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Um sich ihr Medizinstudium zu finanzieren, jobbte Elfie Brogdalen als Fahrerin eines Limousinen-Services. Ihr jüngster Auftrag führte sie von der Hauptstadt Oslo bis zu dem ganz im Westen des Landes gelegenen Örtchen Bremnes. Ihr Fahrgast war eine hochgewachsene, attraktive Südafrikanerin. Brooke Jansen sprach während der mehrstündigen Fahrt kein einziges Wort, doch jedes Mal, wenn der Wagen in das volle Licht des Mondes geriet, lehnte sie sich gegen das Fenster und streckte sehnsuchtsvoll eine Hand in Richtung des Erdtrabanten.
Während Elfie den Wagen durch den Bømlafjord-Tunnel lenkte, begann ihr Fahrgast, schmerzerfüllt zu stöhnen, sich von einer Seite zur anderen zu winden und sich die Kleider vom Leib zu reißen. Als der Tunnel endlich endete und Elfie den Wagen wieder ins Licht des vollen Mondes lenkte, nahm sie den dünnen schwarzen Flaum wahr, der sich wie eine zweite Haut auf die Gestalt der Südafrikanerin gelegt hatte. Nein, das war kein Flaum - das war Fell!
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Der Ruf der Wölfe
Briefe aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Der Ruf der Wölfe
Von Rafael Marques
Um sich ihr Medizinstudium zu finanzieren, jobbte Elfie Brogdalen als Fahrerin eines Limousinen-Services. Ihr jüngster Auftrag führte sie von der Hauptstadt Oslo bis zu dem ganz im Westen des Landes gelegenen Örtchen Bremnes. Ihr Fahrgast war eine hochgewachsene, attraktive Südafrikanerin. Brooke Jansen sprach während der mehrstündigen Fahrt kein einziges Wort, doch jedes Mal, wenn der Wagen in das volle Licht des Mondes geriet, lehnte sie sich gegen das Fenster und streckte sehnsuchtsvoll eine Hand in Richtung des Erdtrabanten.
Während Elfie den Wagen durch den Bømlafjord-Tunnel lenkte, begann ihr Fahrgast, schmerzerfüllt zu stöhnen, sich von einer Seite zur anderen zu winden und sich die Kleider vom Leib zu reißen. Als der Tunnel endlich endete und Elfie den Wagen wieder ins Licht des vollen Mondes lenkte, nahm sie den dünnen schwarzen Flaum wahr, der sich wie eine zweite Haut auf die Gestalt der Südafrikanerin gelegt hatte. Nein, das war kein Flaum – das war Fell!
»Du bist verrückt, Elfie!«
Nicht zum ersten Mal musste die junge Studentin an die Worte ihrer besten Freundin Tirill denken, die von ihrer Idee, ihr teures Medizinstudium als Fahrerin in einem noblen Limousinen-Service zu verdienen, alles andere als begeistert war. Gerade sie, die Tochter eines Managers eines der größten Ski-Produzenten des Landes, hätte es nicht nötig gehabt, sich als bessere Taxifahrerin zu verdingen. Aber wenn sie nach diesem Credo ging, müsste sie auch gar nicht erst studieren, sondern sich gleich ihr ganzes Leben lang auf dem Vermögen ihrer Familie ausruhen. Ihrem Vater wäre das sogar sehr recht gewesen.
Elfies Dickkopf gewann jedoch wie immer die Oberhand. Sie wollte selbst über ihr Schicksal bestimmen, von ihrem eigenen Geld leben, und dafür war es nötig, etwas gegen die Abhängigkeit von ihrer Familie zu unternehmen. Dass sie dabei noch etwas erlebte und interessante Leute kennenlernte, empfand sie als weitere Motivation, diesen Job auszuüben.
Ihr inzwischen dritter Auftrag erwies sich in vielerlei Hinsicht als außergewöhnlich. Zum einen, weil sich die Fahrt von der Hauptstadt Oslo bis hin zu dem ganz im Westen des Landes gelegenen Örtchen Bremnes zog, zum anderen auch aufgrund der seltsamen Umstände und des noch seltsameren Fahrgastes.
