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Auf der Erde und den anderen Planeten, die von Menschen bewohnt sind, schreibt man das Jahr 2144 der Neuen Galaktischen Zeitrechnung – gut dreitausendachthundert Jahre in der Zukunft. Die Lage in der Milchstraße ist entspannt, es gibt keine größeren Konflikte. Die Menschen sowie die Bewohner der anderen Sternenreiche arbeiten gemeinsam an ihrer Zukunft. Perry Rhodan hat zudem größere Pläne: Das Projekt von San soll die Beziehungen zu anderen Galaxien verbessern. Da wird die Erde von einem unverhofften Besuch überrascht: Dao-Lin-H'ay, die einzige Kartanin, die relativ unsterblich ist, bittet Rhodan um Hilfe. Offenbar läuft in ihrer Heimat eine Invasion – die ebenso die Milchstraße bedroht. Geheimnisvolle Symbionten übernehmen ganze Völker. Einige dieser Symbionten scheinen sich bereits auf Terra eingenistet zu haben. Die Agentin Suyemi Taeb stößt auf DIE SUBSTANZ DES BÖSEN …
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2025
Nr. 4
Die Substanz des Bösen
Eine Kartanin emanzipiert sich – Kampf gegen die Vantani
Marie Erikson
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1. Flammenhölle
2. Der Redeschwall der Kilmoni
3. Rückschläge
4. Das Schweigen der Werdeichs
5. Verfolgung
6. Der Kuss des Monchai
7. Nostalgie
8. Der Hass einer Kartanin
9. Enthüllung
Impressum
Auf der Erde und den anderen Planeten, die von Menschen bewohnt sind, schreibt man das Jahr 2144 der Neuen Galaktischen Zeitrechnung – gut dreitausendachthundert Jahre in der Zukunft. Die Lage in der Milchstraße ist entspannt, es gibt keine größeren Konflikte.
Die Menschen sowie die Bewohner der anderen Sternenreiche arbeiten gemeinsam an ihrer Zukunft. Perry Rhodan hat zudem größere Pläne: Das Projekt von San soll die Beziehungen zu anderen Galaxien verbessern.
Da wird die Erde von einem unverhofften Besuch überrascht: Dao-Lin-H'ay, die einzige Kartanin, die relativ unsterblich ist, bittet Rhodan um Hilfe. Offenbar läuft in ihrer Heimat eine Invasion – die ebenso die Milchstraße bedroht. Geheimnisvolle Symbionten übernehmen ganze Völker.
Einige dieser Symbionten scheinen sich bereits auf Terra eingenistet zu haben. Die Agentin Suyemi Taeb stößt auf DIE SUBSTANZ DES BÖSEN ...
Suyemi Taeb – Die Ex-Agentin hört Stimmen im Kopf.
Jar-Alim-V'irn – Die Kartanin lernt zuzuhören.
Hannibal Batty – Der Agent denkt nur an sich.
Sia-Als-Z'ile – Die Kartanin denkt an alle.
Parram
1.
Flammenhölle
Suyemi Taeb
Flammen. Überall Flammen.
Sie züngelten aus den Wänden des unterirdischen Bürokomplexes, loderten aus Schränken und Infokoms, leckten über Tische und verwandelten Sessel in unförmige Klumpen, von denen schwarzer Qualm aufstieg.
Das Helmdisplay zeigte Temperaturen, die Suyemi Taeb ohne ihren TLD-Einsatzanzug nicht hätte überleben können.
Raus! Sie musste schnellstmöglich raus. In der Anlage war ohnehin nichts mehr zu holen, weder in dem Karree aus Büros noch in dem weitläufigen Labor, das sie einschlossen.
Die erhofften Beweise und Unterlagen waren längst dem Flammeninferno zum Opfer gefallen. Falls es sie überhaupt gegeben hatte und der auffallend menschenleere Komplex nicht ohnehin nur einen Hinterhalt für allzu neugierige Agenten dargestellt hatte.
