John Sinclair 2295 - Rafael Marques - E-Book

John Sinclair 2295 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Südtirol, im Jahre 1502

"Die Hölle soll dich verschlingen, du verfluchter Verräter!"
Der Schwarze Engel bot einen schaurigen Anblick. Sein muskulöser, nackter Körper, auf dessen Brust sich mehrere verzerrte, menschliche Fratzen abzeichneten, bäumte sich immer wieder auf, ebenso wie seine Flügel, die er nicht mehrvollständig ausbreiten konnte.
Trotz all seiner Macht gelang es ihm nicht, die silbernen, handgeschmiedeten Ketten zu lösen, mit denen er an den Felsbrocken gefesselt war. Bannzeichen an den Wänden sorgten zudem dafür, dass er das Feuer, das nicht nur im übertragenen Sinne in seinem Inneren loderte, nicht einzusetzen vermochte ...


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Seitenzahl: 150

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Der Albtraum der Hölle

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Der Albtraum der Hölle

(Teil 2 von 2)

von Rafael Marques

Südtirol, im Jahre 1502

»Die Hölle soll dich verschlingen, du verfluchter Verräter!«

Der Schwarze Engel bot einen schaurigen Anblick. Sein muskulöser, nackter Körper, auf dessen Brust sich mehrere verzerrte, menschliche Fratzen abzeichneten, bäumte sich immer wieder auf, ebenso wie seine Flügel, die er nicht mehrvollständig ausbreiten konnte.

Trotz all seiner Macht gelang es ihm nicht, die silbernen, handgeschmiedeten Ketten zu lösen, mit denen er an den Felsbrocken gefesselt war. Bannzeichen an den Wänden sorgten zudem dafür, dass er das Feuer, das nicht nur im übertragenen Sinne in seinem Inneren loderte, nicht einzusetzen vermochte.

Er war von seiner Gestalt her ein Engel, ja, jedoch kein Himmelswesen, sondern ein Bewohner der Hölle. Ein Diener Luzifers, der vor Äonen mit ihm in die Verdammnis gestürzt und nun von einem anderen Schwarzblüter auserwählt worden war, als Lockvogel herzuhalten.

Der Mann, der mit verschränkten Armen vor dem sich windenden Geschöpf stand und es zufrieden betrachtete, war ebenfalls schon sehr alt, mehr als tausend Jahre bereits. Sein Name lautete Iovan Raduc!

»Du kannst mich verfluchen, wie du willst, Eolan«, erwiderte der Vampir ungerührt. »Ich werde dich nicht mehr befreien. Du hast noch nie zu Luzifers Lieblingen gehört, deshalb wird dich auch niemand vermissen, wenn sie kommen, um dir die Energie aus dem Körper zu saugen.«

»Das kannst du nicht machen.«

Raduc grinste. »Warum nicht? Es gibt eben keine Ehre unter Dämonen.«

»Was wird Astaroth dazu sagen?«

»Astaroth weiß von all dem nichts – und so soll es auch bleiben.«

Dass es seinem Plan vollkommen widersprochen hätte, den Erzdämon einzuweihen, dem er seine Existenz als Vampir verdankte, behielt er für sich. Er, Raduc, war ein Unsterblicher, und das nicht nur, weil er durch das Blut der Menschen niemals altern würde. Wurde er vernichtet, war er in der Lage, von den Toten zurückzukehren, wenn jemand sein Blut trank. Eine Fähigkeit, die ihn von allen anderen Vampiren abhob, von all den überheblichen Untoten, die meinten, sie wären die Krone der Schöpfung.

Und umso mehr von jenen Blutsäufern, die kaum mehr waren als Zombies und als solche im Dämonenreich fast noch weniger Ansehen genossen als Ghouls. Niemand von ihnen war tatsächlich unsterblich, nicht einmal Dracula war es gewesen. Nur er existierte weiter, wenn man ihm einen Pfahl ins Herz rammte oder ein geweihtes Kreuz ins Gesicht presste.

