Julia Extra Band 531 - Michelle Smart - E-Book

Julia Extra Band 531 E-Book

Michelle Smart

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Beschreibung

ENTFÜHRT AUF DAS SCHLOSS DER LIEBE von Michelle Smart
Kaum hat Prinz Marcelo die schöne Clara vor einer Zwangsehe gerettet, muss er selbst um ihre Hand anhalten. Natürlich nur zum Schein, um sein Land vor einer diplomatischen Krise zu bewahren! Aber warum knistert es dann überraschend so unwiderstehlich sinnlich zwischen ihnen?

ZURÜCK IN DIE ARME DES GRIECHISCHEN MILLIARDÄRS von KANDY SHEPHERD
Als Claudia den griechischen Milliardär Stefanos Adrastos zehn Jahre nach ihrer Urlaubsromanze zufällig widertrifft, spürt sie gegen jede Vernunft heißes Verlangen. Obwohl er ihr einst das Herz brach, lässt sie sich zu einer Nacht der Lust verführen – mit ungeahnt süßen Folgen …

SCHENK MIR DEIN HERZ, GELIEBTER PRINZ! von JADESOLA JAMES
Der perfekte Plan? Durch die Hochzeit mit Prinz Akil entkommt Prinzessin Tobi dem goldenen Käfig, er wiederum erhält seine Mitgift – danach trennen sie sich wieder! Doch ungewollt verzehrt sie sich plötzlich immer mehr nach Akil. Allerdings hat er der Liebe abgeschworen …

DIE VERBOTENE AFFÄRE DES KÖNIGS von SUSAN MEIER
König Jozef begehrt ausgerechnet die attraktive PR-Expertin Rowan wie keine Frau zuvor. Dabei wurde sie engagiert, um ihm eine standesgemäße Braut zu suchen! Was jetzt? Eine bürgerliche US-Amerikanerin wie Rowan kann doch unmöglich die neue Königin an seiner Seite sein, oder?

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Seitenzahl: 707

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Michelle Smart, Kandy Shepherd, Jadesola James, Susan Meier

JULIA EXTRA BAND 531

IMPRESSUM

JULIA EXTRA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA, Band 531 02/2023

© 2022 by Michelle Smart Originaltitel: „Crowning His Kidnapped Princess“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Maria Poets

© 2022 by Kandy Shepherd Originaltitel: „Pregnancy Shock for the Greek Billionaire“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Trixi de Vries

© 2022 by Jadesola James Originaltitel: „The Princess He Must Marry“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Eleni Nikolina

© 2022 by Linda Susan Meier Originaltitel: „His Majesty’s Forbidden Fling“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Elke Schuller-Wannagat

Abbildungen: Harlequin Books S. A., iascic / Getty Images, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751518116

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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Entführt auf das Schloss der Liebe

1. KAPITEL

Clara Sinclair lief in ihrer Gefängniszelle auf und ab. Zugegeben, die Zelle maß gut dreißig mal dreißig Fuß, verfügte über ein eigenes Badezimmer und drei hohe Erkerfenster mit direktem Blick auf den Privathafen des Palastes. Auch ihre Gefängniskleidung war eher untypisch. Sie bestand aus weißer Seide und feiner Spitze. Hätte man sie nicht gezwungen, dieses Kleid zu tragen, würde sie es vielleicht schön finden.

Zumindest war sie endlich allein. Ihre Wärterinnen, die sich ihre „Gesellschafterinnen“ nannten, waren gegangen, um sich für das Ereignis des Jahrzehnts in Monte Cleure herauszuputzen: Claras Hochzeit mit König Dominic aus dem Hause Fernandez. Doch vor der Tür standen, wie immer seit ihrem ersten Fluchtversuch, zwei kräftige Männer.

Die Wanduhr schlug. Du lieber Himmel. Nur noch fünfzehn Minuten, dann würde sie mit „King Pig“ verheiratet werden, diesem Schwein von einem König. Und sie konnte in der Kirche nicht einmal eine Szene machen, weil Bobs Leben davon abhing. Dominic würde seine Drohung wahrmachen und wahrscheinlich noch großen Spaß daran haben.

