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Manchmal ist es nicht so einfach abzuheben und die Flügel auszubreiten... Ein Abenteuerbuch über Mut und Freundschaft, darüber zusammenzuhalten und Verantwortung zu übernehmen. Und natürlich über die Liebe zur Fliegerei. In Spörls Büchern wachsen Kinder über sich heraus und Eltern lernen loszulassen und dem Nachwuchs etwas zuzutrauen! Wo könnte man das besser erleben als auf dem Flugplatz? »Alle sagen, Fliegen ist cool. Mir wird dabei immer sauschlecht. Ich soll aber trotzdem beim Segelfluglager mitmachen. Und meine große Schwester kommt als Oberaufpasserin auch noch mit. Na toll! Superpeinlich!« Jonas Immelmann, 14 Jahre alt »Papperlapapp! Segelfliegen sollte jeder lernen! Du erlebst Freiheit, Abenteuer, den unendlichen Horizont … Stell dich nicht so an, Jonas!« Betsy Immelmann, Pilotin, Großmutter, 78 Jahre alt »Abenteuer erleben, Segelfliegen lernen, Freunde fürs Leben finden … Eine wunderbare Fliegergeschichte für alle großen und kleinen Piloten und solche, die es werden wollen!« Gerald Lehner, ORF Salzburg
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Seitenzahl: 111
Veröffentlichungsjahr: 2019
Judith Spörl - Maxim Lysak
JONAS HEBT AB
Judith Spörl - Maxim Lysak
© 2019 Judith Spörl, Maxim Lysak
Idee und Text: Judith Spörl
Umschlag und Illustrationen: Maxim Lysak
Bilder von Jonas: Kim Turlach
Lektorat: Textwerkstatt Anne Paulsen
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
Fotos: © K.Turlach, M.Lysak, J.Spörl
ISBN
Paperback:
978-3-7469-5531-5
Hardcover:
978-3-7469-5532-2
e-Book:
978-3-7469-5533-9
Vielen Dank an Sally Mihalyi für die tollen Windenfotos, die als Vorlage dienten! Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
1.
Ich kann mich noch genau an meinen ersten Segelflug erinnern. Ich habe damals das ganze Flugzeug vollgekotzt. SUPER-PEINLICH!
Für mich war sofort glasklar: Das war mein letzter Tag auf dem Flugplatz. Nie wieder! Gab das ein Theater! Bei uns besteht nämlich die ganze Familie aus Piloten und alle haben nur darauf gewartet, dass ich jetzt auch endlich begeistert abhebe.
OBER-SUPER-PEINLICH! Leider kam ich mit meiner Flugplatzverweigerung nicht mal einen Tag durch.
Dann stand ich wieder am Segelflugstart.
Betsy (Oma dürfen wir sie nicht nennen – sie fühlt sich sonst so alt, sagt sie) hatte entschieden »Jetzt wird’s aber mal Zeit, Jonas. Keine Ausreden mehr!« und mich sofort in ihren alten Doppelsitzer verfrachtet. Das war bei ihr im Segelflugverein in Niederfelden. Und dann war »Hammerwetter«. Das heißt viele Aufwinde, genannt Thermik1, unter diesen Wattebausch-Kumulus-Wolken, die so harmlos aussehen. Von wegen. Betsy hat ewig darunter gekreist, damit wir mit dem Segelflugzeug Höhe gewinnen. So ein Segler hat ja keinen Motor. Man nutzt deswegen die aufsteigenden Luftmassen unter diesen Wolken, dreht dort seine Runden, um zu steigen und dann kann man das später wieder abgleiten. So hangelt man sich von einem Aufwind zum nächsten langsam weiter. Sie war ganz aus dem Häuschen.
»Dein erster Flug und gleich so ein Glück, Jonas, bei dem Wetter fliegen Scheunentore! Dieser Bart fetzt!« Mit Bart meinte sie den Aufwind. Aber das war mir in dem Moment echt schnurzegal. In meinem ganzen Leben war mir noch nie soooo übel gewesen! Die haben echt ’nen Knall! Erst rennt man bei sengender Hitze über den Flugplatz bis alles aufgebaut und startbereit ist und dann fliegt man ständig im Kreis. Mein neues T-Shirt war voller Kotze. Die Shorts, das Gurtzeug zum Anschnallen und das vom Fallschirm. Am Schluss suppte die Soße sogar noch in meine Schuhe. Und dann der Gestank! Ich konnte gar nicht mehr aufhören. Ich hatte die Schnauze echt voll! Nie wieder! Fliegergene hin oder her!
Nur leider fliegen bei uns wirklich ALLE. Ganz echt.