Damit das auch so blieb, musste er vorsorgen. Wenn er in seinem langen Leben eines gelernt hatte, dann, dass er niemals jemandem vertrauen durfte – schon gar keinem Dämon. Astaroth hatte ihm einige besondere Fähigkeiten geschenkt, folglich war er auch in der Lage, sie ihm wieder zu nehmen.

Sollte es jemals dazu kommen, war es nötig, Vorkehrungen zu treffen, und Eolans bevorstehender Tod war ein Teil davon. Er würde einige untote Wesen anlocken, die von einem unbekannten Parasiten befallen waren, der nach und nach all die Dämonen der Hölle und ihre Diener dahinzuraffen schien.

Eigentlich war Raduc von Astaroth damit beauftragt worden, nach einem Weg zu suchen, den Parasiten und seinem Überträger Einhalt zu gebieten, bevor ihnen weitere der mächtigsten Diener der Finsternis zum Opfer fielen. Einige seiner Helfer verfolgten bereits eine mysteriöse Spur zu einem einsamen Hof im Süden des Königreichs Polen, genauer gesagt in der Hohen Tatra. Bald würde er ihnen dorthin folgen, doch zunächst einmal galt es, seinen Plan zu vollenden.

Mit einem Tuch wischte er sich das Blut von den Händen, bevor es noch trocknen konnte. Es stammte von einem gottesfürchtigen Pfarrer, dem er in Gestalt eines vor langer Zeit von ihm übernommenen, jungen Mönchs vorgegaukelt hatte, den Höllenengel in dieser Höhle bannen zu wollen, um ihn für seine Untaten zu bestrafen. Tatsächlich hauste Eolan schon seit langer Zeit an diesem Ort und geißelte durch seine Gier nach Jungfrauen die gesamte Umgebung. Erst folterte er sie, dann nahm er ihre Seelen in sich auf, die sich als Schreckensfratzen auf seiner nackten Haut manifestierten. Insofern tat er der Welt sogar einen Gefallen, indem er der Schreckensherrschaft des dämonischen Engels ein Ende bereitete.

Mit einem geweihten Kreuz und anderen weißmagischen Utensilien war es dem Pfarrer gelungen, Eolan zu bannen, woraufhin er ihn mit den aus geweihtem Silber bestehenden Ketten fesselte.

Nur zu gut erinnerte sich Raduc an den Schrecken im Gesicht des Gottesmannes, als er seine Maske fallen gelassen, ihm sein Vampirgesicht präsentiert und einen Dolch in seine Brust gerammt hatte. Nun lag er tot vor ihm, und Raduc dachte gar nicht daran, sich die Mühe zu machen, den Leichnam zu verstecken. Die Parasiten würden sich sowieso nicht für einen menschlichen Toten interessieren.

Ein Schauer lief plötzlich durch seinen gesamten Körper. Seine Sinne reagierten ebenso wie die all der anderen Schwarzblüter sehr sensibel auf die Präsenz der Parasiten. Es war so etwas wie eine natürliche Furcht vor dieser furchtbaren Seuche, die vor keinem Dämon Halt machen würde und sich scheinbar durch nichts und niemanden stoppen ließ. Nun war er auch hierher unterwegs, und bevor es so weit war, musste er noch einige Vorkehrungen treffen.

Dazu gehörte unter anderem, die beiden Fässer zu öffnen, um das darin enthaltene Schwarzpulver zu verteilen und eine Spur zu legen, die bis in die schmale Schlucht führte, in der sich der Höhleneingang befand. Eine Fackel, um das Pulver anzuzünden, brannte in der Höhle. Mit ihr musste er einen schmalen Tunnel durchqueren, einen alten Fluchtweg, der möglicherweise von den Erbauern der künstlichen Höhle eingerichtet wurde.

