John Sinclair 2426 - Rafael Marques - E-Book

John Sinclair 2426 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Etwas krampfte sich in meiner Brust zusammen. Vor mir stand Harry Stahl, der zu einem Zombie geworden war!

"Harry?", brachte ich mühsam hervor. "Harry, kannst du mich verstehen?"

Seine Lippen bewegten sich, ohne dass ein Ton aus seiner Kehle drang.

Töte mich, glaubte ich, von ihnen abzulesen.

Meine Finger zitterten, als sie nach dem Kreuz tasteten. Seine Wärme zeigte mir, dass da ein schwarzmagisches Wesen vor mir stand, ein Untoter, geleitet von einer finsteren Kraft.

"Harry, ich werde dich retten", erklärte ich. "Ich lasse dich nicht im Stich. Und schon gar nicht werde ich dich töten."

"Ich bin ... ein Zombie."

Die Worte meines deutschen Freundes gingen mir durch Mark und Bein ...


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Seitenzahl: 132

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Projekt: Zombie

Ian Rolf Hill's Leserseite

Vorschau

Impressum

Projekt: Zombie

von Rafael Marques

Mit einem ohrenbetäubenden Knall flog die Tür auf.

Staub wirbelte auf, und zwei Männer stürmten in den lichtlosen Raum. Die Luft war abgestanden, kaum zu atmen, immerhin war seit Jahrzehnten kein frischer Sauerstoff an diesen Ort gedrungen.

Die Lichtstrahlen der Taschenlampen schnitten wie Messer durch die Finsternis, die sich vor den beiden Männern auftat. Ihr Schein offenbarte das schaurige Geheimnis, das hier so lange Zeit verborgen gewesen war. Wer hätte auch ahnen können, dass in diesem vergessenen Keller unterhalb eines leer stehenden Plattenbaus am Stadtrand von Leipzig das nackte Grauen lauerte!

Sechs Särge, sternförmig um einen Tank platziert, bildeten das Zentrum dieses Raums. Die unheimliche Hinterlassenschaft eines ehemaligen Stasi-Wissenschaftlers, der seit vielen Jahren als tot galt und nun anscheinend aus dem Jen‍seits zurückgekehrt war.

Die beiden Männer, die sich mit gezückten Waffen durch den Keller bewegten, waren ihm auf der Spur. Ein MAD-Agent und ein BKA-Kommissar, der einst Polizist in Leipzig gewesen war, bevor es ihn auf verschlungenen Pfaden in die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden verschlagen hatte.

Harry Stahl!

Es handelte sich um keine offizielle Ermittlung, in die Harry und auch seine Partnerin Dagmar Hansen involviert waren. Vielmehr war eine gemeinsame Anfrage des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes bei ihrem Vorgesetzten eingegangen. Sozusagen eine geheime Amtshilfe, da niemand außerhalb eines bestimmten Personenkreises davon erfahren sollte. Zu brisant erschien die Existenz jener Person, der sie nun hinterherjagten.

Der Name des Mannes war Dr. Theodor Dietrich. Ein Wissenschaftler in Diensten des Ministeriums für Staatssicherheit, allgemein nur ›Stasi‹ genannt, der kurz vor der Wende angeblich ums Leben gekommen war. Doch der MAD hatte nie wirklich daran geglaubt und daher seine ehemaligen Besitztümer weiterhin unter Beobachtung gehalten, selbst jetzt noch, so lange nach seinem angeblichen Tod.

Unter der Hand kannte man Theodor Dietrich auch noch unter einem anderen Namen. ›Doktor Zombie‹ war er genannt worden, weil er angeblich Experimente mit menschlichen Versuchsobjekten durchgeführt hatte, um sie in lebende Tote zu verwandeln. Dunklen Praktiken sollte er sich verschrieben haben, einer unheiligen Magie.

Als dann immer wieder Agenten der Stasi unter seiner Obhut spurlos verschwanden, entließen ihn seine Vorgesetzten.

Doch nun sollte er zurückgekehrt sein, um sein einmal begonnenes Werk zu Ende zu bringen.

Harry ließ seine Beretta sinken und trat zwischen die sechs schwarzen Metallsärge. Dabei dachte er daran zurück, wie die Ermittlungen ihren Anfang genommen hatten. Ein Agent des MAD, der mit der Aufgabe betraut war, Dietrichs ehemalige Villa zu observieren, war Zeuge geworden, wie der totgeglaubte Hausherr in das verlassene Gebäude eingebrochen war. Er hatte diese Information noch an seinen Vorgesetzten absetzen können, anschließend riss der Kontakt zu dem Mann ab. Erst zwei Tage später fand man ihn in seiner Wohnung – tot und dennoch lebendig.