Was für ein Unmensch schenkte einer Frau einen Welpen und benutzte ihn dann, um sie unter Druck zu setzen? Der Mann, den sie in fünfzehn Minuten heiraten würde, war so ein Unmensch. Im Moment schlief Bob sicher in seinem Körbchen. Ihm würde nichts zustoßen, wenn sie Dominic das Jawort gab, ohne den Bräutigam zu verprügeln. Oder den Priester. Oder einen der Gäste.

Bis zu ihrer Ankunft in Monte Cleure, wo man sie gegen ihren Willen festhielt, hatte Clara noch nie den Drang verspürt, jemanden zu schlagen. Nicht einmal ihren Halbbruder Andrew. Dabei behandelte der sie seit dem Tod ihres Vaters wie einen Hund und war für ihre missliche Lage ebenso verantwortlich wie der König.

Sie schlug mit der Faust auf den Tisch. „Dafür wirst du in der Hölle schmoren!“, schrie sie, bevor sie sich auf den dicken Teppich warf.

Bob wachte auf, tappte zu ihr und rollte sich auf ihrem Schoß zusammen. Sie streichelte seinen weichen Kopf. Sie hatte kein Bedürfnis, zu weinen, dazu war sie viel zu wütend, und Tränen lösten ohnehin nichts. Das hatte Clara schon als kleines Kind gelernt, als keine Tränen der Welt ihre Mutter wieder zum Leben erweckt hatten.

Wenn sie fliehen wollte, musste sie sich beeilen. Sie hatte noch zehn Minuten Zeit, bevor man sie in die Kirche schleppte.

Denk nach!

Der Kamin war zugemauert worden, nachdem man Clara, mit den Beinen strampelnd, darin erwischt hatte. Als sie ein Fenster geöffnet und laut um Hilfe gerufen hatte, hatte Dominic gedroht, Bob in den vierzig Fuß tiefer gelegenen Privathafen zu werfen.

Sie würde Dominic das Leben zur Hölle machen. Falls er glaubte, er könnte sie zum Einlenken zwingen, dann hatte er sich …

Ein leises Klopfen riss sie aus ihren Überlegungen. Sie hob den Kopf und entdeckte ein Gesicht am Fenster.

Es war ein hübsches Gesicht. Den Mund zu einem breiten Grinsen verzogen, bedeutete es ihr mit einem Nicken, sich zu beeilen und das Fenster zu öffnen.

Clara sprang auf, stolperte fast über die Schleppe ihres Hochzeitskleides und beeilte sich, zu dem gut aussehenden Fremden zu gelangen.

Als sie am Fensterflügel rüttelte, stellte sie fest, dass dieser Fremde ihr vage bekannt vorkam, doch die Freude über die bevorstehende Rettung überwog.

Verdammt, wieso ließ sich dieses widerspenstige Fenster nicht öffnen?

Hatte Dominic es etwa zukleben lassen? Sie war kurz davor, das Glas einzuschlagen, als das Fenster nachgab. Ein letzter Ruck, und es war offen.

„Hallo“, sagte sie und grinste breit, als ihr einfiel, woher sie das hübsche Gesicht kannte. „Bist du die Kavallerie?“

Eisblaue Augen funkelten. Gerade weiße Zähne blitzten auf. „Ciao, bella. Lust auf eine Runde mit meinem Hubschrauber?“

Marcelo Berruti schwang sich in den Raum und betrachtete die schöne junge Frau, die ihn anlächelte, als wäre er der Weihnachtsmann. Er verspürte eine kribbelnde Aufregung, wie er sie seit seiner Militärzeit nicht mehr erlebt hatte. Als Kind hatte er sich oft vorgestellt, als Ritter in glänzender Rüstung eine Jungfrau in Nöten zu retten. Wer hätte gedacht, dass er das mit dreißig Jahren tatsächlich tun würde?

