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Der Notruf eines Jugendlichen, der bei uns in Scotland Yard einging, führte mich, den Geisterjäger John Sinclair, zu einer einsam gelegenen Villa. Dort traf ich auf eine ganze Familie, die in untote Blutsauger verwandelt worden war - und auf den Aibon-Vampir Iovan Raduc! Er hatte mir eine Falle gestellt - und er wollte mich zu seinem Lakaien machen! Er entführte mich nach Aibon, ins Paradies der Druiden, denn ich sollte dort in die Hexenschlucht eindringen, um in Erfahrung zu bringen, was aus einer Frau namens Leicara geworden war! Wer war diese Leicara? Warum interessierte sich Iovan Raduc für ihr Schicksal? Als ich in Aibon strandete, traf ich zunächst auf das wandelnde Skelett Zigana, den Sammler - und mit ihm begab ich mich in Aibons Hexenschlucht.
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Seitenzahl: 131
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Aibons Hexenschlucht
Grüße aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Aibons Hexenschlucht
von Rafael Marques
Es war still in dem Haus, als Joey den Schlüssel herumdrehte und in den weitläufigen Flur trat. Auf sein Klingeln hatte niemand reagiert. Dabei hatte doch Ellie, seine Freundin, darauf bestanden, dass er sie heute besuchte.
Die Villa der Familie Cromwell schien sich in einen riesigen Friedhof verwandelt zu haben. Joey kannte jeden Winkel dieses Hauses, schließlich galt er mittlerweile als Teil der Familie, weshalb man ihm auch einen Schlüssel anvertraut hatte.
Sein Eindringen war nicht unbemerkt geblieben. Am Ende der Treppe, oben im ersten Stock, öffnete sich die Tür zu Ellies Zimmer. Joeys Erleichterung darüber, endlich ein Lebenszeichen seiner Freundin zu erhalten, wandelte sich jedoch schnell in nacktes Grauen.
Das weiße Shirt der Sechzehnjährigen war mit Blut besudelt, ihre linke Halsseite eine einzige hässliche Wunde, und als sie den Mund öffnete, sah Joey aus ihrem Oberkiefer zwei spitze Vampirzähne ragen!
Gerade einmal zwanzig Kilometer war ich von der Zentrale von New Scotland Yard gefahren, dennoch kam es mir vor, als wäre ich in einer völlig anderen Welt gelandet. Still war es allerdings nicht, immerhin befand ich mich in einem Gebiet zwischen zwei Autobahnen, genauer gesagt der A1 und der M25. Ihr fernes Rauschen begleitete mich in ein einsames Waldgebiet, vor dem eine Villa aus viktorianischer Zeit in die Höhe wuchs.
Es war ein kalter, windiger Morgen, weshalb ich den Reißverschluss meiner Jacke bis zum Kinn hochzog, als ich aus dem Wagen stieg. In der Luft lag eine leichte Feuchtigkeit, das Erbe des Regens der vergangenen Tage, durch den die Wiesen und Felder getränkt worden waren. Die in dieser Gegend noch zahlreich vertretenen Landwirte freute es sicher, denn so würde das saftige Gras und das Getreide gut gedeihen.
Die Landschaft des Bezirks Hertfordshire erinnerte mich ein wenig an jene von Cornwall, was vor allem an den vielen kleinen Höfen und von Bächen und schmalen Waldstücken durchzogenen Feldern lag. Allein der hügelige Charakter der Landschaft fehlte, dennoch bildete dieser Ort ein beliebtes Rückzugsgebiet für Städter, die eine Pause vom Moloch London suchten.
Leider war ich nicht gekommen, um die relativ reine Luft sowie die Umgebung zu genießen. Auf mich wartete Arbeit, wobei ich noch nicht so genau wusste, ob das wirklich stimmte. Von unserer kleinen Abteilung bei Scotland Yard wussten zwar nur sehr wenige Personen, dennoch kam es immer wieder vor, dass wir es mit Falschmeldungen und Fehlalarmen zu tun bekamen.
Da etwas Derartiges auch dieses Mal nicht auszuschließen war, hatte ich Suko im Büro zurückgelassen und war allein losgefahren.
