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Jonna findet es wunderbar, auf dem Lykkehof in Schweden bei ihrer Cousine Liv Ferien zu machen. So viele Tiere! Doch die langen Sommerferien auf dem Land verlaufen nicht die ganze Zeit so, wie Jonna es erwartet hat. Als beinahe etwas Schlimmes passiert, glaubt Jonna, dass sie einfach nicht auf den Lykkehof gehört. Doch gemeinsam mit ihren neuen Freund*innen und all den Tieren schafft sie es, über ihren Schatten zu springen und wird dafür belohnt: Sie findet auf dem Lykkehof ein neues Ferien-Zuhause und will am liebsten für immer bleiben!
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Tiere, Freundschaft und Mittsommer in Schweden
Jonna ist überglücklich: Sie macht Sommerferien auf dem Lykkehof in Schweden bei ihrer Cousine Liv. Hier gibt es so viele süße Tiere! Und alle freuen sich auf das große Mittsommerfest. Doch eines Tages findet Jonna ein kleines verletztes Rentier am Waldrand. Sie ist ganz aufgebracht und muss schnell Hilfe holen. Liv weiß sicher, was zu tun ist! Schaffen es die beiden rechtzeitig, den Kleinen zu retten?
Sandra Grimm
Ein tierisches Mittsommerfest
Mit Illustrationen von
Miriam Fritz
»Super Nachricht, das errätst du nie!«, jubelte Papa, als er aus seiner Homeoffice-Ecke in die Küche kam.
Ich versuchte gerade, ein Zahlenrätsel in Mathe zu lösen. Wer hatte eigentlich Spaß an Matherätseln? Ich hätte viel lieber normale Hausaufgaben aufgehabt. »Hast du einen guten Auftrag bekommen?«, fragte ich. Meistens freute Papa sich so, wenn er einen neuen Job als Journalist hatte.
»Genau«, sagte Papa und grinste.
»Ähm … für viel Geld?«, riet ich.
»Exakt«, sagte Papa und nickte zufrieden. »Nun rate, wo.«
»Ich, äh … keine Ahnung?«
»In Schweden!« Papa riss begeistert die Arme hoch.
Verwirrt blickte ich auf seine erhobenen Hände. »Was? Du fährst nach Schweden? Und ich? Kommt Mama dann zurück?« Mamas Cello-Tournee mit dem Orchester dauerte bis Herbst, sie reisten schließlich durch ganz Asien. Oder wurde die Tour abgebrochen? Ich runzelte die Stirn.
»Du kommst mit«, sagte Papa.
»Wa…wie?«, quiekte ich und schnappte nach Luft.
Papa erzählte, dass wir zusammen für fast drei Monate bei seiner Schwester in Schweden leben würden, damit er von dort aus für seine Artikel schreiben konnte. »Es geht um die Tierwelt in Schweden«, erklärte er.
Ich versuchte, es zu kapieren. »Wie … wie soll denn das gehen, ich … ich … die Schule … Sommerferien … das dauert noch ewig«, stammelte ich.
Papa grinste. »Ziemlich genau vier Wochen. Und dafür bist du von der Schule freigestellt, ich habe gerade mit ihnen telefoniert.«
Freigestellt? Was hieß das nun wieder? »Keine Schule?«, fragte ich. Hm, das klang gar nicht so übel.
»Na ja, du bekommst Aufgaben für diese Zeit, die Liste hole ich in zwei Tagen ab. Spätestens, denn in drei Tagen müssen wir schon los.«
»In drei Tagen?«, rief ich verblüfft. Wie sollte das funktionieren? »Was ist mit Esma? Und unserer Wohnung? Und Knolle?« Ich konnte gar nicht so viele Fragen stellen, wie mir einfielen. »Ich kenne Tante Frida doch kaum. Und mein Schwedisch ist auch nicht so toll.«
Papa ließ sich neben mich auf den Stuhl plumpsen. »Entschuldige, Jonna. Ich habe dich damit ziemlich überfallen. Wir bestellen uns jetzt Pizza, und dann reden wir in Ruhe über alles. Und wenn du es danach schrecklich findest mitzukommen, überlegen wir uns eine Lösung.«
Das hörte sich gut an. Papa telefonierte mit der Pizzeria, und ich versuchte, Mathe zu machen. Aber daraus wurde nichts mehr, und als die Pizzabotin klingelte, klappte ich das Heft einfach zu. Vielleicht musste ich das ja nicht mal nachholen, wenn wir wirklich in drei Tagen nach Schweden fuhren.
