John Sinclair 2327 - Rafael Marques - E-Book

John Sinclair 2327 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

"Douglas, verflucht, hast du mal auf die Uhr geguckt? Es ist drei Uhr morgens. Ich hoffe für dich, dass du einen verdammt guten Grund hast, Mary und mich aus dem Schlaf zu reißen."
William O’Rourke, von allen nur Will genannt, gähnte lauthals, während sich seine Frau müde zur Seite wälzte. Es wäre auch zu schön gewesen - ein freier Tag, wenig Gäste in der Pension und am Ende noch gemütlich ausschlafen. Anscheinend war man als Polizist dazu verflucht, niemals seine Ruhe zu finden. Oder er sollte sich zukünftig gründlich überlegen, wem er seine private Telefonnummer gab.
"Ich würde dich bestimmt nicht wecken, wenn es nicht wichtig wäre."
Will seufzte. "Also, Douglas, was gibt es?"
"Da, wo früher das Murdock-Haus stand, geht etwas vor sich. Ich habe es nur aus der Entfernung gesehen, aber da geistern einige grüne Lichter über die Wiese."
Das Murdock-Haus! Plötzlich war der Sergeant hellwach ...

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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Kampf um das Druidenreich

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Kampf um das Druidenreich

(Teil 2 von 2)

von Rafael Marques

»Douglas, verflucht, hast du mal auf die Uhr geguckt? Es ist drei Uhr morgens. Ich hoffe für dich, dass du einen verdammt guten Grund hast, Mary und mich aus dem Schlaf zu reißen.«

William O'Rourke, von allen nur Will genannt, gähnte lauthals, während sich seine Frau müde zur Seite wälzte. Es wäre auch zu schön gewesen – ein freier Tag, wenige Gäste in der Pension und am Ende noch gemütlich ausschlafen. Anscheinend war er als Polizist dazu verflucht, niemals seine Ruhe zu finden. Oder er sollte sich zukünftig gründlich überlegen, wem er seine private Telefonnummer gab.

»Ich würde dich bestimmt nicht wecken, wenn es nicht wichtig wäre.«

Will seufzte. »Also, Douglas, was gibt es?«

»Da, wo früher das Murdock-Haus stand, geht etwas vor sich. Ich habe es nur aus der Entfernung gesehen, aber da geistern einige grüne Lichter über die Wiese.«

Das Murdock-Haus! Plötzlich war der Sergeant hellwach ...

»Warte kurz«, flüsterte er ins Telefon. »Ich rufe auf meinem Handy zurück.«

»Alles klar.«

Mit einem Kuss verabschiedete er sich von seiner Frau, die etwas Unverständliches murmelte und versuchte, wieder Schlaf zu finden. Er gönnte es ihr, denn für ihn selbst war die Nacht vorbei. Zu sehr ließ die Information des befreundeten Landwirts sein Herz schneller schlagen.

Will zog seine Klamotten vom Stuhl, ebenso seine Dienstwaffe, bevor er so leise wie möglich das Schlafzimmer verließ. Selbst als er mit dem Knie gegen den Türrahmen stieß, versuchte er, so gut es ging, einen Schrei zu unterdrücken. Mehr humpelnd als laufend bewegte er sich durch den langen Flur, schaltete die Wohnzimmerlampe ein und ließ sich auf die Couch fallen. Sein Handy lag neben der Obstschale, und als er es aktivierte, sah er, dass ihm Douglas zuvor schon auf die Mailbox gesprochen hatte.

»Ich dachte, das wäre vorbei«, murmelte er, als er begann, die Nummer des Landwirts in den Kontakten zu suchen.

Douglas Feargal hatte vor einigen Jahren Probleme mit jugendlichen Einbrechern gehabt und sich an ihrer Verhaftung sehr dankbar gezeigt. So sehr, dass sich daraus sogar eine Freundschaft entwickelt hatte.

Wills Gedanken galten weniger ihm, sondern vielmehr den schrecklichen Erinnerungen, die er mit dem inzwischen zerstörten Haus der Familie Murdock verband. Die Mutter, der Onkel und ein Sohn waren einem mysteriösen Serienmörder zum Opfer gefallen, von dem er zunächst angenommen hatte, es wäre ein Nachahmer eines gewissen Bill Natigan gewesen, der sogenannten Bestie von Londonderry.

