John Sinclair 2358 - Marie Erikson - E-Book

John Sinclair 2358 E-Book

Marie Erikson

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Beschreibung

Auf einem Kreuzfahrtschiff im Probebetrieb geschahen unerklärliche Vorfälle. Unsichtbare Hände vollendeten die Arbeit eines Handwerkers, der Steuermann wurde von mysteriösen Schatten heimgesucht, und die Zahl der Verletzten und Toten stieg. Doch die Ursache blieb im Verborgenen.
Als mein Chef Sir James über die Vorfälle informiert wurde, schickte er mich undercover als Handwerker auf das Schiff, um den mysteriösen Vorkommnissen auf den Grund zu gehen.
Mit jedem Schritt enthüllte sich ein Netz aus Intrigen und Gefahr, welches das Leben aller an Bord bedrohte. Die Grenzen zwischen Realität und Albtraum verschwammen, während die Zeit gegen mich tickte ...


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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Tod Ahoi!

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Tod Ahoi!

Von Marie Erikson

Prolog

Ungeachtet der Äste, die ihm ins Gesicht schlugen und ihm die Arme zerkratzten, kämpfte sich der Mann immer tiefer in den Wald. Sein einziger Verbündeter war der Vollmond. Dessen silbernes Licht fiel durch die Baumkronen und wies ihm so den Weg.

Tränen liefen über seine Wangen und brannten auf seiner Haut. Er wusste, er war im Begriff, eine Sünde zu begehen. Aber er wusste auch, dass er seine ganze Familie töten würde, wenn er umkehrte ...

Ein Krachen hinter ihm. Als würde jemand auf einen Ast treten. Mit hämmerndem Herzen sah sich der Mann um, entdeckte aber niemanden. Und selbst wenn? Was sollte man ihm antun können, das seine Situation verschlimmerte?

Es wurde immer kälter, Nebelschwaden bildeten sich. Ihm fröstelte. Der Mann hatte nicht mehr als das Wams mitgenommen. Vielleicht konnte seine Witwe die verbliebene Kleidung später noch zu Geld machen.

Angefangen hatte es damit, dass er sich schlapp gefühlt hatte. Gleich danach war das Fieber gekommen. Er hatte die Beule in der Achselhöhle und eine weitere in der Leistengegend bemerkt und gewusst, dass er verloren war.

Wie so viele im Dorf. Und im Nachbarort. Und in der Stadt. Und im ganzen Land.

Anna lag noch im Wochenbett. Hätte er ihre Hebamme gegen Pestdoktoren tauschen sollen? Nein, das brachte er nicht über sich. Er konnte sie nicht mit seinen Sorgen belasten, wo sie doch bei der Geburt beinahe gestorben wäre.

Er entschied, das einzig Richtige zu tun, um seine Familie zu schützen. Das Richtige für seine Familie, aber ein Verbrechen gegen Gott.

Wolken zogen auf und verdeckten den Mond. Er tastete sich im Nebel blind vorwärts, schreckte dabei immer wieder kleine Tiere auf, die quiekend davonliefen. Regen setzte ein. Jeder Schritt schmatzte auf dem nassen Waldboden, und ein paarmal rutschte er aus. Es donnerte.

Er breitete die Arme aus und schrie gen Himmel: »Was willst du von mir? Freitod ist eine Sünde. Schön! Aber was ist mit der Sünde, seine Familie mit in den unausweichlichen Tod zu reißen? Es gibt keinen sündenfreien Ausweg für mich.«

Als Antwort jagte ein Blitz vom Himmel herab. Der getroffene Baum neben ihm barst.

Er hatte die Gunst des Herrn also schon vor seinem Tod verloren. Nun konnte er sein Vorhaben wenigstens in die Tat umsetzen, ohne dass es noch einen Unterschied machte.

Von Donner begleitet watete er durch den Morast, und endlich erreichte er sein Ziel: die Lichtung mit der alten Eiche, die wie ein Krüppel dastand.

Schon als Kind hatte er mit seinen Freunden hier gespielt. Übermütig hatten sie sich zu dritt nebeneinander an einen Ast gehängt, um zu sehen, wer am längsten durchhielt. Erstaunlicherweise war es meistens der dickliche Theo gewesen. Der Mann war sich deshalb sicher, dass der Ast ihn auch als Erwachsenen tragen würde. Und er fand es tröstlich, an dem Ort zu sein, der ihn einst so glücklich gemacht hatte.

