Julia Extra Band 370 - Lucy Monroe - E-Book

Julia Extra Band 370 E-Book

Lucy Monroe

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Beschreibung

EINE BRAUT WIDER WILLEN von MILBURNE, MELANIE Angelo lässt Natalie keine Wahl: Sie muss ihn heiraten, um ihren Bruder vorm Gefängnis zu bewahren. Auf ihrer Hochzeitsreise an die Amalfiküste ahnt der Tycoon, wie widerspenstig seine Braut sein kann. Können seine Küsse sie wie früher zum Schmelzen bringen? DIE SEHNSUCHT DES GRIECHISCHEN MILLIONÄRS von MONROE, LUCY Zwei Jahre hat er Chloe nicht geküsst: genau ein Jahr, elf Monate und neunundzwanzig Tage zu viel. Nun verheißt ihr Liebesdeal Ariston Spiridakou heiße Lust statt schmerzlicher Sehnsucht. Aber etwas fehlt ihm zum Glück … HERZÖGE KÜSSEN BESSER von KENDRICK, SHARON Binnen eines Tages verliert Roxy ihre Wohnung, den Job - und das Bewusstsein. Als sie erwacht, erblickt sie ausgerechnet den Mann, der sie auf die Straße gesetzt hat: Titus Alexander, Herzog von Torchester! Und über dessen sinnliche Lippen kommt bereits die nächste Überraschung … LIEBE UND ANDERE ABENTEUER von LOGAN, NIKKI Bergsteigen, Gondelfahren … Fünfzehn unerfüllte Träume ihrer Mutter will Shirley mit ihm ausleben - doch Hayden träumt insgeheim nur davon, Shirleys üppige Kurven zu erkunden. Soll er sich mit ihr ins Abenteuer der Gefühle stürzen - auch wenn ihm wieder ein Abgrund droht?

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EPUB
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Seitenzahl: 692

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Melanie Milburne, Lucy Monroe, Sharon Kendrick, Nikki Logan

JULIA EXTRA BAND 370

IMPRESSUM

JULIA EXTRA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: 040/60 09 09-361 Fax: 040/60 09 09-469 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Christel BorgesGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 370 - 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg

© 2012 by Melanie Milburne Originaltitel: „Surrendering All But Her Heart“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Trixi de Vries

© 2012 by Lucy Monroe Originaltitel: „Not Just the Greek’s Wife“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: SAS

© 2012 by Sharon Kendrick Originaltitel: „Back in the Headlines“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Emma Luxx

© 2012 by Nikki Logan Originaltitel: „Once a Rebel …“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: RIVA Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dr. Susanne Hartmann

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2013 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-95446-739-6

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

MELANIE MILBURNE

Eine Braut wider Willen

Vor Jahren hatte sie Angelo überstürzt verlassen, nun ist Natalie gezwungen, ihn zu heiraten. Ihr Verlangen nach ihm brennt noch immer, doch wie damals muss sie ihr dunkles Geheimnis verbergen …

LUCY MONROE

Die Sehnsucht des griechischen Millionärs

Chloe konnte nie verwinden, dass Ariston sie nur aus Geschäftsgründen geheiratet hat. Nun, lange nach ihrer Trennung, braucht sie seine Hilfe – und soll dafür seinen sehnlichsten Wunsch erfüllen …

SHARON KENDRICK

Herzöge küssen besser

Kaum hat er Roxy eingestellt, ist es um seine Beherrschung geschehen. Doch Titus Alexander weiß, wie er am besten mit seinem Verlangen umgeht: Er muss ihm einfach nachgeben. Nur ein einziges Mal …

NIKKI LOGAN

Liebe und andere Abenteuer

Shirley hat Hayden seit Schulzeiten nicht gesehen, dennoch nötigt sie den sexy Unternehmer, ihr bei einigen Abenteuern beizustehen. Doch was ist schon Bungeespringen gegen das Auf und Ab der Gefühle?

1. KAPITEL

2. KAPITEL

3. KAPITEL

„Herzlichen Glückwunsch“, sagte Linda am nächsten Morgen statt einer Begrüßung.

Natalie, die bereits am Schreibtisch saß, sah geistesabwesend auf. „Wie bitte?“

Linda schwenkte eine Zeitung. „Du bist wirklich eine Geheimniskrämerin. Ich wusste ja nicht einmal, dass du jemanden kennengelernt hast.“

Natalie griff nach der Zeitung und überflog den Artikel über ihre und Angelos bevorstehende Hochzeit. Angelo wurde mit den Worten zitiert, er freue sich riesig, dass Natalie und er wieder zusammengefunden hätten, und könne die Hochzeit in der kommenden Woche kaum erwarten.

„Stimmt das, oder ist es eine Ente?“, fragte Linda.

Natalie ließ das Blatt sinken. „Es stimmt.“ Nervös biss sie sich auf die Lippe.

„Ich will dir ja nicht zu nahe treten, aber wie eine glückliche Braut wirkst du nicht gerade.“

„Tut mir leid.“ Natalie rang sich ein Lächeln ab. „Aber es hat mich große Mühe gekostet, es so lange geheim zu halten“, improvisierte sie. „Wir wollten uns erst ganz sicher sein, bevor wir es öffentlich machen.“

„Eine heimliche Beziehung. Wie romantisch!“ Linda verdrehte verzückt die Augen.

„Mit der Heimlichkeit ist es ja nun vorbei“, sagte Natalie verhalten. Es passte ihr gar nicht, derart im Fokus des Medieninteresses zu stehen. Bisher war es ihr gelungen, ihr Privatleben vor der Öffentlichkeit zu schützen. Nun würden die Paparazzi wohl nicht nur Angelo auf Schritt und Tritt verfolgen, sondern auch sie. Und für ihre Kollektion würde sich niemand mehr interessieren. Für die Medien war es lukrativer, darüber zu berichten, mit wem sie schlief.

Nicht dass sie tatsächlich mit Angelo schlafen würde. Dieser Versuchung wollte sie unter gar keinen Umständen nachgeben. Selbst wenn ihr Körper noch so verräterisch reagierte, sobald Angelo in der Nähe war.

Aber dieses Mal würde er sich die Zähne an ihr ausbeißen. So leicht wie damals wollte sie sich nicht noch einmal von ihm verführen lassen. Sie war nicht in ihn verliebt gewesen, und daran würde sich auch jetzt nichts ändern. Nach spätestens zwei Monaten würde er ernüchtert über ihre Unnachgiebigkeit die Flinte ins Korn werfen und die Scheidung einreichen. Angelo Bellandini erwartete eine willige Frau, die ihm jeden Wunsch von den Augen ablas.

Darauf kann er lange warten! dachte Natalie entschlossen.

„Die sind für dich abgegeben worden, als du beim Notar warst“, sagte Linda, als Natalie zwei Stunden später wieder ins Atelier kam.

Ein großer Strauß dunkelroter Rosen verströmte seinen betörenden Duft.

„Willst du die Karte nicht lesen?“, fragte Linda neugierig.

„Ach so, ja.“ Behutsam zog Natalie die Karte aus der Zellophanhülle und klappte sie auf. ‚Bis heute Abend. Angelo‘, las sie.

„Von Angelo?“ Linda platzte fast vor Neugierde.

„Ja.“ Natalie runzelte die Stirn.

„Was ist denn los?“

„Gar nichts.“

„Und wieso ziehst du dann so ein Gesicht?“

Natalie riss sich schnell zusammen. „Ich muss zu Hause noch einige Sachen erledigen. Kommst du heute Nachmittag ohne mich klar, Linda?“

„Aber sicher. Wenn ihr auf Hochzeitsreise seid, muss ich hier ja auch die Stellung halten, oder?“

„Lange werde ich sowieso nicht fort sein“, meinte Natalie, griff nach ihrer Handtasche und wandte sich zum Gehen.

„Vergiss die Rosen nicht!“, rief Linda ihr nach.

„Ach ja.“ Natalie lächelte flüchtig, griff nach dem Strauß und eilte hinaus.

Interessiert betrachtete Angelo das dreigeschossige Haus in Edinburghs noblem Stadtteil Morningside. Die elegante Villa passte zu Natalie. Auch der bezaubernde Garten mit akkurat geschnittenen Hecken, gepflegtem Rasen und Blumen in geschmackvollen Farben spiegelte die Persönlichkeit einer jungen Frau wider, die es ordentlich mochte und gern bestimmte, wo es langging.

Es musste ihr zuwider sein, das Zepter nicht mehr in der Hand zu halten. Schadenfroh lächelte Angelo vor sich hin. Jetzt hatte er die Oberhand und so sollte es auch bleiben. Natalie sollte für die fünf Jahre voller Verbitterung büßen. Fünf lange Jahre hatte ihn die Erinnerung an sie gequält. Immer wieder war er nachts aufgewacht, weil er geglaubt hatte, sie in den Armen zu halten. Fünf Jahre lang hatte er vergeblich versucht, Ersatz für sie zu finden.

Er drückte auf den bronzefarbenen Klingelknopf und lauschte dem glockenähnlichen Ton. Innerhalb von Sekunden vernahm er das Geklapper hoher Absätze, die sich näherten. Wenn er sich nicht täuschte, war Natalie wütend. Auf ihn? Vorsichtshalber machte er sich zur Verteidigung bereit.

„Was fällt dir eigentlich ein, ohne Absprache mit mir die Presse zu informieren?“, fauchte sie zur Begrüßung.

