John Sinclair 2378 - Rafael Marques - E-Book

John Sinclair 2378 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Raniel der Gerechte war zum Dämon geworden - und zum Engeltöter!
Während ich diese Tatsache noch zu verdauen versuchte, meldete sich der Erzengel Michael bei mir und erteilte mir einen Auftrag, von dem ich nicht wusste, ob ich ihn ausführen konnte: "Ich werde dich in eine Dimension schicken, eine der zahlreichen Engelwelten, über die Raniel hergefallen ist wie ein Heer Höllenengel! Du wirst ihn vernichten müssen, denn zu retten ist er nicht mehr!"
Kurz darauf wurde ich meiner Realität entrissen und fand mich auf einer mir unbekannten Welt wieder. Und überall fand ich die Leichen zerfetzter Engel, die einen grausamen Tod gestorben waren!


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Seitenzahl: 134

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Inhalt

Cover

Raniel, der Dämon

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Raniel, der Dämon

(Teil 2 von 3)

von Rafael Marques

Es war eine Nacht, in der ich keinen Schlaf fand. Sicher nicht, weil über London ein Gewitter aufgezogen war und Wind und Regen gegen die Rollläden peitschten, als stünde der Weltuntergang bevor. Dabei hätte ich diese Stunden der Erholung dringend benötigt, nach allem, was im Verlauf der Nacht auf mich eingestürmt war.

Irgendwann lag ich nur noch auf den Rücken und starrte in die Finsternis. Zeit und Raum spielten für mich keine Rolle mehr, doch so sehr ich versuchte, an absolut nichts zu denken und so meiner Seele zumindest einen Hauch von Ruhe zu geben, es gelang mir nicht. Obwohl ich kein Licht eingeschaltet hatte, glaubte ich, dass sich die Decke vor meinen Augen erhellte. Dabei war es nur mein geistiges Auge, das den einzigen, alles beherrschenden Gedanken projizierte. Ein Bild, das ich niemals vergessen würde.

Raniel der Gerechte war zu einem Dämon geworden!

Es war eine Tatsache, die ich akzeptieren musste, was mir wahrscheinlich niemals leicht fallen würde. So wie bei all meinen anderen Freunden, die der dunklen Seite in die Hände gefallen und in Feinde verwandelt worden waren, die mich anschließend hatten töten wollen. Allen voran fiel mir da Will Mallmann ein, der als Dracula II zu einem meiner größten Gegner wurde. Oder Jane Collins, die der Geist des Rippers in eine Hexe verwandelt hatte. Ich dachte auch an Nadine Berger, die zeitweise als Vampirin eben jenem Will Mallmann gedient hatte. Oder ...

Zahlreiche weitere Bilder und Erinnerungen schossen durch meinen Kopf, die es mir nicht leichter machten, mit Raniels Verwandlung zurechtzukommen. Dabei wäre es so leicht gewesen, sie zu verhindern, wenn ich nur nicht so lange gezögert hätte.

Wie so häufig in den letzten Stunden liefen die Ereignisse, die zu dieser fürchterlichen Entwicklung geführt hatten, noch einmal vor meinem geistigen Auge ab. Ich sah mich selbst im Feierabendverkehr stecken, als mir am Straßenrand ein Mann aufgefallen war, der mich beobachtet hatte. Ein Halbengel, wie sich später herausgestellt hatte, der auf der Suche nach mir war, gleichzeitig aber auch auf der Flucht vor Varanga, auch Luzifers Kopfgeldjäger genannt. Dem gelang es, den Halbengel zu töten und durch eine goldene Revolverkugel in einen Dämon zu verwandeln.

Kurze Zeit später trafen wir auf Varangas nächstes Opfer, weitere Halbengel und schließlich Raniel selbst, der gerade auf der Jagd nach den Ausputzern der Hölle war, einer gefährlichen Gruppe Kreaturen der Finsternis. Dabei wurde auch er von einer goldenen Kugel getroffen und so schwer verletzt, dass er befürchtet hatte, sich langsam ebenfalls in einen Dämon zu verwandeln.