Er brauchte mehrere Versuche, bis er mit blutigen Fingern und zerrissenem Hemd in der Baumkrone angekommen war. Als Kind war ihm das leichter gefallen. Da war er aber auch nie im strömenden Regen hier gewesen.

Die Pestbeule in seiner Achselhöhle schmerzte.

Es donnerte. Er schlang das mitgebrachte Seil um den Ast und verknotete es. Blitze zuckten über den Himmel, als er sich die Schlinge um den Hals legte.

Er bekreuzigte sich aus Gewohnheit, denn auf göttlichen Beistand durfte er nicht mehr hoffen.

»Anna, ich mache das für dich und unsere Kinder. Weil ich euch liebe.«

Er sprang. Das Seil straffte sich um seinen Hals.

Es war genau Mitternacht.

Götz Brosch sah aus den Schiffsfenstern auf das Meer hinaus, drehte das Radio lauter und widmete sich summend wieder der Echtholzbar. Er liebte das Material. Kein Holz glich dem anderen. Und es lebte. Dehnte sich aus, zog sich zusammen, alterte.

Diese Bar war ein besonderes Schmuckstück. Liebevoll strich er über den Tresen. Wie gern würde er im späteren Kreuzfahrtbetrieb an ihr sitzen und seiner Freundin Julia einen aufwendigen Cocktail bestellen. Einen mit Zucker am Glasrand, sodass ihre Küsse danach noch süßer schmecken würden.

Er seufzte. Das würde er sich niemals leisten können. Er war schon zufrieden, dass er nach der Ausbildung hier eine Anstellung gefunden hatte. Dass er bei seinem cholerischen Chef nicht bleiben würde, war ihm schon nach der Probezeit klar gewesen. Aber er hatte die Ausbildung durchgezogen. Am Tag seiner bestandenen Prüfung hatte er seinem Boss mitgeteilt, dass er den ihm angebotenen Arbeitsvertrag nicht unterschreiben werde. Wie immer war dessen Gesicht daraufhin vor Wut rot angelaufen. Und als Götz unter einem Schwall von Schimpfwörtern die Werkstatt verlassen hatte, war ihm klar gewesen, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Er ging um die Bar herum, dorthin, wo einmal der Barkeeper stehen würde. Dann legte er sich auf den Boden und begann, die Regalbretter für die Gläser einzuschrauben. Eine kleinteilige und mühsame Arbeit, aber Götz erledigte sie mit Freude, während alle anderen noch in den Federn lagen. Durch dieses Extraengagement machte er sich Hoffnung auf eine baldige Gehaltserhöhung. Fleiß musste doch etwas zählen in der Welt.

Er lag mit dem Kopf unter einem sperrigen Regalboden, als er ein Klopfen wie von einem Hammer hörte.

Sollte sein Kollege etwa aus dem Bett gefallen sein? So früh hatte er gar nicht mit Hilfe gerechnet, freute sich aber, weil es durchaus kniffelig war, das Brett zu halten und gleichzeitig die Schraube hinten in der Ecke anzubringen.

»Hendrik, bist du das?«

Keine Antwort, aber das Klopfen hielt an.

Götz streckte den Kopf unter der Bar hervor, stützte das Brett aber weiter mit einer Hand.

»Hendrik?«

Nichts. Auch kein Klopfen mehr.

Götz verharrte noch einen Moment, doch als sich das Geräusch nicht wiederholte, versuchte er wieder, die Schraube anzubringen. Er verrenkte sich den Arm, um die Stelle mit dem Schraubendreher zu erreichen. Endlich schaffte er es und rotierte sein Handgelenk. In der Bewegung traf er auf Widerstand.

Götz tastete mit dem Zeigefinger. Tatsächlich, die Schraube war fest eingedreht.

War er das gerade gewesen? Nein. Oder doch?

Musste ja so sein.

Im Radio kam der Witz des Tages. Den hörte Götz immer gern. Er vergaß die Schraube.

Er kam hervorragend mit seiner Arbeit voran. Und das, obwohl Hendrik erst nach dem Mittagessen auftauchte. Der Mann war echt der personifizierte innere Schweinehund.

An diesem Tag fing Götz den Müßiggang seines Kollegen locker ab. Manchmal übertraf er sich gar selbst, indem Arbeiten erledigt waren, von denen er dachte, er hätte sie noch gar nicht begonnen.

Darüber, dass am Ende des Tages die Echtholzbar fix und fertig eingebaut war, staunte sogar sein Vorarbeiter. Ein Schritt zur Gehaltserhöhung.

