John Sinclair 1954 - Marc Freund - E-Book

John Sinclair 1954 E-Book

Marc Freund

4,8
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der derbe Stoß katapultierte Penny Metcalf aus dem Wagen hinaus, direkt auf den nassen Asphalt. Hart schlug sie mit den Knien auf.

"Verschwinde, du Miststück!", dröhnte die Stimme des alkoholisierten Mittvierzigers, der ihr bereits nach zehn Minuten Fahrtzeit seine fette Hand auf den Oberschenkel gelegt hatte.

Etwas flog dicht an Pennys Kopf vorbei: ihr Rucksack. Die Wagentür wurde zugeschlagen, und in der nächsten Sekunde heulte der Motor auf. Dreck und kleinere Steine wurden hochgewirbelt, dann schoss der Ford auf der nächtlichen Straße davon ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 142

Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
15
3
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Das Horror-Haus über den Klippen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2470-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das Horror-Haus über den Klippen

Marc Freund

Der derbe Stoß katapultierte Penny Metcalf aus dem Wagen hinaus, direkt auf den nassen Asphalt. Hart schlug sie mit den Knien auf.

»Verschwinde, du Miststück!«, dröhnte die Stimme des alkoholisierten Mittvierzigers, der ihr bereits nach zehn Minuten Fahrtzeit seine fette Hand auf den Oberschenkel gelegt hatte.

Etwas flog dicht an Pennys Kopf vorbei: ihr Rucksack. Die Wagentür wurde zugeschlagen, und in der nächsten Sekunde heulte der Motor auf. Dreck und kleinere Steine wurden hochgewirbelt, dann schoss der Ford auf der nächtlichen Straße davon …

Penelope Metcalf kniete mit zerrissener Hose auf der Straße und blickte den Rücklichtern nach, bis der Mistkerl mit seiner Karre hinter einer Kurve verschwunden war. Es war das erste Mal in ihrem Leben gewesen, dass sie ihr Glück als Anhalterin versucht hatte.

Bingo!, dachte sie.

Der Regen, der seit über einer Stunde niederging, vermischte sich mit ihren Tränen, durchweichte ihre Kleidung und wusch das Blut von ihren aufgeschürften Knien.

Langsam erhob sie sich, blickte sich in der Dunkelheit um und erkannte ihren Rucksack als verschwommenen Fleck in einem Straßengraben, der halb voll Wasser stand. War das ihr persönlicher Tiefpunkt?

Sie hatte ein anderes Leben im Sinn gehabt, als sie aus dem verdammten Heim abgehauen war, das ihr schlimmer vorgekommen war als die Hölle. Für einen kurzen Augenblick ertappte sie sich dabei, dass sie sich dorthin zurückwünschte.

Dann schüttelte sie den Kopf, wie um diese Gedanken zu verjagen.

Penny zog ihren Rucksack aus dem Wasser und hängte ihn sich über die rechte Schulter. Sie befand sich auf einer einsamen Küstenstraße in Cornwall, die ihrer vagen Ansicht nach in Richtung Newquay führte.

Wohin jetzt? Weit und breit gab es kein Haus, keine Lichter, die auf die Anwesenheit irgendeiner Zivilisation hingedeutet hätten.

Dann fiel ihr Blick nach oben, und sie erkannte, dass sie sich getäuscht hatte. Am Rand der Klippen tauchte hin und wieder ein Licht auf. Ein Fenster, vor dem die Äste einer Weide im Wind hin und her gepeitscht wurden.

Es war einen Versuch wert, wenngleich Penny nicht die Absicht hatte, bei dem Haus zu klingeln. Aber vielleicht gab es dort oben einen Unterstand, irgendetwas, wo sie Zuflucht vor dem Regen finden und die Nacht verbringen konnte.

Es dauerte nicht lange, bis Penny den Weg zwischen den Klippen hinauf gefunden hatte.

Der Aufstieg war steil, doch mit jedem weiteren Schritt wurde der jungen Frau klar, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Hier oben stand tatsächlich ein Haus, und wenn Penny nicht ganz falsch lag, existierte dahinter auch so etwas wie ein Schuppen. Perfekt. Mit den Resten aus ihrem Rucksack hatte sie genügend Verpflegung für die Nacht, und morgen würde sie weitersehen.

Das Herrenhaus lag in der Nähe der Klippen und ragte wie ein dunkles Ungetüm vor Penny in die Höhe.

