John Sinclair 2470 - Rafael Marques - E-Book

John Sinclair 2470 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Wer diese Festung betritt, betritt die Hölle - und kein Engel kann ihn retten!

Die uralte Templer-Burg Castello di Ceni auf Sardinien birgt ein düsteres Geheimnis: In ihren Mauern wurden Kinder geboren, die das Blut der Engel in sich tragen, aber den Mächten des Bösen dienen sollen. Als Clarissa Mignon, das ›Templerkind‹, in die Festung eindringt, um eines dieser Kinder zu retten, gerät sie in die Fänge der grausamen Viela - dem Medium des angeblich vernichteten Götzen Baphomet. Während Clarissa um ihre Seele kämpft, stößt John Sinclair in England auf eine Reihe unheimlicher Todesfälle, und alle Spuren führen zur alten Templer-Festung. Gemeinsam mit dem Halbengel Raniel wagt er sich in die Festung der Engel.

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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

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Festung der Engel

Grüße aus der Gruft

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Impressum

Cover

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsbeginn

Impressum

Festung der Engel

von Rafael Marques

Fahles Mondlicht fiel durch die Fenster in die düsteren Hallen des Schlosses. Der lange Gang wurde von unzähligen Gemälden gesäumt, Porträts der ehemaligen Bewohner, deren Identität sich im Strudel der Vergangenheit verlor. Auch steinerne Figuren waren hier aufgestellt, Ritter in Lebensgröße, von denen man den Eindruck gewann, sie könnten im kalten Licht des Mondes jeden Moment zum Leben erwachen.

In dieser Festung lebten keine Menschen, sondern Dämonen!

Eigentlich hätte sie überhaupt nicht mehr existieren dürfen, doch die Macht der Hölle hatte hier gewirkt, um die längst vergangenen düsteren Zeiten wieder aufleben zu lassen.

Blutige Rituale waren an diesem schrecklichen Ort durchgeführt worden, in dem nun, nach vielen Jahrhunderten, wieder unheiliges Leben eingekehrt war ...

Die Gestalt, die sich durch diese von Mondschein beschienenen Hallen bewegte, kannte diese Geschichten nur zu gut. Viele Legenden basierten auf finsterem Aberglauben, in diesem Fall aber entsprachen sie der Wahrheit. Und leider erhielten sie in diesen Tagen neue Nahrung, durch die böse Macht, die sich hier eingenistet hatte.

Das Mädchen mit dem blonden Haar trug ein dunkles Kleid, welches an der Hüfte von einem goldfarbenen Gürtel zusammengehalten wurde. Es war gekommen, um der Hölle Einhalt zu gebieten.

Es hörte auf den Namen Clarissa Mignon!

Man nannte sie auch das Templerkind, allerdings mochte sie diese Bezeichnung nicht. Tatsächlich war sie die Tochter zweier Templer, nur hatte es sich bei ihnen um abtrünnige Ordensmitglieder gehandelt, die dem Götzen Baphomet dienten. Andererseits sah sie sich selbst längst nicht mehr als Kind, trotz ihres mädchenhaften Äußeren.

Clarissa war kein normaler Mensch, schon allein durch das Erbe ihrer Eltern. Zusätzlich war sie in der Lage, Engelmagie wirken zu lassen, immerhin lebte sie seit vielen Jahren in einer von Himmelswesen beherrschten Welt, in der auch ihr Ziehvater Raniel beheimatet war.

Ja, so sah er sich, als ihr Ziehvater. Nur sie sah das anders. Sie liebte ihn von ganzem Herzen, was sich auch dadurch nicht änderte, dass er sie immer wieder zurückwies und auf Distanz ging. Das Schicksal hatte sie zusammengeschweißt, sie vertrauten einander und betrachteten sich als Partner. Nur eben betrachtete er Clarissa nicht als Frau.

Unwillkürlich fuhr sie sich über die stets leicht geröteten Wangen und die Stupsnase, als sie an ihr kindliches Äußeres dachte. Ihr blondes Haar trug sie diesmal zum Pferdeschwanz gebunden, um im Kampf davon nicht behindert zu werden. Dass es über kurz oder lang zu Auseinandersetzungen kommen musste, stand außer Frage, immerhin war sie in einen Außenposten der Hölle eingedrungen.