Und morgen, so nahm Götz sich vor, mache ich genauso weiter.

Lars Martens scrollte durch die Kurzvideos. Unablässig wischte sein Daumen über den Bildschirm.

Am liebsten mochte er die Clips, in denen Frauen sich vor und nach dem Gewichtsverlust zeigten. Der Grund war nicht, dass ihn das Gewicht interessierte, die meisten fand er sowohl vorher als auch nachher attraktiv. Der Grund war, dass sie sich leicht bekleidet vor der Kamera drehten, um ihren Erfolg zu dokumentieren.

Nur ab und zu sah der Steuermann auf und prüfte, ob das Kreuzfahrtschiff Lovely Days noch auf Kurs war. Auf der Strecke und bei dem lauen Wetter draußen war aus seiner Sicht sonst nicht viel zu tun. Nur falls plötzlich ein Hindernis auftauchte, konnte es brenzlig werden. Etwa wenn ein Fischerboot in ihr Fahrwasser geriet. Aber das kam praktisch nie vor. Oder jedenfalls selten.

Lars reckte sich und lehnte sich so weit in dem Sessel zurück, wie es die Rückenlehne zuließ. Sein dicker Bauch bot die perfekte Stütze für den Arm, in dessen Hand er das Handy hielt.

Ein Video, wie ein Motorradfahrer ins Schlingern kam und in die Matschgrube neben der Straße fiel. Lars lachte dreckig auf.

Eine Blondine mit imposantem Vorbau, die Trampolin sprang. Er drückte auf das Herz unter dem Video.

Ein Kind, das ... er wischte mit dem Daumen nach oben. Rotzblagen interessierten ihn nicht.

Dann hörte er ein Knistern. Lars erhob sich genervt aus der komfortablen Position und prüfte die Instrumente. Alles im grünen Bereich.

Hatte jemand die Kabine betreten? Nein. Sein Nautiker-Kollege war ja auch gerade erst zur Mittagspause gegangen und würde noch eine Weile wegbleiben.

Lars zuckte mit den Schultern und ließ sich in den Stuhl zurücksinken.

Ein Hund, der gegen eine geschlossene Scheibe rannte.

Und wieder ein Geräusch. Ein Plätschern.

»Ist da wer?«, fragte Lars, nicht bereit, sich noch einmal unnütz aufzurichten.

Keine Antwort.

Eine Frau beim Seilspringen. Nicht so gut wie die auf dem Trampolin, aber passabel. Herz.

Lars fröstelte. War es plötzlich kühler geworden? War etwa die Heizung ausgefallen? Gute Güte, das mussten sie bis zum regulären Betrieb aber in den Griff bekommen.

Ohne den Blick vom Handy zu nehmen – ein Hot-Dog-Wettessen, eine Frau, die einen Spagat machte, und ein Typ, der auf einem rasant eingestellten Laufband fiel – legte er sich seine Uniformjacke wie eine Decke über den Rumpf. Schon besser.

Das plätschernde Geräusch wurde zu einem Gurgeln.

Noch einmal widmete er den Anzeigen vor sich für einen Sekundenbruchteil seine Aufmerksamkeit. Aber er sah nichts, was ihn zum Handeln veranlasst hätte.

Unter der improvisierten Decke war es richtig behaglich. Vielleicht könnte er sogar ein kleines Mittagsschläfchen machen ...

Das Kabinenlicht flackerte und erlosch.

»Verdammt noch mal, wer ist da?« Mühsam stemmte Lars sich hoch. Nur gut, dass er das Smartphone in der Hand hatte. Er aktivierte die eingebaute Taschenlampe und schwenkte sie von rechts nach links.

Etwas huschte durch den Lichtkegel.

Dann noch einmal.

»Jetzt reicht es mir aber langsam!« Lars wollte einen Schritt nach vorn machen, doch noch bevor er seinen Fuß abgesetzt hatte, spürte er, wie sein Schuh nass wurde.

Er leuchtete nach unten und sah, dass der Boden der Steuerkabine eine Handbreit unter Wasser stand.

Wie war das möglich? Sank das Schiff etwa?

Hektisch sah er sich um, aber die Anzeigen waren erloschen, und hinter den Fensterscheiben war es schwarz wie im Höllenschlund.

Er zwang sich, ruhig zu atmen. Sie sanken nicht. Die Steuerkabine befand sich in dem turmartigen Aufbau. Bis das Wasser so hoch gekommen wäre, hätte sich das Schiff deutlich neigen müssen und das war nicht der Fall.