Diese Jungfrau sah allerdings nicht besonders verzweifelt aus. Im Gegenteil, sie schien jeden Moment loslachen zu wollen, also legte er ihr instinktiv einen Finger an die Lippen.

„Psst“, flüsterte er und deutete zur Tür.

Große dunkelbraune Augen weiteten sich wie bei einem ungezogenen Schulmädchen, das beim Rauchen erwischt worden war. Marcelo erinnerte sich daran, dass Alessia Clara Sinclair neidvoll als das ungezogenste Mädchen ihres exklusiven Internats bezeichnet hatte. Allerdings hatte seine Schwester nie erwähnt, wie schön Clara war. Er ließ den Blick über das herzförmige Gesicht mit den hohen Wangenknochen, den weichen, vollen Lippen und der perfekt geraden Nase schweifen. Ihr kurvenreicher Körper mit den vollen Brüsten steckte in einem Hochzeitskleid, das dunkelblonde Haar, das zu einem eleganten Knoten hochgesteckt war, rundete den perfekten Anblick ab.

Schlanke Finger griffen plötzlich nach seiner Hand und zogen seinen Finger von ihrem Mund.

„Bist du hier, um mich anzustarren oder um mich zu retten?“, fragte sie in einem übertriebenen Flüsterton. „In fünf Minuten werde ich aus diesem Zimmer gezerrt und den Gang hinuntergeschleppt.“

„Ein guter Punkt.“ Marcelo trug den Stuhl von ihrem Frisiertisch zur Tür und stellte ihn leise unter die Klinke. Er sah auf seine Uhr und drehte sich wieder zu ihr um. „Wir haben zwei Minuten. Hast du etwas, das du anziehen kannst?“

„In zwei Minuten?“

„Eine Minute und fünfzig Sekunden.“

Sie hob die Hände. „Es hat eine Stunde gedauert, mich in dieses blöde Ding zu stecken.“

Er ließ sich vor ihr auf die Knie fallen und griff nach dem Spitzenbesatz am Kleidersaum.

„Was machst du da?“

„Das …“ Mit einem Blick auf ihr schönes Gesicht riss er die zarte Spitze herunter.

Sie machte ein gespielt schockiertes Gesicht. „Aber, Sir, wir haben uns doch gerade erst kennengelernt!“

In der Ferne war das Geräusch eines herannahenden Helikopters zu hören. Der Seidenstoff des Kleides war schwieriger zu zerreißen als die Spitze.

„Benutz doch deine Zähne“, schlug sie vor.

Jetzt verzog er mit gespieltem Entsetzen das Gesicht. „Aber, Madam, wir haben uns doch gerade erst kennengelernt.“ Dann tat er genau das, was sie ihm vorgeschlagen hatte.

Kurz darauf war der Rock des Hochzeitskleides nur noch ein Fetzen Seide, der bis zur Mitte der schönsten goldbraunen Beine reichte, die Marcelo je gesehen hatte. Am liebsten würde er die kurvigen Hüften packen und sein Gesicht in das üppige Dekolleté drücken, das von Seide und Spitze eingefasst wurde.

Niemals in seinen wildesten Träumen hätte er sich vorstellen können, dass seine Jungfrau in Nöten so verdammt sexy sein würde.

„Hier oben spielt die Musik, Berruti“, tadelte sie und deutete mit Zeige- und Mittelfingern auf ihre Augen.

Er blickte zu dem schönen Gesicht auf. „Du weißt, wer ich bin?“

Sie verdrehte die Augen. „Ich lasse mich doch nicht von irgendeinem dahergelaufenen Gauner retten.“

Dio, er wollte diesen intelligenten, perfekt geformten Mund küssen, doch die Zeit drängte, und er widerstand der Versuchung. Er sprang auf und ergriff ihre Hand.

„Hast du Höhenangst?“, rief er. Der Hubschrauber schwebte nun über ihnen, seine Rotoren waren so laut, dass an Flüstern nicht mehr zu denken war.