„Hallo cara. Danke, mir geht’s gut. Und dir?“

Wütend funkelte sie ihn an, ließ ihn aber ins Haus, statt ihm die Tür vor der Nase zuzuknallen. „Konntest du nicht einfach den Mund halten? Die Paparazzi haben mir vor dem Atelier aufgelauert und mich bis hierher verfolgt“, empörte sie sich. „Und einer hat mir mit seinem Mikrofon fast die Zähne ausgeschlagen.“

„Das tut mir leid“, sagte Angelo zerknirscht. „Ich habe mich inzwischen an die Pressemeute gewöhnt und nehme sie gar nicht mehr wahr. Soll ich einen Bodyguard für dich organisieren? Verflixt, daran hätte ich viel eher denken sollen.“

„Ich will keinen Bodyguard. Ich will einfach, dass dieser Albtraum aufhört.“

„Du wirst dich daran gewöhnen, Natalie.“

„Niemals! Was willst du eigentlich hier?“

„Dich zum Abendessen abholen.“

„Und wenn ich keinen Hunger habe?“

„Dann kannst du mir wenigstens Gesellschaft leisten.“

„Vielleicht habe ich dazu aber keine Lust.“

„Hast du dich über die Rosen gefreut?“

Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging den breiten Flur entlang. „Ich kann Treibhausblumen nicht leiden. Sie duften nicht einmal.“

„Ich habe dir keine Treibhausblumen geschickt. Sie kommen direkt aus einem Privatgarten.“

Sie murmelte etwas Unverständliches und öffnete die Tür zu einem großen Wohnzimmer. Die geschmackvolle Einrichtung beeindruckte Angelo. Die Farben waren sorgfältig aufeinander abgestimmt. Von der Decke hingen edle Kristalllüster. Zeitlose Antiquitäten harmonierten mit modernen Möbeln.

„Willst du was trinken?“, fragte Natalie herablassend.

„Was trinkst du denn?“

Sie warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu. „Blausäure wäre nicht schlecht.“

Angelo lachte amüsiert. „Das ist nicht ganz nach meinem Geschmack, piccola mia. Hast du Soda und Limettensaft?“

Natalie öffnete einen kleinen Kühlschrank, der sich hinter einer Art-déco-Anrichte verbarg, und füllte Eiswürfel, Sodawasser und Limettensaft in ein Glas. Dann schenkte sie sich Weißwein ein und reichte Angelo angriffslustig sein Glas. „Hoffentlich erstickst du daran!“

Er hob das Glas und brachte einen Toast aus: „Auf eine lange glückliche Ehe.“

„Darauf trinke ich nicht“, sagte Natalie abweisend.

„Worauf dann?“

„Auf die Freiheit.“ Sie stieß mit ihm an und trank einen Schluck, bevor sie sich abwandte und einige Schritte entfernte.

Ihrer angespannten Körperhaltung war anzusehen, wie wütend sie war. „Ich bin auf dem Weg hierher an deinem Atelier vorbeigefahren“, sagte Angelo beiläufig. „Sehr beeindruckend.“

Immerhin wurde er dafür mit einem kurzen Blick über die Schulter belohnt. „Danke.“

„Es gibt da ein Projekt, das dich vielleicht interessiert.“

Nun wandte sie sich doch zu ihm um. „Was für ein Projekt?“

„Ein großes, mit dem sich viel Geld verdienen lässt und das dir viele neue Kunden aus ganz Europa einbringen dürfte.“

„Jetzt hast du mich neugierig gemacht“, gab sie widerstrebend zu.

„Ich besitze ein Ferienhaus in Sorrent an der Amalfiküste. Vor einigen Monaten konnte ich günstig eine Immobilie ganz in der Nähe erwerben, die ich zu einem Luxushotel umbauen lasse. Die Baumaßnahmen sind so gut wie abgeschlossen, jetzt geht es um die Inneneinrichtung. Das wäre doch ein interessantes Projekt für dich.“

„Warum willst du mich damit beauftragen, Angelo?“

„Weil mir deine Arbeit gefällt.“

Natalie lächelte sarkastisch. „Soll das so eine Art Lockmittel sein, falls ich im letzten Moment doch noch einen Rückzieher mache?“

„Du wirst keinen Rückzieher machen. Und wenn du ein braves Mädchen bist, wäre ich sogar bereit, alle meine Hotels exklusiv mit deiner Bettwäsche auszustatten. Aber nur, wenn du dich anständig benimmst.“

Sie bedachte ihn mit einem hasserfüllten Blick. „Das Talent zum Erpressen scheint dir im Blut zu liegen. Vor fünf Jahren ist mir diese Skrupellosigkeit gar nicht aufgefallen.“

„Die ist auch neu“, sagte er ausdruckslos und trank noch einen Schluck.

„Oh.“ Sie presste die Lippen zusammen. „Wie auch immer, ich muss erst darüber nachdenken. Ich habe momentan ziemlich viel zu tun.“

„Wie tüchtig ist eigentlich deine Assistentin?“, wollte Angelo wissen.

„Ausgesprochen tüchtig. Über kurz oder lang werde ich ihr das internationale Geschäft anvertrauen.“

„Deine Flugangst schränkt dich ganz schön ein, oder?“

„Ich komme schon klar“, meinte Natalie ausweichend.

Interessiert hob Angelo ein kleines gerahmtes Bild von einem antiken Beistelltisch. „Ist das ein Kinderfoto von Lachlan?“

Ein Anflug von Trauer und Schmerz huschte über ihr Gesicht, als sie einen Blick auf das Foto warf. „Nein“, antwortete sie einsilbig.

Behutsam stellte Angelo das Bild zurück, ohne weiter nachzufragen, und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Wir sollten uns langsam auf den Weg machen. Ich habe für acht Uhr einen Tisch reserviert.“

„Ich habe doch gesagt, dass ich nicht mitkomme.“

„Und ich habe dir geraten, dich zu benehmen, cara. Du wirst mich begleiten und vor Glück strahlen, wie es sich für eine verliebte Braut gehört, oder dein Bruder wird die Zeche zahlen.“

Vor Zorn bebend schleuderte Natalie ihm ins Gesicht: „Ich war noch nie verliebt! Wie soll ich Gefühle vorspielen, die ich nicht kenne?“

Angelo musterte sie unnachgiebig. „Dir wird schon was einfallen.“ Er stellte sein Glas neben dem kleinen Bilderrahmen ab. „Ich warte im Wagen auf dich.“

Erst als er das Haus verlassen hatte, nahm sie sein Glas und wischte die Feuchtigkeit fort, die es auf der Oberfläche des Beistelltischs hinterlassen hatte. Dabei fiel ihr Blick auf Liams Foto, das am Strand aufgenommen worden war. Der Kleine hielt Eimer und Schaufel in den Patschhändchen und lächelte fröhlich in die Kamera. Wenige Stunden später war er tot. Natalie erinnerte sich noch genau, wie aufgeregt Liam gewesen war, als er zum ersten Mal Muscheln am Strand gefunden hatte. Mit denen hatten sie die Sandburg dekoriert, die sie gemeinsam gebaut hatten. Anschließend waren sie zu ihren Eltern an den Pool gegangen, um sich den Sand abzuspülen. Ihre Mutter war ins Haus gegangen, um sich hinzulegen, ihr Vater hatte Liam in ihrer Obhut gelassen, um einen wichtigen Anruf zu erledigen.

Mit bebenden Händen schob sie den Bilderrahmen an den richtigen Platz zurück. Dann seufzte sie tief und zog sich fürs Abendessen um.

Angelo hatte ein Restaurant gewählt, das sich großer Beliebtheit bei den Reichen und Schönen erfreute. Bei Natalies zurückliegenden Besuchen hatte niemand besondere Notiz von ihr genommen. Doch dieses Mal ging ein Raunen durchs Restaurant, als sie mit Angelo auftauchte. Einige Gäste schossen sogar Handyfotos.

Vergeblich versuchte Natalie, Angelos stützende Hand im Rücken zu ignorieren. Die Berührung löste ein Prickeln in ihrem ganzen Körper aus. Noch immer war sie Angelos sinnlicher Ausstrahlung machtlos ausgeliefert.

Der Ober führte sie zu ihrem Tisch, reichte ihnen die Speisekarten und eilte davon, um die gewünschten Getränke zu holen.

Natalie vertiefte sich in die Lektüre der Karte, obwohl sie keinen Appetit hatte. Die Schrift verschwamm vor ihren Augen. Sie konnte noch immer nicht recht fassen, dass sie tatsächlich mit Angelo zusammen an einem Tisch saß. Nach Beendigung der Beziehung hatte sie sich sehr bemüht, die räumliche und seelische Distanz zu Angelo zu wahren. Nun befand sie sich erneut in seiner Welt und hatte keine Ahnung, wie sie wieder herauskommen sollte. Wie lange würde die Ehe bestehen? Angelo hatte sie einmal geliebt, doch aus Liebe heiratete er jetzt bestimmt nicht. Eher aus Rache.

Fünf Jahre hatte er auf diese Chance gewartet. Nun bot Lachlan ihm die perfekte Gelegenheit, sich an ihr zu rächen, weil sie ihn verlassen und dadurch seinen Stolz verletzt hatte. Wie lange wollte er seine Rache auskosten? Irgendwann musste er diese lieblose Ehe doch beenden, nicht zuletzt weil er Einzelkind war und seine Eltern auf einen Erben hofften. Mit seinen knapp vierunddreißig Jahren wurde es langsam Zeit, für Nachkommen zu sorgen. Sie war als Mutter seiner Kinder völlig ungeeignet, weil sie nicht das liebende gehorsame Weibchen war, das er sich offenbar vorstellte.

„Ernährst du dich noch immer streng vegetarisch?“, fragte Angelo.

Natalie sah ihn über die Speisekarte hinweg an. „Gelegentlich esse ich auch mal Fisch oder Hähnchen“, gestand sie, leicht schuldbewusst. „Inzwischen bin ich nicht mehr so radikal. Ich habe eingesehen, dass man ab und an Kompromisse eingehen muss.“

„Tatsächlich? In welcher Hinsicht?“, fragte er neugierig.