Zwischen uns schien soweit wieder alles in Ordnung, nachdem wir böse aneinandergeraten waren und ich ihn in Hels Totenreich sogar körperlich attackiert hatte. Was wir in letzter Zeit erlebt hatten, spottete auch jeder Beschreibung, und fast wäre unsere Partnerschaft daran zerbrochen.
Doch wir hatten uns wieder zusammengerauft, was ich vor allem Suko gutschreiben musste. Jedenfalls hoffte ich, dass es zwischen uns wieder so werden würde wie in all den Jahren zuvor. Trotzdem war ich irgendwie froh, mal wieder allein unterwegs zu sein. Offenbar brauchte ich doch noch ein wenig Abstand ...
Und noch etwas schlug mir seit meinem unfreiwilligen Ausflug in Hels Totenreich aufs Gemüt. Das war das Schicksal von Denise Curtis. Die junge Tochter des Wolfsdämons Lykaon, mit der ich in letzter Zeit oft Seite an Seite gekämpft hatte, war zu einem von Liliths Engeln der Unzucht und Hurerei geworden und hatte Naemas Platz eingenommen.
Auch das war schwer zu verdauen, immerhin war Denise noch ein Teenager.
Doch hier und jetzt ging es um den Notruf eines anderen Jugendlichen, und der hatte in Panik angegeben, von seiner Freundin verfolgt zu werden, die sich in einen Vampir verwandelt hätte.
Bei seiner Flucht durch den Wald war der Anruf plötzlich abgebrochen, dennoch war es den Kollegen gelungen, das Handy eines gewissen Joey Darling in diesem Gebiet zu orten.
Zudem hatte er den Namen seiner Freundin, Ellie Cromwell, genannt, die hier in dieser altehrwürdigen, von Efeuranken eingehüllten Villa gemeinsam mit ihrer Familie wohnte.
Was mir sofort auffiel, war die Stille, die dieses Haus umgab. Es ist schwer, diese Atmosphäre in Worte zu fassen, doch auch ohne eine Reaktion meines Kreuzes verstärkte sich in mir der Eindruck, dass etwas in der Luft lag.
Ich will nicht behaupten, ich hätte das Böse spüren können, das sich an diesem Ort festgesetzt hatte, andererseits reagiert die Natur häufig auf ihre Weise auf die Anwesenheit finsterer Mächte.
Dass weder ein Vogel zwitscherte, noch ein Hund bellte, der den Schildern nach auf dem Grundstück Wache halten sollte, sprach für sich.
Ich tastete nach meinem Talisman und hängte ihn offen vor die Brust. Man kann das silberne Kreuz als eine Art Detektor für schwarzmagische Kräfte bezeichnen, wenngleich es nicht auf alle Arten von Magien reagiert. Bei Geschöpfen aus Atlantis oder wenn dunkle Kräfte einem Kulturkreis angehören, dessen Symbole nicht auf der Oberfläche des Kreuzes eingraviert sind, bleibt es kalt, während es beispielsweise bei Aibon-Magie einen grünen Schein abgibt.
Bisher meldete es sich nicht, allerdings musste das nichts bedeuten.
Da ich hinter den Fenstern weder Licht noch eine Bewegung wahrnahm, konzentrierte ich mich zunächst auf die Umgebung und nahm so viele Eindrücke wie möglich in mir auf.
Neben dem Haus parkten eine schwarze Limousine und ein grauer Geländewagen. Derek Cromwell, dem Vater von Ellie, gehörte ein Unternehmen für diverse geschäftliche Beratungstätigkeiten.
Unterwegs hatte mir Glenda mitgeteilt, dass Cromwell laut seinem Assistenten an diesem Tag nicht zur Arbeit erschienen war, ohne sich zuvor abzumelden. Ein weiteres Detail, das darauf hinwies, dass an diesem Ort etwas vorgefallen war.
Mein Blick fiel auch auf die Hundehütte, die sich unweit des etwa brusthohen Holzzaunes befand. Von dem vierbeinigen Grundstückswächter fehlte ansonsten jede Spur.
