John Wesley - Wilhelm Nast - E-Book

John Wesley E-Book

Wilhelm Nast

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Beschreibung

Der Zweck in dem vorliegenden Werk ist, das Leben und den Charakter John Wesleys und seiner Hauptmitarbeiter zu schildern und zu gleicher Zeit den Methodismus in seiner geschichtlichen Entwicklung, das heißt, seinen Ursprung und Fortgang, darzustellen. Da ich aber vor allem darauf Rücksicht nehmen musste, das Buch so gelungen wie möglich zu machen, so konnte ich weder eine eigentliche und ausführliche Geschichte des Methodismus, noch eine streng chronologische und in das Einzelne gehende Biografie John Wesleys geben, sondern musste mich auf das beschränken, was zu einer hinreichenden Charakterisierung der durch den sogenannten Methodismus bewirkten Belebung des wahren Christentums und der Werkzeuge, welcher sich Gott dazu bediente, gehört. Um dem Leser eine klare Anschauung von den Hauptmomenten dieses Lebens und Wirkens zu geben, behandelte ich jeden Hauptbestandteil für sich selbst und strebte deshalb mehr nach einer systematischen, als chronologischen Einteilung. Doch folgt auch bei dieser Behandlung des Gegenstandes ein Kapitel dem anderen in einer natürlichen, chronologischen Ordnung.

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John Wesley

Der Erweckungsprediger und Gründer des Methodismus

Wilhelm Nast

Impressum

© 1. Auflage 2019 ceBooks.de im Folgen Verlag, Langerwehe

Autor: Wilhelm Nast

Cover: Caspar Kaufmann

ISBN: 978-3-95893-248-7

Verlags-Seite und Shop: www.ceBooks.de

Kontakt: [email protected]

 

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Inhalt

Titelblatt

Impressum

Vorwort

1. Jugendleben und Bekehrung der beiden Wesleys

2. Neue Predigtweise Georg Whitefields und der beiden Wesleys

3. Die Bildung der Vereine

4. Anstellung unordinierter Hilfsprediger und Einführung eines regelmäßigen Reise-Plans

5. Die Verfolgungen der ersten Methodistenprediger

6. Weitere Ausbreitung des Methodismus

7. Festsetzung der methodistischen Glaubenslehre und Kirchenverfassung

8. Von dem persönlichen Leben und Charakter John Wesleys

9. Der Tod der beiden Wesleys und der vorzüglichsten ihrer Mitarbeiter

10. Schlussbemerkungen

Unsere Empfehlungen

Vorwort

Mein Zweck in dem vorliegenden Werk war: das Leben und den Charakter John Wesleys und seiner Hauptmitarbeiter zu schildern und zu gleicher Zeit den Methodismus in seiner geschichtlichen Entwicklung, das heißt, seinen Ursprung und Fortgang, darzustellen. Da ich aber vor allem darauf Rücksicht nehmen musste, das Buch so gelungen wie möglich zu machen, so konnte ich weder eine eigentliche und ausführliche Geschichte des Methodismus, noch eine streng chronologische und in das Einzelne gehende Biografie John Wesleys geben, sondern musste mich auf das beschränken, was zu einer hinreichenden Charakterisierung der durch den sogenannten Methodismus bewirkten Belebung des wahren Christentums und der Werkzeuge, welcher sich Gott dazu bediente, gehört. Mit Beziehung darauf wurde dem Buch der allgemeine Titel gegeben: „Das Leben und Wirken des John Wesley und seiner Hauptmitarbeiter.“1 – Um dem Leser eine klare Anschauung von den Hauptmomenten dieses Lebens und Wirkens zu geben, behandelte ich jeden Hauptbestandteil für sich selbst und strebte deshalb mehr nach einer systematischen, als chronologischen Einteilung; doch folgt, wie es keinem aufmerksamen Leser entgehen wird, auch bei dieser Behandlung des Gegenstandes, mit wenigen Ausnahmen, ein Kapitel dem anderen in einer natürlichen, chronologischen Ordnung; – ein Beweis, dass der Methodismus von Anfang an ein Kind der Vorsehung war.

In der Abfassung dieses Buches mache ich durchaus keinen Anspruch auf Originalität. Die Materie ist teils aus Jackson’s Centenary of Methodism, teils aus Watson’s Life of Wesley genommen, und das, was sich auf das häusliche Leben Wesleys und seinen persönlichen Charakter bezieht, – aus dem kürzlich erschienenen Leben Wesleys von Prof. Larrabee. Nur die systematische Zusammenstellung und Abkürzung dieser Materialien, neben einigen Zusätzen und Bemerkungen, – sind mein eigen. Ich glaube aber, dass es mir gelungen ist, alles, was den meisten, deutschen Lesern in den drei genannten Büchern von besonderem Interesse wäre, in den Raum von einem kleinen Band zusammengebracht und so den Preis des Buches um wenigstens zwei Drittel günstiger gemacht zu haben.

 

 

Die deutschen Mitglieder der Bischöflichen Methodistenkirche haben schon geraume Zeit auf die Erscheinung dieses Buches gewartet, und es ist zu hoffen, dass es bald in dem Haus eines jeden deutschen Methodisten zu finden sein wird, und dass unsere deutschen Landsleute von anderen Konfessionen ebenfalls ein Verlangen haben werden, ein Buch zu lesen, das ihnen erklärt, wie und woher der einerseits so hochgepriesene und dankbar anerkannte, andererseits so bitter verfolgte und verachtete Methodismus, der sich nun auch unter dem deutschen Volk (im alten Vaterland sowohl wie in den Vereinigten Staaten) eingebürgert hat, – entstanden ist.

Möge der Segen Gottes, der bisher mit den Methodisten gewesen ist, auch dieses Buch begleiten!

Cincinnati im Monat Dezember 1851.

Wilhelm Nast

1 Titel der Erstauflage von 1852.

1. Jugendleben und Bekehrung der beiden Wesleys

Die eigentümliche Form des Christentums, welche wir Wesleyschen Methodismus nennen, entstand ohne vorhergegangenen Plan durch die vereinten Bemühungen zweier Prediger, der Brüder John und Charles Wesley. Diese ausgezeichneten Männer waren zu Epworth, in der Grafschaft Lincoln geboren, wo ihr Vater, Samuel Wesley, Geistlicher war. Er war ein Mann von bedeutender Gelehrsamkeit, und, weil er in seinen früheren Jahren die Dissenter verlassen und sich der Staatskirche angeschlossen hatte, der Ordnung derselben eifrig zugetan und nahm innigen Anteil an ihrem Gedeihen. Ihre Mutter, Susanna Wesley, war eine Frau von ausgezeichneten Geistesgaben und wahrer Frömmigkeit. Sie war die Tochter des Dr. Samuel Annesley, eines aufrichtigen und frommen Nonkonformistischen Geistlichen, aber schon in ihrer Jugend aus den Reihen der Dissenter zu derselben Kirche, wie ihr Mann, übergetreten, um in derselben dem Herrn ihrem Gott zu dienen. In ihrem späteren Leben sprach sie eine entschiedene Abneigung gegen das, was sie „Presbyterianischen Glauben“ nannte, aus, und da die erste Erziehung ihrer Kinder vorzugsweise ihr anheimfiel, so wandte sie große Sorgfalt an, die Gemüter derselben in dieselben Ansichten und Gefühle einzuführen. Hierbei waren ihre Bemühungen mit so großem Erfolg gekrönt, dass ihre zwei Söhne, als sie ihre öffentliche Laufbahn begannen, die strengsten unter den strengen Theologen der Hochkirche waren, so dass sie es kaum für möglich hielten, wenigstens in ihrem Vaterland in einer anderen religiösen Gemeinschaft, als der ihrigen, selig zu werden.