Sie hielt einen sicheren Abstand, um keinen Verdacht zu erregen. Die Deckung der Weiden vor dem Haus ausnutzend, schlich sie am Eingangsportal vorbei und steuerte das Nebengebäude an.

Der Schuppen wirkte wie das Haus: uralt. Dennoch machte er den Eindruck, als sei sein Dach noch intakt. Penny trat auf die Holztür zu und öffnete sie. Das Knarren ging im Geräusch des Regens unter. Rasch schlüpfte sie ins Innere und schloss die Tür hinter sich.

Nahezu vollkommene Dunkelheit umfing sie. Lediglich hier und da sickerte durch die Ritzen der Bretter fahles Licht, wann immer die Wolkendecke aufriss und der Mond zum Vorschein kam. Der Regen prasselte auf das Dach und erzeugte hohle, klopfende Geräusche.

Penny tastete sich vorwärts. Ihre Augen begannen, sich an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Der Schuppen war geräumiger, als er von draußen erschien. Direkt hinter dem breiten Tor befand sich ein alter Traktor, der aussah, als ob er sich seit Langem nicht mehr im Einsatz befunden hatte. In den Zwischenräumen des Lenkrads klebte ein dichtes Spinnennetz, das seidenfahl glänzte.

Penny umrundete den Traktor, zwängte sich an einigen verrosteten Fahrrädern vorbei, bis sie auf einen Haufen mit Strohballen stieß, die größtenteils verschimmelt waren, ihr aber für den Augenblick immerhin eine Gelegenheit zum Ausruhen boten. Zumindest, bis der Dauerregen endlich aufgehört hatte. Die junge Frau stellte ihren nassen Rucksack ab, setzte sich und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Vornübergebeugt verharrte sie und lauschte dem Trommeln des Regens auf dem Dach.

Doch mit einem Mal waren da auch andere Geräusche. Etwas knisterte, raschelte hinter ihr im Stroh.

Penny hob den Kopf, doch sie konnte zunächst nichts erkennen.

Dann begann sich das lose Stroh um sie herum zu rühren, einzelne Halme gerieten in Bewegung, so als würden sie weggetragen. Direkt neben Pennys Füßen wurden gleich mehrere kleine, huschende Körper sichtbar, die sich in schnellem Tempo an ihr vorbeibewegten.

Spinnen!

Hier und da schälten sich auch Käfer, Asseln und kleinere Insekten aus dem Stroh.

Penny unterdrückte einen Schrei und zog aus einem Reflex heraus die Beine an. Der Boden erwachte zu einer Art Eigenleben. Hunderte von Krabbeltieren mühten sich, zur anderen Seite des Schuppens zu gelangen, und zwar alle gleichzeitig. Penny hielt ängstlich, zugleich aber auch fasziniert inne.

Was passierte hier? Fast schien es, als ob … ja, als seien die Spinnen und Insekten auf der Flucht vor etwas.

Plötzlich geriet irgendwo hinter ihr etwas in Bewegung. Ein Strohballen polterte dicht an ihr vorbei.

Penny Metcalf sprang mit einem spitzen Schrei auf. Als sie sich umdrehte, blickte sie ins Angesicht des Grauens.

***

»Dad?«

Joseph Harwood, der an der Verandatür gestanden und durch den Regenschleier an den Scheiben nach draußen geblickt hatte, drehte sich langsam um. Fragend und zugleich missbilligend hob er die rechte Augenbraue, als er seinen zehnjährigen Sohn im gestreiften Pyjama erblickte.

»Mike Harwood, warum bist du nicht im Bett?«

»Ich kann nicht schlafen, Daddy.«

»Warum nicht?«

Der Junge kam langsam, sich die Augen reibend, die Treppe herunter. In seiner rechten Armbeuge klemmte ein Plüsch-Dalmatiner, der den Kopf tief hängen ließ und dessen schwarze Tupfen bereits verwaschen waren.

Mike ging auf seinen Vater zu und blickte müde zu ihm herauf. »Wo ist Mom?«

Joseph Harwood gab einen ärgerlichen Laut von sich. »Sie ist heute Abend bei einer Freundin, das habe ich dir doch vorhin bereits erklärt.«

»Wann kommt sie zurück? Du hast versprochen, dass sie bald wieder hier ist.«

Harwood widerstand dem Impuls, erneut aus dem Fenster zu sehen. Stattdessen strich er seinem Sohn mit der Hand über dessen Blondschopf.