Als ich näher herantrat und einen Blick über die Zaunlatten warf, fielen mir die dunkelroten Flecken auf, die von dem Holzbau hinter das Haus führten.
Die Erkenntnis, dass das Tier wahrscheinlich nicht mehr lebte, ließ mich auch nach der Beretta greifen.
Ich fröstelte, was nicht nur am allgegenwärtigen Wind lag, der die Äste der riesigen, alten Stieleiche rascheln ließ, die sich wie schützende Arme über dem Dach des Hauses ausbreiteten. Spätestens jetzt war ich davon überzeugt, dass der Notruf kein Spaß gewesen war.
Die Stille gefiel mir inzwischen noch weniger. Wenn dieser Joey Darling tatsächlich von einer Vampirin angegriffen worden war, musste ich wohl mit dem Schlimmsten rechnen, denn seit dem Notruf war bereits eine gute halbe Stunde vergangen.
Zunächst interessierte mich das Schicksal des Hundes. Anhand der Spuren im Gras ließ sich nicht erkennen, ob das Tier um das Haus geschleift worden war oder sich mit letzter Kraft dorthin geschleppt hatte. Es bestand auch die Möglichkeit, dass es durch den Biss eines Vampirs zu einem untoten Leben erwacht war, nur schob ich diesen Gedanken zunächst von mir.
Hinter dem Haus befand sich ein Werkzeugschuppen. Zwischen diesem und dem Hintereingang der Villa entdeckte ich schließlich ein im Gras liegendes dunkles Bündel. Der in seinem eigenen Blut liegende Hund war nicht nur gebissen, sondern geradezu ausgeweidet worden, weshalb ich mich schnell abwandte und das Gebäude erneut zu umrunden begann.
Der grausame Tod des Tieres war immer noch kein Beweis, dass ich es wirklich mit Vampiren zu tun bekommen würde. Andererseits war ich schon mehrmals auf frisch erwachte Untote gestoßen, die sich in Ermangelung menschlichen Blutes zunächst auf Tiere gestürzt hatten.
Mit leisen Schritten näherte ich mich der Eingangstür. Erst jetzt, aus der Nähe betrachtet, erkannte ich, dass sie einen Spalt weit offen stand. Zudem zeichneten sich an und um den goldenen Knauf dunkle Flecken ab, bei denen es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Blut handelte.
Ich drückte mich neben der Tür gegen die Wand, wartete einige Sekunden ab und schob sie mit der linken Hand nach innen. Ein leises Quietschen entstand, gefolgt von einem kalten Hauch, der mir aus dem Inneren des Hauses entgegenwehte.
Mich erwartete ein breiter Flur mit einer Treppe, die in den ersten Stock sowie in den Keller führte.
Der Flur endete bei der offen stehenden Tür des Wohnzimmers. Ich ließ meinen Blick durch den ausladenden Raum schweifen, der von schweren, alten Möbeln und Holzschränken voller Bücher dominiert wurde. Auf dem Tisch zwischen den beiden Couches stand eine Flasche Whisky, neben der ich noch ein halb gefülltes Glas entdeckte.
Aus der offenen Küche wehte mir der Duft von frisch aufgekochtem Porridge entgegen, der mich an meine eigene Kindheit erinnerte.
Alles wirkte so, als wären die Hausbewohner noch mit ihrer täglichen Routine beschäftigt. Wären da nicht die Blutspuren, die sich über den Teppichboden und über die Stufen in den ersten Stock zogen, hätte man vermuten können, die Cromwells hätten lediglich kurz den Raum verlassen und würden jederzeit zurückkehren.
In gewisser Weise stimmte das auch, was ich erst erfuhr, als ich begann, die Stufen zu erklimmen. Mit müden Bewegungen und schlurfenden Schritten schob sich eine Gestalt in den Flur im ersten Stock. Sofort sah ich, dass es sich nicht um Joey Darlings Freundin Ellie handeln konnte, denn es war eine Frau mittleren Alters, mit dunkelblondem, gelocktem Haar und einer mit gestickten Blüten verzierten Schürze, über die sich nun Unmengen an Blutspritzer zogen.