John Wesley, der ältere der beiden Brüder, wurde am 14. Juni 1703 geboren. Als er ungefähr sechs und ein halb Jahre alt war, erfuhr er eine fast wunderbare Lebensrettung. Einst geriet des Nachts das Pfarrhaus in Brand, die Familie rettete sich durch die Flucht aus dem brennenden Haus; – aber welches Entsetzen überfiel sie, als John vermisst wurde, der in der Kammer schlief, zu welcher die Flammen schon den Zutritt verwehrten. In dieser schrecklichen Not erwachte John und eilte ans Fenster, aus welchem er von einem Nachbar heruntergeholt wurde, der auf die Schultern eines anderen gestiegen war. Unmittelbar darauf fiel das Dach ein, so dass, wenn seine Rettung sich nur einige Minuten verzögert hätte, er in den Flammen hätte umkommen müssen. So wachte die gnädige Vorsehung über den künftigen Erben der Seligkeit, und sparte ihn auf zu einem Werkzeuge des Heils für die Menschheit. Der dankbare Vater, – welcher diese unmittelbare Dazwischenkunft der göttlichen Erbarmung tief erkannte, als er sich von seiner Frau und seinen Kindern umgeben sah, – hieß alle, die gegenwärtig waren, niederfallen und in sein dankerfülltes Gebet miteinstimmen. „Lasst das Haus verloren gehen“, sagte er, „ich bin reich genug.“

Das Kind, welches auf so sichtbare Weise gerettet worden, zeichnete sich unter der Leitung seiner vortrefflichen Mutter durch seinen ernsten Geist und überaus gesittetes Betragen aus, so dass er schon in einem Alter von acht Jahren zur Teilnahme an dem heiligen Abendmahl zugelassen wurde. Mit elf Jahren wurde er in die Charterhouse-Schule zu London geschickt, wo er sich bald durch seinen Fleiß und seine Fortschritte im Lernen hervortat. Siebzehn Jahre alt, wurde er in das Christ-Church-Collegium zu Oxford aufgenommen, wo er seine Studien mit solchem Nutzen fortsetzte, dass man von ihm im einundzwanzigsten Jahre sagte, dass er neben großem Verstand und Scharfsinn im Besitz von schöner klassischer Gelehrsamkeit und einer sehr freien und männlichen Charakterbildung sei. Er wurde später zum Mitglied im Lincoln-College gewählt und daselbst zum Lehrer der griechischen Sprache und zum Sittenaufseher bestellt.

In Oxford legte John Wesley den Grund zu der gediegenen und ausgedehnten Gelehrsamkeit, die ihn so sehr auszeichnete und welche von unendlichem Nutzen für sein späteres Leben war. Nachdem er den Grad als Magister angenommen und über seine Zeit frei verfügen konnte, setzte er seine Studien mit unermüdlichem Eifer fort. In jeder Woche widmete er Montag und Dienstag der Lektüre der griechischen und römischen Geschichtsschreiber und Dichter, Mittwoch dem Studium der Logik und Ethik, Donnerstag dem Hebräischen und Arabischen, Freitag der Metaphysik und den Naturwissenschaften, und den Sonnabend der Übung in rhetorischen und poetischen Arbeiten. In den Zwischenstunden, die seine einsamen und regelmäßigen Studien unterbrachen, vervollkommnete er sich in der französischen Sprache, blieb der Physik nicht fremd, und las eine große Anzahl verschiedenartiger neuerer Schriftsteller, indem er sich sorgfältig alle Stellen ausschrieb, welche ihm in spezieller Hinsicht wichtig zu sein schienen. Sein großer Fleiß und Eifer hatte den günstigen Erfolg, dass er im Lateinischen ganz zu Hause war und es mit besonderer Reinheit und Korrektheit sowohl fließend sprach als schrieb. Das griechische Testament war ihm so vertraut, wie das englische, und seine Übung in der Logik fand nur selten ihres Gleichen, und wurde vielleicht von Niemand übertreffen.

Charles Wesley wurde am 18. Dezember 1708 geboren. Gleich seinen Brüdern empfing er die ersten Elemente des Wissens von seiner nicht hoch genug zu schätzenden Mutter, und wurde in seinem neunten Lebensjahr (1716) zur Westminsterschule in London geschickt und unter die Aufsicht seines ältesten Bruders Samuel gestellt, der an jener berühmten Anstalt Lehrer war. Durch ihn wurde er auch in denselben hochkirchlichen Grundsätzen befestigt, wovon er ohne Zweifel schon im väterlichen Hause einen Eindruck empfangen hatte. Er war lebhaft und munter, ebenso fähig wie begierig zu lernen, aber leichtsinnig und schadenfroh, ohne gerade boshaft zu sein. Von Westminster kam er nach Oxford in das Christ-Church-Collegium und wurde später Student, – oder wie es in den anderen Collegien heißt, Mitglied (fellow) von demselben Collegium. Nach seinem eigenen Geständnis verschwendete er das erste Jahr seines Aufenthaltes auf der Universität mit vielen Zerstreuungen, doch kehrte er mit großem Eifer zu seinen Studien zurück und nahm in der gewohnten Weise die akademischen Grade an. Auch erwarb er sich Auszeichnung in klassischer Gelehrsamkeit, indem ihn sein poetischer Geist befähigte, die Schönheiten der vorzüglichen Schriftsteller des Altertums richtig aufzufassen und zu würdigen.

Während dieser Zeit, welche die beiden Wesleys in Oxford verlebten, empfingen sie einen tiefen Eindruck von der Wichtigkeit des Glaubens. Sie lernten einsehen, dass derselbe das wichtigste Ziel für ihr ganzes Leben sei, welchem jede andere Beschäftigung und jedes andere Streben untergeordnet sein müsse; es wurde ihnen mehr als früher klar, dass die Gottseligkeit nicht in der Erfüllung äußerer Pflichten, sondern in der rechten Herzensverfassung bestehe. John Wesley empfing diese Eindrücke zuerst, vornehmlich auf Veranlassung mehrerer Bücher, welche er nacheinander las. Zuerst „Das heilige Leben und Sterben“ von Bischof Taylor, aus welchem er lernte, dass ein schlichter Wille, Gott zu gefallen, bei jeder Handlung notwendig sei. Die zweite war „Kempis Nachfolge Christi“, welche ihn in der Überzeugung von dem geistigen Inhalt der wahren Religion bestärkte; und die dritte „Law's ernsthafter Ruf zu einem gottesfürchtigen und heiligen Leben“, in dessen Grundlehren er durch ein anderes Buch desselben Verfassers „über christliche Vollkommenheit“ weiter gefördert wurde. Alle diese Bücher sind sehr geeignet, den Weltmann zu überzeugen, dass seine Vergnügungen eitel und sündig sind, und dem bloßen Namen-Christen fühlbar zu machen, dass seine gehaltlose Religion gar kein Christentum ist; aber während sie nachdrücklich die Herzensreinheit als das Wesen des Christentums einschärfen, so zeigt doch keines von ihnen den Weg, auf welchem jener Segen erreicht werden könne. Sie übergehen gänzlich mit Stillschweigen den Glauben, durch welchen die Gewissen von toten Werken gereinigt und selbst die Gedanken des Herzens geheiligt werden, und so überlassen sie den Leser seinen erfolglosen Versuchen, zu christlicher Heiligkeit zu gelangen, während er noch immer unter der Macht der Sünde bleibt. Es wird von dem Menschen verlangt, Gott von ganzem Herzen zu lieben, aber er erhält keine Anweisung in Betreff der Art und Weise, wie er der Verdammnis, welcher er durch seine Übertretungen verfallen ist, entgehen und von dem Fleischlich-gesinnt-sein, welches eine Feindschaft wider Gott ist, loskommen könne. Die unvollkommene Belehrung, welche die beiden Wesleys zu jener Zeit ihres Lebens auf diesem Wege empfingen, ließ sie unbekannt mit der Art und Weise, wie der Ungerechte gerechtfertigt wird, und deshalb blieben auch ihre Bestrebungen mehrere Jahre hindurch ganz erfolglos, sich einen solchen geistlichen Wandel anzueignen, den sie sowohl für ihre Pflicht als ihr Vorrecht erkannten. Sie dienten Gott vielmehr aus knechtischer Furcht, als aus dringender Liebe. Sie hatten nicht den kindlichen Geist, sondern den Geist der Knechtschaft. Sie konnten nicht allezeit fröhlich sein, ohne Unterlass beten, und in allen Dingen nach dem Willen Gottes in Christo Jesu dankbar sein; denn sie hatten die Versöhnung noch nicht empfangen, noch hatten sie die Erkenntnis, wie sie das Opferblut Christi und die Wirksamkeit des Heiligen Geistes zu ihrer Erlösung von der Sünde und zur Befreiung von den Übeln ihrer verderbten Natur benutzen sollten.