Als Zombie hatte er seine eigenen Kollegen angegriffen. Nur mit größter Mühe war es ihnen gelungen, ihn zu überwältigen und in einen geheimen Trakt eines Untersuchungsgefängnisses zu sperren.

Dort hatten Harry und Dagmar ihm einen Besuch abgestattet.

Zu einer normalen Kommunikation war der Agent nicht mehr in der Lage gewesen. Er wurde nur noch beherrscht von dem Trieb, Menschen anzugreifen und ihr Fleisch zu vertilgen. Schließlich hatte Dagmar ihn mit einer Silberkugel erlöst.

Und nun, während seine Partnerin nach noch lebenden Verwandten von Theodor Dietrich suchte und diese befragte, waren Harry und ein Kontaktmann vom MAD namens Ralf Michaelsen bei ihren Ermittlungen auf diesen Keller gestoßen.

Der gehörte zu einer Plattenbausiedlung aus drei Gebäuden, die man schon vor Jahrzehnten hatte abreißen wollen, um sie durch moderne Apartmenthäuser zu ersetzen. Dann aber war dem Investor wohl das Geld ausgegangen, weshalb das Gelände ringsum inzwischen völlig verwildert war, während die zerfallenen Häuser, die noch aus DDR-Zeiten stammten, allerlei düsteres Gesindel anzogen, dem es nicht schwerfiel, die morschen Bauzäune zu überwinden.

»Was ist das für ein Raum?« Michaelsen schwenkte den Lichtkegel seine Taschenlampe von links nach rechts.

Außer dem verschlossenen Metalltank und den Särgen war der Raum völlig leer. Nicht einmal Schimmel zeichnete sich an den Betonwänden ab, die auch keine Spuren von Graffiti zeigten. Offenbar war all die Jahre niemand bis zu diesem unheimlichen Ort vorgedrungen.

»Ich denke, wir sehen hier den Grund, warum Theodor Dietrich ›Doktor Zombie‹ genannt wurde«, mutmaßte Harry.

Er ahnte, was sich in den Särgen befand. Keine Leichen, sondern lebende Tote, die seit dem Mauerfall – oder sogar noch länger – darauf warteten, befreit zu werden und auf die Jagd nach Menschenfleisch zu gehen.

Michaelsens Gesicht war noch blasser geworden. »Verdammt, ich habe ja gesehen, was mit Daniel Kristoff passiert ist«, erinnerte er sich an seinen Geheimdienst-Kollegen, der von Dagmar erlöst worden war. »Aber das ist eine völlig neue Stufe. Was haben Sie jetzt vor?«

»Nichts überstürzen jedenfalls.«

Zombies zählten zur untersten Kategorie schwarzmagischer Wesen, was jedoch nicht bedeutete, dass man sie unterschätzen durfte. Harry hatte da seine Erfahrungen, und die waren alles andere als angenehm.

Seit vielen Jahren ruhten diese Kreaturen in diesem Kellerraum, und wenn Michaelsen oder er jetzt einen Fehler begingen, erwachten sie alle gleichzeitig. Trotz der mit Silberkugeln geladenen Waffe würde es für Harry bei einem solchen Szenario lebensgefährlich werden. Vorausgesetzt natürlich, er lag mit seiner Vermutung richtig, und in den Särgen ruhten Untote.

Es waren nicht nur die Totenkisten, die sein Interesse weckten. Als er an sie herangetreten war, waren ihm die Schläuche aufgefallen, die von dem zylindrischen Metalltank in der Mitte des Raumes zu den Särgen führten und somit eine Art Leitungsnetz bildeten.

Der Deckel des Tanks war mit einem Vorhängeschloss versehen, das sich nicht ohne Weiteres öffnen ließ.

Harry warnte den MAD-Mann, bevor er die Mündung der Beretta an das Schloss setzte und einen Schuss abgab. Das Schloss zersprang, und Harry konnte daraufhin die Klappe öffnen.

Nur Sekundenbruchteile später bereute er es. Der Gestank, der ihm aus dem Tank entgegenströmte, war so entsetzlich, dass er sich beinahe übergeben hätte. Etwas musste dort langsam vor sich hin verwesen, hinzu kamen einige undefinierbare Nuancen, für die er keine Erklärung fand.