»Batty?«, rief sie über Helmfunk nach ihrem Partner. »Wo steckst du?«
Keine Antwort. Wollte Hannibal Batty nicht oder konnte er nicht?
»Batty?«
Nichts.
Sie rief den virtuellen Lageplan auf und versuchte, sich zu orientieren. Aktuell befand sie sich in einem Eckbüro, ein Ausgang direkt vor ihr, ein zweiter in der Wand zu ihrer Rechten. Und der Weg nach oben und in die Freiheit? Ein Antigravlift in einer Lobby im gegenüberliegenden Eck, also einmal diagonal durch den gesamten Komplex. Taeb war so weit davon entfernt, wie sie nur sein konnte. Nicht gut.
»Batty?«
Immer noch nichts. Was war nur mit diesem dämlichen Kerl los? Egal, sie konnte nicht auf ihn warten.
Sie entschied sich für die Tür vor ihr. Hinter ihr schien das Feuer nicht gar so heftig zu wüten wie hinter der anderen.
Taeb wollte den Antigrav des Anzugs aktivieren, da flackerte das Holo im Helmdisplay – und erlosch.
»Statusmeldung!«, forderte sie von der Anzugpositronik, doch die sprach mit ihr genauso wenig wie Batty. Nur die Notsysteme gehorchten.
Zufall? Pech? Nein, das glaubte sie nicht. Wahrscheinlicher erschienen ihr ausgeklügelte Störfelder. Und das sprach dafür, dass sie tatsächlich in eine Falle gelaufen waren.
Dann eben zu Fuß. Die Klimatisierung arbeitete nicht mehr, aber immerhin schützte die Anzugdämmung vor der Hitze. Freilich nicht so sehr, wie sie gehofft hatte. Sie hatte das nächste Büro kaum betreten, da bildeten sich Schweißperlen auf ihrer Stirn. Ein Hustenanfall schüttelte sie. Natürlich. Das Filtersystem hatten den Geist aufgegeben, und Rauch drang ins Anzuginnere. Gern hätte sie auf autonome Sauerstoffversorgung umgeschaltet, aber auch das verweigerte ihr die Technik, die sie trug.
»Wo bist du, Batty?«, flüsterte sie, eher zu sich selbst, als wirklich in der Hoffnung, dass der Funk noch arbeitete.
Wieder hustete sie.
Drei Schritte weiter, an einem Hologenerator vorbei, hin zur nächsten Tür, zum nächsten Büro. Die Fensterfront, hinter der das Labor lag, barst mit einem lauten Knall. Eine Druckwelle erfasste sie und schleuderte sie inmitten eines Sturms aus Glassitsplittern gegen die Wand. Ihr Hinterkopf prallte gegen das Helminnere. Der Schmerz trieb sie an den Rand der Bewusstlosigkeit.
Bilder blitzen vor ihrem inneren Auge auf. Ein Feuerwerk an Erinnerungen. Ihre Ermittlungen, Hannibal Batty, die Kollegen, Batty, das vor wenigen Minuten noch unversehrte Labor, und immer wieder Hannibal Batty, der sie so schmählich im Stich ließ.
*
Als sie den Kollegen beim Terranischen Liga-Dienst erzählte, dass ihr ein Einsatz mit Hannibal Batty bevorstand, fielen die Reaktionen beunruhigend identisch aus. Augenrollen, mitleidiges Seufzen, aufmunterndes Schulterklopfen, Durchhalteparolen.
Also besorgte sie sich seine Personalakte. Batty war 50 Jahre alt, 1,75 Meter groß. Braungraue Haare wuchsen in einem Kranz um eine Scheitelglatze, die er, der Mode entsprechend, zackig ausgeschnitten hatte. Eine lange, schmale Nase ergänzte das kantige Gesicht.