Trotzdem stieg das Wasser weiter, und zwar in einer rasenden Geschwindigkeit. Es erreichte seine Knie.

Ich muss hier raus, dachte Lars. Er watete durch das eiskalte Wasser, kam aber nicht schnell genug voran. Seine Ex-Frau hatte immer gesagt, er solle mehr Sport machen. Doch er hatte zurückgegeben, dass er ja wohl kaum je vor einem Dinosaurier würde davonlaufen müssen. Jetzt wünschte er sich, er hätte auf sie gehört. Nur bei diesem einen Thema.

Als der Pegel seinen Bauchnabel erreichte, riss er hektisch die Arme hoch, um das Handy als einzig verbleibende Lichtquelle zu schützen. Doch schon bald zogen die Wassermassen ihm die Füße weg, und er brauchte die Hände zum Schwimmen, weshalb er das Telefon losließ. Er verfolgte das sinkende Handy, bis die Elektronik versagte und die Lampe erlosch. Nun war es vollkommen finster.

Prustend versuchte Lars seinen Kopf über Wasser zu halten, doch da stieß er bereits gegen die Kabinendecke. Er schaffte noch einen halben Atemzug, dann hatte das Wasser gewonnen.

Hilflos und ohne Orientierung ruderte er mit den Armen. Wo war oben, wo unten?

Würde er so sterben? Ertrinken in einer Steuerkabine?

Das Letzte, was er gesehen hatte, war ein schwabbeliger Mann, der auf dem Laufband auf die Nase fiel, und die letzte Person, an die er gedacht hatte, seine Ex-Frau?

Lars' Herz schlug immer schneller. Nein, so durfte es nicht enden. Das war seiner nicht würdig.

Er geriet in Panik. Jetzt bloß keinen Herzinfarkt bekommen.

Ihn durchfuhr ein stechender Schmerz. Aber nicht in seiner Brust, sondern an seiner Hand.

Er schrie, wodurch die verbleibende Luft seinen Lungen entwich. Nun war er verloren, das wusste er. Jeden Moment würde er dem Atemreflex nachgeben müssen und dann würde das Eiswasser in seinen Körper strömen.

Und dann spürte er, wie er sank. So schnell, wie das Wasser gekommen war, so schnell zog es sich zurück. Der Sog hielt Lars für einige weitere, nicht enden wollende Sekunden unter der Wasseroberfläche, aber im nächsten Moment lag er schon vollkommen durchnässt und keuchend auf dem Boden.

Als er wieder zu Atem gekommen war, versuchte er sich zu orientieren. Er fuchtelte mit der schmerzenden Hand in der Luft vor sich herum, bekam aber nichts zu fassen. Also tastete er den Boden ab. Zu seiner Verblüffung war der trocken.

Er fühlte etwas Kleines. Es war nicht hart und kühl wie ein Handy. Eher warm und glitschig.

Lars umschloss den Gegenstand. Das Licht flackerte und erstrahlte wieder.

Er sah auf seine Hände. Seine Finger umklammerten seinen abgetrennten Daumen, während das Blut aus der glatten Schnittwunde der anderen Hand tropfte.

Er schrie.

Michelle Link warf noch mal einen prüfenden Blick in den Spiegel, nahm ihre Uniformjacke vom Haken und öffnete die Tür.

Gegenüber im Gang lehnte Peter Schwarz lässig an der Wand. Wie lange mochte er da schon gewartet haben?

»Na, holst du mich zur Nachtschicht ab?« Michelle warf ihr langes, rotes Haar über die Schulter und lächelte ihn an.

Peter war ein Arbeitskollege, aber während der Zusammenarbeit war er mehr geworden als das. Deshalb freute es sie, gemeinsam mit ihm für die Schicht eingeteilt zu sein.

»Ich dachte eher, wir gehen zu dir.« Peter zwinkerte ihr kess zu und sie merkte, wie ihre Knie weich wurden.

Er war mit seinen blonden Locken, den braunen Augen und den kleinen Grübchen, die sich beim Lachen bildeten, ein absoluter Frauenschwarm. Hinzu kam, dass er als Rettungssanitäter gut durchtrainiert war. Wenn er schwere Kisten trug, schwoll sein Bizeps so an, dass die Ärmel des Polohemds an ihre Dehnungsgrenzen gerieten.