Schon seit einiger Zeit beobachteten Raniel und sie von ihrer Engelswelt aus die Vorgänge auf Sardinien. Die Festung erhob sich oberhalb des Ufers des Lago di Mulargia in einer felsigen, zerklüfteten Landschaft, in der vor allem Büsche und kleine Olivenhaine wuchsen. Um das Gemäuer herum schien die Natur abgestorben zu sein, vielleicht eine Folge der Ausstrahlung dieses Ortes.

Leise, Schritt für Schritt, bewegte sich Clarissa vorwärts und passierte dabei eine Tür nach der anderen. Wer sie in diesen Minuten gesehen hätte, dem wäre wohl ihr entrückter, in eine unbestimmbare Ferne gerichteter Blick aufgefallen.

Ihre magischen Sinne tasteten die Umgebung ab, ähnlich einem Insekt, nur dass ihre Fühler unsichtbar waren. Sie war auf der richtigen Spur, das stand fest, doch es musste endlich etwas geschehen, sie war es leid, die mysteriösen Vorgänge lediglich aus der Ferne zu beobachten.

Unvermittelt blieb Clarissa stehen. Sie hörte etwas und spürte zugleich, dass sie nicht mehr allein war. Bei einem Menschen hätte sie einen Herzschlag und die leisen Atemstöße vernommen, in diesem Fall blieben sie aus. Das sagte ihr, dass es sich bei der Person, die sich ihr näherte, um ein magisches Geschöpf handeln musste. Um einen Dämon, unter Umständen sogar ein Monster, das von der Hölle als Wache zurückgelassen worden war.

Um nicht sofort entdeckt zu werden, huschte sie zur Seite und versteckte sich hinter einer der Ritterstatuen. Keinen Moment zu früh, wie sie bald erfuhr, als sich eine der Türen knarrend öffnete und eine weitere Gestalt in den Gang trat.

Bei dem Fremden handelte es sich um einen Mann in einem dunklen Anzug, mit schwarzem Haar und gebräunter Haut. Er hatte ein Allerweltsgesicht, nur spielte das keine Rolle. Entscheidender waren die Augen, in denen sich das Erbe der Hölle manifestierte.

Sie glühten in einem düsteren, blutigen Rot!

Clarissa spannte ihre Glieder an. Ihr war mehr als deutlich bewusst, dass es ihr nichts einbrachte, sich zu verstecken. Dieser Höllendiener war wegen ihr erschienen, sicherlich, weil er ihre Ausstrahlung wahrgenommen hatte. Außerdem bewegte er sich bereits in ihre Richtung, deshalb würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als die Initiative zu ergreifen.

Sie trat aus ihrem Versteck und sah, dass der Dunkelhaarige ein Messer in der rechten Hand hielt.

Die breite Klinge funkelte im Mondlicht.

Er war gekommen, um zu töten ...

Der rote Glanz in den Augen des Mannes war mehr als nur ein Licht. Clarissa spürte, wie der Fremde versuchte, mit seinem auf ihr lastenden Blick in sie einzudringen und ihr seinen Willen aufzuzwingen.

Es war ein stummer Kampf, in dem Engel- und Höllenmagie aufeinandertrafen.

Die Pupillen des Mädchens vibrierten leicht, während sie den Angriff des Bösen zurückschlug. Dem roten Licht gelang es nicht, bis zu ihrer Seele vorzudringen.

Sie vertrieb es aus ihrem Körper und warf es zurück auf den namenlosen Fremden, dessen Gesicht sich zu einer Fratze des Hasses verzog.

Er riss das Messer empor, um es Clarissa in den Kopf zu rammen. Bevor es dazu kam, presste sie ihm beide Hände gegen den Bauch. Der Dunkelhaarige erstarrte augenblicklich in der Bewegung, und obwohl er versuchte, gegen den Druck anzukämpfen, war er nicht mehr in der Lage, seine Klinge herunterfahren zu lassen.

Clarissa schloss ihre Augen und konzentrierte sich auf die in ihr schlummernden Kräfte. Als sie die Augen wieder öffnete, sickerte aus ihren Fingern ein greller weißer Schein, der wie Säure in den Körper des Mannes strömte und ihn von innen her aufglühen ließ.

Er riss noch seinen Mund auf, ohne dass ein Schrei über seine Lippen drang, und das rote Licht in seinen Augen erlosch. Statt auf seine Pupillen starrte Clarissa in leere Augenhöhlen.