Dank John Sinclair, einem Oberinspektor von Scotland Yard, sowie seinem pensionierten Ex-Partner Liam Burke waren sie später einem Zwerg aus einer anderen Welt auf die Spur gekommen, dem es sogar gelungen war, sich in eine Art Engel zu verwandeln.*

Dass es John Sinclair gelang, dieses Geschöpf zu vernichten, das es eigentlich gar nicht geben durfte, war allerdings nur scheinbar das Ende dieses Falls gewesen. Einige Wochen später hatte sich Simone Murdock, eine weitere Tochter der Familie, in eine Werwölfin verwandelt und offenbar ihren Vater getötet. Sie lebte noch, laut John jedoch nicht mehr auf der Erde, sondern in einer anderen Welt namens Aibon. Dorthin war sie – wie auch ihr Bruder Tim – von einer seltsamen Gestalt namens Roter Ryan gebracht worden.

Ihr Haus war durch ein magisches Feuer zerstört worden, woraufhin lebende Leichen aus der Erde gestiegen waren und das für das Feuer verantwortliche Geschöpf, einen Vampir, in ihre Gräber gezogen hatten. Weitere Menschen hatten davor bereits ihr Leben verloren, unter anderem auch Liam Burke und seine Frau, an deren Tod er selbst beteiligt gewesen war.**

Damals waren Dinge geschehen, die sein Weltbild ins Wanken gebracht hatten. Mittlerweile sah er viele Dinge mit anderen Augen, das Leben und den Tod, das Diesseits und auch das Jenseits. Trotzdem musste alles seinen gewohnten Gang gehen, die weltlichen Verbrecher schliefen schließlich nicht, nur fiel es ihm unheimlich schwer, sich in dieser Welt wieder zurechtzufinden.

Ihm war bewusst gewesen, dass die Untoten weiterhin existierten und er womöglich irgendwann wieder mit ihnen konfrontiert werden würde. Immerhin hatte er John versprochen, immer mal wieder nachzusehen, ob auf dem alten Druidenfriedhof alles in Ordnung war. Dazu war er von dem Yard-Beamten mit einem Magazin Silberkugeln ausgestattet worden, das er seitdem entweder in der Hose oder der Jacke mit sich führte. Das war eben seine Art, mit dem Wissen um die Mächte der Finsternis umzugehen.

»Ich bin es, Douglas«, meldete er sich, nachdem er die Nummer seines Freundes gewählt hatte. »Wann und wo hast du die Lichter gesehen?«

»Jetzt gerade. Ich sitze auf meinem Traktor und beobachte das Gelände über mein Fernglas. Wenn du mich fragst, ist das kein grünes Licht, sondern Feuer. Ich frage mich nur, was da brennen sollte, schließlich hat es heute Mittag ganz schön geregnet.«

Will dachte gar nicht daran, ihm zu erklären, dass es auch so etwas wie magisches Feuer gab. Es war schon schwer genug gewesen, seine Frau davon zu überzeugen, von seinen Kollegen und Vorgesetzten ganz zu schweigen. Dabei war er glücklicherweise von Johns Superintendent in London, einem gewissen Sir James Powell, tatkräftig unterstützt worden.

»Wie lange beobachtest du die Lichter schon?«

»Ungefähr eine Viertelstunde. Ich wusste ja, dass du damals an der Sache gearbeitet hast und auch dein Freund Liam dabei umgekommen ist, deshalb habe ich sofort angerufen.«

»Das war auch absolut richtig so, Douglas. Vielen Dank. Hast du noch etwas gesehen?«

»Nein, aber ich könnte es mir ja mal aus der Nähe ...«

»Auf keinen Fall!«, fiel Will ihm ins Wort, etwas lauter als gewollt. »Entschuldige, es war nicht so gemeint. Ich möchte nur nicht, dass du dich in Gefahr begibst. Es wäre wohl das Beste, wenn du dich so weit wie möglich von dem Grundstück der Murdocks fernhältst. Ich kann nicht zu sehr ins Detail gehen, aber was immer dort vor sich geht, es könnte lebensgefährlich sein.«

»Okay, dann halte ich mich lieber zurück. Was willst du tun?«

»Einen Bekannten anrufen. Ich melde mich später noch mal bei dir.«

Will verabschiedete sich von dem Landwirt und beendete das Gespräch. John Sinclairs Visitenkarte steckte in einem speziellen Fach in seinem Portemonnaie, sodass sie für ihm immer schnell zu finden war. Zwar war ihm der Beamte aus London ziemlich sympathisch gewesen, trotzdem hatte er gehofft, ihn nie wieder anrufen zu müssen. In diesem Fall hätte ihn nämlich die andere Seite für alle Zeiten in Ruhe gelassen.

