wirklich las. Nur die Zeit und das, was er als Nächstes tat, würde zeigen, ob er die Warnung verstand. Wenn nicht, würde sie hier auf ihn warten.

Einsam war sie, ja, aber nicht allein. Andere hielten sich ebenfalls in dem Raum auf, umgeben von dem magischen Eis. Viele von ihnen waren bereits ein Teil von ihr geworden, und bald würde ihr geliebter Mann hoffentlich auch verstehen, warum sie tun musste, was sie tat ...

»Okay, und wann wollen Sie kommen?«

»Ich stehe quasi schon vor dem Gebäude. Es geht mir nur darum, dass mich die Wachleute reinlassen. Sie werden mich doch nicht im Regen stehen lassen, oder?«

Nein, das würde ich nicht, weder sprichwörtlich noch im übertragenen Sinne. Deshalb tat ich Nathaniel Dekker den Gefallen und teilte den Kollegen am Eingang mit, dass sie den Detektiv hereinlassen und gegebenenfalls zu unserem Büro führen sollten. Ich traute dem als Menschen getarnten Dämon zwar trotz – oder eher gerade wegen – unserer inzwischen nicht seltenen Begegnungen nicht über den Weg, doch wenn er sich schon direkt an uns wandte, war garantiert etwas im Busch.

»Besuch?«, fragte Suko, der gerade den Teebeutel aus seiner Tasse zog und in den Müll warf. Im Gegensatz zu mir wirkte er wie immer hellwach, weshalb ich ihm auch wie so oft bei der Fahrt ins Büro das Steuer unseres Audis überlassen hatte.

Missmutig warf ich einen Blick aus dem Fenster und betrachtete das ausgemachte Schmuddelwetter, das sich auch auf meine Stimmung niederschlug. »Nathaniel Dekker«, sagte ich und seufzte.

»Ausgerechnet. Hat er gesagt, was er will?‹

»Nein, aber das werden wir sehr bald erfahren. Es kann sich nur noch um Minuten handeln. Wenn nicht weniger.«

»Also keine Zeit, sich bei Sir James oder auf der Toilette zu verstecken?«

Ich hob drohend den Zeigefinger. »Untersteh dich, mich mit diesem Typen allein zu lassen.«

Die letzten Tage waren wir glücklicherweise von allen Auswüchsen der Mächte der Finsternis verschont geblieben. Abgesehen davon, dass dieser Mister X seine Ankündigung nicht wahrgemacht und Logan Costellos Tagebuch stattdessen für sich behalten hatte, betrachteten wir den Fall um das Hotel zur Hölle als abgeschlossen. Von dämonischen Kräften geleitete Zeit- und Dimensionsreisen würden dort jedenfalls nicht mehr stattfinden, dafür hatte ich durch die Aktivierung meines Kreuzes gesorgt.* Allerdings war es nur eine Frage der Zeit, bis dieser Mister X Costellos Aufzeichnungen erneut zu seinen Zwecken ausnutzte. Noch einmal würde ich mich nicht von ihm ins Bockshorn jagen lassen.

Ob Abyss, der wahre Herrscher des Hotels, nun wirklich vernichtet war oder noch existierte, würde sich so schnell nicht herausfinden lassen. Wahrscheinlich mussten wir einfach abwarten, ob er noch einmal auftauchte, wie bei so vielen Gegnern zuvor. Jane Collins versuchte jedenfalls, im Archiv der Horror-Oma Lady Sarah Goldwyn mehr über den Dämon herauszufinden, bis jetzt jedoch vergeblich.

Ein weiteres Nachspiel, das den Namen Barclay Hollister trug, war schnell im Sande verlaufen. Mein Versuch, mehr über den Mann herauszufinden, hatten höhere Stellen abgeblockt. So wusste ich lediglich, dass er eine hohe Position in der US-amerikanischen Botschaft einnahm. So würde ich leider nicht mehr über seine Reise nach Twilight City und seine tote Frau Melanie herausfinden, die wohl – wie die mir bereits bekannten Cruciata und Rakk – aus dieser anderen Dimension stammten.

Twilight City ...

Jedes Mal, wenn es um diese geheimnisvolle Stadt ging, glitten meine Gedanken zurück zu den schrecklichen Momenten auf Glamis Castle, als Sheila Conolly von einem Schnabeldämon ermordet worden und Johnny dem Geschöpf in eine andere Welt gefolgt war.* Manchmal kam mir das alles wie ein böser Traum vor, vor allem, seit Sheila und Johnny zurückgekehrt waren.

Das Geräusch der sich öffnenden Tür zu den Räumlichkeiten unserer kleinen Abteilung riss mich aus meinen Erinnerungen. Glendas verwunderte Frage nach dem Grund des Besuchs des ihr unbekannten Mannes erinnerte mich daran, dass ich vergessen hatte, sie über die Ankunft des Detektivs zu informieren.

»Dekker?«, rief ich in den Flur hinein.

»Ja. Sie haben da eine sehr hübsche Sekretärin.«

»Kommen Sie einfach rein.«

Glenda führte den relativ unscheinbar wirkenden Mann mit seinem runden Gesicht und dem ewig gleichen Dreitagebart in unser Büro. Er trug sein übliches Outfit, einschließlich dem Hut, der ihn immer wie ein Relikt der Dreißigerjahre wirken ließ. Dass es sich bei ihm in Wahrheit um den aus Twilight City stammenden Echsendämon und Dienstleister Rakk handelte, sah man dem Kerl wirklich nicht an.

»Hübsch haben Sie es hier«, sagte er, während Glenda sich mit einem angesäuerten Gesichtsausdruck zurückzog. »Fast so schön wie ich, seit ich mich vergrößert habe.«

»Vergrößert?«

»Ich habe jetzt ein Büro im Empire State Building. Meine neue Partnerin hat es in meiner alten Kammer nicht ausgehalten, also habe ich mich gefügt. Aber ich bin nicht hier, um mich über Frauen zu unterhalten. Oder ... irgendwie doch.«

»Ihre neue Partnerin?«, fragte ich verwundert.

»Bella Tosh.«

Natürlich sagte mir der Name etwas, denn dank Johnny wusste ich, dass sie ihn beinahe in eine tödliche Falle gelockt hatte. Allerdings unter dem Einfluss der Schwarzen Göttin, deren Plan es gewesen war, über ein Dimensionstor in einer Höhle an der irischen Küste nach Aibon zu gelangen.* Was anschließend aus Johnnys alter Freundin aus Twilight City geworden war, war für uns ein Rätsel geblieben – bis jetzt.