Auch sonst war jegliches Leben aus dem Körper des Mannes gewichen, durch den sich nun gleißende Risse zogen. Die Magie der Engel erlosch jedoch schlagartig, als Clarissa ihre Hände von seinem Bauch löste. Wie eine Marionette, deren Fäden gekappt worden waren, brach der Mann vor ihr zusammen.

Ihr Blick wanderte über die Leiche hinweg. Sie empfand kein Mitleid für den Höllendiener, wohl aber für den Menschen, der er einmal gewesen und dessen Seele leider verloren war. Ob er aus eigenem Verschulden in den Kreislauf des Bösen geraten war oder nicht, jedes Leben war für Clarissa kostbar, selbst nach all der Zeit, die sie nun schon in den Dimensionen der Engel lebte und die Menschenwelt nur noch selten besuchte.

Kurz dachte sie daran, das Messer an sich zu nehmen, um so wenigstens eine physische Waffe zu besitzen. Letztendlich entschied sie sich dagegen, da sie sich auf ihre eigenen Kräfte verließ.

Dem Toten widmete sie keinen Blick mehr, als sie ihren Weg fortsetzte. Von nun an musste sie noch stärker aufpassen, da ihre Feinde nun bestimmt wussten, dass sie durchaus eine Bedrohung darstellte. Den nächsten Gegner, den man ihr schickte, würde sie womöglich nicht so leicht vernichten können.

Während sie weiter durch den langen Flur schritt, erinnerte sie sich daran, warum sie überhaupt hierhergekommen war. Es ging nicht nur darum, Höllenjünger zu vernichten und das Erbe einer uralten Legende zu zerstören. Raniel hatte beobachtet, wie Kinder aus der Festung gebracht und von dort aus in die Welt hinausgeschickt wurden. Bei ihnen handelte es sich um keine normalen Mädchen oder Jungen, sondern um nur äußerlich menschliche Wesen, in denen die Kraft von Engeln steckte. Wie sie gezeugt wurden, war bisher ein Rätsel, Raniel wusste nur, dass dabei dunkle Magie im Spiel war.

Clarissa konnte nicht einfach zulassen, dass Kinder zu Spielbällen der Dämonen wurden. Ihr eigenes Schicksal sollte sich bei keinem anderen wiederholen, deshalb lagen sie ihr besonders am Herzen.

Nach dem Tod ihrer dem Götzen Baphomet dienenden Eltern war sie in einem Waisenhaus aufgewachsen, während ihr Vater und ihre Mutter als Geister weiterexistierten und sie verfolgten, bis es ihr mithilfe eines Mannes namens John Sinclair gelang, sie zu vernichten.*

Jetzt war sie frei, doch einen Weg in ein normales menschliches Leben gab es für sie nicht. Bei Kindern, die von Engeln gezeugt wurden, war das sicher ebenso der Fall.

Zumindest wollte sie ihnen eine Zuflucht in Raniels Welt bieten, in der der Gerechte und sie eigentlich nur geduldete Gäste waren. Wenn es ihr auch nur gelang, ein einziges Kind zu retten, würde das für sie als Erfolg zählen.

Als sie erneut ein Geräusch vernahm, blieb sie unvermittelt stehen. Diesmal waren es keine Schritte, die sich ihr näherten. Stattdessen glaubte sie, ein leises, dumpfes Schluchzen zu hören, das hinter einer der Türen hervordrang.

Bei dem Gedanken, dass gerade ein Kind unter den hier hausenden bösen Mächten leiden musste, ballte Clarissa die Hände zu Fäusten. Sie war fest entschlossen, es zu retten und dabei auch zu riskieren, weitere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Zur Not würde sie sich einfach zurück in die Engelwelt teleportieren.

Erneut tastete sie mit ihren psychokinetischen Kräften die Umgebung ab. An einer Tür am Ende des Gangs blieb sie stehen und legte ihr linkes Ohr gegen das Holz.

Kein Zweifel, aus diesem Raum drang das Schluchzen, das dafür sorgte, dass sie innerlich erschauderte.

Bevor Clarissa ihre Hand auf den rostigen Knauf legte, fiel ihr Blick auf den eisernen runden Türklopfer, der aus mehreren ineinander verwundenen Schlangen bestand.