Ihr leerer Blick und der blutverschmierte Mund sprachen für sich, und die spitzen, aus ihrem Oberkiefer ragenden Hauer lieferten den letzten Beweis, dass es sich bei ihr um eine Vampirin handelte.
Angesichts ihres Anblicks zeichnete sie sich wohl für den Tod des Hundes verantwortlich.
Das allein hätte mich nicht überrascht zusammenzucken lassen. Dafür sorgte allein mein Kreuz, das auf eine ganz spezielle Weise reagierte. Es gab keinen Wärmestoß von sich, stattdessen sonderte es ohne Vorwarnung einen grünen Lichtschein ab.
Ich war mit der Magie Aibons konfrontiert worden!
Aibon also.
Mit vielem hätte ich in diesen Momenten gerechnet, nicht hingegen damit, dass mir das Kreuz ein solches Signal senden würde.
Vampire gibt es auch im Paradies der Druiden, das wusste ich nur zu gut, allerdings entdeckte ich in diesem Fall keinerlei Anzeichen dafür, dass diese Blutsaugerin aus jener Welt zwischen Himmel und Hölle stammte, die in der Vergangenheit manchmal als Fegefeuer bezeichnet wurde. Die Frau wies weder grüne Haut auf, noch war da ein grüner Schimmer in den Augen, wie ich es aus der Vergangenheit kannte.
Blieb nur die Möglichkeit, dass die Frau einem Aibon-Vampir zum Opfer gefallen war.
Wahrscheinlich lag ich mit dieser Vermutung sogar richtig, doch die Untote ließ mir keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Obwohl sie gerade erst Lebenssaft – ob nun das eines Hundes oder Menschen – getrunken haben musste, gierte sie nach noch mehr Blut.
Sie hastete die Stufen herunter auf mich zu! Dabei zischte sie wie eine angreifende Königskobra.
Doch ich hatte die Beretta bereits erhoben, zielte kurz und drückte ab.
Geweihte Silberkugeln erzielen bei Wesen aus Aibon keine andere Wirkung als normale Bleigeschosse, dennoch genügten sie, um die Existenz dieser Wiedergängerin auszulöschen.
Die Kugel stanzte ein Loch in die Stirn der Dunkelhaarigen, deren Kopf in den Nacken geschleudert wurde, bevor sie leblos zusammensackte und auf den Stufen liegen blieb.
Vorsichtig stieg ich die Treppe empor und näherte mich der offenen Tür, aus der die Vampirin gekommen sein musste.
Dieser letzte Schritt erwies sich als Fehler, auf den ein hochgewachsener, stämmiger Mann mit schütteren, schwarzen Haaren nur gewartet zu haben schien. Mit einem wilden Schrei stürzte er sich mir entgegen, packte mich an den Schultern und stieß mich gegen die Wand.
Stöhnend sackte ich im Griff des zweiten Vampirs zu Boden, wobei es mir mit letzter Kraft gelang, den Waffenarm anzuwinkeln. Mein rechter Zeigefinger lag am Abzug der Beretta, und dreimal drückte ich ab.
Alle Silbergeschosse wühlten sich durch das blutverschmierte weiße Hemd des Mannes in seine Brust. Offenbar blieb dabei auch das Herz nicht verschont, denn nachdem der Untote – bei dem es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um Derek Cromwell handelte – mehrfach zusammengezuckt war, erlahmten seine Bewegungen, sodass er über mir zusammensackte.
Ich schob den leblosen Körper von mir herunter und verfluchte mich für meine Leichtsinnigkeit. Beinahe hätte die sich tödlich gerächt.
Immerhin ließ mir die andere Seite die Zeit, mich zu erholen. Mühsam kämpfte ich mich an der Wand in die Höhe, bis es mir gelang, mich stehend an ihr anzulehnen und endlich einen Blick in den Raum vor mir zu werfen.