Den Ausputzern unter der Führung eines gewissen Kovalev gelang es, die Halbengel zu entführen und so Raniel, Suko und mich in eine Falle zu locken. Obwohl ich es hätte verhindern können, wurde der Gerechte von Varanga in einen Dämon verwandelt. Während der Kopfgeldjäger mit dem golden schimmernden Totenschädel entkam und ich die Halbengel vor dem Höllenfeuer rettete, stellte sich der verwandelte Raniel gegen die Kreaturen der Finsternis und vernichtete sie mit erschreckender Leichtigkeit. Beinahe hätte ich das Kreuz aktiviert, um ihn zu stoppen, doch im letzten Moment war er spurlos verschwunden.1

Das Klappern der Rollläden riss mich wieder in die Gegenwart. Eigentlich hätte ich längst Godwin de Salier in Alet-les-Bains anrufen und ihn darum bitten sollen, in den Archiven der Templer nach einem Mann namens Varanga Abramus zu suchen. Dank Jane Collins wussten wir zumindest, dass Luzifers Kopfgeldjäger einst dieser Gruppierung angehört und den Orden später verflucht hatte, als er auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden war und ›zur Hölle fuhr‹. Was immer das auch bedeuten mochte.

Noch aber lastete der Druck so schwer auf mir, dass ich kaum in der Lage war, den Kopf anzuheben. Tonnenschwere Bleigewichte schienen auf meinen Gliedern zu liegen und mich ans Bett zu fesseln. Oder war es das Kreuz, das immer noch auf meiner Brust lag und mich auf diese Art für mein Versagen bestrafen wollte? Hätte ich es früher aktiviert, wäre Raniel wahrscheinlich gestorben, andererseits aber nicht zu einem Dämon geworden.

Bitte, töte ihn nicht!

Schlagartig fielen alle Gewichte von mir ab, als ich in die Höhe schreckte. Die Stimme hatte so nahe und gleichzeitig auch fern geklungen, ein Umstand, für den ich zunächst keine Erklärung fand. Auf jeden Fall stand niemand neben dem Bett, das hätte ich selbst in der Dunkelheit gespürt. Mir kam es eher so vor, als hätten mich die Worte durch die Grenzen der Dimensionen erreicht, vielleicht sogar aufgefangen durch die Macht meines Kreuzes.

Ich dachte über die Stimme nach. Sie hatte weiblich geklungen, auch sehr jung, wie die eines Mädchens. Eines, das mit Engel-Magie in Verbindung stand, denn sonst hätte mein Kreuz sicher nicht als Transmitter fungieren können. Bisher blieb mir nur ein Rätsel, um wen es sich dabei handeln könnte.

Ich tastete nach meinem Kreuz. Das geweihte Silber war nicht ganz kalt und auch nicht warm. Eine wirkliche Reaktion sah definitiv anders aus, zumal die schwache Wärme auch von meinem Körper hätte stammen können.

»Wer spricht da?«, fragte ich in die Dunkelheit hinein.

Ich liebe ihn, töte ihn nicht!

Der Klang der Stimme ließ mich zusammenzucken, zumal sie sich anhörte, als würde die Sprecherin direkt neben mir liegen und hätte mir die Worte direkt ins Ohr geflüstert. Natürlich war da niemanden, als ich das Bett abtastete. Wer immer auch versuchte, auf diese mysteriöse Weise mit mir Kontakt aufzunehmen, blieb in einer anderen Dimension verborgen.

Trotzdem erlebte ich eine Reaktion, nur anders, als ich sie erwartet hätte. Die Mädchenstimme meldete sich kein zweites Mal, dafür begann das Kreuz an seinem oberen Ende zu glühen. Ich musste es nicht einmal abnehmen und mir ansehen, durch den bis zur Decke reichenden Widerschein war auch so zu erkennen, dass das Licht ein geschwungenes M formte. Was wiederum bedeutete, dass der Erzengel Michael versuchte, auf diese Weise Kontakt zu mir aufzunehmen.

Mehrmals hatte ich ihn schon von Angesicht zu Angesicht gesehen, mal in seiner wahren Gestalt als Engel mit Schwert, mal als Schatten oder als matte Projektion.

In diesem Fall erlebte ich nichts dergleichen, es blieb bei dem aus meinem Kreuz dringenden Licht und einer Stimme, die nicht mit jener identisch war, die ich zuvor zweimal vernommen hatte.