Sie klappte die Speisekarte zu. „Spontan fällt mir kein Beispiel ein. Aber mach dir keine falschen Hoffnungen. So sehr habe ich mich nicht geändert.“

„Mit anderen Worten, du willst noch immer keine Kinder.“

Ein heftiger Schmerz durchzuckte sie. Als sie vor einigen Wochen Isabels neugeborene Tochter im Arm gehalten hatte, war ihr Mutterinstinkt erwacht. Gleichzeitig hatten die alten Schuldgefühle sich sofort wieder Bahn gebrochen. „Nein, will ich nicht“, antwortete sie leise.

„Deine Karriere geht dir wohl über alles“, vermutete er.

„Ja, das kann man so sagen.“ Sie trank einen Schluck, denn inzwischen hatte der Ober die Getränke serviert.

Angelo hielt ihren Blick fest. „Und später? Wenn du älter bist und deine biologische Uhr zu ticken beginnt?“

„Ich gehöre zu den Frauen, die nicht für die Mutterrolle geeignet sind“, behauptete Natalie.

„Das glaube ich nicht. Allein die Tatsache, wie du dich für deinen Bruder einsetzt, spricht eine andere Sprache.“

„Eine Schwangerschaft würde meine Figur ruinieren. Darauf habe ich keine Lust.“

„So oberflächlich bist du nicht, Natalie. Also versuch bitte nicht, mir das einzureden.“

„Stimmt. Im Gegensatz zu einigen deiner Verflossenen.“

Zufrieden lächelnd lehnte Angelo sich zurück. „Du hast also verfolgt, was ich so treibe, cara?“

Sie wich seinem fragenden Blick aus. „Natürlich nicht absichtlich! Mir ist völlig egal, mit wem du schläfst. Wir waren mal zusammen, haben uns dann getrennt, das war’s.“

„Wir haben immerhin fünfeinhalb Monate zusammengelebt“, gab er zu bedenken.

Natalie drehte das Glas in ihren Händen. „Ich bin nur zu dir gezogen, weil der Freund meiner Mitbewohnerin sich bei uns eingenistet hatte und ich mir vorgekommen bin wie das fünfte Rad am Wagen“, behauptete sie. „Und was sind schon fünf Monate?“

„Für mich war das eine lange Zeit, cara.“

„Aber nur, weil du vorher die Frauen gewechselt hast wie andere Männer die Hemden.“

„Das sagst gerade du.“ Angelo hielt ihren Blick fest.

Zugegeben, sie hatte auch öfter mal Sex gehabt, um ihr Selbstbewusstsein zu stärken. Aber der hatte ihr nie etwas bedeutet, bevor sie Angelo kennengelernt hatte. Zum Glück hatte sie ihm das nie verraten. Physisch hatte sie sich ihm vollkommen anvertraut, emotional jedoch nicht. Vielleicht hatte ihn das Geheimnisvolle, leicht Distanzierte an ihr besonders angezogen. Die anderen Frauen hatten es ihm wohl immer zu leicht gemacht. „Vorsicht, Angelo: Deine Doppelmoral kommt mal wieder zum Vorschein.“

„Ach ja? Und wie lange warst du mit dem Typ zusammen, dessentwegen du mich verlassen hast?“

„Nicht lange.“

„Wie lange genau?“

„Müssen wir das jetzt wirklich erörtern, Angelo?“

„Ich will es wissen.“

Sie seufzte ergeben. „Zwei Wochen, dann habe ich Schluss gemacht.“

„Und mit wem warst du seitdem zusammen?“

„Kennst du nicht. Ich versuche, mein Privatleben vor den Medien zu schützen.“

„Offensichtlich erfolgreicher als ich. Es ist unglaublich, wo die überall herumschnüffeln.“

„Wie erträgst du das nur?“, fragte sie.

„Man gewöhnt sich daran. Meine Familie stand ja wegen ihres Reichtums schon immer im öffentlichen Interesse. Eigentlich hatte ich nur während meines Studiums in London Ruhe. Es war herrlich, mal unerkannt durch die Straßen zu gehen. Leider haben sie mich irgendwann doch aufgespürt.“

„Du hast mich belogen, Angelo.“

„Das stimmt nicht! Ich habe dir lediglich verschwiegen, dass ich aus reichem Hause komme. Mir war wichtig, es allein zu schaffen, ohne das Geld und den Namen meiner Familie.“

„Bewundernswert, wie dir das gelungen ist. Inzwischen bist du doppelt so reich wie dein Vater, wenn man den Gazetten glauben darf.“

„Dafür, dass ich dir gleichgültig bin, weißt du bemerkenswert gut über mich Bescheid“, meinte Angelo und lächelte höhnisch.

Natalie überging die Bemerkung und trank einen Schluck. „Was hast du deiner Familie eigentlich über mich erzählt?“

„Die halbe Wahrheit.“

„Dass du mich hasst und dich an mir rächen willst?“

„Wohl kaum, cara.“

„Was dann?“

„Dass ich nie aufgehört habe, dich zu lieben.“

Sie befeuchtete sich die Lippen. „Und das haben sie dir geglaubt?“

„Ich denke schon. Aber meine Mutter ist misstrauisch. Du musst also sehr überzeugend sein, wenn sie uns zusammen sieht.“

Bei der Vorstellung wurde Natalie jetzt schon nervös. Unsicher sah sie Angelo in die Augen. „Wieso müssen wir eigentlich unbedingt heiraten? Wir könnten es doch bei einer … Affäre belassen.“

Angelos Blick war undurchdringlich. „Willst du denn eine Affäre mit mir?“

Erneut leckte sie sich die Lippen. „Ebenso wenig wie ich dich heiraten will. Die Scheidung ist ja schon vorprogrammiert.“

„Bist du dir da so sicher?“

Natalies Herz flatterte aufgeregt. „Du willst dich doch wohl kaum bis an dein Lebensende an mich binden, oder?“

„Wer weiß? Und vielleicht gefällt es dir ja, mit mir verheiratet zu sein. Du wirst unglaublich davon profitieren, meinen Ring und meinen Namen zu tragen.“

Sie ging hoch wie eine Rakete. „Ich denke gar nicht daran, meinen Namen abzulegen!“

Angelos Blick wurde unerbittlich hart. „Du wirst meinen Namen tragen, und zwar mit Stolz.“

„Nein!“ Sie bebte vor Zorn.

„Du wirst tun, was ich dir sage, Natalie“, verlangte er mit bedrohlich leiser Stimme.

Natalie sprang so heftig auf, dass ihr Stuhl gegen den dahinter stehenden stieß. Es war ihr gleichgültig, dass sie damit alle Blicke auf sich zu zog. Wütend griff sie nach ihrer Handtasche und herrschte ihn an: „Such dir eine andere Dumme!“ Dann stürmte sie hinaus.

Ein Blitzlichtgewitter ging vor dem Restaurant auf sie nieder, ein Journalist hielt ihr ein Mikrofon vors Gesicht. „Miss Armitage, wie ist das Verhältnis zwischen Ihnen und Angelo Bellandini?“

Natalie drängte sich an dem Mann vorbei. Doch schon wurde sie vom nächsten Paparazzo bestürmt. „Sie tragen keinen Verlobungsring. Ist die Hochzeit geplatzt?“

„Ich …“

Bevor sie reagieren konnte, legte Angelo ihr beschützend einen Arm um die Schultern und führte Natalie aus dem Gedränge. „Bitte lassen Sie meine Verlobte in Ruhe“, wies er die Reporter streng an.

„Können wir ein Statement zu Ihrer Verlobung haben, Mr Bellandini?“

Angelos Griff verstärkte sich. „Die Hochzeit findet wie geplant statt. Den Verlobungsring werde ich Natalie nachher anstecken, wenn wir zu Hause sind. Und nun würden wir unsere Verlobung gern ungestört feiern.“ Angelo hielt Natalie die Beifahrertür auf. Ohne weitere Störungen fuhren sie los.

Völlig verkrampft sah Natalie vor sich hin.

„So etwas leistest du dir kein zweites Mal“, zischte Angelo unterwegs.

„Du hast mir gar nichts zu sagen.“

„Dann benimm dich nicht wie ein verzogenes Gör! Die Szene eben war ein gefundenes Fressen für die Paparazzi und wird morgen in allen Zeitungen stehen. Was hast du dir nur dabei gedacht?“, fragte Angelo wütend.

„Jedenfalls werde ich meinen Namen behalten“, beharrte sie.

„Also gut. Ich hätte bedenken sollen, dass dein Name eine Marke ist. Entschuldige bitte.“

Langsam entspannte sich Natalie. „Sind die Paparazzi immer so aufdringlich?“

„Leider ja. Aber wenn wir erst mal verheiratet sind, wird sich ihr Interesse sicher legen.“

„Hoffentlich denken die Leute nicht, ich heirate dich wegen deines Geldes“, murmelte Natalie.

Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht. „Nein, cara, sie denken, du hast es auf meinen sexy Körper abgesehen.“

Die Bemerkung löste ein heftiges Pulsieren in Natalies Schoß aus. Verlegen presste sie die Schenkel zusammen. „Ich werde nicht mit dir schlafen, Angelo.“

„Wem willst du das weismachen? Dir oder mir?“, fragte er sarkastisch.

Gute Frage, dachte sie und wechselte schnell das Thema. „Hast du wirklich einen Verlobungsring für mich?“

„Ja.“

„Vielleicht hätte ich mir lieber selbst einen ausgesucht.“

Langsam riss ihm der Geduldsfaden. „In meiner Familie ist es Tradition, dass der Mann den Ring auswählt.“

„Es ist aber nicht der, den du vor fünf Jahren gekauft hast, oder?“, fragte sie leise.