Wir kuschelten uns aufs Sofa, und Papa erklärte noch mal alles ganz in Ruhe. Er hatte schon ziemlich viel organisiert, mit der Schule telefoniert und die Reiseroute rausgesucht.
»Dein Schwedisch ist sicher gut genug, immerhin sprechen wir ein bisschen Schwedisch miteinander, seit du ein Baby bist«, versicherte er. »Die Nachbarin von oben hütet unsere Wohnung, das habe ich geklärt. Und bei Tante Frida ist genug Platz für uns. Weißt du, in Schweden ist es wunderschön, ich freue mich schon, dir das alles zu zeigen! Wir würden sogar das Mittsommerfest mitfeiern können, das wird dir gefallen, das ist mit Tanzen und Singen und Essen und …«
Er plapperte immer weiter, und ich hörte ihm neugierig zu. Allmählich flatterten ein paar Aufregungs-Schmetterlinge durch meinen Bauch.
»Ich habe Bauchkribbeln«, flüsterte ich. »Ich glaube, ich freue mich.«
Papa drückte mich fest an sich. »Ich mich auch.«
»Aber was ist mit Knolle?«, fiel mir plötzlich ein. Wer würde sich um den Hund unseres alten Nachbarn kümmern? Er konnte nicht mehr gut Treppen steigen, darum ging ich jeden Tag mit Knolle Gassi. Und außerdem liebte ich das niedliche Hündchen sehr.
»Da finden wir auch eine Lösung«, meinte Papa. »Vielleicht hat Mehsud aus dem Erdgeschoss Lust, das für eine Weile zu übernehmen, was meinst du?«
Ich nickte. Ja, das konnte sogar sein, der war ganz nett. »Knolle wird mir fehlen«, seufzte ich.
Papa schmunzelte. »Bestimmt. Aber vielleicht hast du etwas vergessen«, sagte er geheimnisvoll.
Ich schaute auf. »Was denn?«
»Deine Tante Frida ist stolze Besitzerin eines Tierhofes«, sagte Papa. »Er heißt Lykkehof, erinnerst du dich noch? Vor einigen Jahren haben wir sie schon mal besucht. Hühner, Schafe, ein Hund, ich glaube, sie hat zurzeit sogar einen Esel. Und puh, hoffentlich ist der Pfau von damals nicht mehr da, vor dem hatte ich irgendwie Angst.«
Ach ja, das hatte ich total vergessen! Ein Hof voller Tiere, fast wie ein Bauernhof. Tante Frida nahm Tiere auf, die verletzt oder ausgesetzt worden waren. Auch Tiere, die sonst niemand mehr wollte, durften bei ihr leben. Und da würden wir den ganzen Sommer über wohnen? Das war ja … unglaublich!
»Du hattest Angst vor den Tieren?«, fragte ich Papa.
Er zog eine Grimasse. »Ja, ich bin nicht so der Tierkuschler. Aber diesmal werde ich mich nicht von irgendwelchen Vögeln erschrecken lassen!« Selbstbewusst reckte er eine Faust in die Luft. »Und du kannst üben«, fuhr er fort. »Du willst doch Tierpflegerin werden, da lernst du bei Frida sicher eine Menge.«
Ich schmiegte mich nachdenklich an Papas Bauch. In Berlin gab es nicht so viele Tiere, aber immerhin hatte ich Knolle. Ich liebte den Zoo und auch Tiersendungen. Wenn ich groß war, würde ich auf jeden Fall im Tierheim arbeiten. Oder auf einem Tierhof wie Tante Fridas. Und jetzt durfte ich den ganzen Sommer mitten zwischen Tieren leben? Das klang ziemlich gut!
Jetzt war da nur noch die Sache mit meiner besten Freundin.
»Was ist mit Esma?«, fragte ich.
»Am besten, du lädst sie morgen zu einem Abschiedsbesuch ein«, schlug Papa vor. »Ich backe uns haufenweise Kekse, und ihr redet über alles.«
Ich seufzte. Esma würde nicht begeistert sein.
Doch ich hatte mich getäuscht. Esma war begeistert. »Ich überstehe das hier schon«, meinte sie. »Für dich ist das super! Du lernst deine Familie kennen und bist den ganzen Tag bei den Tieren. Bestimmt kannst du hinterher perfekt Schwedisch!«
Wir überlegten, was wir alles über Schweden wussten.