»Er muss gestoppt werden, John Sinclair«, wehte die Stimme des Erzengels durch den Raum und hallte als Echo weiter, als würde ich mich nicht in meinem Schlafzimmer, sondern in einer riesigen Kathedrale befinden. »Wir Engel haben ihn mit besonderen Kräften ausgestattet, damit er den Mächten der Finsternis in all ihren Erscheinungsformen entgegentreten kann. Auch sein Schwert wurde von himmlischen Kräften neu erschaffen. Nun aber haben ihn, wie du weißt, zwei goldene Kugeln in einen Dämon verwandelt. Aus besonders hellem Licht kann ein besonders großer Schatten erwachsen, und genau dies ist bei dem Gerechten geschehen. Er hat bereits in kürzester Zeit viel Schaden angerichtet, der nicht wiedergutzumachen ist. Deshalb muss er um jeden Preis gestoppt werden. Ich werde dich in eine Dimension schicken, eine der zahlreichen Engelwelten, die dir unbekannt sein dürfte und über die Raniel hergefallen ist wie ein Heer Höllenengel. Du wirst ihn vernichten müssen, denn zu retten ist er nicht mehr.«

Warum ich?, wäre es mir beinahe über die Lippen gegangen. Ich verkniff es mir, da ich Michael nicht provozieren wollte. Andererseits hatte ich mir schon bei anderen Gelegenheiten die Frage gestellt, warum die Erzengel mitunter nicht selbst eingriffen, um Unheil aufzuhalten, statt es uns Menschen zu überlassen. In unserer Welt konnte ich noch verstehen, dass sie sich aus verschiedenen Gründen zurückhielten, doch in einer Dimension der Engel?

»Jetzt?«, fragte ich stattdessen. »Dann muss ich mich erst anziehen und meine Waffen holen.«

»Tu das.«

Ich kroch aus dem Bett, schaltete das Licht an und griff nach der Beretta, die wie immer auf dem Nachttisch lag. Der Bumerang befand sich im Waffenschrank, in dem ich auch meinen alten Einsatzkoffer, das Vampirpendel und Mareks Pfahl lagerte; die Stiftleuchte steckte noch in der Jacke.

Zum Schluss schlüpfte ich noch in meine Schuhe, bevor ich mich wieder bei Michael meldete. »Ich bin bereit.«

»Gut.«

Bei dem einen Wort blieb es nicht. Das M auf meinem Kreuz leuchtete plötzlich noch stärker, als hätte ich es mit der Formel aktiviert. Der gleißende Schein beschränkte sich bald nicht mehr allein auf das geweihte Silber, sondern griff auch auf mich über, bis mich ein erhebendes Gefühl erfasste. Ich glaubte fast, selbst zu einem Engel zu werden, als ich den Kontakt zum Boden verlor und in die Höhe zu schweben begann.

Unbeschreibliche Kräfte durchfluteten mich, bis zu dem Moment, als sie mich schlagartig in die Schwärze rissen.

Ein süßlicher Duft wehte in meine Nase, als ich aus der kurzen Bewusstlosigkeit erwachte. Schon oft war ich durch fremde Wesen oder magische Kräfte in andere Dimensionen gerissen worden, und fast immer lief dieser Sprung anders ab. In die‍sem Fall war ich zwar kurz ohn‍mächtig geworden, spürte aber we‍der Schmerzen noch Schwindelgefühl.

Entsprechend schnell gelang es mir, erste Eindrücke meiner neuen Umgebung zu gewinnen. In einer Engelwelt sollte ich mich befinden, so viel hatte mir Michael erklärt, allerdings hätte sich dieser düstere Wald, in dem ich mich befand, genauso gut auch auf der Erde befinden können. Stämmige Tannen wuchsen zu allen Seiten in die Höhe, deren massive Wurzeln eine ineinander verschlungene Struktur bildeten, in der ich sogar einige Höhlen entdeckte.

Mich erinnerte dieser Ort eher an Aibon, wenngleich mein Kreuz bisher keine Reaktion zeigte.

Ich richtete mich auf und zog sicherheitshalber meine Beretta.