„Nein.“

Seine Miene war undurchdringlich, wie Natalie bei einem schnellen Seitenblick feststellte. „Hast du ihn verschenkt?“

Angelo parkte den Wagen vor ihrem Haus, bevor er antwortete. „Ich habe ihn für die Auktion eines Wohltätigkeitsballs gestiftet. Irgendwo läuft jetzt eine Frau mit einem Ring am Finger durch die Gegend, der mehr wert ist, als so manches Einfamilienhaus.“

Betreten ließ Natalie den Kopf hängen. „Ich hätte dich nie gebeten, so viel Geld für mich auszugeben.“

„Ich weiß.“ Angelo wandte sich ihr zu. „Du wolltest ja auch etwas anderes von mir als Geld.“

„Ja“, gab sie zögernd zu.

Behutsam schob Angelo ihr eine Strähne aus dem Gesicht und ließ den Blick auf ihren bebenden Lippen ruhen. „Bittest du mich herein, cara?“

„Wirst du auch mitkommen, wenn ich es nicht tue?“, fragte sie leise.

„Wenn du mich nicht willst, musst du es nur sagen.“ Er lächelte sexy.

Diesem Lächeln hatte sie noch nie widerstehen können. Ich will dich! Schnell versuchte Natalie, die verräterische Stimme in ihrem Inneren zu ersticken. „Bleibst du über Nacht in Edinburgh?“

„Na ja, ich hatte gehofft, du würdest mir ein Bett anbieten.“

Ihr blieb fast das Herz stehen. „Das halte ich für keine gute Idee.“

„Wieso nicht?“

„Weil … weil …“

„Die Paparazzi würden misstrauisch werden, wenn ich nicht bei dir übernachte“, gab er zu bedenken. „Sie haben uns verfolgt. Der Wagen parkt hinter dem roten Auto.“

Natalie warf einen Blick in den Seitenspiegel. Tatsächlich! In dem Wagen lauerte ein Fotograf mit Teleobjektiv. Panik stieg in ihr auf. Würden diese Typen sie von nun an etwa auf Schritt und Tritt verfolgen?

Angelo stieg aus und öffnete die Beifahrertür. „Komm, steig aus“, sagte er zu der wie erstarrt dasitzenden Natalie. „Die verschwinden, sobald wir im Haus sind. Tu einfach so, als wären wir unter uns.“

Unsicher stieg sie aus, fühlte sich aber sofort geborgen, als Angelo den Arm um ihre Taille legte.

„Gib mir den Haustürschlüssel“, raunte er.

„Hier. Es ist der große Messingschlüssel.“

Gemeinsam verschwanden sie im Haus. „Wie lange wohnst du schon hier?“, fragte Angelo.

„Dreieinhalb Jahre.“

„Bist du nicht in Gloucestershire aufgewachsen? Wieso hast du dich ausgerechnet in Schottland niedergelassen?“

„Meine Mutter stammt aus Crail, einem ehemaligen Fischerdorf auf der schottischen Halbinsel Fife. Als Kind habe ich hier viel Zeit bei meinen Großeltern verbracht.“

„Das höre ich zum ersten Mal.“

„Es erschien mir damals nicht so wichtig.“ Sie legte die Handtasche ab. „Möchtest du was trinken?“

„Erst möchte ich wissen, was du mir sonst noch verheimlicht hast.“

„Gar nichts.“

„Komm schon, Tatty.“

Wie er sie ansah! Ein lustvoller Schauer lief ihr über den Rücken. Doch sie ließ sich nichts anmerken. „Ich hatte dich doch gebeten, mich nicht so zu nennen.“

Zärtlich begann er, ihren Arm zu streicheln. „Ich erhöre nun mal nicht alle Bitten“, sagte er leise.

Als Natalie versuchte, sich wegzudrehen, hielt er sie fest. Er weiß, dass ich ihm ausgeliefert bin, dachte sie. Wenn sie sich nicht an die Spielregeln hielt, würde Lachlan darunter leiden. „Warum tust du das? Du weißt doch, wie es enden wird.“

„Ich denke nicht an das Ende, sondern konzentriere mich auf das Hier und Jetzt, cara.“

Unwillkürlich fiel ihr Blick auf seinen schön geschwungenen Mund. Wie sehr sie sich danach sehnte, seine Lippen auf ihren zu spüren! Die Hitze, die Lust, die Leidenschaft, die Angelos Küsse entfesselten. Es war unglaublich erotisch, wenn seine Zunge sich mit ihrer zu einem temperamentvollen Tanz zusammenfand. Jetzt spürte Natalie seinen Atem auf ihren Lippen. Nervös ließ sie die Zunge darübergleiten. Ihr Verlangen wurde immer heftiger. Trotzdem wartete sie darauf, dass Angelo den ersten Schritt machte.

„Komm schon“, flüsterte er rau. „Ich weiß, dass du es willst.“

Sie zuckte zusammen. Konnte er etwa ihre Gedanken lesen? Verzweifelt riss sie sich zusammen. „Du irrst dich. Ich will gar nichts“, behauptete sie heiser.

Zärtlich strich er mit dem Daumen über ihre bebenden Lippen. „Schwindlerin.“

Unter Aufbietung all ihrer Willenskraft wich sie zurück und suchte Zuflucht hinter einem Sofa in der Mitte des Zimmers. „Du solltest jetzt lieber gehen, Angelo.“

„Warum? Hast du Angst, ich könnte dir gefährlich werden?“

Ihr Blick war eisig. „Ich denke nicht daran, Sklavin deiner Begierde zu sein.“

Angelo lachte über ihre Ausdrucksweise. „Und was ist mit deiner Begierde? Du bist noch immer scharf auf mich. Das spüre ich deutlich, wenn ich dich berühre.“

„Das bildest du dir ein“, behauptete sie wider besseres Wissen.

„Nein, cara, ganz sicher nicht. Ich glaube, du hast nie aufgehört, mich zu begehren. Du hast mich nur verlassen, weil du Angst vor dem nächsten Schritt hattest. Auch jetzt wehrst du dich gegen die Ehe. Ich würde zu gern wissen, warum.“

„Verschwinde endlich, Angelo!“

„Nicht bevor ich dir das hier gegeben habe.“ Er zog ein Schmuckkästchen aus der Jacketttasche und legte es auf einen Beistelltisch, als wäre es ein Fehdehandschuh. „Ich schicke dir Dienstag einen Wagen. Pack genug Sachen für eine Woche ein. Es wird von uns erwartet, dass wir eine Hochzeitsreise machen. Am besten schickst du mir deine Gästeliste per E-Mail. Meine Sekretärin kümmert sich dann um die Unterbringung.“

„In welcher Aufmachung soll ich zur Trauung erscheinen? In Sack und Asche?“, fragte sie sarkastisch.

„Tu, was du nicht lassen kannst. Denk aber dran, dass überall Fotografen lauern.“

„Erwartest du eigentlich von mir, dass ich meine Zelte hier abbreche und dir um den Globus folge?“

„Jetzt dramatisierst du aber. Wir werden zwischen Edinburgh und London pendeln. Außerdem werde ich immer wieder Zeit in Sorrent verbringen, bis das Hotel dort eröffnet wird. Du kannst dich selbstverständlich auch weiterhin um deine Firma kümmern. Es spricht überhaupt nichts dagegen.“

Immerhin etwas, dachte sie erleichtert. Und gab sich im nächsten Moment wieder kratzbürstig. „Und wenn ich mein Haus nicht mit dir teilen will?“

„Du wirst viel mehr mit mir teilen als dein Haus, Natalie, sobald die Tinte auf unserer Heiratsurkunde getrocknet ist. Gewöhn dich schon mal an den Gedanken!“ Angelo ging zur Tür. „Dann bis Dienstag.“

Natalie ließ sich viel Zeit, bevor sie das Schmuckkästchen öffnete. Schließlich überwog die Neugier aber doch. Staunend betrachtete sie den wunderschönen Art-déco-Ring mit drei Brillanten. Behutsam nahm sie ihn heraus und streifte ihn über den linken Ringfinger. Perfekt! Eine bessere Wahl hätte sie selbst auch nicht treffen können. Ein perfekter Ring für eine alles andere als perfekte Beziehung.

Wie viel Zeit würde wohl vergehen, bis sie den Ring zurückgab?

4. KAPITEL

Natalie wurde immer nervöser, je näher der Dienstag rückte. Gegessen hatte sie schon seit drei Tagen kaum etwas. Auch an Schlaf war nicht zu denken. Der Gedanke, in ein Flugzeug zu steigen, schnürte ihr Kehle und Magen zu.

Angelo, der jeden Tag anrief, hatte sie verheimlicht, wie schlecht es ihr ging. Tröstlich war nur, dass er ihr versichert hatte, Lachlan ginge es gut und ihm könne nichts mehr passieren. Ihre Eltern hatten sich auch gemeldet, froh, dass Lachlan ihren guten Namen nicht besudelt hatte. Welches Opfer Natalie dafür bringen musste, spielte keine Rolle. Doch das hatte sie, insbesondere von ihrem Vater, auch nicht anders erwartet.

Ihre Freundin Isabel hatte die Nachricht von Natalies bevorstehender Hochzeit mit erstaunlicher Selbstverständlichkeit aufgenommen. Angeblich hatte sie schon immer gewusst, dass Natalie noch an Angelo hing.

Als am Dienstag dann schließlich ein Wagen vor dem Haus hielt, schlotterten Natalie die Knie so sehr, dass sie kaum zur Haustür kam. Draußen wartete nicht etwa ein livrierter Chauffeur, sondern Angelo höchstpersönlich!

„Ich … ich muss noch meine Tasche holen“, stammelte Natalie zur Begrüßung.

Angelo musterte sie besorgt. „Alles in Ordnung mit dir?“

„Sicher.“ Sie mied seinen Blick.