„Das werden wir vermutlich gleich herausfinden.“

In diesem Moment erschien ein Seil vor dem Fenster, während gleichzeitig an der Türklinke gerüttelt wurde.

„Die Zeit ist um“, sagte er. „Lass uns verschwinden.“

Sie riss sich von ihm los und bückte sich, um ein kleines schokoladenbraunes, pelziges Ding aufzuheben, das Marcelo vorher nicht bemerkt hatte.

„Den kannst du nicht mitnehmen“, sagte er, als lautes Geschrei und Hämmern durch die Tür drangen.

„Ich kann ihn nicht hierlassen. Dominic wird ihn umbringen.“

Marcelo deutete auf das baumelnde Seil. „Wir können uns nicht mit einem Hund daran festhalten.“

Völlig unbeeindruckt schaute Clara auf ihr Dekolleté. „Zerreiß das. Schnell.“

Etwas krachte laut gegen die Tür.

„Beeil dich!“, rief sie mit dem Anflug von Ungeduld. „Reiß den Stoff auf. Nur ein paar Zentimeter.“

Marcelo riss das Oberteil des Kleides auf, bis die üppigen Brüste zum Vorschein kamen. Vorsichtig schob Clara den Welpen unter ihr Kleid.

„Glückliches Hündchen“, murmelte er. „Können wir endlich?“

„Auf geht’s.“

Das Krachen an der Tür wurde lauter. Marcelo sprang auf die Fensterbank und schnappte sich das Seil. Clara brauchte keine weitere Aufforderung, kletterte flink neben ihn und schlang die Arme um seinen Hals.

„Freut mich, dich kennenzulernen“, sagte sie und lächelte ihn an.

Er konnte nicht anders, als ebenfalls zu lächeln, als er das Seil sicher um sie verknotete. „Halt dich fest!“

„Nein, du hältst fest.“

Lachend legte er ihr einen Arm um die Taille, streckte einen Daumen nach oben zum Hubschrauber und hielt sie fest, als sie in die Luft gehoben wurden.

Claras Magen sackte kurz nach unten, dann schwebte sie beinahe schwerelos dahin. Warme Luft umfing sie. Sie schluckte ihre Angst hinunter und klammerte sich an den Bruder ihrer alten Schulfreundin. Sie starrte ihm fest ins Gesicht und vertraute auf die Zuversicht, die seine Miene ausstrahlte: Gleich würden sie in Sicherheit sein. Sie wollte nicht daran denken, dass sie beide in den sicheren Tod stürzen könnten … Oh je. Sie hatte es gedacht.

Denk an den armen Bob, befahl sie sich. Seine kleinen scharfen Krallen gruben sich in ihre Brust. Das arme Tier musste große Angst haben.

Clara kniff die Augen zusammen, lehnte die Stirn an Marcelos feste Brust und hoffte, dass Bob sich nicht freistrampeln würde.

Es war ein Fehler gewesen, den Welpen mitzunehmen. Doch bevor sich die Schuldgefühle in ihr festsetzen konnten, wurde sie von kräftigen Händen gepackt und schwungvoll in den Hubschrauber gehoben.

Erleichterung erfasste sie, und sie wäre fast auf den Rücken gefallen, wenn sie nicht an den Mann gefesselt gewesen wäre, der sie gerettet hatte.

Sie hatten es geschafft! Sie war frei.

Das Donnern der Rotoren war nicht laut genug, um das Klopfen ihres Herzens in ihren Ohren zu übertönen. Sie versuchte, zu Atem zu kommen, ehe sie die Augen öffnete. Sie blinzelte einige Male, bis sie klar sehen konnte, und versuchte, sich zu orientieren. Zwei Männer in Militärkleidung knieten in dem geräumigen Hubschrauber neben ihnen und lösten die Knoten, die sie an Marcelo banden.