Battys Spezialgebiet war die kreative Technik. Das wusste Taeb zunächst nicht einzuordnen. Aber nach weiteren Recherchen stellte sich heraus, dass er sich offenbar ein exzellentes technisches Verständnis angeeignet hatte und es im Einsatz einfallsreich umzusetzen wusste. Angeblich war es ihm dank seiner Improvisationskünste einmal sogar gelungen, das Energiesystem seines Schutzanzuges so zu kalibrieren und neu zu verteilen, dass er damit einen defekten Strahler hatte abfeuern können.
In Taebs Ohren klang das sehr vielversprechend.
Nur stand in den Akten nichts von dem großen Aber. Hannibal Batty war ein Mistkerl. Einer der reinsten Sorte.
Bei der Einsatzvorbereitung war davon nichts zu bemerken. Im Gegenteil erwies sich Batty als überaus fähig.
Ihr Auftrag bestand darin, einem Gerücht nachzugehen. Angeblich produzierte eine kriminelle Vereinigung Chips in hoher Zahl. Unter die Haut implantiert, versprachen die Dinger, so etwas wie kleine Zellaktivatoren zu sein.
Nun ja, sehr kleine Zellaktivatoren. Sie manipulierten den Hormonhaushalt, sodass man länger konzentriert arbeiten konnte, die Müdigkeit nicht mehr spürte und zu sportlichen Höchstleistungen in der Lage war. Wenn man schlief, kam man ohne negative Auswirkungen mit der Hälfte der üblichen Zeit aus.
Batty grub tiefer und fand heraus, dass weit mehr hinter der Sache steckte. Die kleinen Wunderdinger wirkten zwar wie versprochen, schließlich sollten sich möglichst viele Terraner welche einsetzen lassen.
Allerdings gab es noch eine kleine Nebenanwendungsmöglichkeit für die Hersteller. Die Chips griffen nicht nur auf den Hormonhaushalt zu, sondern auf die Gehirnströme. Aus der Ferne konnte man damit Erinnerungen manipulieren oder löschen. Ein gefundenes Fressen für mächtige Organisationen, um Menschen zu erpressen, ihre Identität zu verändern oder sie ganz neu zu programmieren.
Bis die Nutzer merkten, was sie sich antaten, war es längst zu spät.
Zweimal hatten Taeb und Batty geglaubt, die Labore und Produktionsstätte gefunden zu haben.
Zweimal hatten sie die Gebäude von einem Einsatzkommando stürmen lassen.
Zweimal waren sie auf nichts gestoßen als auf verlassene Räumlichkeiten, in denen Spinnweben, Staub und vereinzelte Ratten die Herrschaft übernommen hatten.
Beim dritten Mal entschieden sie, allein vorzugehen, bevor sie eine weitere Schlappe riskierten.
Von außen war einmal mehr nicht zu erkennen, ob sie das illegale Labor tatsächlich gefunden hatten. Das alte Fabrikgebäude erschien marode, und Holos warnten davor, das Gelände zu betreten: es herrsche Lebensgefahr.
Taeb, die sich ohnehin ungern etwas sagen ließ, hätte normalerweise auf solche Mahnungen gepfiffen. Doch beim Anblick der geborstenen Glassitscheiben, des windschiefen Dachs und den Wasserflecken entlang der Außenwand war sie geneigt, den Holos zu glauben. In so einer Ruine konnte sich wohl kaum eine der modernsten Forschungsstationen der kriminellen Szene verbergen. Oder doch?
»Genau das ist die perfekte Tarnung!«, sagte Batty, nachdem sie ihm ihre Bedenken mitgeteilt hatte. »All unsere Hinweise haben zu diesem Ort geführt. Also sehen wir nach.«
Mit diesen Worten überwand er die Absperrung und näherte sich einem klaffenden Loch in der Wand.