Als sie sich auf die Augen der Tiere konzentrierte, glaubte sie, in deren Augen ebenfalls ein rötliches Funkeln zu erkennen.

Das änderte sich erst, als sie den Knauf berührte und sich wieder auf ihre geistigen Kräfte konzentrierte.

Diese Tür war magisch gesichert, wenn auch nicht so stark, dass sie ihr standgehalten hätte. Mit einem leisen Knirschen glitt sie nach innen und gab den Blick auf ein fensterloses Zimmer frei, dessen einzige Lichtquelle ein im Kamin loderndes Feuer bildete.

Die Wände waren kahl, unter der abgeblätterten Farbe kam sogar das ursprüngliche Mauerwerk zutage. Sie fröstelte sofort, was sich erst änderte, als sie näher an den Kamin herantrat.

Das Schluchzen war nicht verklungen, und inzwischen kannte Clarissa auch seine Quelle. Es drang aus der altertümlichen hölzernen Kinderwiege, die das Zentrum des Raums bildete.

Reich verzierte Ränder fielen Clarissa ins Auge, ebenso dass die Wiege auf Kufen stand, um sie jederzeit schaukeln zu können. Besondere Aufmerksamkeit schenkte sie dem Kopf- und Fußteil, die wie Fanale des Bösen in die Höhe ragten, denn in das Holz waren Teufelsfratzen geschnitzt.

Die Wiege war ein Hort des Bösen, das Baby, das darin lag, gab hingegen keine höllische Ausstrahlung ab, wie Clarissa feststellte, als sie auf die Wiege zutrat.

Sie warf einen Blick hinein. Das Baby trug einen braunen Strampler und eine Stoffmütze, zudem lag es unter einer weißen Wolldecke. Tränen rannen aus den halb geöffneten Augen, ohne dass das Baby in der Lage war, sie wegzuwischen. Seine Haut war blass, nur die Wangen waren gerötet, ähnlich wie es bei dem Templerkind der Fall war.

»Wie kann man dich nur so allein lassen?«, hauchte Clarissa dem Baby zu und begann, die Wiege sanft zu schaukeln. »Keine Sorge, ich bin gekommen, um dich zu retten.«

Vor ihr lag nur auf den ersten Blick ein normales menschliches Kind. Ohne einen geschulten Blick hätte sie das Baby nicht von jedem anderen unterscheiden oder seine besondere Ausstrahlung spüren können. Gut und Böse schienen sich in diesem unschuldigen Neugeborenen zu vereinigen, doch wie das möglich sein sollte, war Clarissa ein Rätsel.

Wie es auch war, sie schäumte innerlich vor Wut, dass die Hölle dieses Kind als Spielball missbrauchte und sicher auch für ihre Zwecke manipulierte.

Sie wusste, dass ihr nicht mehr viel Zeit blieb. Durch die Vernichtung des Mannes mit den roten Augen würden bald weitere schwarzmagische Wesen erscheinen, um sie aufzuhalten. Deshalb musste sie so schnell wie möglich von hier verschwinden, allerdings nicht mit leeren Händen.

Deshalb streifte sie die Decke von dem kleinen, zuckenden Körper und hob das Baby in die Höhe. Ohne dass sie es eigentlich wollte, übertrug sich wohl ein Teil ihrer Magie auf das Kind, denn nun zeigte sich, dass es sich bei ihm wirklich um einen Engel handelte.

Hinter dem Rücken manifestierte sich ein aus goldenen Fäden bestehendes feinstoffliches Gespinst, das sich nach und nach zu zwei Engelsflügeln zusammensetzte.

Clarissa lächelte das Kind an, das diese Geste eigentlich nicht wahrnehmen durfte. Trotzdem beruhigte es sich und stieß sogar ein leises, glucksendes Lachen aus, weshalb sie das höchstens wenige Wochen alte Baby an sich drückte.

»Von nun an musst du nie wieder Angst haben«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Ich werde immer für dich da sein und dich beschützen.«

»Bist du dir da sicher?«

Ein eiskalter Schauer lief Clarissa über den Rücken.

Der Anruf hatte Rodney Vauxhall aus dem Schlaf gerissen, und nun gingen ihm die Worte seines Küsters nicht mehr aus dem Kopf. Schlimmer noch, sie ließen ihn, einen Pfarrer, der mit beiden Beinen im Leben stand, mehr und mehr erschaudern, je länger er über sie nachdachte.