Sie lag mit dem Prinzen von Ceres und einem Welpen, der verzweifelt versuchte, sich aus der Enge ihres Dekolletés zu befreien, auf dem Boden eines Hubschraubers. Ihre Erleichterung und die Absurdität der Situation waren zu viel. Clara konnte sich nicht länger beherrschen und brach in schallendes Gelächter aus. Sie lachte, als sich das Seil endlich löste, sie lachte, als sie sich aufsetzte, und sie lachte noch immer, als sie Bob vorsichtig aus ihrem Dekolleté zog. Doch als Bob ihr über die Wange leckte, ging ihr Lachen in Tränen über, die sie genauso wenig kontrollieren konnte. Durch das schluchzende Lachen hindurch merkte sie, dass drei Männer sie misstrauisch beäugten, offenbar beunruhigt von diesem Anfall weiblicher Hysterie, was sie nur noch mehr zum Lachen und Weinen brachte.

Die achtzehn Tage in Monte Cleure, von denen sie sechzehn in Gefangenschaft verbracht hatte, hatten einem emotionalen Schleudergang geglichen. Sie hatte sich geweigert, sich der Verzweiflung hinzugeben, und sich ganz auf ihre Wut konzentriert. Jetzt schluchzte und lachte sie, bis alles, was sie unterdrückt hatte, heraus war.

Es dauerte, bis sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Sie brauchte ein Taschentuch, betrachtete die zerrissenen Überreste ihres Hochzeitskleides und riss ein weiteres Stück Seide ab, um sich die Nase zu putzen.

Schließlich sah sie Marcelo an. Er saß neben ihr auf dem kalten Metallboden des Hubschraubers, und in seinen besorgten Blick mischte sich ein Hauch Belustigung. Während ihres Anfalls war Bob zu ihm auf den Schoß gekrochen, und eine Hand, die fast so groß war wie der Welpe, streichelte sanft seinen Kopf.

Clara zerknüllte das behelfsmäßige Taschentuch zu einem Ball und stopfte es in den BH. „Das muss das teuerste Taschentuch der Welt sein“, sagte sie.

Die dichten schwarzen Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Dieses Kleid hat Dominic hunderttausend Euro gekostet“, erklärte sie, bevor ein weiterer kurzer Lachanfall sie erfasste. Ihr Gefühlsausbruch war wie eine Erlösung gewesen. „Vielleicht schicke ich es ihm, als Andenken an unsere gemeinsame Zeit.“

Marcelo hatte in seinem Leben schon viele weibliche Tränen gesehen. Seine Schwester Alessia konnte sie fließen lassen, als würde sie einen Wasserhahn aufdrehen. Die meisten seiner Freundinnen waren sehr talentiert darin gewesen, Tränen zu vergießen, um ihren Willen durchzusetzen. In der Regel amüsierte es ihn, vor allem, wenn es ihm Zeit gab, sich auf den gequälten Gesichtsausdruck vorzubereiten, der darauf folgte.

Bei Clara Sinclair wartete er vergebens.

Ihre Tränen waren spektakulär gewesen. Die Lachanfälle, die das Schluchzen unterbrochen hatten, hatten die Sache nur noch eindrucksvoller gemacht. Dann war es vorbei, und jetzt saß sie im Schneidersitz auf dem Boden des Hubschraubers. Die dunkelbraunen Augen waren geschwollen und das Gesicht mit Wimperntusche verschmiert, aber sie hatte die Tränen eindeutig hinter sich gelassen. Bei der abenteuerlichen Flucht aus dem Palast in den Hubschrauber hatte sich ihr Haar gelöst, und die langen, dunkelblonden Strähnen hingen ihr zerzaust über die Schultern.

„Besser?“, fragte er.

„Viel besser, danke. Und danke, dass du mich gerettet hast.“

Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Mundwinkel und grinste. „Du hast etwas gut bei mir.“

„Es war mir ein Vergnügen.“ Das Wissen, dass dieses unglaublich sexy Geschöpf in seiner Schuld stand, steigerte das Vergnügen nur noch.

Sie streckte ihre atemberaubenden Beine aus und legte die Knöchel übereinander. Sie hatte schöne Füße, stellte er fest. Der Welpe kroch von seinem Schoß auf den ihren.