»Das ist sie auch, versprochen. Geh jetzt wieder nach oben. Du musst morgen früh raus.«

Der Junge machte ein unwirsches Gesicht. »Aber …«

Joseph Harwood hob warnend den rechten Zeigefinger.

Es bedurfte keiner weiteren Worte, der Junge wusste, was diese Geste zu bedeuten hatte, und er gehorchte. Mike wandte sich von seinem Vater ab und bewegte sich schleppend die Treppe hinauf, wobei er sich Mühe gab, seinen Kopf genauso tief hängen zu lassen wie sein plüschiger Gefährte.

»Gute Nacht, Mike«, rief Harwood seinem Jungen hinterher, als von diesem nur noch die Füße auf der Treppe nach oben zu sehen waren.

Der Hausherr blieb noch eine Weile in dieser Haltung stehen, bevor er sich wieder der Glastür zuwandte, an der der Regen in Strömen herunterrann und die Sicht nach draußen verzerrte.

Sein Blick wanderte von den Klippen bis hinüber zu dem alten Schuppen. Harwood dachte an Linda, seine Frau, mit der er jetzt seit dreizehn Jahren verheiratet war. Er atmete tief durch, dann zog er die schweren Vorhänge zu.

***

Penny taumelte zwei Schritte zurück.

Unmittelbar vor ihr hatte sich ein riesiger Schatten aufgetürmt. Etwas tropfte neben ihr zu Boden, ein speichelartiges Sekret. Aus dem Dunkel heraus glänzten zwei gigantische Augen, die sich aus vielen einzelnen Facetten zusammensetzten. Insektenaugen!

Penny schrie. Ohne zu überlegen, stürmte sie los. Mitten durch das Dunkel. Dabei hatte sie Glück, nirgends anzustoßen. Sie tauchte in dem Moment hinter den alten Traktor, als etwas hart gegen die Karosserie stieß und das Fahrzeug erschüttern ließ.

Hinter ihr ertönte ein zischendes, geiferndes Geräusch, das Penny in den Ohren schmerzte.

Die junge Frau rappelte sich auf und jagte weiter. Im nächsten Augenblick hatte sie die Seitentür erreicht und riss sie auf.

Für einen furchtbaren Moment befürchtete Penny, sie würde es nicht schaffen, doch dann befand sie sich tatsächlich im Freien. Sie spürte den Regen in ihrem Gesicht, auf ihrer Haut. Die Kälte trieb sie weiter an. Sie musste weg von hier, nur weg.

In ihrem Rücken versuchte etwas Großes, durch die viel zu schmale Tür nach draußen zu gelangen. Das wütende Geräusch wiederholte sich.

Penny rannte weiter. Sie hörte ein furchtbares Bersten hinter sich, das Splittern von Holz. Das monströse Insekt verließ seine Behausung. Es war nur eine Frage der Zeit.

Penny versuchte, zum Haus hinüberzugelangen. Hinter den Vorhängen hatte sie Licht gesehen. Dort musste jemand sein, der ihr helfen würde. Ein paar Schritte noch, dann …

Etwas Gigantisches kam mit vielfüßigen, hektischen Schritten näher. Plötzlich tauchte es seitlich aus dem Dunkel auf. Ein Chitinpanzer glänzte nass. Penny starrte auf die Fußglieder des Tieres, die sich unmittelbar neben ihr in den feuchten Untergrund bohrten.

Das Monstrum hatte ihr den Weg zum Haus abgeschnitten.

Und noch etwas wurde Penny in diesem Moment schlagartig bewusst: Es spielte mit ihr.

Die junge Frau stoppte mitten in der Bewegung und wirbelte herum. Die Flucht ging weiter, doch wohin?

Der Weg zum Haus und damit auch zur Straße war versperrt. Zurück zum Schuppen kam nicht infrage, denn möglicherweise war dieses Untier nicht allein unterwegs.

Penny wunderte sich insgeheim, wie klar ihr Verstand in diesen Sekunden funktionierte. Zu klar. Denn plötzlich registrierte sie, dass sie sich genau auf den Rand der Klippen zubewegte und dass ihr der Mutant, oder was immer da aus dem Boden des Schuppens gekrochen war, keine andere Fluchtmöglichkeit mehr ließ.

Penny stieß einen verzweifelten Schrei aus, der ungehört im infernalisch niederprasselnden Regen verklang. Sie wusste, dass es zu Ende war, sie hatte keine Chance, dem Wesen zu entkommen. Aber auf diese Weise sterben wollte sie nicht.