John Wesley empfing die eben erwähnte tiefere religiöse Überzeugung mehrere Jahre vor seinem Bruder, über den er sich so äußert: „Charles setzte seine Studien mit Eifer fort und führte ein geregeltes, schlichtes Leben; aber wenn ich zu ihm vom lebendigen Glauben sprach, so antwortete er allezeit mit Lebhaftigkeit: ,Was, soll ich auf einmal Deinetwegen ein Heiliger werden?‘ und wollte nichts weiter hören.“ So war seines Bruders Gemütszustand beschaffen, als John, nachdem er seine erste Ordination vom Bischof Potter, den 19. Sept. 1725, und im nächsten Jahre die zweite erhalten hatte, Oxford im August 1727 verließ, um seines Vaters Hilfsprediger zu Epworth und Wroote zu werden. Doch kehrte er schon im November 1729 nach Oxford zurück, um daselbst bleibend als Studienaufseher zu wirken, und war sehr erfreut, als er fand, dass sein Bruder während seiner Abwesenheit, und vornehmlich durch seinen Einfluss, von tiefem Ernst ergriffen, schon einige Monate hindurch das heilige Abendmahl wöchentlich genommen, und zwei oder drei junge Männer bewogen hatte, sich ihm hierbei anzuschließen. Diese hatten zugleich gelegentliche Zusammenkünfte, um einander in allen ihren Pflichten zu unterstützen und zu ermutigen. Die strenge Regelmäßigkeit ihres Lebens wie auch ihre Studien veranlassten einen jungen Mann zu der Äußerung: „Hier kommt eine neue Art von Methodisten auf“, indem er nach der allgemeinen Meinung auf eine gewisse Schule von alten Ärzten anspielte, welche diesen Namen führte. Diese Benennung war neu und spitz und fasste daher schnell Grund, und die Methodisten waren bald als solche auf der ganzen Universität bekannt. Die Ankunft John Wesleys vermehrte die Zahl der Bruderschaft um ein neues Mitglied, und seinem reiferen Urteil wurde von derselben mit Freuden die Leitung ihrer Angelegenheiten übergeben.

Von diesem ersten Methodisten-Verein gibt Wesley folgenden Bericht: „Seit dem November 1729 widmeten vier junge Männer zu Oxford einige Abende in jeder Woche dem gemeinschaftlichen Lesen, hauptsächlich des Neuen Testaments. Es waren John Wesley, Mitglied vom Lincoln-College, Charles Wesley, Student von Christ-Church, Herr Morgan, Commoner von Christ-Church, und Herr Kirkmann von Merton College. Im folgenden Jahr wünschten zwei oder drei von John Wesleys akademischen Zöglingen die Erlaubnis zur Teilnahme an ihren Zusammenkünften zu erhalten, desgleichen einer von Charles Wesleys Untergebenen. Im Jahr 1732 trat ihnen noch Herr Ingham vom Kollegium der Königin, Herr Broughton von Exeter und Herr Clayton von Brazennose mit zwei oder drei seiner Zöglinge bei. Hierzu kamen noch um dieselbe Zeit Jakob Herwey und später Herr Whitefield als Teilnehmer hinzu.“

Dies war der erste Methodisten-Verein. Er bestand ausschließlich aus jungen Männern, deren theologische Ansicht noch sehr unvollkommen, und deren innere Erfahrung beschränkt war; doch hatten sie das aufrichtige Verlangen, Gott zu gefallen, und übertrafen in Eifer, Selbstverleugnung und tatkräftigem Wohlwollen bei weitem viele von denen, welche sich einer höheren christlichen Erkenntnis rühmten und diese einfachen Diener Gottes und Erforscher seiner Wahrheit verachteten. Sie unterrichteten die vernachlässigten Kinder der Armen; sie besuchten die Kranken und Gefangenen im öffentlichen Gefängnis, um welche sich niemand bekümmerte; sie beobachteten das stille Gebet, den öffentlichen Gottesdienst und die Feier des heiligen Abendmahls mit der gewissenhaftesten Strenge, sie hielten die vorgeschriebenen Fasten der Kirche, unterstützten sich in ihren Studien, wachten wechselseitig über ihren geistlichen Zustand mit Liebe und Treue, und sparten so viel Geld, wie sie nur vermochten, um Werke der Nächstenliebe und Frömmigkeit tun zu können. Sogar einige ernste Leute hielten sie für „allzu gerecht“, und versuchten es, sie vom Übermaß der Frömmigkeit abzubringen, während profane Witzlinge sie mit bitteren Spott und Verachtung straften; aber diese jungen Kreuzschüler entwickelten die wahre Stärke und Aufrichtigkeit ihrer Überzeugungen durch geduldiges Beharren bei ihrem segensreichen und gottesfürchtigen Vorhaben. Sie zogen auch Wesley den Vater zu Rat, welcher sie aufmunterte, auf dem betretenen Pfad fortzuschreiten.

Ein Vorfall, den John Wesley in einer seiner Predigten erwähnt, kann dazu dienen, die Zartheit seines Gewissens an den Tag zu legen, und den ernsten Gesichtspunkt zu zeigen, aus welchem er zu jener Zeit seine Verantwortlichkeit betrachtete. „Als ich in Oxford war“, sagt er, „kam an einem kalten Wintertage ein junges Mädchen, welches wir in die Schule gehen ließen, zu mir. Ich sagte zu ihr: Du scheinst halb erstarrt zu sein; hast du nichts weiter zu deiner Bedeckung, als dieses dünne Kleid von Leinwand? Sie antwortete, dass dies alles sei, was sie habe. Ich griff mit der Hand in die Tasche, und fand, dass ich von meiner früheren Geldverteilung so gut wie nichts übrig hatte. Da traf mich augenblicklich der Gedanke: Wird dein Herr und Meister zu dir sagen: Du frommer und getreuer Knecht? – Um diese Wände zu schmücken, hast du es dich viel Geld kosten lassen, durch welches dieses arme Geschöpf vor der Kälte geschützt werden könnte. – O Gerechtigkeit, o Gnade! Soll dieses arme Mädchen deine Liebhaberei für Gemälde entgelten? Betrachte deinen unnötigen Putz in demselben Licht. Dein Rock, dein Hut, dein Haarputz, alles, was du an dir hast, kostet mehr, als deine Christenpflicht von dir fordert, um der Not dieser Armen abzuhelfen! O sei doch weise für die Zukunft! Sei doch barmherziger, treuer gegen Gott und Menschen! Und schmücke dich reichlich mit guten Werken.“–

In einer anderen Predigt hat uns Wesley ein sehr belehrendes Gemälde von dem Zustand seines Herzens in jener Lebensperiode, so wie von seinem erfolglosen Bemühen zum wahren Christentum im Glauben und Liebe zu gelangen, gegeben. „Nachdem ich sorgfältig“, sagt er, „die stärksten Beweisgründe gesammelt hatte, die ich sowohl in alten als neuen Schriften für das Dasein Gottes und was damit auf das Engste zusammenhängt, für das Dasein einer unsichtbaren Welt, finden konnte, bin ich oft auf und nieder gegangen, bei mir selbst nachsinnend: Was, wenn der düstere Gedanke eines alten Dichters, dass die Geschlechter der Menschen sich nur verhalten, wie die Reihenfolge der Blätter an den Bäumen, Wahrheit in sich hat, wenn die Erde die auf einander folgenden Menschengeschlechter in Verwesung sinken lässt, wie der Baum seine Blätter abschüttelt? – Was, wenn der Ausspruch eines großen Mannes wahr ist, dass der Tod nichts ist und es auch nach dem Tod nichts gibt? Woher bin ich gewiss, dass dies nicht der Fall ist, dass ich nicht bloß klug ersonnenen Märchen Glauben geschenkt? – Und diesen Gedanken habe ich verfolgt, bis ich ohne Besinnung war und bereit, lieber mein Leben daran zu geben, als ferner zu leben.“