Clara liebkoste den Welpen, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihn. „Du trägst ja einen Smoking!“

„Das ist fein beobachtet“, stimmte er zu.

Ihre vollen Lippen zuckten und kräuselten sich. „Ich dachte, Superhelden tragen alle Strumpfhosen aus Elasthan oder so. Und darüber Unterhosen.“

Das Bild brachte ihn zum Lachen, und er schüttelte den Kopf. „Ich trage einen Smoking, weil ich für eine Hochzeit gekleidet bin.“

Sie riss die Augen auf, dann lachte sie laut auf. „Du warst ein Gast?“

„Ich war als Vertreter der königlichen Familie Berruti gekommen.“

„Wie raffiniert!“

Er zuckte mit den Schultern, als ob ihre Rettung ihm keine Mühe gemacht hätte. „Die Einladung kam drei Tage, nachdem meine Schwester mir deine Nachricht gezeigt hat.“ Die Nachricht war so direkt wie die Frau, die sie geschrieben hatte:

Der König von Monte Cleure hält mich gefangen und zwingt mich, ihn zu heiraten. BITTE SCHICK HILFE!!!

Es war allgemein bekannt, dass Dominic eine Braut suchte, trotzdem hatte Marcelo die Nachricht zunächst für einen Scherz gehalten. Selbst Alessia war nicht überzeugt gewesen. Doch als Clara nicht auf Alessias Antwort reagierte, waren ihr Zweifel gekommen, und seine Schwester hatte ihm in den Ohren gelegen, ihre eigensinnige Freundin zu retten. Als die Hochzeitseinladung per Kurier eingetroffen war, hatte sich Marcelo die Möglichkeit geboten, seine Schwester zu besänftigen und zudem einem Mann, den er verabscheute, eins auszuwischen. Außerdem hatte er sich gelangweilt. Seit dem Ende seiner Militärkarriere war sein Leben so vorhersehbar geworden, dass er der Verlockung auf ein Abenteuer nicht widerstehen konnte.

So einen Rausch hatte Marcelo seit drei Jahren nicht mehr erlebt. Er spürte noch immer die Nachwirkungen mit jeder Faser seines Körpers.

„Ich war mir nicht sicher, ob die Nachricht angekommen war“, sagte Clara, begeistert über den Erfolg dieser Aktion. „Dominic hat mich erwischt, als ich die SMS geschrieben habe, und mir das Telefon weggenommen, als ich auf Senden gedrückt habe.“

„An wen hast du die Nachricht geschickt?“

„An alle meine Kontakte.“ An alle zehn. Alessia, ihre einzige Freundin aus der Schulzeit, war ihre größte Hoffnung gewesen. Ihre Tante in Australien hatte zweifelsohne Andrew angerufen und war von ihm abgewimmelt worden. Dann noch ihre Arbeitskolleginnen und eine alte Dame, deren Hund sie ab und zu ausführte.

„Clever.“

„Gab es einen internationalen Aufschrei?“, fragte sie hoffnungsvoll, ohne wirklich damit zu rechnen.

„Ich fürchte nicht.“

Sie zog ein enttäuschtes Gesicht, was Marcelo zum Lachen brachte. „Verrätst du mir, wie du dich in diese Lage manövriert hast?“

Ihre Miene wechselte zu Empörung. „Wie ich mich …? Das Opfer ist also mal wieder selbst schuld?“

„Das war ungeschickt formuliert“, entschuldigte er sich. „Na los, erzähl schon. Ich bin neugierig.“

„Hm …“ Sie richtete sich auf und lehnte sich an die harte Bank auf der anderen Seite des Hubschraubers. „Mein Bruder hat mich gebeten, in seinem Namen nach Monte Cleure zu reisen, um dem König den fabelhaften englischen Schaumwein zu verkaufen, den er auf dem Familiengut produziert.“

„Fabelhafter englischer Schaumwein?“

Sie lächelte kurz „Ich habe zugestimmt und mich auf den Weg nach Monte Cleure gemacht, wo ich wie eine Prinzessin empfangen wurde. Ich wurde im Palast untergebracht und bekam das beste Essen, ich hatte Zugang zum Spa und zu den Swimmingpools. Hörst du mir zu?“

„Ja“, stimmte er zu, obwohl er sich kaum auf ihre Worte konzentrieren konnte. Die Lippen, die die Worte formten, waren überaus sinnlich.