Angelo kam näher. „Du siehst kreidebleich aus. Bist du krank?“

Verzweifelt kämpfte sie gegen die aufsteigende Panik. „Ich muss nur schnell etwas einnehmen.“ In ihrer Handtasche suchte sie nach den Tabletten, die ihr der Arzt gegen die Panikattacken verschrieben hatte. „Bin gleich wieder da.“

Angelo folgte ihr in die Küche, wo sie sich ein Glas Wasser einschenkte. Er nahm ihr die Schachtel aus der Hand, las die Bezeichnung und runzelte die Stirn. „Musst du das Zeug wirklich nehmen?“

„Gib mir sofort die Schachtel zurück! Ich hätte die Tabletten schon vor einer Stunde nehmen müssen.“

Widerstrebend reichte Angelo ihr die Packung. „Nimmst du die regelmäßig ein?“

Natalie schüttelte den Kopf und schluckte zwei Tabletten hinunter. „Nur im Notfall.“

Besorgt führte er sie zum Wagen. „Seit wann leidest du unter Flugangst?“

„Schon ewig.“

„Wodurch wurde sie verursacht? Turbulenzen?“

„Weiß ich nicht.“

Forschend sah er sie an. „Wann bist du zuletzt geflogen?“

„Können wir jetzt bitte losfahren, Angelo? Sonst schlafe ich noch im Wagen ein, und du musst mich ins Flugzeug tragen.“

Auf der Fahrt zum Flughafen warf Angelo ihr immer wieder besorgte Blicke zu. Sie hatte wieder etwas Farbe im Gesicht, wirkte aber noch sehr elend. Offensichtlich hatte sie kaum gegessen und geschlafen.

Neben der Flugangst quälte sie wahrscheinlich auch die Sorge um ihren Bruder. Die war durchaus begründet. Bereits jetzt versuchte Lachlan, die mit ihm geschlossene Vereinbarung zu ändern. In den vergangenen Tagen hatte das Personal der renommierten Entzugsklinik, in der er Lachlan untergebracht hatte, wiederholt angerufen, um ihn über das unkontrollierte Verhalten des Patienten zu informieren. Angelo hatte einen Therapeuten organisiert, der praktisch nur für Lachlan da war. Doch bisher war auch der offenbar nicht zu ihm durchgedrungen. Offenbar wusste der junge Armitage nicht wohin mit seiner grenzenlosen Wut und hatte einen Hang zur Selbstzerstörung.

Nach einem Gespräch mit Natalies Vater konnte Angelo nachvollziehen, wie frustrierend es sein musste, ein Kind zu haben, das trotz aller Liebe und Fürsorge jede Zusammenarbeit verweigerte. Adrian Armitage hatte angedeutet, ähnliche Probleme auch mit Natalie zu haben. Ihre Sturheit musste wohl immer wieder zu Auseinandersetzungen mit ihren Eltern geführt haben. Besonders ihrem Vater gegenüber hatte sie sich angeblich quergestellt, wann immer ihr das möglich war. Angelo fragte sich, ob das wohl kulturelle Hintergründe hatte. Er selbst war streng, aber fair erzogen worden. Seine Eltern forderten Respekt, den sie aber auch verdient hatten, denn sie hatten ihm seit jeher viel Zeit und Liebe gewidmet. Genauso wollte er seine eigenen Kinder erziehen.

Angelo parkte den Wagen, stellte den Motor aus und schüttelte Natalie sanft an der Schulter. „Aufwachen, du kleine Schlafmütze!“

Benommen richtete sie sich auf. Kurz darauf saßen sie in der Kabine des firmeneigenen Jets. Natalie war schrecklich nervös. Mit bebenden Händen legte sie den Sicherheitsgurt an.

„Kann ich was zu trinken haben?“, fragte sie heiser.

„Was hättest du denn gern?“

„Weißwein.“

„Meinst du, der Alkohol verträgt sich mit den Tabletten, die du eingenommen hast?“, erkundigte Angelo sich besorgt.

„Keine Ahnung“, antwortete sie mürrisch und begann, an ihren Nägel zu kauen, als das Flugzeug zur Startbahn rollte.

Angelo zog die Hand weg und umfasste sie. „Entspann dich, cara. Im Flugzeug bist du viel sicherer als im Auto.“

Sie blickte panisch um sich und wollte aufstehen. „Ich will hier raus! Bitte, Angelo, sag dem Piloten, er soll umkehren. Ich will aussteigen.“

Er zog sie ganz fest an sich und flüsterte beruhigend auf sie ein. „Ganz ruhig, piccola mia. Dir geschieht nichts. Konzentrier dich auf deine Atmung: ein, aus, ein, aus. So ist’s gut.“

Natalie kniff die Augen zu und schmiegte sich an Angelos Brust. Es dauerte länger, als er gedacht hatte, aber das zärtliche Streicheln und die beruhigenden Worte wirkten schließlich und Natalie schlief erschöpft ein. Erst kurz vor der Landung in Rom wachte sie wieder auf.

„Du hast es überstanden. War doch gar nicht so schlimm, oder?“

„Nein.“ Sie schob sich das Haar aus dem Gesicht. „Kann ich noch schnell den Waschraum benutzen?“

„Sicher. Soll ich mitkommen?“

Sie errötete verlegen. „Nein, danke.“

Er lächelte anzüglich. „Vielleicht beim nächsten Mal.“

Eine Pressemeute erwartete sie bereits vor Angelos Elternhaus in Rom. Natalie stöhnte verzweifelt, doch Angelo fertigte die Paparazzi innerhalb kürzester Zeit ab.

Ein älterer Mann öffnete die Haustür und begrüßte Angelo strahlend. „Ihre Eltern erwarten Sie im Salon, Signore Bellandini.“

„Grazie, Pasquale. Natalie? Das ist Pasquale. Er arbeitet schon seit vielen Jahren für meine Familie.“

„Freut mich sehr, Sie kennenzulernen“, sagte Natalie höflich.

„Herzlich willkommen. Es ist eine große Freude, Signore Bellandini endlich glücklich zu sehen.“

Lächelnd zog Angelo sie mit sich. „Komm, meine Eltern brennen darauf, dich endlich zu treffen.“

Die Statur hat Angelo eindeutig von seinem Vater, dachte Natalie, als sie zu Sandro und Francesca Bellandini geführt wurde. Sandro war nur wenige Zentimeter kleiner als sein Sohn, dem er auch die dunkelbraunen Augen und das volle lockige Haar vererbt hatte. Mit den grauen Schläfen wirkte er sehr distinguiert und einschüchternd.

Francesca dagegen war klein und zierlich und gab sich betont zurückhaltend. Doch ihren klugen haselnussbraunen Augen entging nichts. Natalie bemerkte den schnellen taxierenden Blick, mit dem Francesca sie von Kopf bis Fuß musterte.

„Ich möchte euch Natalie vorstellen, meine Verlobte“, sagte Angelo. „Natalie, das sind meine Eltern Sandro und Francesca.“

„Willkommen in unserer Familie.“ Francesca lächelte freundlich. „Angelo hat uns schon so viel von dir erzählt. Wie schade, dass wir uns nicht schon vor Jahren kennengelernt haben. Wir hätten ihm gesagt, wie dumm es war, dich gehen zu lassen. Nicht wahr, Sandro?“

Sandro nickte bekräftigend und schüttelte seiner zukünftigen Schwiegertochter herzlich die Hand. „Du bist uns sehr willkommen, Natalie.“

Beschützend schlang Angelo wieder den Arm um ihre Taille. „Ich zeige Natalie nur schnell ihr Zimmer, dann stoßen wir mit euch an.“

„Maria hat das venezianische Zimmer für euch hergerichtet, Angelo. Nach der langen Trennung wollt ihr sicher jede freie Minute miteinander verbringen.“ Francesca zwinkerte ihrem Sohn zu.

Natalie zuckte leicht zusammen, doch Angelo ließ sich nichts anmerken. „Danke, Mamma, das war sehr aufmerksam von dir.“

Erst als sie oben unter sich waren, konnte Natalie ihrem Ärger Luft machen. „Das hast du mit Absicht getan.“

„Was?“

„Tu nicht so unschuldig! Du wusstest genau, dass deine Mutter uns im selben Zimmer unterbringen würde.“

„Ganz im Gegenteil! Ich hatte eher damit gerechnet, dass sie uns streng auf Distanz halten würde. Eigentlich ist sie nämlich sehr altmodisch in dieser Beziehung. Aber man kann ihr ja nichts vormachen. Sie muss gespürt haben, wie heiß du auf mich bist.“

Diese Bemerkung trug ihm einen zornigen Blick ein. „Ich werde ganz sicher nicht das Bett mit dir teilen.“

„Auch gut, dann kannst du auf dem Fußboden schlafen.“ Ungerührt knöpfte Angelo sein Hemd auf.

„Was tust du da?“

„Ich ziehe mich um, cara.“

Es verlangte ihr große Beherrschung ab, sich nicht an die verführerische Männerbrust zu schmiegen. Abrupt wandte Natalie sich um und starrte blicklos hinaus in den Garten. „Warum glauben deine Eltern, du hättest damals mit mir Schluss gemacht?“

„Um dich zu schützen. Ich bin das einzige Kind meiner Eltern. Hätten sie die Wahrheit gewusst, wäre der Empfang wohl eher frostig ausgefallen.“

Natalie wandte sich wieder um und betrachtete fasziniert, was sich unter Angelos schwarzem Slip abzeichnete. Heißes Verlangen durchflutete sie. Wie oft hatte sie ihn dort so lange mit Mund und Zunge liebkost, bis er zum Höhepunkt gekommen war. Wie oft hatte sie ihn in sich gespürt, bevor er sich in ihr verströmt hatte. Und wie oft hatte er sie zu überwältigenden Orgasmen gebracht. Ihr wurde schwindlig vor Lust, sie atmete tief durch und fing Angelos herausfordernd tiefen Blick auf. Dachte er auch gerade an die heißen Nächte, die sie miteinander verbracht hatten?