Dass dieser Ort vor Jahrhunderten von einem längst vergessenen Kult als Heiligtum genutzt worden war, spielte für ihn keine Rolle. Er stand vor der Höhle, blickte hinauf zu dem von düsteren Wolkenbergen bedeckten Himmel und beobachtete die Blitze, die die Gewitterfront zum Leuchten brachte. Der plötzliche Wetterwechsel kam ihm wie ein Fanal dessen vor, was auf ihn zukam.

Die Boten des Unheils waren bereits unterwegs und schon sehr nahe. Das Geschöpf, das sie kontrollierte, sandte die Parasiten in alle Himmelsrichtungen aus, um Jagd auf Dämonen zu machen, wohl um sie schließlich restlos auszurotten.

Auch ihn würden sie töten, sollte er sie zu nahe kommen lassen. Ihn befallen, aussaugen und sich in seiner Hülle einnisten, um sich neue Opfer zu suchen. Insofern unterschieden sich die Parasiten kaum von ihm selbst. Was ihn weit mehr beschäftigte, war die Frage, ob er nach einer Infizierung noch in der Lage war, über sein Blut in einen neuen Körper zu schlüpfen, oder ob sein Geist wehrlos in dieser Hülle gefangen bleiben und dahinvegetieren würde. Er würde einen Teufel tun und es darauf ankommen lassen, deshalb würde er sich rechtzeitig zurückziehen, bevor ihn die Boten in die Finger bekamen.

Es dauerte nicht mehr lange, bis die beiden Gestalten in sein Blickfeld gerieten. Manchmal krochen sie den schmalen Steig hinauf, die letzten hundert Meter würden sie dagegen aufrecht zurücklegen. Es waren Zombies, ausgemergelte Untote mit knochigen Gesichtern, tief in den Höhlen liegenden Augen und zerfetzter Kleidung.

Wie sie letztendlich in diesen Zustand geraten waren, war eher zweitrangig, viel wichtiger war die schwarze, pulsierende, sogar Blasen werfende Substanz, die große Teile ihrer Körper bedeckte. So unförmig sie auch wirkte, handelte es sich doch um ein intelligentes Wesen, das seine Wirtskörper völlig kontrollierte und stets auf der Suche nach Dämonen war, um sich durch sie zu vermehren.

»Kommt schon«, flüsterte der Vampir, breitete demonstrativ die Arme aus und wich einige Schritte in die Höhle zurück.

Ob die Untoten ihn verstanden, blieb ihm ein Rätsel. War ein dämonisches Wesen von dem Parasiten befallen, war es nicht mehr in der Lage, mit seiner Umgebung zu kommunizieren. Allein das Geschöpf, das sie verbreitete, sollte sprechen können, allerdings war ihm das nur aus Gerüchten bekannt.

»Raduc!«, hörte er Eolans Stimme an den Felswänden entlanghallen. »Sie kommen, nicht wahr? Du hast sie hergelockt, damit sie mich töten. Wahrscheinlich stehst du sogar mit ihnen im Bunde.«

»Du verstehst überhaupt nichts«, murmelte er, mehr an sich selbst gerichtet.

Der Vampir erreichte den Hauptbereich der Höhle, in dem der Höllenengel immer noch vergeblich versuchte, die Silberketten zu lösen. Sie hatten sich bereits in seine nackte Haut gebrannt und schwarze Spuren hinterlassen, die zum Teil die Schreckensfratzen überlagerten.

Raducs Blick wanderte über die insgesamt sieben künstlichen, etwa in Kopfhöhe angebrachten Nischen. In sechs von ihnen befanden sich noch Reste verfallener Statuen, in der siebten sein Fluchttunnel. Vor ihm loderte auch die Fackel am Boden.

»Dafür wirst du in alle Ewigkeit in der Hölle brennen«, zischte Eolan. »Noch hast du die Chance, deinen Frevel rückgängig zu machen.«

»Dann hätte ich mir die ganze Mühe ja völlig umsonst gemacht.«

Eolan riss seine Augen noch weiter auf. »Verräter! Luzifer soll dich holen!«

»Ja, ja ...«

Das Gezeter des Höllenengels verstummte, als die ersten Schrittechos durch die Höhle hallten. Erst jetzt schien Eolan wirklich zu akzeptieren, dass seine Äonen andauernde Existenz an diesem Ort ihr Ende finden würde, und dieser Gedanke spiegelte sich auch in seinem von Angst gezeichnetem Gesicht wider.