„Gut. An meinem zweiten Abend hat mir der König einen Antrag gemacht.“

Er runzelte die Stirn.

Sie nickte vielsagend. „Das war auch meine Reaktion. Ich konnte mich gerade noch zusammenreißen und habe ihm nicht ins Gesicht gelacht. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich nicht heiraten will. Ich war richtig stolz auf mich, weil ich ihn nicht beleidigt habe.“

„Wie hat er auf deine Weigerung reagiert?“

„Er war sehr verständnisvoll.“ Ihre Miene verfinsterte sich. „Als ich am nächsten Morgen abreisen wollte, waren mein Pass und meine Handtasche verschwunden. King Pig kam in mein Zimmer und sagte mir, dass ich ihn heiraten würde, ob ich wollte oder nicht. Ich sollte mich besser an den Gedanken gewöhnen, sonst würde es Konsequenzen haben. Am nächsten Tag brachte er mir Bob und sagte, das sei das Erste von vielen Geschenken, die ich bekommen würde, wenn ich ein braves Mädchen wäre.“ Abscheu troff aus jeder Silbe.

„Bob?“

Mit einem Nicken deutete sie auf den Welpen, der sich auf ihrem Schoß zusammengerollt hatte. „Er wusste, wie sehr ich Tiere liebe, und dachte, ein Hund würde mich dazu bringen, ihn zu heiraten. Im Ernst, der Mann ist von einem anderen Stern.“

„Wie ist er auf dich gekommen? Hat er dir das gesagt?“

„Allerdings“, sagte sie sachlich. „Er will mich heiraten, weil ich königliches Blut in meinen Adern habe – dass es stark verdünnt ist, spielt anscheinend keine Rolle. Und weil ich eine Jungfrau bin.“

2. KAPITEL

Zum ersten Mal, seit er an ihrem Fenster aufgetaucht war, wirkte Marcelo verlegen.

„Wie bitte?“, fragte er. „Du bist noch Jungfrau?“

„Ja“, antwortete sie gut gelaunt. Clara war es nicht im Geringsten peinlich, noch unberührt zu sein. „Offenbar kann nur eine Jungfrau gewährleisten, dass ein Kind von ihm sein wird. Denn sobald eine Frau einmal Sex erlebt hat, verwandelt sie sich selbstverständlich in eine rasende Nymphomanin und muss es mit jedem Mann im Umkreis von zehn Meilen treiben. Sie ist so besessen, dass sie vergisst, zu verhüten, vor allem, wenn sie sich mit all den Männern vergnügt, die nicht ihr Ehemann sind.“

Marcelo starrte sie nur an. Die anderen Männer, die mit ihnen im Hubschrauber saßen, starrten sie ebenfalls verblüfft an.

„Was ist los?“, fragte sie und schaute von einem zum anderen. „Seid ihr etwa verheiratet und macht euch jetzt Sorgen, eure Frauen könnten es mit euren Nachbarn treiben? Das hat sich doch nur Dominics kleiner, paranoider Verstand ausgemalt. Ich meine, ich weiß es natürlich nicht, ob eure Frauen Affären haben. Aber wenn, dann versichere ich euch, dass sie nicht nymphomanisch sind, sondern unglücklich in eurer Ehe, und ich würde euch raten, diese Unzufriedenheit anzugehen. Frauen wollen sich geliebt und geschätzt fühlen. Und begehrt. Blumen sind immer willkommen, aber ich würde nicht empfehlen, sie als Entschuldigung zu benutzen – wenn ihr euch entschuldigen und zeigen müsst, wie reumütig ihr seid, kommt eine Entschuldigung auf Knien ganz gut an.“

„Ach ja?“, fragte Marcelo mit schwacher Stimme.