„Ich erwarte nicht, dass du die Schuld für unsere gescheiterte Beziehung übernimmst, Angelo“, sagte sie leise. „Ich war damals einfach zu jung für die Ehe.“

„Dafür hätte meine Mutter aber kein Verständnis. Sie war sechzehn, als sie sich in meinen Vater verliebt hat. Seitdem hat sie keinen anderen Mann angeschaut.“

„Ist dein Vater ihr treu?“

„Wieso fragst du?“ Angelo musterte sie verblüfft.

„Na ja, sie sind schon lange zusammen. Da ist es für einen Mann nicht ungewöhnlich fremdzugehen.“

„Die Ehe ist meinem Vater heilig. Meinem Großvater übrigens auch.“

„Wirst du ihrem Beispiel folgen, Angelo? Oder hast du vor, dir dein Vergnügen woanders zu suchen, wenn ich nicht mitspiele?“

Er kam auf sie zu und blieb so dicht vor ihr stehen, dass ihr Körper unwillkürlich reagierte. Verzweifelt versuchte sie, stark zu bleiben.

Behutsam streichelte Angelo ihren Nacken. „Warum kämpfst du so sehr mit dir?“, fragte er leise.

„Ich kämpfe nicht mit mir, sondern gegen dich.“

Zärtlich schob er die Hand durch ihr seidiges Haar. „Wir wollen doch das Gleiche, cara: Intimität und Befriedigung.“

Warum nur war er so unwiderstehlich? Am liebsten hätte sie sich ihm auf der Stelle hingegeben.

Nimm mich doch endlich, schien ihr Körper ihn anzuflehen.

Es war schwer zu sagen, wer schließlich den ersten Schritt getan hatte. Plötzlich spürte sie Angelos mächtige Erektion an ihrem Schoß und stand sofort lichterloh in Flammen.

Ihre Lippen fanden sich zu einem fordernden Kuss, der mit Romantik nichts zu tun hatte. Hier ging es um Lust. Urwüchsige Lust, die Natalie viel zu lange unterdrückt hatte und die sie nun vollkommen überrollte. Immer leidenschaftlicher wurden ihre Küsse. Natalies Zunge lieferte sich einen wilden Kampf mit Angelos. Sie stöhnte auf, als Angelo ungeduldig ihre Bluse aufknöpfte, um die Brüste zu umfassen. Als er dann begann, die vor Erregung harten Brustwarzen zu umkreisen, zu reiben und spielerisch zu necken, wurde das Pulsieren in Natalies Schoß übermächtig. Sie wollte Angelo haben. Jetzt! Sofort! Sie war nur zu bereit für ihn. Aufreizend rieb sie sich an ihm.

Doch er ließ sich nicht hetzen, küsste sie stattdessen tief und langsam, bis sie glaubte, den Verstand zu verlieren. Ihre Lippen waren schon geschwollen, doch das war Natalie egal. Sie erwiderte Angelos Küsse mit der gleichen Intensität. Er schmeckte wie damals: frisch und unwiderstehlich männlich.

Schließlich beendete er den Kuss, um sich Natalies Brüsten mit Lippen und Zunge zu widmen. Immer wieder umspielte er die harten Knospen mit der Zunge, bis Natalie sich ihm auffordernd entgegenbog. Sie fieberte dem Höhepunkt entgegen, war fast so weit, spürte das innere Beben, die Anspannung vor dem großen Finale.

Angelo nahm sich wieder ihren Mund und ließ sich viel Zeit mit dem Kuss. Natalie schmolz förmlich dahin. Fordernd schmiegte sie sich immer enger an ihn. Seine Erektion war noch größer geworden.

Außer Atem beendete er schließlich den Kuss. „Sag, dass du mich willst“, forderte er und sah sie mit seinen vor Verlangen schwarzen Augen an.

Das wirkte wie eine kalte Dusche. Stolz hob Natalie den Kopf und behauptete: „Ich will dich nicht.“

Angelo lachte leise. „Ich könnte meine Hand zwischen deine Schenkel schieben und wüsste sofort, dass du lügst.“

Natalie versuchte zurückzuweichen, doch er hielt sie fest. „Lass mich sofort los!“, zischte sie.

Langsam ließ er die Hände über Natalies Arme gleiten und umschloss ihre Handgelenke wie mit Handschellen. „Du wirst zu mir kommen, cara, wie du es früher auch immer getan hast. So gut kenne ich dich inzwischen.“

„Du kennst mich überhaupt nicht“, widersprach sie vehement. „Vielleicht meinen Körper, aber nicht mein Herz.“

„Das öffnest du ja auch niemandem. Sobald dir jemand zu nahe kommt, stößt du ihn fort. Dein Vater hat mir erzählt, wie schwierig du bist.“

„Du hast dich mit meinem Vater über mich unterhalten?“ Sie war außer sich.

Angelo ließ sie los. „Ja. Schließlich musste ich ihn ja um deine Hand bitten.“

Natalie lachte höhnisch. „Wie altmodisch und verlogen! Du nimmst dir doch auch ohne sein Einverständnis, was du willst.“

„Ich habe mich lediglich an die gesellschaftlichen Spielregeln gehalten“, entgegnete Angelo. „Leider konnte ich ihn nur telefonisch erreichen, weil er im Ausland auf Geschäftsreise war.“

Natalie konnte sich lebhaft vorstellen, um welche Geschäfte es sich handelte. Sein neuestes Projekt war knapp einen Meter achtzig groß, blondiert und hatte Brüste, auf denen man ein Tablett abstellen konnte. „Wahrscheinlich ist er heilfroh, mich endlich loszuwerden.“

Darauf ging Angelo nicht ein. „Wir haben auch über Lachlans Situation gesprochen.“

„Findest du es nicht interessant, dass mein Vater auf Reisen geht, statt seinem Sohn zur Seite zu stehen?“, fragte sie lauernd.

„Ich habe ihm geraten, sich herauszuhalten. In bestimmten Situationen stören Eltern nur. Dein Vater hat getan, was er konnte, jetzt müssen sich andere Menschen um Lachlan kümmern.“

„Und du hast die Situation natürlich sofort ausgenutzt, um mich wieder an dich zu binden“, sagte Natalie verbittert.

„Du vergisst, dass du zu mir gekommen bist, Natalie. Nicht umgekehrt.“

Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. „Mein Vater hat dich kontaktiert, oder? Ich bin nur zu dir gegangen, weil meine Mutter mich inständig darum gebeten hat. Von selbst wäre ich niemals auf die Idee gekommen. Mein Vater hat sie dazu gezwungen.“

„Dein Vater macht sich nicht nur Sorgen um Lachlan, sondern auch um dich.“

Natalie sah rot und wandte sich schnell ab. So eine grausame Ungerechtigkeit! Am liebsten hätte sie wild um sich geschlagen. Ihr wurde übel bei der Vorstellung, dass Angelo sich mit ihrem Vater unterhalten hatte. Sie konnte sich lebhaft ausmalen, wie ihr Vater sie dargestellt hatte: störrisch, trotzig, ohne Selbstbeherrschung. Wahrscheinlich hatte er etliche Beispiele für ihren Ungehorsam aufgezählt und behauptet, sie hätte ihm seit ihrer Geburt das Leben zur Hölle gemacht. Dass er sich zuerst einen Stammhalter gewünscht hatte, hatte er sicher wohlweislich für sich behalten. Bis heute musste sie dafür büßen, ein Mädchen zu sein. Ständig hatte ihr Vater sie provoziert, seine Wut an ihr ausgelassen, sie unzählige Male verprügelt. Schließlich war es ihm gelungen, ihren Willen zu brechen, ihr das Selbstbewusstsein zu nehmen. Darüber hatte er natürlich kein Wort verloren, sondern sich als verzweifelten Vater dargestellt, der mit seinem Latein am Ende war.

Und Liam hatte er selbstverständlich auch nicht erwähnt. Liam war tabu. Die Familie tat, als hätte es ihn nie gegeben. Als Lachlan auf die Welt gekommen war, war alles entfernt worden, was an seinen verstorbenen Bruder erinnerte. Das einzige Foto, das noch von ihm existierte, hatte sie kurz nach der Bestattung an sich genommen und versteckt. Erst in ihrem Haus in Edinburgh hatte sie gewagt, es aufzustellen.

Trotz aller Bemühungen ihres Vaters, die Tragödie unter den Teppich zu kehren, beherrschte der kleine Liam noch immer ihr Leben. Sie sah ihn in Lachlan, hörte im Schlaf seine Stimme, litt jedes Jahr wochenlang unter Albträumen, wenn Liams Todestag bevorstand.

Mit allergrößter Anstrengung gelang es Natalie, sich zu beruhigen, ihre Gefühle zu verdrängen. Erst dann wandte sie sich wieder Angelo zu. „Du hattest sicher ein sehr aufschlussreiches Gespräch“, sagte sie ausdruckslos.

„Dein Vater will nur das Beste für dich“, gab er zu bedenken.

Natalie blieb ruhig. „Dann denkt er wohl, du wärst das Beste für mich. Und meine Mutter würde niemals wagen, ihm zu widersprechen. Was für eine glückliche Familie.“

Angelo sah sie forschend an, beließ es aber einstweilen dabei. „Ich werde jetzt duschen. Meine Eltern haben sich sehr viel Mühe mit dem Abendessen gegeben. Es wäre schön, wenn du dich ihnen zu Ehren festlich kleiden und dich anständig benehmen würdest, cara.“

„Mein Vater hat mich vermutlich anders dargestellt, aber ich kann dich beruhigen, Angelo: Ich weiß mich sehr wohl zu benehmen.“

An der Badezimmertür drehte er sich noch einmal um. „Ich weiß. Und ich bin auf deiner Seite, Tatty“, fügte er zärtlich hinzu.

Seine Worte und der Kosename trieben ihr die Tränen in die Augen. Schnell wandte sie sich ab und tat, als würde sie aus dem Fenster schauen. Erst als die Tür hinter Angelo ins Schloss fiel, entspannte Natalie sich wieder.