»Pater, bitte, kommen Sie schnell«, hörte er in Gedanken noch einmal Nigel Atleys Stimme. »Es ist furchtbar, ich weiß nicht, was ich noch tun soll. Die Schmerzen sind unerträglich. Ich glaube, das ist Gottes Strafe dafür, dass ich mir etwas gewünscht habe, was ein Mensch niemals erreichen sollte. Ich kann in kein Krankenhaus, nur Sie können mich retten, wenn ich Ihnen meine Sünden beichte und Sie mir vergeben.«

Der Anruf hatte mit einem entsetzlichen Schrei geendet, danach war die Verbindung tot gewesen. Alle Versuche, Nigel noch einmal zu erreichen, waren gescheitert.

Da der Küster allein lebte und noch dazu nicht einmal allzu weit von Garforth entfernt, entschied er sich, der Bitte zu folgen, keinen Krankenwagen zu rufen und selbst bei Nigel Atley vorbeizufahren.

Angesichts der kühlen Nacht zog sich der Pater eine Jacke samt Schal über. Mit seinen knapp zweiundsiebzig Jahren musste er gut auf seine Gesundheit achten, wollte er nicht einige Jahre früher als geplant zum Herrgott auffahren. Erst kürzlich war ein guter Freund von ihm, ebenfalls Geistlicher und im gleichen Alter wie er, an einer schweren Lungenentzündung gestorben.

Mit seinem Land Rover fuhr er in Richtung Sherburn in Elmet. Etwa auf halber Strecke, abseits der Hauptstraße, stand das kleine Haus der Atleys, das die Familie schon seit mehr als zweihundert Jahren bewohnte. Nigel war deren letzter Spross, und da er sein ganzes Leben der Kirche widmen wollte und sich nicht für eine Familie interessierte, würde das auch so bleiben.

Die Arbeit mit ihm war stets ein zweischneidiges Schwert. Natürlich benötigte man einen fest verwurzelten Glauben, wenn man als Kirchendiener arbeiten wollte – wenngleich Nigel eher die Aufgaben eines Hausmeisters zukamen, wenn man es genau nahm. Eine Tätigkeit, die er zugleich auch bei einem nahen Kinderheim ausübte. Er war jedoch schon überengagiert und gelegentlich sogar aufdringlich, was seine religiösen Überzeugungen anging.

Andererseits konnte sich Rodney Vauxhall seine Mitarbeiter nicht aussuchen, er musste vielmehr dankbar dafür sein, dass sich überhaupt jemand fand. Noch dazu in einer Kirchengemeinde, die nach Rodneys schon mehrmals hinausgezögerter Pensionierung aufgelöst und unter den umliegenden Bezirken aufgeteilt werden würde.

Den Weg kannte er von zahlreichen Fahrten. Da Nigel keinen eigenen Wagen hatte und lediglich mit dem Fahrrad unterwegs war, musste Rodney ihn immer abholen, wenn es regnete oder schneite.

Selbst um diese Uhrzeit – es war kurz nach 23 Uhr – war er beileibe nicht allein auf der Landstraße B 1122 unterwegs. Garforth und die umliegenden Ortschaften lagen im Metropolbezirk von Leeds und damit Heimat zahlreicher Pendler, seit die großen Kohleminen seines Heimatortes in den 1960er-Jahren geschlossen worden waren.

Als er aus dem Haus gelaufen war, hatte der Pater bereits bemerkt, dass er mit seiner Einschätzung des Wetters nicht ganz falsch lag. Während der Fahrt wurde der Geländewagen mehrfach von starken Böen durchgeschüttelt.

Nicht einmal fünf Minuten waren seit seiner Abfahrt vergangen, als er in den düsteren Feldweg einbog. Er passierte zwei Höfe, auf denen bereits sprichwörtlich die Lichter ausgegangen waren, bevor er ein kleines Waldstück erreichte, in dem auch Nigels Haus stand. Vor einigen Jahrzehnten war es einmal ein Hofgut gewesen, bis Nigel Atleys Eltern die Feldarbeit aufgegeben hatten und die landwirtschaftlichen Gebäude zurückbauen ließen. Nur das Wohnhaus und die kleine Kapelle nebenan waren noch geblieben.