Selbst Iovan Raduc fürchtete sich vor dem, was da kam, wenngleich er wusste, dass er die Höhle lebend verlassen würde – zumindest, wenn alles so lief, wie er es geplant hatte.

Eigentlich hätte er längst in den Tunnel kriechen und Eolan zurücklassen sollen, doch er wollte unbedingt wissen, ob der Dämonenengel auch wirklich von dem Parasiten befallen wurde. Sollte es ihm wider Erwarten gelingen, sich zuvor zu befreien, wäre mehr als nur sein Plan gescheitert. Wenn Astaroth davon erfuhr, würde er tatsächlich für alle Ewigkeit im Fegefeuer brennen.

Die Atmosphäre verdichtete sich noch einmal, als die Untoten am Eingang der alten Kultstätte erschienen. Ihre Gesichter zeigten natürlich keine Emotionen, die Parasiten hingegen reagierten auf die Nähe der dämonischen Wesen, indem sie noch stärker zuckten und kleine Schlangenarme aus der Masse hervorkrochen, die wie wild in die Luft griffen.

Eolan stieß schrille Schreie aus, die schon an seine himmlischen Pendants erinnerten. Er war einfach zu schwach, um die Ketten zu sprengen, und so war er nicht in der Lage, sich von der Stelle zu bewegen, während sich ihm das Unheil näherte.

Zumindest einer der Untoten hatte den Höllenengel fast erreicht, als der zweite Ankömmling auf der Stelle verharrte, sich zur Seite drehte und langsam auf Raduc zugelaufen kam. Noch hielt er seine Position und fixierte Eolan, nach dem nun ein Dutzend Fangarme griffen, seinen Körper umschlangen und sich dabei von dem ursprünglichen Parasiten lösten. Die Schreie des Höllenengels waren schier ohrenbetäubend, erstarben jedoch schlagartig, als die schwarze Masse in seinen Mund drang.

Raduc lächelte zufrieden. Hastig hob er die Fackel an und begann, in das Loch zu kriechen, bevor ihn der Untote erreichen konnte.

Er war bereits mit den Gedanken dabei, das Schwarzpulver zu entzünden, als ein leises Schmatzen an seine Ohren drang. Es klang, als würde sich ein Ghoul durch den schmalen Schacht bewegen, doch er ahnte bereits, dass es sich um den Parasiten handelte, der sich von seinem Wirtskörper gelöst haben musste und ihn nun verfolgte.

So schnell es ihm möglich war, kroch er weiter vor und begann bald, sich immer weiter in die Höhe zu schieben. Mit der Zeit verklangen die Schmatzgeräusche, bis sie schließlich ganz verstummten. Anscheinend war der Parasit zu seinem Wirtskörper zurückgekehrt.

Trotzdem war er erst beruhigt, als er das Ende des Schachts erreichte und einen großen Steinbrocken auf die Öffnung schob. Jetzt würde ihn nichts mehr davon abhalten, den Zugang zur Höhle zu sprengen und die Parasiten so bis zu dem Zeitpunkt zu konservieren, an dem sie für ihn nützlich wurden.

Sein nächster Weg würde ihn ins Königreich Polen führen, wo er dem Geschöpf, das die Hölle in seinen Grundfesten erschüttern konnte, endlich Einhalt gebieten wollte ...

Eher widerwillig galoppierten die neun Pferde durch den düsteren, von Nebelschwaden durchzogenen Wald. Die Tiere spürten mit ihren sensiblen Sinnen, dass in ihrer Nähe eine Gefahr lauerte, etwas Böses, vor dem sich sogar ihre Reiter fürchteten, was schon etwas heißen wollte. Sie waren Dämonen, obwohl sie sich als Menschen zeigten und auch deren Kleidung trugen. Jene, die von ihnen wussten, nannten sie Kreaturen der Finsternis.