Angelo hatte gerade seine Manschettenknöpfe befestigt, als Natalie aus dem Ankleidezimmer trat. Sie sah atemberaubend aus in dem klassischen schwarzen Kleid, dessen Rockende die Knie umspielte, hochhackigen Pumps und Brillant-Perlenohrhängern mit dazu passendem Collier. Das Haar hatte sie zu einem eleganten Chignon geschlungen, ein dezentes Make-up brachte ihre dunkelblauen Augen zum Leuchten und betonte die hohen Wangenknochen. Der Hauch eines schweren, nach Maiglöckchen duftenden Parfums umfing ihn.

Wie konnte jemand, der aussah wie eine Göttin, zu all den Dingen fähig sein, von denen ihr Vater gesprochen hatte? überlegte Angelo und beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Natürlich hatte Natalie ihren eigenen Kopf und legte Wert auf ihre Unabhängigkeit. Aber so egoistisch, wie ihr Vater sie dargestellt hatte, konnte sie gar nicht sein. Dann hätte sie nicht alles in ihrer Macht Stehende getan, um ihrem Bruder aus der Bredouille zu helfen.

„Man könnte denken, du hättest gerade den Laufsteg einer New Yorker Modenschau verlassen“, sagte er anerkennend.

„Wohl kaum. Das Kleid ist drei Jahre alt, ich habe es für einen Spottpreis im Ausverkauf erstanden.“

„Mir gefällt deine Frisur.“

„Sie verbirgt geschickt, dass ich dringend zum Friseur muss.“

„Was hast du eigentlich gegen Komplimente? Mir ist schon vor fünf Jahren aufgefallen, dass du sie immer abgetan hast.“

„Versuch’s doch einfach noch mal“, sagte sie herausfordernd.

„Du bist wunderschön.“

„Danke.“

„Und ausgesprochen intelligent.“

Natalie deutete einen Knicks an. „Danke schön.“

„Dein Körper ist unwiderstehlich.“

Sie errötete leicht und wandte schnell den Blick ab. „Ich habe seit Wochen keinen Sport gemacht.“

„Du musst Danke sagen, statt dich zu entschuldigen“, mahnte Angelo.

„Danke.“

„Du bist die faszinierendste Frau, die ich kenne.“

Eine Maske schien über ihr Gesicht zu gleiten. „Du solltest mehr unter Leute gehen, Angelo.“

„Hinter deinen wunderschönen Augen verbergen sich Geheimnisse.“

Sie zuckte zusammen, hatte sich jedoch sofort wieder im Griff. „Wir haben alle unsere kleinen Geheimnisse, Angelo. Verrätst du mir welche von deinen?“

„Wer hat dir den Schmuck geschenkt?“

„Mit dem habe ich mich selbst beschenkt.“ Sie tastete nach dem Collier.

„Hast du noch das Medaillon, das ich dir auf dem Flohmarkt gekauft habe?“

Natalie zog die Hand zurück und griff nach der Handtasche. „Deine Eltern wundern sich sicher, wo wir so lange bleiben.“

„Sie können sich denken, dass wir viel nachzuholen haben.“

Verlegen senkte sie den Blick. „Hoffentlich erwarten sie nicht von mir, mich auf Italienisch zu unterhalten.“

„Keine Sorge. Sie möchten einfach nur die Tochter willkommen heißen, die sie selbst nie hatten.“

„Ob ich ihren hohen Ansprüchen genügen werde? Für ihren einzigen Sohn ist ihnen sicher keine Frau gut genug.“

„Sie werden dich lieben, wenn du ihnen dein wahres Gesicht zeigst, Natalie.“

„Als ob das funktionieren würde!“ Sie legte sich einen Schal um die Schultern.

„Was willst du damit sagen, Natalie?“

„Niemand kann sich so geben, wie er wirklich ist, weil wir alle durch gesellschaftliche Konventionen und die Erwartungen geprägt sind, die unsere Familien an uns stellen“, erklärte sie. „Wir müssen uns an bestimmte Parameter halten.“

„Und wenn diese Parameter nicht existierten, was würdest du dann tun und sagen?“, fragte Angelo gespannt.

„Das ist doch egal. Mir hört ja sowieso niemand zu.“

„Ich höre dir zu, cara.“

„Wir sollten deine Eltern jetzt wirklich nicht länger warten lassen, Angelo.“

„Bitte lass mich an deinen Gedanken teilhaben. Schließ mich nicht aus.“ Er hob ihr Kinn und sah ihr tief in die Augen. „Bitte, cara!“

Die unterschiedlichsten Emotionen huschten über ihr schönes Gesicht. Doch Natalie behielt sie für sich.

„Warum lässt du niemanden an dich heran, Natalie?“

Sie löste sich von ihm. „Ich dachte, mein Vater hat dir verraten, dass ich nur an mich selbst denke.“

„Wenn das so wäre, würdest du dich wohl kaum für deinen Bruder opfern.“

Natalie versuchte, ihre Gefühle im Zaum zu halten. „Lachlan ist anders als ich: sensibel und verletzlich. Er kann noch nicht auf sich selbst aufpassen, aber er wird es lernen.“

„Du zahlst einen hohen Preis für seinen ‚Unterricht‘.“

Sie hielt seinem Blick stand. „Ich habe schon höhere Preise gezahlt.“

Angelo versuchte, in ihren Augen zu lesen. Doch ihr Blick war undurchdringlich. „So leicht gebe ich nicht auf, Natalie. Und wenn ich den Rest meines Lebens dafür brauche: Eines Tages werde ich in dein Herz schauen.“

„Viel Glück!“ Sie wandte sich ab und ging zur Tür. „Kommst du jetzt endlich?“

5. KAPITEL

Natalie nahm dankbar das Glas Champagner entgegen, das Sandro ihr reichte, nachdem sie an Angelos Arm den Salon betreten hatte.

„Wir freuen uns so sehr“, sagte Francesca strahlend. „Sandro und ich hatten schon befürchtet, Angelo würde überhaupt nicht mehr sesshaft werden.“

„Genau.“ Sandro hob lächelnd sein Glas. „Aber wir wussten auch, dass er nur aus Liebe heiraten würde. Das ist Tradition bei uns Bellandinis.“

„Wird im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht sowieso nur noch aus Liebe geheiratet?“, fragte Natalie provokant.

„Schon, aber in gewissen Familien sorgt man noch immer dafür, dass sich die junge Generation auf Festen trifft. Eltern haben meist ein sicheres Gespür dafür, wer zu wem passt.“

„Ich halte nichts davon, dass Eltern sich in dem Maße in das Leben ihrer erwachsenen Kinder einmischen“, sagte Natalie.

Sandros Augen glitzerten vergnügt, als er sich Angelo zuwandte. „Wie ich sehe, hast du dir eine Frau ausgesucht, die ihren eigenen Kopf hat. Das macht das Zusammenleben erst richtig aufregend, mein Sohn.“

Francesca gab ihrem Mann einen liebevollen Klaps auf den Arm. „Das sagst ausgerechnet du, der sich seit sechsunddreißig Jahren über meinen Dickkopf beschwert.“

Galant küsste Sandro ihr die Hand. „Aber ich liebe deinen Dickkopf, tesoro mio.“

Dieses Paar schien sich wirklich zu lieben. Im Gegensatz zu Natalies Eltern, die es kaum ertrugen, im gleichen Raum zu sein.

„Ihr Turteltauben macht Natalie noch ganz verlegen“, zog Angelo seine Eltern auf.

Francesco hakte sich sofort bei ihrer zukünftigen Schwiegertochter ein. „Angelo hat erzählt, dass du eine ausgesprochen erfolgreiche Innenarchitektin bist. Ich habe mir deine Kollektion sofort im Internet angesehen. Sie ist großartig. Leider ist sie hier noch völlig unbekannt. Hast du keine Filiale in Italien?“

„Nein, bisher gibt es nur Geschäfte in Großbritannien.“

„Warum? Deine Kollektion würde auch hier reißenden Absatz finden.“ Francesca wunderte sich.

„Ich weiß, dass ich mir den europäischen Markt erschließen sollte, aber ich reise nicht gern“, erklärte Natalie entschuldigend.

„Ach, das findet sich schon.“ Beruhigend klopfte Francesca ihr auf den Arm. „Angelo wird das in die Hand nehmen. Er ist ein ausgezeichneter Geschäftsmann. Bald wird deine Marke überall in Europa bekannt sein. Und ich werde alle meine Freundinnen ermuntern, die schönen Sachen meiner wundervollen Schwiegertochter zu kaufen. Wenn nicht, rede ich kein Wort mehr mit ihnen“, fügte Francesca lachend hinzu.

Das Lob tat Natalie gut, insbesondere da ihr Vater ihre letzte Kollektion als zu verspielt und pariserisch kritisiert hatte. Fünf Minuten in der Gesellschaft von Angelos Mutter gaben ihr mehr Selbstbestätigung, als sie je von ihren eigenen Eltern erfahren hatte.

„Meine Assistentin schickt dir einen Katalog. Und ich helfe gern, wenn du Fragen hast“, versprach Natalie.

„Wirklich?“ Francesca strahlte begeistert. „Ich nehme dich beim Wort. Die Gästezimmer müssen nämlich dringend renoviert werden. Wir könnten die Gestaltung gemeinsam planen. Dabei würden wir uns auch gleich besser kennenlernen. Was meinst du?“

„Sehr gern“, antwortete Natalie.