Die Handynummer war schnell gewählt, nur zeigte sich nun, dass John auf diese Weise nicht zu erreichen war. Es sprang nicht einmal die Mailbox an, die Verbindung war einfach tot. Anschließend probierte er es über den Festnetzanschluss seines Büros, obwohl um diese Uhrzeit dort sicher auch niemand anwesend sein würde. Nach dem siebten Klingeln wollte er schon auflegen, als sich doch noch eine raue Männerstimme meldete.

»Powell, Scotland Yard.«

»Sir James Powell?«, fragte Will, da er nie persönlich mit dem Superintendent gesprochen hatte.

»Ja, genau. Darf ich fragen, mit wem ich spreche?«

»Sergeant William O'Rourke aus Moneyneany.«

Für einen Moment herrschte betretene Stille, bis sich Johns Vorgesetzter wieder meldete. »Ja, natürlich«, sagte er, wobei er ein leises Gähnen nicht unterdrücken konnte. »Entschuldigen Sie, dass ich mich nicht sofort an Ihren Namen erinnert habe, aber ich habe gerade geschlafen. Auf Grund der aktuellen Situation wird jeder Anrufer um diese Uhrzeit irgendwann automatisch auf meinen privaten Anschluss weitergeleitet.«

»Schon gut, ich bin ja auch etwas verschlafen.«

»Also, Sergeant, wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«

Will berichtete dem Superintendent von den Beobachtungen seines Freundes Douglas Feargal und hoffte zugleich, er würde seine Aussagen auch sofort in den größeren Zusammenhang einordnen können. Schließlich fragte er noch, wie John Sinclair aktuell zu erreichen wäre.

»Überhaupt nicht, und das ist ein großes Problem«, erklärte Powell. »Sein Partner Suko und er sollten in Glasgow in einem rätselhaften Fall ermitteln, haben sich jedoch seit Stunden nicht gemeldet und sind für mich ebenfalls nicht erreichbar. Ich habe schon mit den örtlichen Kollegen telefoniert, die mir versprochen haben, nach Ihnen zu suchen.«

»Ihnen ist doch hoffentlich nichts passiert.«

»Ich hoffe nicht. Also, bevor Sie fragen, ich kann Ihnen leider keine Unterstützung schicken – außer mich selbst. Ich werde sofort einen Flug nach Belfast organisieren und mich so schnell es geht auf den Weg zu Ihnen machen. Bis ich bei Ihnen bin, rate ich Ihnen dringend, sich zurückzuhalten. Gehen Sie auf keinen Fall irgendwelche unnötigen Risiken ein.«

»Gut, das werde ich nicht.«

»Dann melde ich mich später noch einmal bei Ihnen.«

Will ließ das Handy sinken und atmete tief durch. Eigentlich war er ganz froh darüber, von dem Superintendent aus der Verantwortung genommen worden zu sein. Da musste er nur an seinen Freund Liam Burke und dessen Ex-Frau Nelly denken, die diesem gefährlichen Kreislauf bereits zum Opfer gefallen waren. Genauso gut hätte er auch an ihrer Stelle sterben können.

Als sich sein Handy erneut meldete, zuckte er wie unter einem Blitzschlag zusammen. Schnell sah er, dass es Douglas war, der erneut anrief. Hoffentlich war er nicht auf die Idee gekommen, die Lichter doch aus der Nähe zu inspizieren.

»Douglas, was ...«, meldete er sich, bevor er von den Schreien unterbrochen wurde.

»Hilfe!«, schrie Douglas verzweifelt. »Sie holen mich! Sie wollen mich töten!«

»Wer will dich töten?«

»Die Wurzeln, der alte Mann. Ein Pater, dachte ich. Die Wurzeln, sie sind überall, sie ...«

Ein gurgelnder Laut erklang, dann brach die Verbindung ab. Will zitterte am ganzen Leib, als er das Handy sinken ließ und fassungslos auf das Display starrte. Douglas war angegriffen worden, von einem Pater, was an sich schon schwer zu glauben war. Aber lebende Wurzeln?

Sein Herz pumpte wie wild, als er an die Warnung des Superintendent dachte. Powell hatte sie sicher nicht umsonst ausgesprochen, andererseits konnte er einen Freund auch nicht einfach seinem Schicksal überlassen. Deshalb entschied er sich dazu, die Worte von Johns Vorgesetzten zu ignorieren und noch einmal hinauszufahren.