In Bezug auf das Gesetz der göttlichen Liebe stellt er folgende Frage auf: „Was kann die kalte Vernunft hierbei tun? Sie kann uns wohl schöne Gedanken an die Hand geben und ein Gemälde erhabener Liebeswerke entwerfen, aber es ist Alles nur ein gemaltes Feuer. Weiter als bis dahin kommt der Verstand nicht. Ich habe dies mehrere Jahre versucht, und die schönsten Kirchenlieder, Gebete und Betrachtungen in allen mir zugänglichen Sprachen gesammelt, sie mit allem mir möglichen Ernst und Aufmerksamkeit gesungen und immer von Neuem gelesen, aber dennoch blieb ich gleich den Gebeinen in Ezechiels Gesichts „in denen noch kein Odem war.“

Die Gesellschaft zu Oxford hatte nicht lange unter John Wesleys Leitung bestanden, als sie den Tod des Herrn Morgan zu betrauern hatte, welcher im Beginn seiner frommen Laufbahn von der Erde schied. Er war der Sohn eines irländischen Edelmanns und von allen wegen seines vortrefflichen Charakters geliebt. Wesley berichtete an dessen Vater über die näheren Verhältnisse des Verewigten in einem Brief, in welchem er zugleich die tiefste Verehrung für seinen Freund aussprach, und Samuel Wesley, der jüngere, widmete seinem Andenken ein Gedicht, welches ein schönes Gemälde seiner frühen Frömmigkeit und des Geistes ist, welcher diesen ersten Methodistenverein beseelte. Herr Morgan zeigte seinen Brüdern zuerst den Weg zu einer überaus wichtigen Gelegenheit aufopfernder Liebe, indem er sehr eifrig war, einen Mörder, der sein Todesurteil empfangen hatte, zu besuchen. Die Zuversicht im Leiden und Sterben dieses Methodisten, der zuerst zu der höheren Geisterwelt abgerufen wurde, das friedliche und selige Ende eines so unbescholtenen Lebens musste seine ihn überlebenden Freunde mehr als alles andere kräftigen, fest auf der betretenen Bahn zu beharren, um wo möglich zu jenem Vorbild der Heiligkeit zu gelangen, welches ihnen ihr Lehrer, Herr Law, so nachdrücklich vor die Seele gestellt hatte.

Die Gesundheit von Wesley dem Vater begann immer mehr zu sinken, und derselbe wünschte daher in Übereinstimmung mit den übrigen Gliedern der Familie, seinen Sohn im Rektorat von Epworth zum Nachfolger zu haben. Dieser blieb jedoch unwiderruflich bei seiner Weigerung, und weder die Bitten seiner Eltern, noch die Vorstellungen seines älteren Bruders vermochten ihn von seinem Entschluss abzubringen. Er stellte für seine Meinung in dieser Hinsicht nicht weniger als 26 Gründe auf, welche er seinem Vater in einem langen Briefe mittheilte, aber der wahre Grund seiner Weigerung war ihm damals selbst unklar. „Es sind allerhand Ratschläge in eines Menschen Herz, aber der Rat des Herrn hat Bestand.“ Hätte Wesley das Kirchenamt zu Epworth angenommen, so ist sehr wahrscheinlich, dass sein Einfluss für sein ganzes Leben auf sehr enge Grenzen beschränkt worden wäre, während er doch nach dem Plan der Vorsehung zum Wohltäter der Welt bestimmt wurde.

Wesleys Vater starb im April 1735, und die Stelle zu Epworth wurde im folgenden Mai anderweit vergeben, so dass John Wesley die Meinung hegte, er werde seinen ruhigen Aufenthalt zu Oxford ohne weitere Störung dauernd genießen und daselbst, so hoffte er, der Kirche durch Förderung des Geistes der Frömmigkeit unter den angehenden Lehrern des christlichen Glaubens die wesentlichsten Dienste leisten können. Doch diese Hoffnungen gingen in seinem Sinne nicht in Erfüllung. Die Vorsteher der neuen Kolonie Georgia (in Nordamerika) empfanden einen schmerzlichen Mangel an eifrigen und tätigen Geistlichen, sowohl in Bezug auf das geistliche Wohl der Kolonisten, als wegen der Predigt des Christentums unter den benachbarten einheimischen Indianern. Die Oxforder Methodisten schienen die gewünschte Hilfe am besten gewähren zu können, und es wurde John Wesley eine solche Anstellung in jenem Land angetragen. Geraume Zeit zögerte er, und nahm die Stelle erst nach gepflogener Beratung mit seiner Mutter und Freunden an; ebenso entschloss sich auch sein Bruder Charles, der sich mit spezieller Beziehung auf diese Anstellung ordinieren ließ. Sie schifften sich am 21. Okt. 1735 zu Gravesend ein, in Begleitung des Gouverneurs Herr Oglethorpe, des Herrn Ingham von Queens College zu Oxford und des Herrn Charles Delamotte aus einem Londoner Kaufmannshaus. „Unser Wille, das Vaterland zu verlassen“, sagte John Wesley „war weder eine Flucht um der Dürftigkeit zu entgehen, denn Gott hatte uns reichlich mit zeitlichen Gütern gesegnet; noch ein Jagen nach unreinem Gewinn, nach Reichtümern und Ehre, sondern er war allein darin begründet, unsere Seele zu retten und allein der Ehre Gottes zu leben.“

Ehe John Wesley von England abreiste, ließ er eine Predigt drucken und als Abschiedsbrief unter seine Freunde verteilen. Es geht aus derselben ein tiefer Ernst des Charakters und eine innere Überzeugung von der Notwendigkeit der Heiligung hervor, aber dennoch finden sich auch Beweise darin, dass seine Ansichten von der christlichen Wahrheit noch sehr unvollkommen waren. Er schildert darin die Welt als ein großes Krankenhaus, und gibt den Leiden im menschlichen Leben die Bestimmung, die sittlichen Krankheiten der Menschen zu heilen. Zugleich stellt er fest, dass, soweit sich auch die Wirksamkeit einer solchen Heilmethode in diesem Leben erstrecken möge, selbst die besten Menschen erst mit dem Tod frei von Sünde werden, welche namentlich in der irdischen Hülle ihren dauernden Sitz habe. Die reinigende Kraft des Blutes Christi und die belebende Macht des Heiligen Geistes, auf welche die Bücher der heiligen Schrift so viel Gewicht legen, wird von ihm fast ganz übersehen. Mit der aufrichtigsten Absicht, aber nur unvollkommener Einsicht in ihren Beruf, segelten daher die beiden Bruder als christliche Missionare nach Georgien.