»Nicht so schnell!«, rief sie ihm nach und bemühte sich nicht, ihren Ärger zu unterdrücken. »Wenn hier an den Chips geforscht wird, ist das Gebäude wahrscheinlich bestens überwacht und abgesichert.«
»Oha!« Er drehte sich zu ihr um. Seine Miene war so blasiert, als bettle er um eine Backpfeife. »Als hätte ich das nicht längst in Betracht gezogen! Oder warst du so stolz, dass dein stotternder Extrasinn doch mal einen guten Einfall hatte?«
Ernsthaft? Sie steckten mitten in einem potenziell gefährlichen Einsatz, und er hielt es für einen guten Zeitpunkt, sie mit ihrem Extrasinn aufzuziehen? Der eben mal funktionierte und mal nicht.
Und überhaupt: Warum wusste er von ihrem problembehafteten Logiksektor? Darüber war nichts in ihren Akten vermerkt.
Arroganter, selbstgerechter, schnüffelnder Mistkerl!
Aber sie folgte ihm. Natürlich folgte sie ihm. In eine leer stehende Fabrik, in der nur noch Überbleibsel der Produktionsstraßen, Halterungen von Traktorstrahlgeneratoren und Spinnweben zu entdecken waren.
In einem abgelegenen Eck hinter einem Berg von Metallschrott verbarg sich der Zugang zu einem Antigravlift, der in die Tiefe führte.
»Na also«, sagte Batty.
»Sollten wir nicht Verstärkung rufen?«, schlug Taeb vor. »Wir wissen nicht, was uns dort unten erwartet.«
Doch da war Batty schon in den Lift gestiegen und schwebte nach unten.
Sie verkniff sich einen Fluch und folgte ihm. Bei Gelegenheit würde sie mit ihm aber über die Definition des Begriffs Teamfähigkeit diskutieren müssen.
Der Lift brachte sie in eine Lobby. Linker Hand lag eine Büroflucht, rechter Hand ein Labor. Das war praktischerweise als solches an der Glastür beschriftet, versehen mit diversen Warnhinweisen über Schutzanzüge und Desinfektion.
Hatten sie gefunden, wonach sie suchten? Taeb war nicht sicher. Einiges erschien ihr rätselhaft. Warum waren sie allein in diesem unterirdischen Komplex? Wo waren die Mitarbeiter, die Forscher, die leitenden Köpfe?
Taeb sprach ihre Befürchtung aus.
Batty winkte ab. »Hier sind wir richtig. Das spür ich.«
Er machte sich an die Durchsuchung. Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm zu helfen. Sie arbeiteten sich von der Lobby aus immer weiter vor. Das Labor erwies sich als gut ausgestattet und groß.
Bis Batty sie plötzlich stehen ließ und ihr auftrug, in einem der Eckbüros auf sie zu warten, weil er noch nach etwas sehen müsse.
Einige Minuten später hörte sie die ersten Explosionen im Labor. Flammen loderten aus den Türen. Die Hölle brach über Suyemi Taeb herein.
*
So war das gewesen. Bei der Erinnerung stieg erneut stieg Zorn in Taeb hoch. Es war dieser Zorn, der sie inmitten des Infernos daran hinderte, in die Bewusstlosigkeit zu rutschen.
»Batty!«, versuchte sie es noch einmal über den Helmfunk, während sie sich hochstemmte und blind durch die lodernden Feuer vorwärts tastete.
Neben ihr explodierte etwas. Sie schrie auf.
Trotz der schreckenerregenden Umstände funktionierte ihr Verstand ausgezeichnet. Was war geschehen? Waren Batty und sie wirklich in eine Falle gelaufen? Oder hatte Batty versehentlich einen Selbstzerstörungsmechanismus ausgelöst Und wo verdammt noch mal steckte dieser Kerl?
Vielleicht hatte sie sich zu sehr auf ihn verlassen. Schließlich war er von ihnen beiden der Technikexperte. Wenn schon nicht auf seinen Charakter, dann hatte sie sich wenigstens auf seine fachliche Kompetenz verlassen wollen!
Das war wohl ein Fehler gewesen. Einer, der dazu geführt hatte, dass Taeb nun hustend und nach Luft ringend durch brennende Büros stolperte, ohne Hilfe von außen erwarten zu dürfen.