Penny fasste einen Entschluss. Sie rannte weiter, holte aus ihren Beinen alles an Kraft heraus, was sie noch hatte.

Der Rand der Klippen kam in Sichtweite. Die Wolkendecke riss auf und verwandelte das Meer tief unter ihr in eine silberglänzende Oberfläche.

Nur noch wenige Meter. Pennys Turnschuhe fanden Tritt auf dem steinigen Boden. Sie keuchte und schrie, als sie sich vom Rand der Klippen abstieß.

Penny befand sich im freien Fall, als sich plötzlich ein silbriges, von schwarzen Borsten besetztes Insektenbein in ihren Rücken bohrte und sie regelrecht aufspießte.

***

»Mrs. Jane Collins?«

Die Detektivin blickte von ihrem Kaffee auf und sah der Frau, die an ihren Tisch getreten war, in die Augen. »Miss«, gab sie zurück und deutete auf den freien Platz ihr gegenüber. »Sie müssen Stella Metcalf sein. Wollen Sie sich nicht setzen?«

Der Anflug eines Lächelns huschte über das Gesicht der Rothaarigen. Sie zog ihre Jacke aus und setzte sich auf einen Stuhl. »Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe, aber ich konnte das Lokal nicht gleich finden.«

»Kein Problem«, entgegnete Jane und setzte ihre Tasse ab. Sie musterte ihr Gegenüber aufmerksam. »Sie sehen aus, als hätten Sie die letzte Nacht nicht besonders gut geschlafen.«

»Sagen wir lieber die letzten drei Nächte«, korrigierte Stella.

Der Ober erschien und nahm ihre Bestellung auf. Nachdem er gegangen war, fuhr sie fort: »Meine Schwester hat sich seit dieser Zeit nicht mehr bei mir gemeldet. Und auf Anrufe reagiert sie nicht.«

»Sie glauben, dass ihr etwas zugestoßen ist«, brachte die Detektivin die Sache auf den Punkt.

Stella nickte. »Wir telefonieren jeden Tag miteinander, wenn auch nur kurz. Ich wusste immer, was sie gerade treibt.«

»Aber dass Penny aus dem Heim abhauen wollte, hat sie Ihnen nicht erzählt?«

Die Rothaarige senkte den Kopf. »Nein. Ich war wie vor den Kopf geschlagen, als die Heimleitung bei mir anrief. Deswegen bin ich ja auch gleich aus Dublin hergekommen.«

Jane nickte. »Sie halten es nicht für möglich, dass Ihre Schwester auf dem Weg zu Ihnen ist?«

»Also, das hätte sie mir gesagt«, erwiderte Stella entschieden. »Für alle Fälle habe ich meiner Mitbewohnerin Bescheid gegeben, falls Penny tatsächlich dort auftauchen sollte.«

Jane nahm einen Schluck Kaffee, während der Ober einen Cappuccino für Stella brachte.

»Was hat die Polizei bisher in dieser Sache unternommen?«, hakte die Detektivin nach.

Stellas Züge nahmen einen verächtlichen Ausdruck an. »Die sehen doch nur, was sie sehen wollen: Eine drogenabhängige Zwanzigjährige, die aus dem Heim abgehauen ist, um irgendwo unterzutauchen oder sich neuen Stoff zu besorgen. Der Typ auf dem Revier hat zwar eine Vermisstenmeldung aufgenommen, aber ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass danach noch viel passieren wird.«

»Immerhin«, räumte Jane ein, auch wenn sie die Bedenken der anderen nachvollziehen konnte. »Darf ich Ihnen eine Frage stellen? Warum war Ihre Schwester überhaupt in dem Heim untergebracht, warum lebt sie nicht bei Ihnen?«

Stella atmete tief aus und blickte für einen Moment aus dem Fenster, als ob sie sich sammeln müsste. Dann ging ein Ruck durch ihren Körper. »Sie hatte ein Problem damit, wie ich lebe.« Gegen ihren Willen stieß die Frau mit den kurzen roten Haaren ein humorloses Lachen aus. »Klingt komisch, nicht? Sie, die Jüngere von uns, stößt sich daran, dass ich nicht auf Männer stehe, sondern seit Jahren schon mit einer Frau zusammenlebe. Sie kann Melanie einfach nicht ausstehen, und umgekehrt ist es leider genauso.«

»Verstehe«, antwortete Jane. »Sie möchten, dass ich Penny finde.«

Stella sah die Detektivin fest an. In ihren grünen Augen begannen sich Tränen zu sammeln, die die Rothaarige mit einer beiläufigen Bewegung wegwischte.