Bei der Anlage der neuen Kolonie hatte die Regierung besonders den Zweck gehabt, den auf dem Festland von Europa verfolgten Protestanten einen sichern Zufluchtsort zu bereiten, und es befanden sich daher unter Wesleys Reisegefährten Glieder der mährischen Gemeinde aus Deutschland mit ihrem Bischof Nitschmann. In diesen Fremdlingen erblickten die englischen Methodisten das Christentum in einem weit milderen Lichte, bei weitem gewinnender und tröstlicher, als sie es bisher gekannt hatten. Diese frommen Exulanten trugen jede Beschwerde, selbst jede Schmähung mit der größten Sanftmut, sie waren allezeit bereit, ihren Reisegefährten die niedrigsten Dienste zu erweisen, – und während diese in Sturm und Wetter voll Furcht ihr Leben verloren gaben, sangen jene ruhig das Lob Gottes, voll kindlichen Zutrauens und Ergebung im Angesichte des nahen Todes in dem tiefen Wellengrabe. Mit solcher Sinnesart waren die beiden Wesleys bisher unbekannt geblieben. Keiner von ihnen war frei von Todesfurcht, auch hatten sie keinen richtigen Begriff von geheiligter Freude, welche aus der Aneignung der Verdienstes Christi unter allen Umständen hervorgeht und durch das bleibende Zeugnis des himmlischen Trösters gewirkt wird. Ihre Frömmigkeit hatte immer noch mehr von Furcht und Selbstpeinigung, als von heiligem Frieden und himmlischer Freude an sich.

Bei ihrer Ankunft in Georgien trennten sich die beiden Brüder, indem sich John zu Savannah niederließ, während Charles bei dem Gouverneur das Amt eines Sekretärs versah, und zu Friederica blieb. Beide widmeten sich ihren geistlichen Pflichten mit einem Eifer und einer Treue, von welcher die Welt wenige Beispiele gesehen hat. „Sobald ich mit meinem Fuß Georgien betreten hatte“, sagt John, „predigte ich täglich um 5 Uhr morgens, und jeder Teilnehmer am heiligen Abendmahl, d. h. jeder eifrige Christ in der Stadt besuchte diesen Gottesdienst das ganze Jahr hindurch; jeder kam alle Morgen, Sommer und Winter, außer im Krankheitsfall; und dies geschah, so lange ich im Land blieb.“ Außerdem besuchte John Wesley die Leute täglich von Haus zu Haus und katechisierte mit den Kindern in der Schule alle Sonnabende nachmittags.

Er hat uns seinen eigenen Bericht über seine sonntägliche Arbeit in der letzten Zeit seines Aufenthalts zu Savannah hinterlassen. „Das erste englische Gebet dauerte von 5 bis 6:30 Uhr. Das italienische, welches ich mit einigen Waldensern hielt, begann um 9 Uhr. Der zweite Gottesdienst für die Engländer, mit Predigt und Heiligem Abendmahl, dauerte von 11:30 bis gegen 12:30 Uhr. Der französische Gottesdienst fing um l Uhr an. Um 2 Uhr katechisierte ich die Kinder. Gegen 3 Uhr hielt ich englische Nachmittagskirche, nach deren Beendung ich mich glücklich fühlte, so viel Leute, wie mein größtes Zimmer nur fassen konnte, bei mir zum Lesen der heiligen Schrift, zu Gebet und zu Lobgesängen vereinigt zu sehen. Gegen 6 Uhr war der Gottesdienst der mährischen Brüder, an welchem ich nicht als Lehrer, sondern als Schüler teilnahm.“

Diese außerordentliche Anstrengung und die Grundsätze, von welchen dieselbe ausging, fanden bei dem größeren Teil der Kolonisten wenig Beifall, denen vielmehr diese unaufhörlichen Aufforderungen zur religiösen Pflichterfüllung und besonders die strenge Kirchenzucht, welche die beiden Brüder einzuführen strebten, gehässig war. Charles Wesley wurde zu Friderica das unschuldige Opfer einer schändlichen Intrige, durch welche selbst der Gouverneur eine Zeitlang getäuscht und zu einer so harten Strenge gegen seinen Sekretär verleitet wurde, dass diese fast für Carls Leben gefährlich geworden wäre. Das gottlose Spiel wurde zwar später enthüllt, und der Gouverneur schenkte dem armen Verfolgten, mit Bezeugung seines innigen Bedauerns wegen der erlittenen Verfolgung, einen Ring zum dauernden Zeichen seines Zutrauens und seiner Wohlgewogenheit. Zu Anfang August verließ Charles Georgien mit Aufträgen des Gouverneurs an die Regierung in England. Im November folgte ihm der Gouverneur selbst nach.

Die Verhältnisse John Wesleys wurden hierauf immer peinlicher. Die Regierung hatte ihn zum Geistlichen in Savannah bestimmt; das war jedoch immer gegen seinen Willen gewesen. Er hatte in die Reise nach Georgien nur mit der Absicht eingewilligt, sich als Lehrer der Indianer brauchen zu lassen, was jedoch der unruhige Zustand der Kolonie unmöglich zu machen schien. Er beschäftigte sich daher sehr ernstlich mit dem Gedanken, seinem Bruder nach Europa nachzufolgen. Unterdessen brach eine Verfolgung gegen ihn aus, weil er eine weltlich gesinnte Dame vom heiligen Abendmahl zurückgewiesen hatte. Er erschien sechs bis siebenmal vor dem Gerichtshöfe, um sich zu verantworten; da er jedoch fand, dass seine Feinde entschlossen waren, das Verhör aufzuschieben, und ihn durch Zögerung zu ermüden, machte er den Entschluss seiner Abreise öffentlich bekannt, und schiffte sich offen nach England ein zu Anfang des Dezembers 1737, nachdem er der Kolonie ein Jahr und fast neun Monate als Geistlicher gedient hatte.

John Wesleys Missionsreise war von der höchsten Wichtigkeit für ihn, obwohl er seine nächste Absicht nicht erreichte. Sein Verkehr mit den Mährischen Brüdern trug wesentlich dazu bei, ihm den wahren Inhalt des Christentums auszuschließen. Er bewunderte ihre christliche Gesinnung schon während der Seereise und wurde besonders bei seiner Ankunft mit ihrem Pastor Spangenberg bekannt, um dessen Rat er oft in seinen eigenen Angelegenheiten bat. Der ehrwürdige Deutsche sagte ihm: „Mein lieber Bruder, ich muss eine oder zwei Fragen an dich richten. Hast du das Zeugnis des Geistes in deinem Innern? Gibt dir der Geist Gottes Zeugnis davon, dass du ein Kind Gottes bist?“ Wesley sagte: „Ich war erstaunt, und konnte keine Antwort finden.“ Jener bemerkte es und fragte weiter: „Kennst du Jesus Christ?“ Ich schwieg eine Weile und sagte dann: „Ich weiß, dass Er der Heiland der Welt ist.“ „So ist es wahrlich; aber weißt du auch, dass Er dich erlöst hat?“ Ich antwortete: „Ich hoffe, dass Er zu meiner Erlösung gestorben ist.“ Darauf stellte er noch die kurze Frage: „Kennst du dich selbst? Doch als ich mit „ja“ antwortete, so fürchte ich nur ein leeres Wort gesprochen zu haben.

Später wohnte John Wesley von Zeit zu Zeit im Hause dieser frommen Leute, wo er dann, da sie alle in einer Stube lebten, vom Morgen bis zum Abend bei ihnen war. Er äußert sich über sie also:

„Sie waren immer beschäftigt, immer fröhlich und liebreich gegen einander. Sie hatten allen Zank und Streit, Zorn, Bitterkeit und üble Nachrede von sich getan, und wandelten würdig des Berufes, in welchem sie berufen waren, das Evangelium unseres Herrn verherrlichend. – Eines Tages kamen sie zusammen, die Angelegenheit ihrer Kirche zu beraten, da Spangenberg in Kurzem nach Pennsylvanien abgehen und Bischof Nitschmann nach Deutschland zurückkehren sollte. Die große Einfachheit sowohl wie die Feierlichkeit des Ganzen ließen mich 1700 dazwischen liegende Jahre vergessen und glauben, dass ich einer jener apostolischen Versammlungen beiwohne, welchen Paulus der Zeltmacher und Petrus der Fischer, zwar ohne alle äußeren irdischen Auszeichnungen, aber mit dem Beweise des Geistes und der Kraft vorstanden.“

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dies der erste Eindruck war, den John Wesley vom wahren schriftmäßigen Christentum außerhalb der Schranken seiner Landeskirche erhielt, und dieser Eindruck bildete sich allmählich zu einem wahrhaft allgemeinen christlichen Geist aus, von welchem er im Leben und Sterben ein so ausgezeichnetes Vorbild gab.