Als Polizist war Will es eigentlich gewohnt, sich zusammenzureißen und persönliche Gefühle in den Hintergrund zu schieben. Auf der Fahrt von seinem Haus, das direkt an die von seiner Frau betriebene Pension grenzte, gelang ihm das noch recht gut. Als er jedoch den in der Nacht besonders düsteren Derrynoyd Forest passierte, wurde er erneut von den schrecklichen Erinnerungen übermannt.

Er sah sich selbst am Rand der Lichtung stehen, die eine uralte Eiche umgab, welche durch ein Feuer in Brand geraten war. Noch einmal erlebte er, wie der Zwerg sich in ein Engelwesen mit schwarzen Haaren verwandelte und den jungen Tim Murdock mit Haut und Haar verschlang.

Fluchend fuhr er sich über das Gesicht. Diese Bilder würde er wohl nie wieder loswerden, obwohl zumindest dabei niemand zu Tode gekommen war. Allerdings war das Übernatürliche für ihn bis zu diesem Zeitpunkt nur ein abstraktes Gebilde gewesen, dass er nur aus John Sinclairs mysteriösen Andeutungen gekannt hatte. Seitdem wusste er, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gab, als die Wissenschaft einem erklären konnte.

Douglas' Grundstück und die von ihm bewirtschafteten Felder lagen auf der anderen Seite der Straße, über das auch das Haus der Murdocks zu erreichen gewesen war. Insofern war es für den Landwirt sicher stets gut einsehbar gewesen, was ihm wohl auch zum Verhängnis geworden war. Zwar hoffte Will inständig, dass er noch lebte, doch sein Bauchgefühl sagte ihm etwas anderes.

Das Gelände war zwar flach, aber nicht offen. Immer wieder wurden die weiten Felder von kleinen Waldstücken oder bepflanzten Grünstreifen durchschnitten, die häufig als Abgrenzung von Grundstücken dienen sollten. Daher war der Bereich, an dem das Haus der Murdocks gestanden hatte, auch nicht direkt von der Straße aus einsehbar. Dennoch glaubte er, in der Entfernung bereits so etwas wie einen grünen Schein auszumachen.

Zunächst galt sein Interesse jedoch Douglas Feargal. Auf den Getreide- und Gemüsefeldern in der Umgebung war um diese Uhrzeit natürlich relativ wenig los, sodass ihm die Scheinwerfer des mitten zwischen den Ähren parkenden Traktors sofort auffielen. Will ließ seinen Wagen am Straßenrand ausrollen und hörte nun auch das ferne Rattern des Motors.

Bevor er ausstieg, zog er seine Waffe, nahm das normale Magazin heraus und führte das mit den Silberkugeln ein. Dabei dachte er an Mary, der er nichts von seinem nächtlichen Ausflug gesagt hatte. Er hoffte inständig, dass er nicht zu viel riskierte und seine Frau irgendwann wieder in die Arme schließen würde.

Noch einmal atmete er tief durch, nahm eine Taschenlampe aus dem Handschuhfach und stieg aus. Die Nachtluft fühlte sich kalt und feucht an, ein Resultat der Regenfälle der vergangenen Tage. An den im Wind wippenden Ähren glitzerte etwas Raureif, und hin und wieder glaubte er, dass es noch immer etwas aus den Wolken tröpfelte. Wahrscheinlich war das auch der Grund dafür, dass der Sonnenuntergang weiter auf sich warten ließ.

Ein Weg zwischen den Ähren war weit und breit nicht zu sehen. Allerdings wusste er ungefähr, in welche Richtung er gehen musste, außerdem brauchte er nur den Geräuschen des laufenden Motors zu folgen. Deshalb entschied er sich auch dafür, den direkten Weg durch das mannshoch wachsende Getreide zu suchen.

Es war gar nicht so leicht, sich immer wieder durch die feuchten Halme zu drücken. Schon bald drang die Nässe durch die Jacke und die Hose, was ihm herzlich egal war. Zumindest war er hier vor dem kalten Wind geschützt, und zur Not lagen in seinem Wagen noch Ersatzklamotten.

Das Rattern des Motors wurde immer lauter, und mit dem Gefühl, bald sein Ziel erreicht zu haben, stieg auch seine innere Anspannung. Mittlerweise suchte er bereits den Boden nach irgendwelchen Wurzeln ab, die nicht hierher gehörten. Glücklicherweise war er dabei bisher erfolglos geblieben.