»Sie ist alles, was mir nach dem Tod unserer Eltern geblieben ist. Ja, ich möchte, dass Sie sie finden, damit ich ihr sagen kann, dass alles wieder in Ordnung kommt.«

»Okay«, meinte Jane. Eine Pause entstand, in der sich die Detektivin ausrechnete, wie hoch die Chancen standen, eine Spur von der Vermissten zu finden. »Ich nehme den Auftrag an, aber ich kann Ihnen nichts versprechen, hören Sie? Ich lasse Ihnen mit der Post einen Vertrag zukommen. Währenddessen werde ich aber schon mit der Arbeit anfangen, weil ich denke, dass wir schnell handeln sollten.«

Stella nickte mehrfach und lächelte dabei.

Jane zahlte die Rechnung und verließ einige Minuten später das kleine Lokal in der Nähe des Piccadilly Circus. Die ganze Sache klang nach einem Routineauftrag, der möglicherweise im Sande verlaufen würde.

Selten in ihrem Leben hatte sich Jane Collins so sehr geirrt.

***

Das Telefon auf meinem Schreibtisch klingelte so herausfordernd, dass mir kaum eine andere Wahl blieb, als den Hörer abzunehmen. Ein Blick auf das Display verriet mir, dass der Anruf aus der Telefonzentrale des Yard kam.

»Oberinspektor John Sinclair«, meldete ich mich.

»Hier Sergeant Rampole. Ich habe hier eine Frau in der Leitung, die sich nicht abwimmeln lässt, Sir.«

»Wie ist ihr Name?«

»Hilda Bloom. Sie besteht darauf, Sie zu sprechen, wollte mir aber ihr Anliegen nicht mitteilen.«

»Ist in Ordnung«, gab ich nach kurzer Überlegung zurück. »Stellen Sie sie durch.«

Es ertönte ein kurzes Knacken in der Leitung, dann meldete sich die resolute Stimme einer älteren Frau: »Mister Sinclair? John Sinclair?«

»Am Apparat«, antwortete ich knapp. »Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«

»Es geht um meinen Mann. Warten Sie, ich schließe rasch die Tür zum Wohnzimmer, damit er uns nicht hört.«

Der Hörer wurde beiseitegelegt. Ich vernahm Schritte und in der Tat kurz darauf das Schließen einer Tür. Ein paar Sekunden später meldete sich Hilda Bloom zurück: »Sind Sie noch da?«

»Selbstverständlich.«

»Henry ist heute früher von der Arbeit nach Hause gekommen, aber jetzt hat er sich seinen verdammten Flimmerkasten angestellt.«

»Was kann ich für Sie tun?«, fragte ich, um das Gespräch in die gewünschte Bahn zu lenken.

Einen Moment herrschte Stille in der Leitung, dann fuhr die alte Frau flüsternd fort: »Er will nicht gehen.«

Ich runzelte die Stirn und fing Sukos fragenden Blick auf, der gerade aufgestanden war, um sich bei Glenda einen Tee abzuholen. Ich nickte eifrig und hielt ihm meine Kaffeetasse hin.

»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte ich nach.

»Dass er nicht verschwinden will, haben Sie nicht zugehört? Er kommt wie jeden Tag von der Arbeit und setzt sich an den Küchentisch oder ins Wohnzimmer.«

»Und warum darf er das nicht?«, wollte ich wissen.

»Weil er vor über zwei Wochen gestorben ist.«

Ich brauchte keinen Kaffee mehr, um plötzlich hellwach zu sein.

»Sie behaupten also, dass Ihr Mann tot ist, aber nach wie vor zu Ihnen in die Wohnung kommt«, fasste ich zusammen. »Was tut er dort?«

»Er sieht sich seinen langweiligen Fußball an und verlangt von mir, dass ich ihm das Bier aus dem Kühlschrank hole, so wie ich es die letzten fünfunddreißig Jahre getan habe. Aber damit sollte doch nun wohl Schluss sein, finden Sie nicht auch?«

Ich riss mir ein Blatt vom Notizblock und notierte mir Hilda Blooms Adresse: Kipling Street 152 im Stadtteil Southwark.