Während seiner Heimreise war seine Aufmerksamkeit vorzüglich auf den Zustand seines eigenen Herzens gerichtet, wie sein Tagebuch vom 8. Juni 1737 (eines Sonntags) beweiset: „In der Fülle meines Herzens schrieb ich Folgendes nieder: – Durch das untrügliche Gefühl meines Innern bin ich überzeugt l. von meinem Unglauben, indem ich keinen solchen Glauben an Christus besitze, der mein Herz von aller Unruhe sicherte; was nicht der Fall sein könnte, wenn ich im festen Glauben an Gott und seinen Sohn stände. – 2. Von meinem Stolz während meines ganzen vergangenen Lebens, da ich glaubte, ich besäße, wovon ich mich nun überzeuge, dass es mir fehlt. –

3. Von meinem groben Mangel an steter Sammlung, insofern ich im Sturm jeden Augenblick Gott anrufe, aber nicht bei ruhiger See. – 4. Von meinem Leichtsinn, indem ich allezeit rückwärts gehe, wenn die Not von mir genommen ist, und rede, was nicht zu meiner Erbauung dient, vornehmlich aber, wenn ich von meinem Feinde spreche. O Herr rette mich, oder ich verderbe.“

„Rette mich l. durch solchen Glauben, welcher im Leben und Sterben Frieden schenkt. – 2. Durch solche Demut, welche von jetzt auf ewig mein Herz mit einem durchdringenden, ununterbrochenen Gefühl erfüllt, dass ich bisher nichts getan, überall auf keinen rechten Grund gebaut habe. – 3. Durch solche Sammlung, dass ich dich allezeit anrufen könne, vorzüglich bei äußerer Ruhe. – Gib mir Glauben, oder ich sterbe; gib mir einen demütigen Geist, sofern nicht das Leben eine Last für mich sein soll. – 4. Durch Standhaftigkeit, Ernst, Heiligkeit und Nüchternheit des Geistes, indem ich wie Feuer jedes Wort vermeide, das nicht zur Erbauung beitragen kann, und niemals von meinen Widersachern und den Feinden Gottes anders spreche, als dass zugleich alle meine eigenen Sünden mir lebhaft vor die Seele treten.“

Vierzehn Tage später spricht er sich auf folgende Weise aus:

„Ich ging nach Amerika, um die Indianer zu bekehren; doch ach, wer wird mich selbst bekehren? Wer oder was wird mich frei machen von diesem bösen, ungläubigen Herzen? Ich bin nur fromm in der guten Zeit; ich kann wohl heilig reden, ja, selbst gläubig sein, wenn mir keine Gefahr nahe ist; aber schaut mir der Tod ins Angesicht, so ist mein Geist betrübt und ich kann nicht sagen: Sterben ist mein Gewinn. Mich beherrscht eine sündige Furcht, dass, wenn mein letzter Lebensfaden abgelaufen, ich noch beim Landen untergehen werde.“

„Ich glaube gewisslich, dass, wenn das Evangelium wahr ist, ich das Heil finden werde, denn ich habe gegeben und gebe all mein Gut den Armen; ich bin willig, meinen Leib verbrennen oder ertränken zu lassen, oder was sonst Gottes Wille ist; ich jage nach der Liebe, (zwar nicht wie ich sollte, aber doch wie ich kann), ob ich es vielleicht erlange. Ich glaube jetzt, dass das Evangelium wahr ist; ich zeige meinen Glauben durch meine Handlungen, indem ich mein Alles darauf setze. Ich würde so tausend und aber tausendmal handeln, wenn ich die Wahl noch einmal tun sollte. Wer mich sieht, sieht, dass ich gern ein Christ sein möchte. Deshalb sind meine Wege nicht wie anderer Leute Wege. Deshalb bin ich gewesen, und bin froh es noch zu sein, ein Stichblatt und Sprichwort des Spottes und Tadels. – Aber im Sturm denke ich: ‚Was, wenn das Evangelium nicht wahr ist? Dann bist du der allergrößte Tor. Denn zu welchem Zweck hast du deine Güter, Ruhe und Habe, deine Freunde, Ehre und dein Vaterland verlassen, und selbst dein Leben aufs Spiel gesetzt? Weshalb bist du über die weite Erde gewandert? Wegen eines Traumes oder einer schlau ersonnenen Fabel? O wer wird mich erlösen von dieser Furcht des Todes? Was soll ich tun? Wohin soll ich vor ihr fliehen? Soll ich gegen sie kämpfen, indem ich an sie denke, oder indem ich sie ganz vergesse?“

Charles Wesley landete in England den 3. Dezember 1737 und sein Bruder den 1. Februar 1738. Bei wiederholter Prüfung seines Herzens und beim Rückblick auf seine verlebten Jahre kam John Wesley zur innigen und festen Überzeugung, dass er weit hinter dem Bilde eines wahren Christen zurückgeblieben.

„Es sind jetzt“,

sagte er,

„zwei Jahre und fast vier Monate, seit ich mein Vaterland verlassen, um den Georgischen Indianern das Christentum zu lehren; aber was habe ich selbst während dieser Zeit gelernt? Was ich im Geringsten nicht vermutete, dass ich selbst, willens Andere zu bekehren, mich noch nicht zu Gott bekehrt hatte. Ich bin nicht wahnwitzig, indem ich so rede, sondern ich rede wahre und vernünftige Worte, ob vielleicht diejenigen, welche noch träumen, erwachen und einsehen, dass, wie ich bin, so auch sie sind.“

„Sind sie in der Philosophie bewandert? Das war ich auch. In alten und neuen Sprachen? Ich auch. Haben sie sich die Gottesgelehrtheit zu Eigen gemacht? Ich habe sie viele Jahre getrieben. Können sie mit Beredtheit über geistliche Dinge sprechen? Dasselbe konnte ich auch. Sind sie gewohnt, reichlich Almosen zu geben? Siehe, ich gab alle meine Güter zum Besten der Armen. Schenkten sie denselben nicht bloß von ihrem Vermögen, sondern widmeten sie denselben auch ihre Mühe und Arbeit? Ich habe das in größerem Maße getan, als sie alle. Sind sie willig für ihre Brüder zu leiden? Ich habe meine Freunde, meine Ehre und Ruhe, mein Vaterland daran gegeben; ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt, indem ich in fremde Länder ging; ich habe meinen Leib der Gefahr ausgesetzt, von der Tiefe verschlungen, von der Hitze verbrannt, von Arbeit und Mühseligkeit aufgerieben zu werden, oder was sonst noch Gott gefallen mochte, mir aufzuerlegen. Kann aber alles dies, (sei es nun viel oder wenig, darauf kommt es nicht an), mich Gott angenehm machen? Kann alles, was ich jemals zu lernen, zu sprechen, zu geben, zu tun oder zu leiden vermochte, mich in seinen Augen rechtfertigen? Oder kann dies etwa der beständige Gebrauch seiner Gnadenmittel? (Obwohl das ganz recht, zweckmäßig und unsere Schuldigkeit zu tun ist). Oder dass ich mich über nichts anzuklagen weiß, dass ich, was äußere Sittlichkeit betrifft, tadellos bin? Oder weil ich, um der Sache näher zu kommen, eine verständige Überzeugung von allen christlichen Wahrheiten habe? Gibt mir all das einen Anspruch auf den heiligen, himmlischen, göttlichen Charakter eines Christen? Keineswegs. Wenn das Wort Gottes wahr ist, wenn wir bei dem Gesetz und den Propheten bleiben sollen, so sind alle diese Dinge, obwohl sie, wenn durch den Glauben an Christus verherrlicht, heilig, gerecht und gut sind, doch ohne denselben Schmutz und Schlacken, allein zu unserer Läuterung für das Feuer, das da nie erlischt, bestimmt.“