»Da wird es im Sommer gar nicht richtig dunkel«, meinte Esma. »Und überall laufen Elche rum.« Sie klatschte aufgeregt in die Hände. »Oh, meinst du, du wirst Rentiere sehen? Wie die vom Weihnachtsmann?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Und dann klau ich eins für uns.« Plötzlich flatterten wieder diese kleinen Schmetterlinge durch meinen Bauch. Rentiere … ob ich wirklich echte Rentiere sehen würde? Das wäre so unglaublich!
»Klau bloß keins«, meinte Esma. »Sonst stürzt der Weihnachtsmann dieses Jahr noch mit seinem Schlitten ab.« Sie schielte zur Decke, das machte sie immer, wenn sie nachdachte. »Mücken«, sagte sie dann. »Ich glaube, es gibt vor allem viele Mücken. Magst du auch Mücken, so als Tierfreundin? Bssss!« Summend piekte sie mir in die Seite.
»Hey!« Ich kitzelte zurück. »Nicht sooo sehr … aber um die kümmere ich mich ja sowieso nicht. Nur um die großen Tiere. Papa sagt, es gibt sogar einen Esel. Esel sind cool.«
»Du musst ihm Tricks beibringen«, meinte Esma. »Und Fotos schicken. Mama gibt mir solange ihr altes Handy, damit wir uns schreiben können.«
»Echt?« Ich sah sie neidisch an. Papa ließ mich kaum ans Handy und meinte, ich bekäme noch lange keins. Aber bestimmt durfte ich Esma Fotos schicken.
»Du hast es gut. Schweden, Elche, Tiere, ewig lange aufbleiben, das wird megaschön«, sagte Esma neidisch.
Ja, eigentlich dachte ich das auch, aber … »Nicht ohne dich«, jammerte ich. »Auf die Tiere freue ich mich. Aber die ganze Zeit allein mit Erwachsenen?«
»Du bist nicht allein«, sagte Papa plötzlich von hinten. »Deine Tante hat eine Tochter, sie heißt Liv. Sie ist fast genauso alt wie du.«
»Du hast eine Cousine!«, rief Esma begeistert. »In Schweden!«
Mir klappte die Kinnlade runter, und ich starrte Papa an, der um das Sofa lief und uns ein Tablett mit verbrannten Keksen auf den Tisch stellte.
»Ist das dein Ernst?«, fragte ich verblüfft.
»Was?«, fragte Esma und deutete auf die Kekse. »Das mit deiner Cousine oder mit diesen Kokel-Keksen?«
Papa kratzte sich verlegen am Kopf. »Ja, also … ich wollte nur kurz etwas am Handy schauen und dann … na ja … als ich es gerochen habe, waren die Kekse schon schwarz.«
»Du bist echt handysüchtig«, brummte ich und überlegte, wie ich das mit der Cousine finden sollte. War das jetzt gut?
»Die Kekse schmecken bestimmt trotzdem«, sagte Esma und biss tapfer ein Stück ab. Sofort hustete sie los.
Papa reichte ihr schweigend ein Taschentuch. »Hier, spuck’s da rein. Die Reaktion kenne ich.« Er seufzte. »Zum Glück kocht und backt meine Schwester viel besser als ich.«
Esma trank einen Schluck Saft. »Na, wenn das kein gutes Argument ist, Jonna … Sorry, nicht böse gemeint.« Sie sah Papa entschuldigend an.
Papa lachte. »Schon gut. Willst du nicht mit uns nach Schweden kommen? Da ist genug Platz.«
Jetzt schaute Esma wie ein trauriges Hündchen. »Total gern«, sagte sie. »Aber ich werde bestimmt nicht von der Schule freigestellt, meine Eltern arbeiten ja ganz normal. Und in den Sommerferien fahren wir zu meiner Oma in die Türkei. Fast die ganzen sechs Wochen, weil das so weit weg ist.«
»Ach so«, sagte Papa. »Na, da hast du ja auch viel Familie und jede Menge Ablenkung, dann vermisst ihr beide euch vielleicht nicht so doll.« Er nahm den Keksteller und ging Richtung Küche. »Ich schau mal, ob wir noch gekaufte Kekse haben.«
Esma drehte sich zu mir. »Dein Papa hat recht. Wir haben beide viel zu tun. Ich geh mit meinen Cousins und Cousinen ins Meer, und du gehst mit deiner Cousine Esel streicheln. Und jeden Abend, wenn der erste Stern aufgeht, denken wir aneinander.«
Ich rollte verzweifelt mit den Augen. »Aber es wird ja gar nicht richtig dunkel, ich sehe bestimmt keine Sterne!«
Esma kicherte los. »Stimmt«, sagte sie, »das habe ich vergessen! Wir können ja telefonieren. Mit Kamera. Oh, ich habe eine Idee. Wir sammeln Sommermomente. Immer, wenn etwas Schönes passiert, merke ich es mir gut. Später nehme ich mich mit dem Handy auf, wie ich es dir erzähle. Und dann schicke ich es dir. Na ja, deinem Vater.«
»Ja, und ich schicke dir meine Sommermomente«, sagte ich. »Wie ein Videotagebuch!«
Papa öffnete die Küchentür. »Hier, fang!«, rief er und schmiss eine Packung Schokokekse in meine Richtung. »Aber nicht alle auffuttern, ich will auch noch welche, wenn ich die Küche sauber gemacht habe.« Die Tür klappte wieder zu.