Vor der Zeit der Menschen waren sie gemeinsam mit ihrem Meister Luzifer, dessen Leibgarde sie stellten, und all den dunklen Engeln in die Verdammnis gestürzt und hatten dort die Hölle entstehen lassen. Inzwischen wandelten die meisten von ihnen auf der Erde, wo sie in ihrer Zweitgestalt nicht als Schwarzblüter zu erkennen waren und oft wichtige Personen im Adel, Militär oder der Geistlichkeit besetzten. So waren sie in der Lage, in diesen düsteren Zeiten das Zeichen Luzifers auf die Schlachtfelder der Menschen zu brennen und ihm immer neue Diener zuzuführen.

Wesen wie sie mussten sich nur vor wenigen Menschen fürchten. Mancher war wirklich in der Lage, es mit weißmagischen Waffen mit ihnen aufzunehmen, insbesondere die legendären Söhne des Lichts, die als Schreckgespenster durch die Geschichte geisterten. Daneben mussten sie sich auch vor den himmlischen Engeln in Acht nehmen, die sich jedoch nur selten zeigten.

In den letzten Monaten war noch ein anderes Geschöpf hinzugekommen, das sogar in der Lage war, die Kreaturen der Finsternis und alle anderen Dämonen vom Antlitz der Erde zu tilgen. Deshalb hatte Luzifer persönlich gemeinsam mit den Erzdämonen eine besondere Gruppe aus ihren Reihen – die sogenannten Ausputzer der Hölle –gesandt, um die Herkunft dieses Geschöpfs zu klären und einen Weg zu finden, es zu vernichten.

Nie zuvor waren sie diesem Ziel derart nahe gewesen. Einem Spähtrupp war es gelungen, eine Höhle zu lokalisieren, in die sich der Höllenfeind und Dämonenvernichter, wie man dieses namenlose Wesen auch nannte, mehrfach zurückgezogen haben sollte. Womöglich befand sich darin ein Dimensionstor, das in die Welt dieses Geschöpfs führte, denn ihr Meister war der Meinung, dass es nicht aus dieser Welt stammen konnte.

Einer der neun schwer bewaffneten Reiter stach aus der Masse heraus, denn bei ihm handelte es sich nicht um eine Kreatur der Finsternis, sondern lediglich um einen sehr alten Vampir.

Iovan Raduc war die Führung der Operation übertragen worden, ein Umstand, der nicht jedem der Dämonen gefiel, mit dem sie sich jedoch abfinden mussten. Der Blutsauger verfügte nun einmal über hohe Intelligenz, Gerissenheit und Kampfgeschick, sodass er sich Astaroths absolutes Vertrauen erarbeitet hatte.

»Es ist nicht mehr weit«, erklärte Valentine, eine der Kreaturen der Finsternis. Er trug ein langes, schwarzes Cape, darunter ein Kettenhemd, das bei jeder Bewegung seines Reittiers klirrte.

Im Gegensatz zu seinen Artgenossen fiel es ihm schwer, eine menschliche Gestalt anzunehmen, mit der er nicht sonderlich auffiel. Seine Größe von fast über zwei Metern, der schlanke Körper und die etwas zu langen Arme zwangen ihn dazu, meist als Einzelgänger durch die Welt zu ziehen, wenn er nicht mit den Ausputzern unterwegs war.

Andererseits verfügte er über enorme Kampfkraft und Selbstsicherheit, zudem konnte kaum ein anderer so gut mit dem Schwert umgehen wie er. Hinzu kam seine respekteinflößende Urgestalt, die eines massigen, schwarzen Drachen.

Raduc erwiderte nichts. Er konzentrierte sich auf seine Umgebung, zum einen auf die moosbewachsenen, spitzen Felsen, die überall aus dem feuchten Untergrund ragten und den Pferden gefährlich werden konnten. Zum anderen war da noch die Anspannung, auf weitere von den Parasiten befallene Untote zu treffen.