„Vielmehr bin ich in der Ferne zu der Erkenntnis gelangt, – dass ich ermangle des Ruhmes an Gott, dass mein ganzes Herz durchaus verdorben und verabscheuungswürdig, und demgemäß auch mein ganzes Leben ist, (indem ich wohl begreife, wie unmöglich es ist, dass ein schlechter Baum gute Früchte hervorbringen könne); dass ich, wie ich jetzt beschaffen bin, von dem Leben aus Gott entfremdet, ein Kind des Zornes, ein Erbe der Unseligkeit bin, dass meine eigenen Werke, meine Leiden, meine Gerechtigkeit so weit davon entfernt sind, mich mit meinem beleidigten Gott zu versöhnen, so fern von der Möglichkeit, nur die geringste meiner Sünden, deren Zahl größer ist, als der Haare auf meinem Haupt, wieder gut zu machen, dass selbst die ausgezeichnetsten meiner guten Werke der Rechtfertigung bedürfen, und vor seinem gerechten Richterstuhl nicht bestehen können; dass ich mit dem Todesurteil in meinem Herzen und ohne Ausflucht zu meiner Entschuldigung, meine einzige Hoffnung, vollkommen gerechtfertigt zu werden, allein auf die Erlösung durch Jesus Christus setzen kann. Ich habe nur die Hoffnung, dass, wenn ich Christus suche, ich ihn auch finden, und ebenso in ihm werde erfunden werden, indem ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Christus kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird.“

„Wenn man zu mir spricht, dass ich ja Glauben habe, (denn gar oft habe ich dergleichen von solchen leidigen Tröstern gehört), so antwortete ich: Haben doch die Teufel auch eine Art von Glauben, und bleiben doch fremd dem Bund der Verheißung. So hatten selbst die Jünger zu Kanaan in Galiläa, als Christus zum ersten Mal seine Herrlichkeit kund tat, eine Art von Glauben an ihn, aber nicht denjenigen, welcher die Welt überwindet. Der Glaube, dessen ich entbehre, ist ein festes Vertrauen und eine gewisse Zuversicht zu Gott, dass mir durch das Verdienst Christi meine Sünden vergeben sind, und ich wieder in die Gnade Gottes aufgenommen bin. Mir fehlt der Glaube, den Paulus vorzüglich in dem Briefe an die Römer aller Welt ans Herz legt, der Glaube, der da macht, dass Jeder, der ihn hat, ausruft: Ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebet in mir; denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat. Ich entbehre des Glaubens, den Niemand haben kann, ohne zu wissen, dass er ihn hat, (obwohl sich viele einbilden, ihn zu besitzen, die ihn nicht haben); denn wer ihn hat, ist befreit von der Sünde, der ganze sündige Leib hat aufgehört. Er ist befreit von aller Furcht, indem er Frieden hat mit Gott durch Christus und sich in der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes freut. Er ist befreit von allem Zweifel, indem die Liebe Gottes durch den ihm verliehenen heiligen Geist in sein Herz ausgegossen ist, welcher Geist auch seinem Geist das Zeugnis gibt, dass er ein Kind Gottes ist.“

So schmerzlich und demütigend diese Überzeugung auch für einen Mann sein musste, welcher so viel dafür getan und gelitten hatte, was er für die wahre Religion hielt, so wurde dieselbe doch durch seinen Umgang mit Peter Böhler, einem gelehrten Geistlichen der Brüder-Gemeinde, der damals nach England kam, immer mehr bestätiget und befestigt. Als er mit diesem ausgezeichneten Deutschen zu London bekannt geworden war, so versäumte er bis Anfang Mai, wo sich dieser fromme Fremde nach Carolina einschiffte, keine Gelegenheit mit ihm zu sprechen. John Wesley scheint von Peter Böhler mehr als von irgendeinem seiner bisherigen Bekannten evangelisches Licht empfangen zu haben. Die folgenden Notizen aus seinem Tagebuch geben Zeugnis von dem tiefen Eindruck, welchen die Unterredungen mit jenem auf seinen Geist machten.

„Freitag den 17. Februar reiste ich mit Peter Böhler nach Oxford, und am folgenden Tage gingen wir nach Stanton-Harcourt zu Herrn Gambold. Die ganze Zeit hindurch sprach ich mit Peter Böhler, aber ich verstand ihn nicht, und am wenigsten, wenn er zu mir sagte: Mein Bruder, mein Bruder, du musst deine Philosophie erst ganz bei Seite legen.“

„Sonnabend den 4. März fand ich meinen Bruder zu Oxford, der sich von seiner Krankheit erholte, und Peter Böhler bei ihm, durch welchen ich durch die Hand des großen Gottes am nächsten Sonntag vollkommen von meinem Unglauben, von dem Mangel des Glaubens, durch den wir allein selig werden, überzeugt wurde. Augenblicklich traf mich der Gedanke: Lass ab von deinem Predigen! Wie kannst du anderen predigen, der du selbst den Glauben nicht hast? Ich fragte Böhler, was er mir in dieser Hinsicht rate, ob ich davon abstehen solle oder nicht. Er antwortete: ‚Auf keinen Fall‘. Als ich aber weiter fragte: ‚Was kann ich aber predigen?‘ so sagte er: ,Predige den Glauben, bis du ihn hast, und dann sollst du den Glauben predigen, weil du ihn hast.‘“

„Demzufolge begann ich montags den 6. meine neue Überzeugung zu predigen, obwohl mein Geist immer noch davor zurückbebte. Die erste Person, welcher ich das Heil im Glauben anbot, war ein zum Tod Verurteilter. Peter Böhler hatte schon öfters von mir verlangt, dass ich mit ihm sprechen solle, aber ich hatte es bisher noch nicht über mich gewinnen können, indem ich schon seit vielen Jahren eine lebhafte Überzeugung von der Unmöglichkeit einer Bekehrung auf dem Totenbett gehabt hatte.“

„Am Donnerstag war ich wieder mit Peter Böhler zusammen, der mich immer mehr und mehr durch seine Schilderung, die er mir von den Früchten des lebendigen Glaubens machte, von der Heiligkeit und Glückseligkeit, welche sie mit sich führen, in Erstaunen setzte. Am nächsten Morgen begann ich das Neue Testament von Neuem, indem ich mir vornahm, bei dem geschriebenen Worte Gottes zu bleiben, und die Zuversicht zu Gott hegte, dass Er mir beim Lesen der Bibel zeigen werde, ob diese Lehre von Gott sei.“

„Am Sonnabend hatte ich gegen das, was mir Peter Böhler über die Beschaffenheit des Glaubens sagte, nichts einzuwenden, indem er ganz mit den Worten unserer Kirche sagte, dass derselbe sei ein festes Vertrauen und eine Zuversicht zu Gott, dass einem Jeden, der da glaubt, durch das Verdienst Christi seine Sünden vergeben sind, und dass er zu Gnaden bei Gott angenommen wird. Auch konnte ich weder die Glückseligkeit noch den heiligen Wandel leugnen, welche er als Früchte dieses lebendigen Glaubens beschrieb. Die Bibelstellen: „Der Heilige Geist selbst bezeuget unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind“, und „wer da glaubt, trögt solches Zeugnis in sich“; überzeugten mich von der ersteren; „wer aus Gott geboren ist, sündiget hinfort nicht mehr“, und „wer da glaubt, ist aus Gott geboren“ von dem letzteren. Aber ich konnte nicht begreifen, was er von der plötzlichen Bekehrung sprach. Ich konnte nicht fassen, wie dieser Glaube in einem Augenblick gegeben werden könne, wie jemand so auf einmal von der Finsternis zum Licht, von Sünde und Elend zu Gottesfurcht und Freude im heiligen Geist gebracht werden könne. Ich forschte wieder in der Schrift über diesen Gegenstand, und zwar vornehmlich in der Apostelgeschichte; aber zu meinem Erstaunen fand ich fast kein Beispiel von einer anderen als plötzlichen Bekehrung, kaum eine so langsame, als die des Apostel Paulus, welcher sich drei Tage hindurch in den Schmerzen der neuen Geburt befand. Ich hatte nur noch eine Ausflucht offen, nämlich, zugestanden, dass Gott also in den ersten Zeiten des Christentums wirkte, welchen Grund haben wir, bei veränderten Umständen, dasselbe noch heute zu erwarten?“