„Wunderbar! Ehrlich gesagt war ich vor unserer ersten Begegnung etwas nervös. Aber jetzt weiß ich, dass du die Richtige für Angelo bist. Du liebst ihn sehr, oder?“

„Ich … ich …“

Verständnisvoll gab Francesca ihr einen Klaps auf den Arm. „Entschuldige, ich wollte nicht indiskret sein. Ich sehe ja auch mit eigenen Augen, was du für ihn empfindest. Du bist eine Frau, die ebenfalls nur aus Liebe heiratet.“

Angelo kam herüber und legte beschützend einen Arm um Natalies Taille. „Dann bist du mit meiner Wahl einverstanden, Mamma?“

„Selbstverständlich, mein Junge! Natalie ist ein Engel. Wir werden wunderbar miteinander auskommen.“

Die Unterhaltung beim Abendessen war lebhaft und freundschaftlich. Natalie, die es von zu Hause gewohnt war, beim Familienessen zu schweigen, trug nur wenig dazu bei, genoss aber die entspannte Atmosphäre.

Nach dem abschließenden Espresso streichelte Angelo Natalies Nacken. „Würdet ihr uns jetzt bitte entschuldigen, Mamma, Papà?“, fragte er höflich. „Natalie ist erschöpft von der Reise.“

„Selbstverständlich!“ Sandro und Francesca küssten Natalie auf beide Wangen. „Es ist mir eine große Freude, dich in unsere Familie aufzunehmen“, sagte Sandro herzlich.

Natalie hatte Mühe, Tränen der Rührung zu unterdrücken. „Danke schön. Ihr seid sehr lieb.“

Auf der Treppe bemerkte Angelo besorgt: „Du hast kaum was gegessen. Fühlst du dich immer noch unwohl?“

„Nein, ich esse immer so wenig.“

„Du bist viel zu dünn. Ich habe den Eindruck, dass du seit unserem Wiedersehen noch mehr abgenommen hast.“

„Im Sommer nehme ich immer ab“, erklärte sie leise.

Höflich hielt Angelo ihr die Tür auf. „Meine Eltern beten dich an“, sagte er lächelnd.

Flüchtig erwiderte sie sein Lächeln. „Du kannst dich glücklich schätzen, so wundervolle Eltern zu haben, Angelo.“

Er machte die Tür zu und beobachtete, wie Natalie den Clip aus ihrem Haar zog, das ihr daraufhin in schimmernden Locken über die Schultern fiel. Am liebsten hätte er seine Finger durch die verführerische Pracht geschoben und sein Gesicht darin vergraben.

„Ich überlasse dir das Bett und schlafe in einem der anderen Zimmer“, schlug er vor.

„Das würde deine Eltern aber misstrauisch machen.“

„Mir fällt schon eine Begründung ein.“

„Ich bin sicher, dass wir eine gemeinsame Nacht überleben“, sagte Natalie. „Wir sind ja keine hormongesteuerten Teenager mehr, die übereinander herfallen.“

Doch genau so fühlte Angelo sich. Das behielt er allerdings lieber für sich. „Du kannst zuerst ins Bad“, sagte er stattdessen. „Ich muss noch ein paar E-Mails verschicken.“

Dankbar zog sich Natalie ins Badezimmer zurück.

Als Angelo an der Reihe gewesen war und schließlich wieder das Schlafzimmer betrat, schlief Natalie fest. Zärtlich betrachtete er sie und überlegte, was vor fünf Jahren schiefgegangen war. Vielleicht war sie damals mit ihren einundzwanzig Jahren tatsächlich noch zu jung für die Ehe gewesen. Er hingegen war sich so sicher gewesen, dass Natalie überglücklich über seine Frage wäre. Rückblickend betrachtet wohl eine ziemlich arrogante Haltung von ihm. Doch als Einzelkind war er es eben nicht gewohnt, dass man ihm einen Wunsch verweigerte. Es hatte ihn tief verletzt, als Natalie ihn verlassen hatte.

Jetzt hatte er sie endlich dort, wo er sie haben wollte. Leider machte das weder ihn noch Natalie glücklich. Sie verhielt sich wie ein Vogel im Käfig und würde nur so lange bei ihm bleiben wie unbedingt nötig, um ihren Bruder zu retten.

Schließlich legte auch Angelo sich hin und lauschte ihren leisen Atemzügen. Er sehnte sich danach, sich an sie zu schmiegen, war aber entschlossen, Natalie den ersten Schritt zu überlassen. Also schloss er die Augen und versuchte, sich zu entspannen.

Kurz vorm Einschlafen spürte er, wie Natalie zusammenzuckte und plötzlich begann, wie besessen um sich zu schlagen. Entsetzt und besorgt zugleich richtete Angelo sich auf.

„Nein!“, schrie sie. „Nein! Nein! Nein!“

Entschieden zog er sie an sich. Kein leichtes Unterfangen, denn noch immer schlug sie wild um sich. „Ganz ruhig, cara“, flüsterte er. „Es ist nur ein Traum.“

Schließlich öffnete sie die Augen und schlug die Hände vors Gesicht. „Oh Gott“, schluchzte sie verzweifelt. „Ich konnte ihn nicht finden.“

Zärtlich schob Angelo ihr eine Strähne aus der Stirn. „Wen konntest du nicht finden, piccola mia?“

„Es war meine Schuld“, stammelte sie heiser.

Behutsam zog er ihr die Hände vom Gesicht. „Was war deine Schuld?“

Natalie blinzelte und kam langsam wieder zu sich. „Ich … ich … entschuldige.“ Sie wurde von einem Weinkrampf geschüttelt. Die Tränen strömten ihr nur so über die Wangen.

So aufgelöst hatte Angelo sie noch nie erlebt. Behutsam trocknete er ihre Tränen. „Es war nur ein Traum, Tatty. Du bist in Sicherheit. Vergiss den Albtraum!“

Entsetzt musste er beobachten, wie sie nur noch heftiger weinte. Das Herz wurde ihm schwer vor Mitgefühl. Wenn er nur wüsste, wie er sie beruhigen konnte.

„Es tut mir leid. Es tut mir leid“, wimmerte sie immer wieder, wie ein Mantra.

„Ganz ruhig.“ Behutsam trocknete er ihr erneut die Tränen. „Du musst dich für nichts entschuldigen.“ Immer wieder strich er ihr tröstend übers Haar. „Beruhige dich, cara! Ganz ruhig.“

Schließlich schluchzte sie nur noch gelegentlich und schmiegte sich erschöpft an Angelos Brust, wo sie wenig später einschlief. Bis zum Morgengrauen hielt Angelo sie in den Armen und wachte über ihren Schlaf.

Am Morgen schlug Natalie die Augen auf und begegnete Angelos nachdenklichem Blick. Sie erinnerte sich nur vage an die Geschehnisse der Nacht. „Hoffentlich habe ich deine Nachtruhe nicht gestört“, sagte sie leise. „Leider schlafe ich sehr unruhig.“

„Das kannst du laut sagen, cara.“ Er rang sich ein Lächeln ab. „Wieso ist mir das vor fünf Jahren nicht aufgefallen?“

„Im Winter kann ich besser schlafen.“

„Jetzt verstehe ich, warum du dich in Schottland niedergelassen hast.“

Natalie lächelte flüchtig. „Vielleicht sollte ich in die Antarktis ziehen. Oder an den Nordpol.“

„Vielleicht solltest du einfach mal mit jemandem über deine Träume reden.“

Sie stand schnell auf und zog sich einen Bademantel über, dessen Gürtel sie viel zu fest verknotete. „Und du solltest dich vielleicht lieber um deine eigenen Angelegenheiten kümmern!“

Angelo sprang aus dem Bett und war mit zwei Schritten bei ihr. „Bitte stoße mich nicht wieder fort! Siehst du denn nicht, dass ich dir helfen will?“

„Lass mich in Ruhe, Angelo! Alles war in Ordnung, bevor du mein Leben mit deinem verrückten Racheplan auf den Kopf gestellt hast. Du hast ja keine Ahnung, was in meinem Leben los ist.“ Wütend funkelte sie ihn an.

„Ich würde es aber gern wissen, Natalie. Nur so kann ich dir helfen.“

Sie wandte ihm den Rücken zu. „Ich komme schon klar. Und du solltest dein eigenes Leben nicht unnötig verkomplizieren. Du könntest jede Frau haben. Da brauchst du ja nicht unbedingt mich.“

„Doch, Natalie. Ich brauche dich, und du brauchst mich.“

Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Warum konnte Angelo nicht einsehen, dass sie nicht die richtige Frau für ihn war? „Du verdienst eine Partnerin, die dich wirklich liebt“, sagte sie leise. „Ich bin dazu leider nicht in der Lage.“

„So ein Unsinn! Natürlich kannst du lieben. Du lässt es nur nicht zu.“

Natalie seufzte tief auf. „Ich habe schon so viele Leben zerstört. Was glaubst du, wie sehr ich mich bemühe, ein guter Mensch zu sein. Aber manchmal reicht das eben nicht.“

„Du bist ein guter Mensch, Natalie. Woher kommen nur deine verdammten Selbstzweifel?“

Die quälten sie seit ihrem siebten Lebensjahr. Und die Schuldgefühle wurden immer schlimmer. Dagegen war sie einfach machtlos. „Als kleines Mädchen glaubte ich noch an Wunder. Ich war überzeugt, wenn ich mir etwas nur sehnlich genug wünschte, würde es auch in Erfüllung gehen.“

„Das ist die Magie der Kindheit“, sagte Angelo. „Alle Kinder glauben an Wunder.“

„Ja. Leider wurde ich sehr früh mit der rauen Wirklichkeit konfrontiert. Das Leben ist kein Hollywoodfilm. Im wahren Leben gibt es kein Happy End. Es ist ein ewiger Kreislauf aus Schmerz und Trauer, aus dem es kein Entkommen gibt.“

„Was macht dir das Leben so schwer?“, fragte Angelo vorsichtig. „Du stammst aus einer guten Familie, bist im Wohlstand aufgewachsen, hast ein Dach über dem Kopf und genug zu essen. Warum bist du so unglücklich? Vielen Menschen geht es bedeutend schlechter als dir.“

Natalie verdrehte die Augen und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. „Ich erwarte nicht, dass du mich verstehst.“

„Ich möchte dich aber verstehen“, rief Angelo verzweifelt.