Es ist nicht zum Aushalten.
Los ging’s bei Opa. Der war schon Pilot im Zweiten Weltkrieg. Nach dem Krieg flog er einfach weiter und hat meine Oma, Betsy, mit seinem Fliegerfimmel angesteckt. Mittlerweile lebt Opa zwar nicht mehr, aber Betsy ist vom Flugplatz nicht mehr wegzudenken. Sie wurde eine berühmte Segelfliegerin und Fluglehrerin und ist schon sowas wie eine Legende unter Insidern.
Mein Paps wuchs also mehr oder weniger auf dem Segelflugplatz auf und lernte fliegen.
Dort traf er meine Mutter, auch Pilotin, war ja klar. Sie kam durch ihren Onkel zur Fliegerei. Mein Onkel war nämlich Fluglotse in Salzburg auf dem Tower und Hobbypilot. Wie du siehst, alle voll abgehoben.
Meine Eltern fliegen jetzt beide beruflich, das nervt mich total. Denn sie sind immer ziemlich viel weg. Deswegen sind Charly, meine große Schwester, und ich sehr oft bei Betsy – und das heißt natürlich: auf dem Flugplatz!
Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, heißen wir auch noch Immelmann! Da gab es ganz früher wohl mal so ein ganz berühmtes Flieger-Ass, das so hieß. Sogar eine Kunstflugfigur haben sie nach ihm benannt. Wir sind aber nicht mit dem verwandt, sagt Betsy.
Jetzt amüsieren sich immer alle: Ist ja klar, bei dem Namen, das Fliegen liegt euch ja im Blut, wie toll! Haha. Von wegen.
ALSO BEI MIR JA WOHL NICHT.
Bei Charly schon. Die fährt da voll drauf ab und konnte es gar nicht abwarten, bis sie 14 Jahre alt wurde und mit der Segelflugausbildung anfangen durfte.
Aber mir war das echt zu doof. Immer mussten wir mit zum Flugplatz.
Ich hatte jedenfalls gerade mal wieder gezeichnet und war mittendrin (das kann ich nämlich richtig gut) und wollte mich mit meinem Zeichenblock verkrümeln, da hatte mich Betsy entdeckt und kurzerhand in den Flieger verfrachtet.
Damals war ich neun Jahre alt. Und echt nicht groß. Die anderen hatten alle einen Riesenspaß. Haben Kissen angeschleppt, damit ich überhaupt aus dem Cockpitfenster schauen konnte und der Gurt passte. Einen Fallschirm muss man auch tragen, aber der schlackerte so an mir rum und wäre im Falle des Falls (haha, ganz wörtlich) total nutzlos.
Sie mussten sogar Bleigewichte in den Flieger vorne reinschrauben, weil wir sonst zu leicht gewesen wären und der Schwerpunkt nicht gestimmt hätte. Irgendwie sowas.
Aber das alles interessierte Betsy ja überhaupt nicht. Sie setzte sich auch nicht nach vorne, wie das Piloten normalerweise tun, wenn sie einen Gast mitnehmen. Sie war es als Fluglehrerin gewohnt, hinten zu sitzen und das zog sie bei unserem Flug natürlich auch durch.
Alle waren ganz aus dem Häuschen: Jetzt, endlich, der Enkel wird erleuchtet und tritt in die Fußstapfen der Familie …!
Was ein Trara! Charly sagte, ich solle mich nicht so anstellen, bei ihr sei das ja genauso gewesen und es sei alles ganz normal so. Ich fand, das war mal wieder typisch Betsy. Um sie wurde immer so ein Wirbel veranstaltet. Legende eben. So einer widerspricht man nicht.
Aber ich war ja auch der Einzige, der sie öfter mal peinlich fand. Ja sicher, sie ist ’ne coole Pilotin und so. Aber sie war auch sonst anders als die meisten Omas.
Nichts war schlimmer als damals, wenn sie mich noch in der ersten Klasse von der Schule abgeholt hatte. Andere Omis haben graue Haare, tragen normale, gemütliche Klamotten und machen halt auch sonst normale Sachen. Kuchen backen zum Beispiel.
Betsy ist einfach nur schrill. Sie färbt sich ziemlich gerne die Haare. Knatschrot. Und sie hat so lange, krallige Fingernägel, meistens pink oder sonstwie bunt lackiert. Wenn sie einen umarmt oder sogar küsst (kommt zum Glück fast nie vor), hat man hinterher oft Make-up-Schmiere und Lippenstift im Gesicht. URGL!