„Aber am Sonntag wurde mir auch diese Ausflucht durch die Beweiskraft mehrerer lebendiger Zeugen genommen, welche aussagten, dass Gott also in ihnen wirksam gewesen, indem Er ihnen in einem Augenblick einen solchen Glauben an das Blut seines Sohnes schenkte, dass sie sogleich ans der Finsternis in das Licht, aus Sünde und Furcht in heiliges Leben und Glückseligkeit versetzt waren. Hier endete mein Widerstreben; ich konnte nur ausrufen: Herr, hilf meinem Unglauben!“

„Ich wandte mich wieder mit der Frage an Peter Böhler, ob ich mich nicht dessen enthalten sollte, Andere zu lehren. Er antwortete: ‚Nein, du sollst das Pfund, das dir Gott gegeben, nicht vergraben.‘ Demzufolge sprach ich zwei Tage später zu Blendon in der Familie des Herrn Delamotte von der Beschaffenheit und den Früchten des Glaubens. Herr Broughton und mein Bruder waren zugegen. Der Erstere machte mir namentlich den Einwand, dass er nicht glauben könne, ich habe keinen Glauben, da ich doch so Vieles getan und gelitten. Mein Bruder war sehr zornig und äußerte sich, dass ich gar nicht wüsste, welches Unheil ich durch meine derartigen Reden gestiftet. In der Tat gefiel es Gott, damals ein Feuer anzuzünden, welches, wie ich zuversichtlich hoffe, niemals verlöschen wird.“

„Am Mittwoch hatte mein Bruder eine lange und ausführliche Unterredung mit Peter Böhler. Es gefiel Gott, ihm seine Augen zu öffnen, so dass er klar die Beschaffenheit des alleinigen, wahren, lebendigen Glaubens erkannte, durch welchen wir allein aus Gnaden selig werden.“

„Am Donnerstag verließ Peter Böhler London, um sich nach Carolina einzuschiffen. O welches Werk hat Gott seit seiner Ankunft in England angefangen! das kein Ende nehmen wird, als bis Himmel und Erde vergehen.“

Bei seiner Ankunft zu Southampton richtete Böhler einen sehr liebevollen lateinischen Brief an John Wesley, in welchem er ihn zur beständigen Übung des Glaubens in Christo dringend aufforderte, auf dass er frei von der Schuld und Macht der Sünde, und von Frieden, Freude und heiliger Liebe voll werde.

Es ist erwähnt worden, dass Charles Wesley mit der neuen Überzeugung seines Bruders sehr unzufrieden war. Zu derselben Zeit aber fiel er in eine schwere Krankheit, so dass sein Leben in großer Gefahr schwebte. Als ihn seine Leiden aufs höchste schmerzten, und es beinahe zweifelhaft war, ob er nur noch einige Stunden leben werde, wurde er von Böhler besucht. „Ich bat ihn“, erzählt Charles Wesley, „für mich zu beten. Er schien zuerst nicht bereit dazu; nachdem er jedoch mit schwacher Stimme begonnen hatte, erhob er dieselbe immer mehr und betete für meine Wiedergenesung mit einer außerordentlichen Zuversicht. Dann ergriff er meine Hand, und sagte ruhig: Du wirst jetzt noch nicht sterben. Ich dachte in meinem Herzen: Ich kann diese Qual nicht bis zum nächsten Morgen aushalten. Böhler fragte mich: „Hoffest du selig zu werden? „Ja.“ „Aus welchem Grunde hoffst du das „Weil ich mich auf das äußerste angestrengt habe, Gott zu dienen.“ Er schüttelte seinen Kopf und sagte nichts weiter. Ich hielt dies für einen großen Mangel an Liebe, indem ich zu mir selber sprach: Wie, sind meine Bemühungen nicht ein hinreichender Grund der Hoffnung für mich? Sollte mich Gott des Lohnes meiner Anstrengungen berauben wollen? Worauf soll ich mich sonst verlassen?

Charles Wesley, welcher so großen Anstoß an der Lehre von der freien und wirksamen Erlösung von der Sünde durch den Glauben an Christus genommen hatte, richtete jetzt seine eifrige Aufmerksamkeit im Gebet auf diesen Gegenstand und gelangte bald dahin, in seiner Überzeugung mit seinem Bruder und dem frommen Deutschen übereinzustimmen. Bisher hatte John immer den Vorrang in religiösen Dingen behauptet; doch jetzt wurde das Verhältnis umgekehrt. Charles, welcher die erwähnte Lehre zuletzt angenommen hatte, war der erste, der ihre Wahrheit durch seine eigene Erfahrung bekräftigte. Am Morgen des Pfingstsonntages, nachdem er einen neuen Rückfall in seiner Krankheit gehabt, und sein Bruder und einige Freunde die letzte Nacht in Gebet für ihn zugebracht, erwachte er in der lebhaften Hoffnung, bald das Ziel seiner Sehnsucht, – die Erkenntnis Gottes in der Versöhnung Jesu Christi zu erlangen.

Gegen neun Uhr besuchten ihn sein Bruder und einige Freunde und sangen ein Lied, welches zu diesem Tag passte. Als diese Charles Wesley verlassen hatten, wandte er sich zum Gebet. Bald nachher sprach jemand in seiner Nähe auf eine sehr nachdrückliche Weise: Glaube an den Namen Jesu Christi, und du wirst von aller deiner Krankheit genesen. Diese Worte gingen ihm zu Herzen, und belebten ihn mit Zuversicht, und während des Lesens verschiedener Schriftstellen fühlte er sich kräftig, auf Christus zu vertrauen, welchen Gott hat vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut, und empfing die Gerechtigkeit, den Frieden und die Ruhe in Gott, welche er so ernstlich gesucht hatte.

Drei Tage später empfing John Wesley denselben Segen. Er meldet uns über diesen Montag, Dienstag und Mittwoch Folgendes:

„Es lag fortwährend Kummer und Trauer auf meinem Herzen, ein Zustand, über welchen ich auf eine halb gebrochene Weise, wie ich es damals allein vermochte, einem Freund in folgendem Briefe schrieb: Wie ist es möglich, dass ein so großer, so weiser, so heiliger Gott mich als ein solches Werkzeug gebrauchen will? O Herr, lass die Toten ihre Toten begraben! Willst du aber die Toten senden, um die Toten aufzuerwecken? Ja, du sendest, wen du senden willst, und schenkest Gnade, wem du Gnade schenken willst. So geschehe denn dein Wille! Wenn du das Wort sprichst, so wird auch Judas die Teufel austreiben.“

„Ich sehe, dass das ganze Gesetz Gottes heilig, gerecht und gut ist. Ich weiß, dass jeder Gedanke, jede Stimmung meiner Seele Gottes Bild und Überschrift tragen muss. Wie ermangle ich jedoch des Ruhmes vor Gott! Ich fühle, dass ich unter die Sünde verkauft bin. Ich weiß, dass ich nichts als Zorn verdiene, indem ich voll Gräuel bin, und nichts Gutes an mir habe, womit ich sie aussöhnen, oder den Zorn Gottes von mir wenden könne. Alle meine Werke, meine Gerechtigkeit, meine Gebete bedürfen der Versöhnung. So dass mir also der Mund gestopft ist, dass ich nichts zu meiner Verteidigung habe. Gott ist heilig, – ich unheilig. Gott ist ein verzehrend Feuer, – ich allzumal ein Sünder, der bereit ist von diesem Feuer verzehrt zu werden.“

„Aber ich höre eine Stimme, (und ist dies nicht die Stimme Gottes?) die mir zuruft: „Glaube, und du sollst selig werden! – Wer da glaubt, ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen. – Also hat Gott die Welt geliebt, dass Er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“