Elfie hatte auf einen kleinen Privatflughafen landen müssen, wo ein Jet mit einem einzigen Passagier an Bord gelandet war – eine hochgewachsene Frau mit schulterlangen, dunkelblonden Lockenhaaren und einem derart betörenden Blick, dass sie den Rest ihres anmutigen Gesichts kaum zu beschreiben wusste. Sie trug eine dünne Lederjacke, darunter eine Bluse mit weit geöffnetem Dekolleté, in dem sich deutlich die für ihre schlanke Gestalt äußerst üppigen Brüste abzeichneten. Die eng geschnittene Jeanshose und die absatzfreien Lederstiefel trugen ihr Übriges zu dem Eindruck bei, dass es sich bei dieser Frau um ein Topmodel handeln musste. Allein der mysteriöse Glanz in ihren Augen ließen Elfies Mutmaßungen in eine völlig andere Richtung gehen.
Brooke Jansen hieß ihr Fahrgast, zumindest war ihr dieser Name von der Agentur genannt worden, für die sie arbeitete. Ebenso, dass sie aus Südafrika stammen sollte. Seitdem die Frau die Limousine betreten hatte, war nicht ein einziger Ton über ihre Lippen gekommen, und Elfie wagte es auch nicht, etwas daran zu ändern. Zu sehr fürchtete sie sich vor der Aura, die Brooke Jansen umgab.
Oder handelte es sich dabei vielmehr um eine gewisse Faszination, eine unausgesprochene Sehnsucht, derer sich Elfies Seele bemächtigt hatte und die dafür sorgte, dass sich in der nun schon knapp sieben Stunden währenden Fahrt ihre Gedanken allein um die vielen Geheimnisse dieser Frau drehten?
Sie hatte sich nie von Frauen besonders angezogen gefühlt, doch diese Brooke Jansen war anders. Anders als jeder Mensch, der ihr in ihrem bisherigen Leben begegnet war. Dazu trug auch ihr bemerkenswertes Verhalten bei, sich jedes Mal, wenn der Wagen in das Licht des vollen Mondes geriet, gegen das Seitenfenster zu lehnen und sehnsuchtsvoll eine Hand in Richtung des nur scheinbar so nahen Erdtrabanten auszustrecken. Als glaubte sie, etwas von seiner Macht in sich aufsaugen zu können, die mancher Esoteriker dem Mond nachsagte.
In den letzten Stunden waren sie durch endlose Wälder gefahren, vorbei an spektakulären Fjorden und Stauseen, hatten malerische Flussniederungen durchquert und waren sogar in die schneebedeckten Höhen des Folgefonna-Nationalparks gelangt, ohne dass etwas davon das Interesse dieser Frau geweckt hätte. Nur der Mond schien diese schwer zu beschreibende Sehnsucht in ihr auszulösen, die Elfie zu gern ergründet hätte.
Nicht einmal an den Tankstellen oder während der Toilettenpausen war es zu einem Gespräch zwischen ihnen gekommen. Zum ersten Mal in ihrem Leben überkam Elfie das Gefühl, dass jemand, den sie begehrte, in einer völlig anderen Liga spielte als sie selbst und deshalb unerreichbar bleiben würde. Seltsamerweise verspürte sie keinerlei Enttäuschung, sondern zeigte sich viel eher beeindruckt von dem Auftreten dieser Person.
Während Elfie den Wagen durch den Bømlafjord-Tunnel lenkte, der von Valestrand aus bis nach Føyno unter diversen Inseln und den Küstengewässern entlanglief, bemerkte sie zum ersten Mal eine Veränderung bei ihrem Fahrgast. Die Südafrikanerin zeigte sich sichtbar unruhig, als fühlte sie sich in dieser Umgebung zunehmend unwohl. Selbst der Studentin wurde es schon ein wenig mulmig, wenn sie daran dachte, welch fragiles Konstrukt dieser Milliardenbau darstellte und wie gering ihre Überlebenschancen waren, wenn die Decke einmal einbrach und endlose Wassermassen durch den beleuchteten Tunnel schossen.