In dem Wald herrschte eine geradezu bedrückende Stille, nicht ein Tier ließ seinen Ruf durch die Nacht hallen. Ganz automatisch sah ich Richtung Himmel, weil ich wissen wollte, wodurch diese Welt eigentlich erleuchtet wurde. So entdeckte ich auch die drei strahlenden Monde oder matten Sonnen, die einzigen Lichtquellen am ansonsten pechschwarzen Firmament.

Ohne meine Waffe wegzustecken, begann ich, über die Wurzeln hinwegzusteigen. Bei einem Blick zurück fiel mir ein sich schwach im Waldboden abzeichnendes Pentagramm auf, das genau an jener Stelle glühte, an der ich mich gerade aufgerichtet hatte. Offenbar war ich von dem Erzengel durch ein magisches Tor in diese Dimension geschickt worden.

Die einzige Spur darauf, dass hier noch mehr Leben existierte als das, was in den Bäumen steckte, stellte dieser süßliche Geruch dar, der mir nur allzu gut bekannt war. So roch Blut – Menschenblut, um genau zu sein!

In einer von Engeln beherrschten Welt hätte ich mit diesem Duft eher nicht gerechnet.

In diesem Tannenwald existierten weder Wege noch Trampelpfade, nur die allgegenwärtigen Wurzeln, die das Vorankommen deutlich erschwerten. Ich kam mir schon fast wie ein Kletterer oder Bergsteiger vor, und trotz der recht frischen Temperaturen geriet ich bald ins Schwitzen.

Michael musste sich etwas dabei gedacht haben, mich ausgerechnet an diesen Ort zu schicken, trotzdem fand ich bisher keine Hinweise auf den Schaden, den Raniel hier angerichtet haben sollte. Gleichzeitig dachte ich auch wieder an die Mädchenstimme, die sich kurz vor dem Kontakt mit dem Erzengel bei mir gemeldet hatte. Jemand, den diese Person liebte, sollte von mir nicht getötet werden. Dabei konnte es sich im Prinzip nur um den Gerechten handeln, was wiederum Michaels Forderung widersprach, ihn zur Strecke zu bringen. Folglich musste ich davon ausgehen, dass das Mädchen und der Erzengel sich nicht unbedingt positiv gegenüberstanden, andererseits aber auch voneinander wussten, sonst hätten sie sich nicht fast zur gleichen Zeit bei mir gemeldet.

Der Blutgeruch intensivierte sich bald noch weiter, bis meine Finger am Stamm einer Tanne über etwas Feuchtes strichen. Ich führte meine Hand in Richtung Nase und erkannte schnell, dass es sich tatsächlich um Blut handelte.

Mit einem Taschentuch wischte ich es ab, bevor ich nun auch meine Stiftleuchte zog und den Baum näher in Augenschein nahm. Erst jetzt erkannte ich, dass auf der Rinde Unmengen an hellrotem Blut zerlaufen waren, zudem zeichneten sich drei sehr tiefe Einkerbungen in ihr ab. Sie erinnerten mich an die Klauen einer Bestie, wie ich sie auch bei Raniel erlebt hatte, kurz bevor er verschwunden war.

Wenige Meter weiter, in einer von Wurzeln umsäumten Kuhle, entdeckte ich auch das Geschöpf, in dessen Blut ich gerade gefasst hatte. Es handelte sich um einen Engel, einen Mann mit schulterlangem braunem Haar und einem nackten, sehr menschlichen Körper.

Und er war offenbar tot!

Derartige Himmelswesen haben oft ein androgynes Erscheinungsbild, bei diesem Toten war das dagegen nicht der Fall. Lediglich die beiden schmutzigen weißgrauen Flügel wiesen ihn als Engel aus.

In dem Gesicht des Toten zeichneten sich noch die Schrecken ab, die er in den letzten Momenten seiner Existenz durchlebt haben musste. Er war in Angst gestorben, zugleich auch unter fürchterlichen Schmerzen, wenn man die tiefen Wunden betrachtete, die über seine gesamte Brust liefen.

Hinzu kam, dass ihm der rechte Arm fehlte, der ihm entweder abgerissen oder abgebissen worden sein musste.