Die Klamotten dazu kann man sich jetzt wahrscheinlich schon vorstellen. Ich sage nur: Schmetterlingssonnenbrille. Mit Glitzer. Geht gar nicht!
Meine liebe Schwester findet das natürlich alles voll hip und cool und ist total stolz auf ihre Großmutter. Klar, die zwei gehen ja auch zusammen shoppen und verschwinden stundenlang in irgendwelchen Schuhläden.
Wenn Betsy mich früher von der Schule abholte, stand sie nicht einfach nur da rum und hat vielleicht mit den anderen Erwachsenen gequatscht. Was man halt so tun würde. Nein! Sie musste ja die Zeit nutzen und sich auf ihr Kunstflugprogramm vorbereiten. Echt schräg.
Hast du schon mal einen Piloten beobachtet, der sich am Boden in Gedanken auf eine Runde Kunstflug vorbereitet? Die haben dann ganz glasige Augen. Die Hände strecken sie vor sich, als wären die Finger die Tragflächen und dann fliegen sie quasi das Programm ab. Problem ist nur, dass beim Kunstflug ja ’ne Menge im Rückenflug stattfindet. Also auf dem Kopf. Was der Pilot ja jetzt nicht so einfach nachmachen kann am Boden. Das führt also unweigerlich zu ziemlich seltsamen Verrenkungen. Am Flugplatz ist das ja ganz lustig. Aber so vor der Schule, wenn keiner weiß, worum es geht? Voll daneben!
Ich war ziemlich schnell bekannt in meiner Klasse: als der mit der bekloppten Kasperloma. Na, ganz toll. Danke Betsy.
Checkliste 1:
Warum ich NIE Pilot werden will
1. Im Flugzeug kotzen ist doof und voll peinlich
2. Dauernd mit cooler Sonnenbrille posieren müssen
3. Verlust der normalen Muttersprache, nur noch Flieger-Blabla (sonst bräuchten wir hier ja auch kein Glossar, oder?)
4. Man macht sich vor einem Kunstflug zum Affen
5. In Tüten oder leere Flaschen pinkeln bei langen Thermikflügen
6. Nie Zeit für die Kinder haben
1 Wenn du es ganz genau wissen willst, findest du hinten im Glossar noch mehr Erklärungen!
2.
Nach diesem total bescheuerten Flug haben sie mich tatsächlich in Ruhe gelassen. Ich musste nicht mehr mitfliegen. Trotzdem sollte ich immer mit Charly und Betsy auf den Flugplatz gehen. Ich bin dann eben im Lepo mitgefahren und hab mit auf der Winde rumgesessen. Mit der Winde zieht man die Segelflugzeuge in die Luft, wie einen Lenkdrachen. Das geht ganz schön ab. Das hatte ja bei meinem Höllenflug auch noch Spaß gemacht.
Aber Betsy und meine Eltern haben gelauert und heckten irgendwas aus. Das war mir klar. Als Kleinkind sei ich doch auch schon öfter im Motorsegler oder der Cessna mitgeflogen, da wäre alles gut gewesen – kurz: Ich solle mich nicht so anstellen, hieß es.
Ich habe dann immer meinen Kritzelblock mitgenommen und einfach gezeichnet. Um meine Flugzeugbilder reißen sich immer alle. Als ich für Betsy mal ’nen Spatz 55 gezeichnet habe, hat sie tatsächlich geweint vor Rührung. Immerhin.
Außer mir und Charly war sonst kein Mensch unter 18 Jahren in dem Verein. VOLL ÖDE. Ich hätte ja auch gerne mal ein paar Wochenenden bei meinen Freunden verbracht. Aber das erlaubten meine Eltern fast nie. Ich könne den Leuten ja nicht ständig zur Last fallen, hieß es.
Nach ein paar Jahren dachte ich, jetzt wäre das Thema endlich durch – Charly glänzte ja sowieso schon mit ihren Segelflugerfolgen – da ging es plötzlich wieder los!
Und zwar hatten meine Eltern mich zu einem Segelfluglager an einem anderen Flugplatz, in Moorbach, angemeldet.
Ich habe getobt, gewütet, tagelang nicht mit ihnen geredet. Nützte nichts.
Meine Mutter war ganz traurig und hat dann gesagt: »Hör zu. Freunde von uns haben ihren Sohn auch in Moorbach angemeldet. Du kannst dich vielleicht noch an ihn erinnern. Wir sind früher, als ihr klein wart, zusammen gewandert. Maxl heißt er.« Sie schaute mich ganz hoffnungsvoll an.