»Douglas?«, versuchte er, den Motor zu übertönen. Zwar gelang ihm das, doch der Landwirt antwortete nicht.

»Wenn du mich hören kannst, sag etwas.«

Wieder erhielt er keine Antwort, was seine Ahnung nur bestätigte, dass er zu spät kommen würde. Dennoch dachte er nicht daran, jetzt noch einen Rückzieher zu machen. Er musste einfach wissen, was mit dem Landwirt geschehen war.

Endlich gelang es ihm, den Traktor zu erreichen. In der Dunkelheit wirkte es wie ein urwüchsiges Ungetüm, mit seinen gewaltigen Rädern, der feuerroten Lackierung und den grellen Scheinwerfern vor und über dem Führerhaus. Die Frontscheibe war zum Teil eingeschlagen, wobei sich in dem Glas unzählige Risse wie ein Spinnennetz ausbreiteten.

»Douglas«, flüsterte er.

Seine Finger krampften sich noch stärker um den Griff seiner Pistole, als er auf die kurze Treppe stieg und die Tür zum Führerhaus öffnete. Etwas kippte ihm entgegen, wodurch er so stark erschrak, dass er den Halt verlor und zu Boden stürzte.

Das, was da aus dem Führerhaus hing, sah aus wie eine Puppe. Leider blieb das nur ein Wunschtraum, denn in Wahrheit war es Douglas Feargal, um dessen bleichen Hals sich eine Wurzel gewickelt hatte und in dessen Mund ein dicker Ast steckte ...

»Mein Gott«, presste Will hervor.

Für einen kurzen Moment wünschte er sich, einfach liegen bleiben und die Augen schließen zu können. Das war jedoch nicht möglich, schon allein, weil er fürchten musste, dass sich der Mörder seines Freundes noch in der Nähe aufhielt.

Deshalb richtete er sich wieder auf und sah sich den Toten trotz aller Abscheu genauer an. Douglas' Leiche bot einen fürchterlichen Anblick, zumal sein Kopf sich in einer unnatürlichen Haltung befand. Anscheinend war ihm erst die Luft abgeschnürt und anschließend das Genick gebrochen worden. Ein fürchterlicher Tod, den niemand verdiente, schon gar kein 79-Jähriger, der sich allein um die Farm seiner Familie kümmerte.

Die Wurzeln hingen schlaff herunter, und als er an der Schulter des Toten zog, sah er, dass sich auch um seinen linken Fuß ein Pflanzenstrang gewickelt hatte. Dieser war jedoch verdorrt, sodass er schon nach geringem Druck abriss. Will fluchte, als ihm der Tote entgegenstürzte und er ihn neben dem Traktor zu Boden gleiten lassen musste.

Obwohl es eigentlich den Vorschriften widersprach, den Tatort und eine Leiche zu verändern, zog er Douglas den Ast aus seinem Mund und schloss ihm die Augen. »Tut mir leid, mein Freund«, flüsterte er, bevor er sich wieder aufrichtete.

Spätestens jetzt wusste er, dass die bösen Kräfte zurückgekehrt waren und nach dem Druidenfriedhof griffen. Er hatte ja gesehen, wie dieser Vampir in seiner Ritterrüstung von den Untoten in die Erde gezogen worden war.

Laut John Sinclair sollte es sich bei ihm um eine besonders gefährliche Gestalt handeln, die ihm in der Vergangenheit schon einige Probleme bereitet hatte. Seine Hoffnung war es gewesen, dass der Blutsauger, ein gewisser Rog, für möglichst lange Zeit dort gefangen bleiben würde. Offenbar versuchte er nun, sich zu befreien. Oder ...?

Will wollte es genau wissen, deshalb begann er, das Führerhaus zu besteigen. Dass hier gerade jemand gestorben war, noch dazu ein Freund, ließ ihn erschaudern, andererseits sah er im Moment keine andere Möglichkeit.

Zunächst stellte er den Motor ab, dann blickte er in die Ferne. Schräg links von seiner Position aus gesehen führte ein Feldweg in Richtung des Murdock-Hauses, und genau dort entdeckte er auch die grünen Lichter. Douglas hatte mit seiner Vermutung richtig gelegen, denn der Schein flackerte derart, dass es sich dabei eigentlich nur um Feuer handeln konnte. Künstliche Flammen, denn der Untergrund war tatsächlich so feucht, dass hier unmöglich etwas von selbst in Brand geriet.