»Das geht nicht«, wehrte Michelle schweren Herzens ab. »Das weißt du doch: Wir sind im Dienst.«

Peter setzte seinen Hundeblick auf, nahm den Rucksack von der Schulter und zog aus ihm eine Flasche Asti Spumante und eine Packung Erdbeeren hervor.

Mit gespielter Empörung stemmte Michelle ihre Hände in die Hüften. »Herr Schwarz, ist Ihnen nicht bekannt, dass es eine Null-Alkohol-Toleranz auf dem Schiff gibt?«

Er kam auf sie zu. »Dann ist es wohl besser, wenn du mich reinlässt, bevor uns noch jemand erwischt.« Er schob sich an ihr vorbei und sie sog seinen Duft ein. Sandelholz.

Als sie die Tür hinter ihm geschlossen hatte, nahm er sie in den Arm und setzte zu einem Kuss an.

Michelle legte ihm einen Finger auf die Lippen. »Aber wir sind doch im Dienst!«

Sanft umfasste er ihr Handgelenk und legte es auf seine Schulter, sodass sie seinen Nacken umfassen konnte. »Ich weiß. Aber hier geschieht doch ohnehin nie etwas. Außerdem habe ich einen Zettel an die Tür des Medical Centers gehängt. Wenn wirklich was passiert, finden die uns.«

Michelles Körper fühlte sich zu Peter hingezogen, aber ihr Verstand war noch nicht überzeugt. »Und was denken die dann, wenn die uns hier zusammen sehen?«

Peter gab ihr einen Kuss auf die linke Wange. »Gar nichts denken die, die sind dann nämlich mit ihrem Notfall beschäftigt und froh, dass wir helfen können.« Er küsste ihren Hals bis hinunter zum Schlüsselbein.

Ein wohliger Schauer durchlief ihren Körper, und die Proteste ihrer Vernunft wurden leiser. Sie schmiegte sich an ihn, und ihre Münder trafen sich.

Seine Lippen fühlten sich warm und weich auf ihren an. Geschmeichelt nahm sie zur Kenntnis, dass seine Zunge nach Pfefferminze schmeckte. Er hatte sich die Zähne geputzt, bevor er zu ihr gekommen war. Und dass er an so etwas dachte, zeigte ihr, dass er sich wirklich um sie bemühte.

Trotzdem machte sie einen letzten Versuch und entwand sich seiner Umarmung. »Meinst du wirklich, dass wir das tun sollten? Was ist, wenn es einen Notfall gibt und jemand stirbt, weil wir nicht unten sind?«

»Ach, Quatsch. Was soll denn passieren? Die schlafen doch alle. Und da ist ja nun wirklich kaum Alkohol drin.« Er drehte die Sektflasche und las das Etikett. »Und wenn es tatsächlich einen Notfall geben sollte, sind wir eh schlagartig nüchtern.« Er legte den Kopf schief. »Bitte. Ich hab mir echt Mühe gegeben, das Zeug zu besorgen. Nur einen Schluck.«

Schmunzelnd verdrehte sie die Augen und holte das eine Glas, das auf dem Zimmer zu Verfügung stand, und ihren Zahnputzbecher, während er den Korken löste. Er hatte Mühe, ihn rauszudrehen und sie somit das Glück, das Spiel seiner Muskeln beobachten zu können.

Er schenkte den ersten Schluck ein, als es klopfte.

Erschrocken riss Michelle die Augen auf und bedeutete Peter, ins Bad zu gehen. Sie würde einfach sagen, dass sie gerade hatte losgehen wollen. Aber vor der Tür war niemand.

»Keiner da«, rief sie Peter zu.

Der kam grinsend mit den zwei Getränken aus dem Bad. »Vielleicht war es dein Gewissen. Aber das können wir jetzt ausstellen.« Er sah ihr tief in die Augen und reichte ihr den Sekt.

Es war die Mischung aus seinem Blick und der Tatsache, dass er, ohne weiter darüber nachzudenken, den Zahnputzbecher behalten hatte, die sie vollends erweichen ließ.

Ihre Mutter hatte immer gesagt, es käme auf die Details an. Jemand, der sie nur ins Bett bekommen wollte, würde diesen Kleinigkeiten keine Beachtung schenken.

Aber Peter tat es – für sie. Und nun war sie diejenige, die ihn ins Bett kriegen wollte.

Es dauerte nicht lange, da waren die beiden unter der Decke verschwunden und verschwendeten keinen Gedanken mehr an ihren Bereitschaftsdienst.