Noch schlimmer allerdings wäre es, wenn sie bei dieser Aktion ihren Partner verlöre. Egal was für ein Ekel er war. TLD-Agenten ließen einander nicht im Stich!
Sie versuchte, ihn über ihr Multifunktionsarmband zu orten. Erneut vergebens. Die Störfelder legten die Funktionen des Armbands genauso lahm wie den Anzug.
Taeb bemühte sich, einen klaren Gedanken zu fassen. Jetzt wäre ein geeigneter Augenblick für einen hilfreichen Vorschlag des Extrasinns, dachte sie.
Aber nichts. Der Logiksektor ließ sie im Stich, wie so oft.
Sie setzte einen Fuß vor den anderen. Es grollte und krachte. Lange würde das Gebäude nicht mehr standhalten. Sie musste eine Entscheidung treffen, und zwar auf der Stelle. Sollte sie den langen Weg durch die Büros zur Lobby nehmen und zusehen, ob sie doch noch etwas Nützliches bergen konnte? Kontaktlisten, Gesprächsprotokolle, im besten Fall sogar Bauanleitungen für die Chips. Bloß, wie wahrscheinlich war es, dass ihr das gelang?
Also doch den kürzeren Weg quer durchs Labor? Dort tobte die Flammenhölle noch wilder. Und wer wusste, welche Chemikalien da vor sich hin brodelten und die Luft vergifteten?
Über ihr kreischte Metall. Die Decke glühte rot. Direkt vor Taeb sackte sie herab, und Steinbrocken der oberirdischen Fabrikruine krachten auf den Boden. Taeb rettete sich mit einem Sprung zur Seite und rollte sich ab.
Ich muss hier raus, und zwar sofort.
Originelle Erkenntnis. Und das ganz ohne die Hilfe des Extrasinns.
Der Weg durch die Büros war ihr nun versperrt. Eine Entscheidung des Schicksals. Also doch durch das Labor.
Sie setzte zum Sprint an. Mittlerweile wogen ihre Beine tonnenschwer. Sie hatte in den vergangenen Minuten zu wenig Sauerstoff und zu viel Qualm eingeatmet. Ihr Körper versagte. Mühsam schleppte sie sich vorwärts. Die Rauchschwaden wurden dichter, versperrten ihr die Sicht. Sie ließ sich auf den Boden fallen und kroch auf allen vieren voran.
Nur immer weiter!, trieb sie sich an. So weit kommt es noch, dass ich mich gemeinsam mit Batty beerdigen lasse.
Ihr schauderte. Hielt sie ihn tatsächlich für tot? Ja. Nein. Sie wusste es nicht. Aber fast hoffte sie es für ihn. Denn nur das würde ihn entschuldigen. Wer würde seine Partnerin in so einem Moment zurücklassen?
Die Antwort war einfach: jemand wie Batty.
Wieder brach ein Stück der Decke ein, lautstark und staubend. Erneut versperrten ihr Steinbrocken den Weg.
Das war's also, gestand sie sich ein. Sie würde den Antigravlift nicht erreichen.
Wenn der überhaupt noch funktioniert, schaltete sich ihr Extrasinn ein.
Wirklich? Jetzt bist du da? Wo es zu spät ist?
Wieso zu spät? Mittlerweile müssten die Sicherheitssensoren der umliegenden Gebäude den Brand registriert und Hilfe angefordert haben. Du musst nur auf dich aufmerksam machen.
... wie ...?, schoss ein halber Gedanke durch ihren Kopf.
Beißender Rauch drang in ihre Kehle.
Keine Antwort vom Extrasinn.
War ja klar. Der Extrasinn war nur kurz aufgeflackert, wie um Abschied zu nehmen. Nun, wenigstens war es wirklich ein letztes Mal. Eine weitere Gelegenheit würde er nicht bekommen.
Eine Träne rann ihr aus dem Augenwinkel. Obwohl er ihr nicht hätte helfen können, hätte sie doch gern mit jemandem gesprochen, während sie starb.