»Verdammt, was ist das?«, stieß Michaelsen hervor, der sich den Kragen seiner Jacke vor die Nase presste.

Harry gab ihm keine Antwort. Durch seine Tätigkeit als Ermittler für besondere Fälle war er in seiner Karriere bereits mit unzähligen bestialischen Gerüchen konfrontiert worden, besonders wenn es um Ghouls ging. Da musste er an den Fall mit den Leichenfressern in der Lüneburger Heide denken, an den er erst vor wenigen Stunden von seinem britischen Freund John Sinclair erinnert worden war.*

Doch dieser Gestank sprengte selbst diese Dimension.

Mit einem Taschentuch vor der Nase leuchtete er in den Tank. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass sich darin Hunderte Liter Blut befanden, in dem möglicherweise noch diverse Leichen schwammen. Stattdessen riss das Licht eine kristallklare Flüssigkeit aus der Dunkelheit, die den Behälter bis etwa zur Hälfte füllte.

Wie verloren trieb ein einziger, blanker Totenschädel an der Oberfläche. Auf der bleichen Stirn entdeckte Harry ein seltsames schwarzes Zeichen, bei dem zwei stilisierte Schlangen und eine Art Kreuz ineinander verwoben waren.

Er sah ein solches Symbol nicht zum ersten Mal, dennoch gelang es ihm nicht, sich an dessen Bedeutung zu erinnern.

»Und?«, rief ihm der MAD-Agent zu.

Harry berichtete ihm, was er in dem Tank gefunden hatte. »Wenn Sie mich jetzt fragen, was es damit auf sich hat, kann ich Ihnen darauf leider auch keine Antwort geben«, fügte er hinzu.

»Warum sollte jemand einen Tank mit einer klaren Flüssigkeit und einem Totenschädel mit Schläuchen mit sechs Särgen verbinden?«, wunderte sich Michaelsen.

»Das ist eine gute Frage.«

Um sich ein klareres Bild zu verschaffen, entschied sich Harry, auch einen der Särge zu öffnen. Wenn er dem Geheimnis dieses Raumes auf den Grund gehen wollte, blieb ihm nicht viel anderes übrig. Allerdings hätte er sich mit Dagmar an seiner Seite deutlich wohler gefühlt, die zusätzlich über latente Psychonauten-Kräfte verfügte. Die hatten ihnen schon einige Male das Leben gerettet. An John wollte er gar nicht denken, obwohl sich dieser wegen einem anderen Fall ebenfalls in Deutschland aufhielt.

Zu seiner Überraschung waren die Särge nicht mit einem Vorhängeschloss oder ähnlichen Sicherungsmaßnahmen versehen. Mit der Schuhspitze stieß er gegen einen der Deckel und stellte fest, dass er sich sogar recht leicht bewegen ließ.

Da er Ralf Michaelsen, der keinerlei Erfahrungen mit schwarzmagischen Wesen hatte, nicht in Gefahr bringen wollte, versuchte er, die Metallauflage mit einer Hand zur Seite zu bewegen. Nachdem es ihm gelungen war, ihn ein Stück zu verschieben, stieß er mehrmals mit dem Schuh gegen den Deckel, der krachend zur Seite kippte.

In dem Sarg befand sich tatsächlich eine Leiche. Zumindest nahm Harry an, dass er einen Toten sah, denn der Mann wies keine Verwesungserscheinungen auf. Seine Haut war auch noch nicht blass geworden. Es schien viel eher so, als hätte sich der etwa Dreißigjährige mit der hellblonden Kurzhaarfrisur erst vor wenigen Minuten schlafen gelegt. Er trug einen schwarzen Anzug.

Trotzdem strömte Harry derselbe entsetzliche Gestank wie aus dem Tank entgegen, was sicher an der klaren Flüssigkeit lag, die sich in einer Höhe von wenigen Zentimetern am Boden des Sargs ausbreitete. Er entdeckte sogar die Öffnung des Schlauchs, aus dem die wasserartige Substanz herabtropfte.

War dieser Mann ein Zombie oder nicht? Wenn es sich um einen normalen Untoten gehandelt hätte, wäre er sicher längst in die Höhe gefahren und hätte Harry angegriffen. Das geschah nicht, und auch in den vergangenen Jahrzehnten, während denen dieser Raum sicher von niemandem betreten worden war, hatte dieser Tote keine Anstalten gemacht, seinen Sarg zu verlassen.