Ich so: »Nö.«
Sie, ziemlich bemüht, mich nicht merken zu lassen, wie fertig sie war: »Okay, macht nichts. Maxl ist auf jeden Fall genauso alt wie du, vierzehn. In Moorbach fliegen mehrere Jugendliche in deinem Alter. Das wird bestimmt toll! Und Charly kommt natürlich auch mit.«
Ich war stinksauer: »Na toll! Gleich mit Babysitter! Da werden die mich dort ja gleich für voll nehmen, was?«
Meine Mutter blinzelte nervös. Wäre ich nicht so wütend gewesen, hätte sie mir sicher leidgetan. Sie hielt mir einen langen Vortrag. Es wäre eine tolle Gelegenheit für Charly, Erfahrungen auf einem neuen Platz zu sammeln. Und das sei da bestimmt alles total lustig mit so vielen jungen Leuten. BLABLABLA…
Und dann gab sie mir ein Versprechen: »Jonas. Wir werden dich nie wieder mit Flugplatz und Fliegen quälen, du machst hinterher, was du willst, aber dieses eine Segelfluglager nehmen wir noch mit. Wenn dir das Fliegen danach immer noch keinen Spaß macht, lassen wir dich für immer damit in Ruhe. Versprochen.«
Ich war echt misstrauisch. Nur noch dieses eine Mal? Danach machen, was ich will? Das klang doch mal wie ein Plan. Aber so leicht wollte ich nicht nachgeben.
»Wieso sagst du eigentlich immer WIR, wenn du mich meinst? Ich muss das Fluglager ja wohl mitmachen. Ihr seid ja gar nicht dabei«, bockte ich noch ein wenig rum. Sie schaute ganz schön bedröppelt.
Aber war ja klar, dass sie gewonnen hatte. Dann würde ich eben zu diesem Segelfluglager gehen und irgendwie die Zeit totschlagen. Charly würde sie schon alle begeistern und von mir ablenken. Und dann hätte ich ein für alle Mal meine Ruhe!
Hab ich gedacht.
3.
Das Ganze sollte in den Sommerferien stattfinden. Kurz nach meinem 14. Geburtstag. Vorher musste ich noch zum Fliegerarzt, der bescheinigen sollte, dass ich fit genug fürs Fliegen war.
Da gingen wir natürlich nicht zu irgendwem, sondern zu einem guten Freund von Betsy, Dr. Gehtwohl.
Dr. Gehtwohl hatte seine Praxis in einem alten Wohnhaus, das schon bessere Tage gesehen hatte. Eine Sprechstundenhilfe oder einen Assistenten hatte er nicht. Viele Patienten schien es hier nicht zu geben. Der Jüngste war er auch nicht. Daneben sah Oma Betsy aus wie ein frischer Apfel. Die zwei alten Freunde tauschten begeistert und überlaut Geschichten von früher aus.
Betsy musste eine Menge Formulare für mich ausfüllen, ob ich irgendwelche fiesen Krankheiten hätte oder so. Hab ich natürlich nicht. Danach wurde ich mit dem kalten Stetoskop abgehorcht, bekam Blut abgenommen und musste anschließend auf der Toilette in einen Becher pieseln.
»Du kannst deinen Urin dann nebenan auf die Ablage stellen«, rief mir Dr. Gehtwohl hinterher.
Im Vorbeigehen warf ich einen Blick in das besagte Zimmer. »Sie meinen, hier in die Küche?«, fragte ich irritiert. Auf der Anrichte standen noch die Reste eines ausgiebigen Frühstücks.
»Das ist keine Küche, sondern mein Labor«, erklärte Dr. Gehtwohl leicht beleidigt.
Ich verkniff mir jeden Kommentar und machte, was ich sollte.
Danach musste ich jede Menge Sehtests machen. Zum Schluss sollte ich mich am anderen Ende des Behandlungszimmers seitlich aufstellen und das dem Arzt zugewandte Ohr mit der Hand abdecken.
»Bitte wiederholen Sie, was ich sage«, forderte mich Dr. Gehtwohl auf.
»Okay.«
»Einundzwanzig«, flüsterte der alte Arzt wichtig.
»Einundzwanzig«, wiederholte ich.
»Zweiundzwanzig«, sagte der Arzt.
»Zweiundzwanzig«, wiederholte ich.
»Dreiundzwanzig«, flüsterte Dr. Gehtwohl.
Der meinte das tatsächlich ernst. Das sollte der Hörtest sein???
»Dreiundzwanzig«, wiederholte ich.
»Sehr gut, und jetzt die andere Seite, einmal umdrehen und das andere Ohr zuhalten bitte«, kommandierte Dr. Gehtwohl zufrieden.