Mit jemandem sprechen! Wenn die Labordecke einstürzte und die Systeme versagten, weil das Feuer sich durchs Gebäude fraß, dann waren mittlerweile vielleicht auch die Störsender desaktiviert.
»Batty?« Es war nicht mehr als ein Flüstern. Aber wenn – falls! – Batty noch nicht tot war, hörte er sie über den hoffentlich reaktivierten Helmfunk.
Und wenn nicht, war sein Name vollkommen vergebens ihr letztes Wort.
Nach drei Sekunden kam noch immer keine Antwort. Sie gestand sich ihre Niederlage ein. Mochte es wenigstens schnell gehen. Sie öffnete den Helm manuell und ergab sich ihrem Schicksal.
Ihr linker Arm schmerzte. Dann der rechte. Ein Ruck ging durch ihren Körper, riss sie in die Höhe, und dann war da nur noch Leichtigkeit.
Fühlte es sich so an zu sterben?
Sekunden, Minuten, vielleicht Jahre trieb sie so dahin.
Dann riss sie die Augen auf. Über ihr strahlte blauer Himmel.
Luft – Sauerstoff! – flutete ihre Lungen. Sie japste, hustete. Mit jedem neuen Atemzug klärten sich ihre Sinne.
Jemand trug sie. Mit einem funktionierenden Antigrav. Der Störfeldgenerator war offenbar selbst ein Raub der Flammen geworden.
Unsanft landete sie gemeinsam mit Batty auf dem Boden neben der Fabrik. Mit einem ohrenbetäubenden Tosen brach das Gebäude unter einer Wolke aus Staub und Rauch zusammen.
Er hatte sie gerettet. In letzter Sekunde.
Batty rappelte sich auf und klopfte den Dreck von seinem Anzug. Er machte keine Anstalten, ihr die Hand zu reichen.
Unter Schmerzen quälte sie sich hoch und hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Alles um sie herum schwankte.
Aber sie lebte.
Batty betrachtete sie kühl. Selbst nachdem er sie dermaßen in Gefahr gebracht hatte, zeigte seine Miene nichts als Überheblichkeit. Er öffnete seinen Helm und musterte sie wie etwas, das die Straßenreinigung nicht hatte entfernen können. »Deinen Antigrav hattest du wohl vergessen?«
»Nein«, würgte sie hervor. »Ich wollte nur sehen, was da unten noch passiert.« Sie spuckte ein Rauch-Speichel-Gemisch aus. »Wo warst du, verdammt?«
»Ich dachte, du und dein Stottersinn schaffen das schon allein.«
Taeb richtete sich auf und tat, was sie sich vorgenommen hatte: Sie hieb ihre Faust auf Battys Nase.
*
Neunundzwanzig Jahre später:
»Ich habe den von dir gemeinsam mit Sia-Als-Z'ile verfassten Bericht über die Vorkommnisse am Van-See aufmerksam gelesen.« Der terranische Resident Peter Trinista saß hinter dem überdimensionierten Schreibtisch in seinem Büro der Solaren Residenz.
Durch die Glassitscheiben sah Suyemi Taeb auf den Residenzpark hinunter, über dessen See der Regierungssitz in Form einer über tausend Meter hohen Orchidee schwebte.
»Dann wird dir die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen nicht entgangen sein.« Taeb wollte die Unterhaltung so knapp wie möglich halten.
Nicht ohne Grund war sie aus dem TLD ausgestiegen. Sie war nicht gemacht für Verwaltungskram und Besprechungen. Sie wollte raus und handeln. Deshalb arbeitete sie mittlerweile freiberuflich.
Nur war die Bedrohung durch die Vantani eine offizielle Angelegenheit. Perry Rhodan hatte darauf bestanden, sie hinzuzuziehen. Weil sie eine der Besten war. Und diesem Urteil sollte sich Trinista bitte einfach anschließen und sie ihre Arbeit machen lassen!
»Die Vantani sind eine nicht zu unterschätzende Gefahr«, fuhr sie fort.