Andererseits war der Zustand des Körpers alles andere als normal. Harry hatte schon von Wachsleichen oder einbalsamierten Toten gehört, die für die Ewigkeit konserviert waren. Das war bei diesem Mann nicht der Fall, denn seine Gesichtshaut ließ sich ohne Weiteres eindrücken, wie Harry es gerade mit dem Lauf seiner Waffe tat. Sicherlich waren die Flüssigkeit und auch der in dem Tank treibende Totenschädel mit dem seltsamen Symbol dafür verantwortlich.

Ein John Sinclair hätte längst mit seinem Kreuz gespürt, ob hier schwarze Magie am Werk war. Harry besaß kein solches Utensil, ihm blieben lediglich die geweihten Silberkugeln, die der Geisterjäger ihm regelmäßig zukommen ließ. Wollte er herausfinden, ob der Tote vor ihm tatsächlich ein Zombie war, musste er ihm eine solche Kugel aus geweihtem Silber in den Körper schießen.

Genau das hatte er auch vor.

Ohne Ralf Michaelsen eine Erklärung für sein Verhalten zu liefern, richtete er die Mündung der Beretta auf die Brust der Leiche. Normalerweise ließen sich Untote bereits durch einen Kopfschuss vernichten, deshalb wollte er die Reaktion der Leiche testen, wenn ein anderer Teil seines Körpers mit geweihtem Silber in Kontakt kam.

»Das kann ich nicht zulassen, Herr Stahl!«, sagte der MAD-Agent unvermittelt und riss Harry aus der Konzentration.

Sein Kopf ruckte zur Seite, und als er Michaelsen ins Gesicht sah, gefror er innerlich.

Der Agent hielt seine Waffe auf Harry gerichtet!

»Was zum ...?«, murmelte Harry fassungslos.

Michaelsen, der seine Lampe gesenkt hielt, schien von seiner Aktion selbst alles andere als überzeugt. Sein Waffenarm zitterte, was für einen erfahrenen Agenten wie ihn sicher alles andere als normal war.

Aber was galt schon als normal, wenn man einen Kollegen vom BKA mit einer Pistole bedrohte?

»Waffe fallen lassen und Hände hoch!«, zischte Michaelsen. »Ich sage es kein zweites Mal!«

Harry folgte den Anweisungen nach kurzem Zögern. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, den Helden zu spielen. Die Kugel des MAD-Agenten würde ihn treffen, noch ehe es ihm gelänge, den Lauf seiner Waffe auf ihn zu richten.

Außerdem ging er davon aus, dass Ralf Michaelsen kein eiskalter Mörder war, denn wenn er wirklich Harrys Tod gewollt hätte, wäre er sicher schon längst nicht mehr am Leben.

»Sie stecken also mit Theodor Dietrich unter einer Decke«, mutmaßte der BKA-Kommissar. »Dann haben Sie sicher längst gewusst, was uns hier erwarten würde. Anscheinend muss ich Ihnen für Ihre schauspielerische Leistung gratulieren.«

Der Agent stieß einen Fluch aus. »Reden Sie keinen Mist, Stahl! Ich habe überhaupt nichts gewusst.«

»Also haben Sie sich spontan dazu entschieden, Ihr Berufsethos über Bord zu werfen?«

»Sie verstehen gar nichts!«, entgegnete ihm Michaelsen unwirsch. »Und jetzt seien Sie endlich still, sonst drücke ich wirklich ab!«

Das seltsame Verhalten des Agenten sorgte dafür, dass Harry die Stirn runzelte. Anscheinend ging es Michaelsen nicht darum, ihn zu töten. Rätselhaft war, dass er sich ausgerechnet zu dem Zeitpunkt als Verräter zu erkennen gegeben hatte, als der BKA-Ermittler dem Toten eine Silberkugel in den Körper hatte schießen wollen. Ein Zufall war das ganz sicher nicht, also musste Michaelsen zumindest über einige Details informiert sein.

»Und was machen wir jetzt?«, fragte Harry, der längst die Hände in Kopfhöhe hielt.

»Warten.«

Worauf, das erfuhr er nur wenige Sekunden später.

Dumpfe, sich nähernde Schritte hallten durch den Keller, begleitet vom Lichtkegel einer weiteren Taschenlampe.