Es handelte sich um ein Zimmer, in dem Plüsch und Kitsch dominierten. Um ein zerwühltes Himmelbett waren zahlreiche Kuscheltiere platziert, deren leere Augen mich anzustarren schienen. An den Wänden hingen keine Poster, sondern Gemälde mit Fantasy-Motiven, wozu auch die Drachen- und Einhorn-Figuren passten, die ich auf den Schränken entdeckte. Hinzu kam ein mannshoher Spiegel, der in der hinteren rechten Ecke des Zimmers hing und deren Rahmen zahlreiche bronzefarbenen, in sich verschlungene Schlangen zeigte.
Doch viel wichtiger war, was sich vor dem Bett abspielte. Dort hockte ein etwa fünfzehnjähriges Mädchen mit dunkelblondem Haar, das mit einem bauchfreien weißen Shirt sowie einer löchrigen Jeans bekleidet war. Eine unschuldige Jugendliche war sie jedoch nicht mehr, sondern ein untotes Monster, dessen Gesicht durch Blut zu einer hässlichen Fratze verunstaltet worden war.
Gierig leckte sie sich über die Hände, an denen noch immer menschlicher Lebenssaft klebte. Der stammte von dem vor ihr auf dem Boden liegenden jungen Mann.
Wahrscheinlich handelte es sich bei ihm um Joey Darling, der von seiner Freundin ins Haus verschleppt worden und dort ihren Eltern und ihr zum Opfer gefallen war.
Sein Hals war von unzähligen Bissen aufgerissen, trotzdem würde er sich über kurz oder lang ebenfalls in einen Vampir verwandeln.
Es war helllichter Tag, wenngleich die Sonne hinter einem Wolkenvorhang verborgen lag. Die alten Gesetze, dass Blutsauger im Sonnenlicht zu Staub zerfallen, gelten zumindest nicht bei Untoten, die mit der Magie Aibons in Kontakt gekommen sind.
Wie genau das in diesem Fall geschehen war, das war die große Frage, weshalb ich hoffte, dass mir Ellie Cromwell einige Fragen beantwortete.
Wenn ich so ihr Zimmer betrachtete, schien sie sich für Fantasy-Welten zu interessieren, und dazu hätte sicher auch das Paradies der Druiden gepasst. Außerdem war da noch dieser alte Spiegel, bei dem es sich vielleicht um eine Art Dimensionsportal handelte.
Natürlich spekulierte ich damit sprichwörtlich ins Blaue, andererseits habe ich diesbezüglich meine Erfahrungen.
»Kannst du sprechen?«, richtete ich eine erste Frage an die Jugendliche, die sich von meiner Anwesenheit kaum irritieren ließ.
Genüsslich fuhr sie dem toten Joey Darling durch die aufgerissene Kehle, führte die Hand zum Mund und ließ gierig ihre Zunge über die Fingerspitzen fahren. Dass ich gerade ihre Eltern erlöst hatte und sicherlich auch nicht zögern würde, ihre Existenz mit einer Silberkugel zu beenden, schien für sie irrelevant zu sein.
»Ellie Cromwell«, versuchte ich es ein weiteres Mal. »Wie bist du zu einer Vampirin geworden.«
Endlich reagierte das Mädchen auf meine Worte. Ihre Augen, in denen eindeutig mehr Leben steckte als in denen ihrer Eltern, starrte mich an. Anschließend ließ sie ihre blutige Hand sinken, die sie beiläufig an ihrem Shirt abwischte.
Ein Grinsen legte sich über ihr Gesicht, das von einer beispiellosen Arroganz sprach. Sie war sich ihrer Sache offenbar sehr sicher, als hätte man ihr eingebläut, dass sie sich vor nichts und niemandem fürchten musste.
»Verstehst du mich?«, ließ ich nicht locker.
»Joey gibt nicht mehr viel her.«
Ellies raue Stimme passte nicht einmal ansatzweise zu einer Fünfzehnjährigen. Die Verwandlung in einen Vampir und das Blut, das noch zum Teil in ihrer Kehle steckte, trugen sicher ihren Teil dazu bei, dass hier keine Jugendliche zu mir zu sprechen schien. Zudem strotzten ihre Worte nur so vor Menschenverachtung, wenngleich ich von einer Vampirin nichts anderes erwartet hatte.
Immerhin war sie schon dazu fähig, mit mir zu kommunizieren.
»Du willst mein Blut trinken?«, fragte ich.