Seufzend pulte ich an der Keksverpackung. »Sind Cousins und Cousinen was Gutes?«, fragte ich Esma. Ich hatte nämlich sonst fast keine Verwandten. Jedenfalls nicht in Berlin. Irgendwo in Süddeutschland gab es Tanten und Onkel, außerdem lebten meine Großeltern in Köln, aber die sah ich fast nie. Ob ich irgendwo Cousinen hatte, wusste ich gar nicht. Na ja, bis auf die eine, die offenbar in Schweden wohnte.
»Familie ist super«, fand Esma und nahm mir die Kekspackung ab. Im Nu hatte sie die Schnur zum Öffnen gefunden und hielt mir einen Schokokeks hin. »Immer ist jemand da, je mehr, desto besser. Sie nerven auch manchmal, aber meine Cousinen sind für mich wie Freundinnen. Nicht so gut wie du, aber fast.« Sie hob ihren Arm. Auch ich hob meinen Arm und drückte mein Freundschaftsarmband an Esmas. »Besties für immer«, murmelten wir gleichzeitig. Das war unser Beste-Freundinnen-Schwur.
Ich steckte den Keks ganz in meinen Mund. »Na gut, dann überlebe ich den Sommer ja vielleicht auch ohne dich«, murmelte ich schmatzend.
Esma nickte. »Und danach gehen wir schon in die vierte Klasse. Ist das nicht krass?«
Ich nahm mir noch zwei Kekse. Ja, krass war es wirklich. Alles.
»Warum hast du mir eigentlich nie etwas von meiner Cousine erzählt?«, fragte ich Papa, als wir abends gemeinsam unsere Klamotten für die Reise heraussuchten.
Papa dachte nach. »Ich weiß nicht, ich dachte, das wüsstest du«, sagte er dann. »Wir waren doch schon mal dort, als du klein warst.«
»Na ja, da war ich vier oder so«, meinte ich und warf meine T-Shirts aufs Bett. »Ich erinnere mich so gut wie gar nicht. Und warum fahren wir nie hin? Oder telefonieren?«
»Das sind viel zu viele T-Shirts«, brummte Papa und legte die Hälfte in den Schrank zurück. »Ich telefoniere sehr oft mit Frida.«
»Ja, aber ohne Bild«, schimpfte ich. »Sonst hätte ich sie mal gesehen. Und Liv bestimmt auch. Ich finde, ich sollte meine Cousine kennen. Ist sie nett? Meinst du, wir können Freundinnen werden?«
»Keine Ahnung.« Papa schien das alles gar nicht so wichtig zu finden. »Wenn man verwandt ist, mag man sich doch sowieso, oder? Bestimmt seid ihr sofort ganz dicke miteinander.«
Ich rollte mit den Augen. Dicke miteinander? Papa sagte manchmal echt merkwürdige Sachen. Aber ich wusste natürlich, was er meinte. Und ich fing an, mich ein bisschen auf meine Cousine zu freuen.
»Fertig«, sagte Papa und sah zufrieden auf den Kleiderstapel. »In zwei Tagen geht’s los. Glaub mir, das wird eine tolle Zeit!«
Wieder tanzten die Schmetterlinge durch meinen Bauch. Zwei Tage noch. Und dann keine Schule mehr, sondern ganz lange Ferien. In Schweden. Mit meiner Cousine! Und so eine Cousine war ja offenbar wie eine beste Freundin. Und dann noch die vielen Tiere! Oh Mann, so langsam freute ich mich wirklich.
»Übermorgen geht es los«, flüsterte ich und strich über meinen Bauch. »Dann werdet ihr schwedische Schmetterlinge.«