Mich ließ der Anblick nicht kalt, beileibe nicht. Ein dünner Schweißfilm legte sich auf meine Stirn, auch weil ich immer noch nicht so recht glauben konnte, dass Raniel für eine solche Tat verantwortlich sein sollte.

Die milchig-weißen Augen des Engels standen weit offen. Ich wollte sie ihm schließen und erlebte dabei, wie mein Kreuz auf die Nähe des leblosen Körpers reagierte. Ein schwaches Funkeln durchlief meinen Talisman, bevor genau jenes Licht auf den Toten herabtropfte und innerhalb kürzester Zeit seinen gesamten Körper erfasste.

Von Kopf bis Fuß begann der Engel zu leuchten, woraufhin sein Gesicht einen geradezu friedfertigen Ausdruck annahm. Wenige Sekunden später löste sich das Himmelswesen in einen Lichtkranz auf.

Ich schluckte, während mir zugleich der Gedanke kam, dass der Engel durch die Nähe zu dem geweihten Silber erlöst worden war. Womöglich war er gar nicht wirklich tot gewesen, nur sein Körper, während der Geist an selbigen gebunden war, so lange er noch existiert hatte.

Was würde mich wohl noch in diesem Wald erwarten? Sehr wahrscheinlich weitere Tote, wenn ich daran dachte, was aus Raniel geworden war. Ein Dämon wie er würde sich nicht mit der Ermordung eines einzigen Engels zufriedengeben, wobei ich mich fragte, was wohl sein Ziel sein mochte. Tod und Zerstörung, sicher, aber Dämonen handeln selten ohne Plan, zumal es einen Grund geben musste, warum er sich ausgerechnet diese Dimension als erstes Ziel ausgesucht hatte.

Alles Spekulieren brachte mich nicht weiter. Ich setzte meinen Weg fort und stellte bald fest, dass sich der Wald lichtete, weshalb ich auch die Leuchte wieder wegsteckte. Die drei matten Sonnen spendeten genügend Licht, um sich zu orientieren ...

Ich erreichte eine größere Lichtung, auf der das Gras fast kniehoch wuchs. Ihr Zentrum bildeten sechs steinerne Stelen, die mich im ersten Moment an die Flammenden Steine erinnerten, einen magischen Ort irgendwo in Mittelengland, an dem sich meine atlantischen Freunde um Myxin versteckt hielten. Sicher kam diesen an Menhire erinnernden Steinblöcken eine ähnliche Funkti‍on zu.

Durch das recht hohe Gras entdeckte ich die nächsten Toten erst, als ich beinahe auf sie getreten wäre. Diesmal starrte ich auf zwei blonde, weibliche Engel, zarte Wesen mit schwachen Brustansätzen, als hätten sie sich gerade erst in der Pubertät befunden. Auch ihre faltenlosen, bleichen Gesichter ließen mich eher an junge Mädchen als an Engel denken, wenn da nicht diese etwas schmutzig wirkenden Flügel gewesen wären.

Auch sie waren einen schrecklichen Tod gestorben, der eine Engel, indem man ihm den Hals aufgerissen hatte, dem anderen fehlte das rechte Bein und ein Teil der Schädeldecke.

Der Anblick ließ mich erneut erschaudern.

Ich war schon bereit, auch diese toten Engel mit meinem Kreuz zu erlösen, als eine Art Schmatzen oder Schlürfen an meine Ohren drang. Es stammte aus meiner unmittelbaren Nähe, sodass ich die Beretta in den Anschlag brachte. Ob sie mir gegen einen Dämon wie Raniel weiterhalf, war eher fraglich, andererseits verschaffte sie mir eine gewisse psychologische Sicherheit.

Nach einigen Schritten stellte ich fest, dass sich hinter den Stelen eine Schlucht in die Landschaft gegraben hatte. Von mehreren Seiten flossen glitzernde Bäche auf sie zu und plätscherten in einen See. Auf der dunklen Oberfläche zeigten sich die Reflektionen der drei weißen Sonnen oder Monde, und innerhalb ihres Widerscheins entdeckte ich eine schattenhafte, sicher über fünf Meter in die Höhe ragende Gestalt, in dessen Nähe sich ein weiteres Wesen mit glühenden Augen aufhielt.

Etwas sagte mir, dass dieses zweite Wesen Raniel war!