Bei Brooke Jansen ging dieses Gefühl der Enge offenbar noch einen Schritt weiter. Sie schwitzte und stöhnte, schnallte sich ab und räkelte sich beinahe lasziv auf der Rückbank. Das Stöhnen, das dabei aus ihrem Mund drang, klang allerdings weniger angeregt, sondern vielmehr schmerzerfüllt. So sehnsüchtig sie in den vergangenen Stunden zum Mond heraufgeschaut hatte, so sehr wünschte sie ihn sich wohl jetzt herbei. Nur war Elfie noch nie ein Mensch begegnet, der so extrem auf die Düsternis dieser unterirdischen Welt reagierte.
Beinahe hätte sie das Lenkrad verrissen, als sie im Innenspiegel sah, wie sich die Blonde nach und nach die Kleider abstreifte. Die Lederjacke glitt wie von selbst von ihren Schultern, die Bluse riss sie dagegen beinahe wütend von ihrem Oberkörper herunter. Schließlich folgten noch die Jeans und die Stiefel, darunter trug sie nichts, sodass sie nun völlig nackt auf der Rückbank lag. Stöhnend strich die Südafrikanerin über ihren Körper und wand sich dabei wie unter Krämpfen von einer Seite zur anderen.
Elfie schluckte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es fiel ihr sehr schwer, ihren Blick von der nackten Frau abzuwenden, die sie schon zuvor so fasziniert hatte. Obwohl sie gar nicht an Frauen und auch sonst nicht besonders an sexuellen Kontakten interessiert war, sehnte sie sich danach, den Wagen zu stoppen und sich in die Arme ihres Fahrgastes zu begeben. Ein Gefühl, dass ihr ebenso fremd war wie ihr Drang, diese andere Person ununterbrochen zu beobachten.
Seltsamerweise atmete sie sogar tief durch, als der Tunnel endlich endete und sie den Wagen wieder in das Licht des vollen Mondes lenkte. Von Føyno aus führten mehrere Brücken von Insel zu Insel, und wäre es nicht mitten in der Nacht gewesen, hätte sie ihren Blick über die gewaltigen Fjorde dieser auf der Welt einmaligen Landschaft schweifen lassen können. Stattdessen starrte sie wie gebannt auf die Frau mit dem dunkelblonden Lockenhaar, die sich nach und nach merklich beruhigte und bald regungslos und mit geschlossenen Augen dalag.
Erst nach einigen Minuten bemerkte Elfie, dass sich am Körper der Frau tatsächlich noch etwas bewegte. Wieder krampften sich ihre Finger um das Leder des Lenkrads, als sie den dünnen, schwarzen Flaum bemerkte, der sich wie eine zweite Haut auf die Gestalt der Südafrikanerin gelegt hatte.
Nein, das war kein Flaum – das war Fell!
Der Anblick ließ die Studentin an ihrem Verstand zweifeln. Dichte, schwarze Haare sprossen immer stärker aus dem Körper hervor, der zugleich auch ein wenig mehr zusammenschrumpfte, als würde Brooke Jansen innerhalb kürzester Zeit mumifizieren. Das geschah nicht, dafür verwandelten sich Arme und Beine, Hände und Füße in die Glieder eines Tiers. Sogar krallenbewährte Pfoten fielen Elfie ins Auge, und als ihr Blick wieder zum Gesicht der Frau glitt, starrte sie plötzlich auf das Haupt eines Wolfes, aus dessen Augen ein gelblicher Schein drang.