Als die Gestalt in der Tür auftauchte, hielt sie die Lampe so, dass sie keinen direkt anstrahlte. Der Mann wollte also niemanden blenden. Es war ihm egal, ob Harry ihn erkannte oder nicht.

Tatsächlich kamen die Gesichtszüge mit dem eisgrauen Haar und dem dichten Vollbart dem BKA-Sonderermittler sofort bekannt vor, wenngleich er bisher nur eine deutlich jüngere Version dieser Person auf Fotos gesehen hatte.

Vor ihm stand niemand anderes als Dr. Theodor Dietrich ...

Der Mann, der einst den Spitznamen Doktor Zombie erhalten hatte, trug einen schwarzen Stoffmantel, eine dunkle Hose sowie Herrenstiefel. Er hatte sich sogar Lederhandschuhe übergestreift. Trotz der schlechten Lichtverhältnisse glaubte Harry, dass Dietrichs Haut sonnengebräunt war.

Theodor Dietrich lebte also wirklich noch. Und anders, als sein Beiname sowie seine Experimente vermuten ließen, war er offenbar völlig normal gealtert.

In seiner alten Mitarbeiterakte des Ministeriums für Staatssicherheit stand als Geburtsdatum der 23. 10. 1955, was ungefähr zu seinem Aussehen passte. Er war definitiv immer noch ein lebender Mensch.

In seinen Augen lag jedoch ein Ausdruck, der Harry überhaupt nicht gefiel. Kalt, arrogant, selbstherrlich. Ein Mann, der für seine Ziele über Leichen ging und auch vor dem BKA-Ermittler nicht Halt machen würde.

Lächelnd trat er neben Ralf Michaelsen, der Dietrich anstierte, als würde es sich bei ihm um einen Geist handeln. Harry war schon versucht, den Moment zu nutzen und nach seiner Waffe zu greifen, nur blieb der MAD-Agent immer noch Profi, der quasi seine Gedanken las und sich sofort wieder auf ihn konzentrierte.

»Früher hätte es das bei uns nicht gegeben, dass sich der Geheimdienst Hilfe bei der normalen Polizei sucht, wenn es um Leute wie mich geht«, sprach ihn der Arzt an, der seinen Auftritt in vollen Zügen zu genießen schien. »Oder sind Sie auch etwas Besonderes? Harry Stahl, ein Ermittler für Sonderfälle, der in den vergangenen Jahren eine seltsame Karriere hingelegt hat. Wie genau ist es eigentlich möglich, dass Sie als Kommissar für das Bundeskriminalamt in Wiesbaden arbeiten, obwohl Sie eigentlich wegen eines im Dienst begangenen Mordes suspendiert wurden?«

Etwas in Harrys Brust verkrampfte sich, nicht nur, weil Theodor Dietrich so gut über ihn informiert war. Die Rückkehr nach Leipzig hatte ohnehin alte Wunden aufreißen lassen. Vor seiner Zeit beim BKA war Harry lange bei der Leipziger Polizei gewesen. Dort hatte er auch mehrfach mit seinem guten Freund John Sinclair zusammengearbeitet. Irgendwann waren sie während ihrer Ermittlungen auf die dämonische Urmutter Lilith gestoßen, in deren Bann Harry geraten und dabei zum Mörder geworden war.*

Er konnte sich wohl glücklich schätzen, nur seinen Job und nicht auch noch seine Freiheit verloren zu haben. Doch ob nun als Privatdetektiv, bei seiner kurzzeitigen Rückkehr in seinen alten Job, als Mitarbeiter einer geheimen Regierungsbehörde oder eben nun beim Bundeskriminalamt, diese schreckliche Tat verfolgte ihn bis heute. Mochte er auch unter schwarzmagischem Einfluss gestanden haben, das Blut eines unschuldigen Menschen klebte an seinen Händen.

»Sie scheinen gut über mich Bescheid zu wissen«, antwortete Harry lediglich.

»Wissen ist Macht, Herr Stahl«, entgegnete Doktor Zombie. »Und Wissen zieht man aus Informationen, die man wiederum über gute Kontakte erhält. Gewisse Leute sind mir immer noch den einen oder anderen Gefallen schuldig, und andere habe ich in der Hand, weil ich Dinge aus ihrer Vergangenheit weiß, die ihnen nach dem Fall der Mauer zum Verhängnis werden könnten.«