Über Farne, Gras und hohe Wurzeln galoppierten die Pferde hinweg, bis die Reiter deutlich das Tempo drosselten. Sie befanden sich in einem fast menschenleeren Gebiet tief in der Hohen Tatra, wo noch Bären und Wölfe hausten. Das nächste Dorf war eine halbe Tagesreise entfernt, nur einige einsame Höfe lagen noch verstreut in der Landschaft.

Ihr Ziel befand sich dort, wo das Gelände eine tiefe Mulde zwischen zwei Berghängen bildete. Ein Felsmassiv wuchs im Schutze des Nebels hervor, und genau da, umringt von den Wurzeln alter Fichten, befand sich auch die Höhle, in der der neue Erzfeind der Hölle sein Versteck haben sollte.

»Manon, Goran, Deconor – sichert die Umgebung«, wies Raduc drei der Kreaturen der Finsternis an. Er wollte nichts dem Zufall überlassen, wenn er schon eine ganze Truppe von Dämonen befehligte. Die Opfer des Parasiten konnten schließlich überall lauern.

Während sich die drei Angesprochenen von ihren Pferden schwangen und ausschwärmten, stieg auch der Vampir aus dem Sattel. Anders als die Kreaturen der Finsternis trug er keine Schuss- oder Stichwaffe dabei, sondern verließ sich ganz auf eine lederne Umhängetasche voller handtellergroßer Glaskugeln, die mit Höllenfeuer gefüllt waren. Auch sie würden die Parasiten nicht vernichten können, wohl aber ihre Wirtskörper, ohne die sie nicht lange überlebten. Zumindest, wenn sie nicht schnell ein neues Opfer fanden.

Dass hier etwas lauerte, spürte der Blutsauger mit jeder Faser seines Körpers. Die magischen Schwingungen der Kreatur und seines Parasiten waren unverkennbar, doch selbst als er sich dem dunklen Schlund innerhalb des Felsmassivs näherte, tat sich nichts.

Wieder trat Valentine neben ihn. Er hatte inzwischen eine magische Fackel entzündet, die Raduc eigentlich nicht benötigte, da er als Vampir auch in der Dunkelheit sah wie bei Tageslicht.

Der Zugang rückte immer näher, und jetzt erkannte er, dass dieser schon nach wenigen Metern von einer wabernden, bräunlichen Masse versperrt wurde. Wie ein kleiner, verdreckter See, nur dass er aller Gravitation zum Trotze vertikal in die Höhe ragte. Entweder es handelte sich um eine magische Grenze oder wirklich um ein Dimensionstor, wobei sich dann die Frage stellte, welche Dimension das sein sollte. Es gab unzählige schwarz- wie weißmagische Welten, manche sogar völlig isoliert von allen anderen.

»Was wirst du tun, Vampir?«, fragte ihn Valentine, dem er ganz besonders ein Dorn im Auge war.

»Das wirst du schon sehen.«

Er zog eine der durchsichtigen Glaskugeln aus seiner Tasche hervor, in denen das Feuer der Hölle tobte. Ein Wurf würde genügen, um herauszufinden, ob es sich um eine Sperre oder um einen Durchgang handelte. Wie es auch war, es wunderte ihn schon, dass dieser Ort überhaupt nicht bewacht wurde. Rechnete das Geschöpf etwa nicht damit, bis hierher verfolgt zu werden?

Ansatzlos warf er die Glaskugel auf die Masse zu. Kurz bevor sie die Oberfläche erreichte, erschien innerhalb des magischen Vorhangs eine schwarze, von grellen Blitzen umflirrte Kugel von etwa zwei Metern Breite, deren Ausstrahlung dafür sorgte, dass die Flüssigkeit durchsichtig wurde und so den Blick auf eine felsige, zerklüftete Landschaft freigab.