»Mein Gott, oh mein Gott«, flüsterte Elfie immer wieder und überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Ein wenig wunderte sie sich sogar über sich selbst, weil sie sich nicht so sehr fürchtete, wie sie es eigentlich von sich erwartet hätte. Im Gegenteil, die Faszination hatte so sehr von ihr Besitz ergriffen, dass sie sich immer noch nach der Nähe dieses weiblichen Geschöpfes sehnte.
Der Wolf drehte sich so weit um, dass die Pfoten über das Polster strichen und es dabei leicht aufrissen. Aus dem Maul drang ein leises Knurren, und obwohl in dem gelben Licht keine Pupillen zu erkennen waren, glaubte Elfie, von dem Tier beobachtet zu werden.
Würde sie sich jetzt auf sie stürzen, um sie zu zerfleischen? Beinahe hätte die Studentin aufgeschrien, als sie sich bei dem Gedanken über den Hals rieb und den Reißverschluss ihrer Stoffjacke langsam nach unten zog. Sie stand offenbar unter einem fremden Bann, zumindest redete sie sich das ein, um ihre unheilvollen Sehnsüchte irgendwie zu erklären.
Als sie sich Bremnes immer weiter näherten, verwandelte sich der Wolf langsam wieder in einen Menschen zurück. Brooke Jansen, die nun wieder nackt auf dem Rücksitz saß, tat so, als wäre gar nichts geschehen. Ohne Elfie eines Blickes zu würdigen, zog sie sich ihre Kleidung wieder über, schnallte sich an und begann erneut, in Richtung des kräftig leuchtenden Erdtrabanten zu starren.
Obwohl sie tatsächlich enttäuscht war, dass sich die Südafrikanerin nicht mehr für sie zu interessieren schien, verspürte Elfie auch eine gewisse Erleichterung. Insgeheim wünschte sie sich, alles zu vergessen, was in den letzten Minuten geschehen war, da sie sich selbst nicht mehr wiedererkannte und sich davor fürchtete, noch einmal derart die Kontrolle zu verlieren.
Zum ersten Mal seit längerer Zeit durchquerten sie wieder einige halbwegs größere Siedlungen, wobei zu dieser Stunde natürlich nur wenige Straßenlaternen brannten. Viele Menschen zog es zu den einsamen Fjorden und Küstenwäldern, besonders im Sommer, wenn die Temperaturen wieder etwas mehr in einen akzeptablen Bereich stiegen. Auch ihr Vater besaß eine villenartige Hütte auf einer in seinem Privatbesitz befindlichen Insel einige Dutzend Kilometer nördlich von Bremnes. Er hatte ihr angeboten, nach ihrem Job dort noch ein paar Tage zu verbringen, und nach dem, was gerade geschehen war, zeigte sie sich immer weniger abgeneigt.
Ihr Ziel lag nicht direkt in Bremnes, sondern in dem wenige Kilometer südlich gelegenen Küstendorf Sekk, das abgeschieden von jeglichen Hotels und Pensionen lag, die in dieser Gegend wie Pilze aus dem Boden schossen. Das Haus, dessen Adresse sie ins Navi eingespeichert hatte, lag oberhalb der nur aus wenigen Gebäuden bestehenden Ortschaft, vor der sicher mehr Boote ankerten, als Menschen dort wohnten. Hier oben, auf dem kleinen Fjord, bot sich unter dem klaren Sternenhimmel ein einmaliger Ausblick auf das Meer und die vorgelagerten Inseln.
Elfie wusste nicht, was sie sagen oder denken sollte, als sie den Wagen vor dem dunklen Holzhaus ausrollen ließ und den Motor abstellte. Mit gesenktem Blick saß Brooke Jansen auf der Rückbank und spielte mit der Schlaufe ihres Rucksacks, ohne dabei einen Gedanken daran zu verlieren, den Wagen zu verlassen.
»Komm mit.«
Wie vom Blitz getroffen zuckte die Studentin zusammen. Zum ersten Mal hatte sie die Stimme der Südafrikanerin vernommen, die ungewöhnlich rau, fast schon männlich klang. In gewisser Weise passte das Timbre sogar zu dieser Frau, die eine derartig animalische, dominante Energie ausstrahlte, wie sie Elfie noch nie bei einem Menschen erlebt hatte.
»W-w-was?«, stammelte die Studentin, deren für eine Norwegerin ungewöhnlich dunklen Haare auf die spanischen Wurzeln ihrer Mutter zurückzuführen waren.
»Ich mag dich«, antwortete ihr Fahrgast. »Lass uns noch ein wenig Zeit miteinander verbringen. Die Nacht ist noch jung.«
»Ja, gut ...«
Brooke Jansen lächelte. Ob sie sich über die Unsicherheit ihrer Fahrerin amüsierte oder über die Antwort freute, blieb ihr Geheimnis. In jedem Fall blickte sie nun auf und musterte Elfie, deren Gesicht sich im Innenspiegel abzeichnen musste. Sie versuchte zu lächeln, brachte jedoch nur eine seltsame Grimasse zustande.
»Komm!«
Mit diesem einen Wort stieg die Südafrikanerin aus. Elfie hingegen blieb noch einige Sekunden sitzen und kämpfte mit dem Feuer, das in ihrem Inneren loderte. Die Sehnsucht, sich in die Arme dieser Frau zu begeben, verleitete sie dazu, sich auf der Stelle die Kleider vom Leib zu reißen. Statt sich diesem ihr völlig fremden Gefühl hinzugeben, saß sie zunächst einfach nur da, bis sie mit steifen Gliedern ausstieg.
Der starke Wind ließ die Studentin sofort frösteln. Ihre Jacke lag noch auf dem Beifahrersitz, und angesichts ihrer zierlichen Gestalt würde sie es nicht lange bei diesen Temperaturen aushalten, ohne sich eine Erkältung einzufangen. Als hätte Brooke Jansen ihre Gedanken erraten, baute sie sich in ihrer unmittelbaren Nähe auf und legte ihre Lederjacke über Elfies Schultern. Das und die Nähe ihres anscheinend glühenden Körpers sorgten dafür, dass sie den kalten Nachtwind bald kaum noch wahrnahm.
Wie eine lebende, völlig willenlose Puppe ließ sie sich zu dem Haus führen, überwand die wenigen Stufen einer schmalen Holztreppe und beobachtete Brooke dabei, wie sie einen Schlüssel aus ihrer Hose zog und die Tür öffnete. Obwohl sie nicht ein Möbelstück entdeckte, verspürte sie innerhalb der düsteren Umgebung keine Angst, sondern lediglich die Sehnsucht danach, sich ganz der ihr eigentlich fremden Frau hinzugeben.
Beiläufig begann die Südafrikanerin damit, ihre eigene sowie die Kleidung der Studentin abzustreifen. Elfie war so von ihrer Magie gefangen, dass sie davon kaum etwas mitbekam und schließlich überrascht an sich herabblickte, als sie abgesehen von Brookes Lederjacke keinen Faden mehr am Leib trug.
Seite an Seite betraten sie einen hell erleuchteten Raum mit großen Fenstern, dessen Zentrum zwei mehrere Meter breite Pentagramme bildeten, die sich übereinander am Boden und an der Decke abzeichneten. Elfie identifizierte die unzähligen Schriftzeichen innerhalb des magischen Symbols als Runen, die aus der Sprache ihrer Vorfahren stammten. Ihr Vater besaß einige alte Runensteine, andere hatte er diversen Museen gestiftet.
»Was ... was ...?«, flüsterte die 19-jährige Studentin, ohne zu wissen, was sie eigentlich fragen wollte. Zu sehr war sie von Brookes Anblick gebannt, die nun ebenfalls wieder nackt vor ihr stand und ihr mit beiden Händen über den Nacken strich.
Erst jetzt bemerkte sie, dass sie in diesem Raum nicht allein waren. In den düsteren Ecken hatten zwei nackte, muskulöse Männer gelauert, die nun langsam vortraten und Elfie in die Mitte nahmen. Aus ihren Augen drang derselbe gelbliche Schein, der sich erneut in den Pupillen der Südafrikanerin zeigte und dafür sorgte, dass die Studentin nicht einen Hauch von Angst verspürte.
»Hab keine Angst, kleine Elfie«, hauchte Brooke ihr trotzdem zu. »Wir sind hier zusammengekommen, um gemeinsam eine neue Zeit einzuläuten. Der Ruf der Wölfe lockt uns hierher, zurück zu den Wurzeln und zu der Insel im Nebel. Zuvor wollen wir noch ein wenig Spaß haben. Mit deinem Körper und deiner Seele.«
Brooke und die Männer rissen ihre Arme in die Höhe und riefen gemeinsam ein Wort, das Elfie noch nie in ihrem Leben gehört hatte: »Hati!«
Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten. Bleiches Mondlicht drang aus den Pentagrammen und den Runen hervor, welches die Studentin und alle anderen in dem magischen Kreis stehenden Personen einhüllte und sie auf der Stelle bannte. Ein leises, glückliches Stöhnen drang über ihre Lippen, das schnell verklang, als sie die fremde Gestalt bemerkte, die von der offenen Tür in den Raum eindrang.
Es war ein Mann, ein dunkel gekleideter Fremder, der ein Gewehr mit beiden Händen festhielt und sofort das Feuer eröffnete.
Das Krachen der Schüsse sorgte dafür, dass die Magie des gelben Lichts schlagartig von Elfie abfiel. Sie schrie und krümmte sich entsetzt zusammen, als sie von dem Mündungsfeuer geblendet wurde.
Keine der Kugeln traf sie. Stattdessen erlebte sie, wie Brooke und die beiden Männer von den Geschossen durchgeschüttelt wurden und ihr Blut durch die Luft spritzte. Noch während sie zusammenbrachen, verwandelten sie sich in Wölfe, wie die Studentin es zuvor schon wesentlich langsamer bei der Südafrikanerin beobachtet hatte.
Der Mann, der etwa fünfzehn Jahre älter als Elfie war und durch einen ungepflegten, dunklen Bart auffiel, schleuderte das Gewehr zur Seite und zog eine Axt unter seinem langen Mantel hervor.
Zwei der Wölfe stürzten sich trotz ihrer Verletzungen mit gefletschten Zähnen auf ihn. Darauf schien der Bärtige nur gewartet zu haben. Mit einem wütenden Schrei ließ er die Klinge durch die Luft fahren und spaltete einem der Tiere den Schädel, während er dem zweiten Wolf mit einem geschickten Sprung zur Seite auswich. Ein zweiter Angriff erfolgte nicht, dafür belauerte die Bestie den Mann und trieb ihn auf diese Weise näher an das bleiche Licht, in dessen Mitte Elfie noch immer kauerte.
Völlig ansatzlos wuchtete sich der Wolf erneut auf seinen Gegner, sodass es dem Mann lediglich gelang, den Griff seiner Axt in die Höhe zu reißen. Die Zähne der Tiers bohrten sich in das Holz, während die Pfoten wild durch die Luft wirbelten und dabei auch über das Gesicht des Fremden glitten, in dessen Augen nun ebenfalls dieser gelbe Schein glomm. Durch das Gewicht des Wolfes wurde er sogar in die Knie getrieben, ließ sich jedoch nicht einschüchtern.
Mit einem martialischen Schrei kam der Bärtige erneut in die Höhe und stieß den Körper des Tieres von sich, sodass sich dieses einige Male überschlug, bevor es erneut aufsprang und zu einem weiteren Angriff ansetzte. Diesmal reagierte der Mann schneller, schlug blitzschnell zu und ließ die im Mondlicht schimmernde Klinge durch den gesamten Körper des Wolfs fahren. Einige Sekunden lang kauerte das sterbende Tier noch zuckend auf dem Boden, dann wich auch der letzte Lebensfunke aus ihm.