Sie zuckte mit den Schultern. „Mir würde es zumindest gefallen. Aber ich kann nicht für andere Frauen sprechen, und es ist auch nicht wichtig, weil ich nie heiraten werde. Obwohl ich es gerne einmal erleben würde, dass ein Mann vor mir auf die Knie geht und sich unterwürfig entschuldigt.“

„Wofür?“

„Mein Vater, weil er mich nicht beschützt hat? Mein Bruder, weil er mich an ein Schwein verkauft hat?“ Nachdenklich runzelte sie die Stirn. „Ach nein, diese Art, um Gnade zu winseln, sollte den Liebenden vorbehalten bleiben. Mein Vater ist ohnehin tot, also muss ich warten, bis ich ihm in der Hölle begegne, bevor ich eine Entschuldigung von ihm bekomme. Andrew würde eine Entschuldigung nicht einmal erkennen, wenn man sie ihm um die Ohren hauen würde.“

Vier Jahre lang, seit ihrem achtzehnten Geburtstag, hatte Clara ihren Bruder nicht gesehen und nichts von ihm gehört – bis sie eines Tages die auf wunderschönem Briefpapier geschriebene Einladung in den Händen gehalten hatte. Andrew war zwanzig Jahre älter als sie und verübelte ihr, dass ihr Vater seine Mutter wegen Claras Mutter verlassen hatte.

Als sie Andrews Einladung erhielt, hatte sie insgeheim gehofft, ihr arroganter Bruder könnte ernsthaft eine Beziehung zu ihr aufbauen wollen. Vermutlich war ihr deswegen nicht in den Sinn gekommen, dass Andrew bei dem, was sie für einen Versöhnungsversuch hielt, einen böswilligen Hintergedanken hatte.

Andrews Abscheu ihr gegenüber ging tiefer, als sie geahnt hatte.

In Marcelos eisblauen Augen flackerte etwas auf. „Du glaubst, dein Bruder hat dich an Dominic verkauft?“

„Ich weiß nicht, in welcher Form er dafür bezahlt wurde. Geld wird es kaum sein, er ist selbst reich genug. Vermutlich wäre er gerne der Schwager eines Königs geworden. Aber er hat mich auf jeden Fall an ihn verkauft.“ Andrew hatte sie ausgetrickst und sie an ein Ungeheuer verschachert. Sie spürte, wie ihr Magen rebellierte und rumorte, und verdrängte den nutzlosen Schmerz, um ihre Aufmerksamkeit auf etwas Lohnenderes zu richten: Marcelos Haar, durch das er gerade mit den Fingern fuhr.

Es war schönes Haar, befand Clara. Und es war viel angenehmer, sich darauf zu konzentrieren, als an ihren Bruder zu denken. Im Kontrast zu den eisblauen Augen waren Marcelos Haare fast schwarz. Sie waren vom Wind heftig zerzaust und fielen ihm in die Stirn. Marcelo Berruti sah aus wie jemand, der großen Wert auf sein Äußeres legte. Der schwarze Bart, der das kantige Kinn bedeckte, hatte genau die richtige Länge für den perfekten Drei-Tage-Bart. Ob er sich wohl weich anfühlte oder eher borstig war? Merkwürdig, über so etwas hatte sie noch nie nachgedacht. Interessant …

Marcelo Berruti war interessant. Körperlich. Wenn „interessant“ eine Umschreibung für „umwerfend schön“ war. Denn das war er. Sogar sein Mund war sexy, voll und doch fest. Und breit. Sie fragte sich, wie sich diese Lippen auf ihren anfühlen würden, was ebenfalls interessant war, denn das hatte sich Clara noch nie bei einem Mann gefragt. Der Schrecken und die Aufregung, in einen Hubschrauber gezogen worden zu sein, war inzwischen abgeklungen, und sie musste zugeben, dass es sich sehr angenehm angefühlt hatte, von seinen festen Armen gehalten zu werden.

„Hast du eine Freundin?“, fragte sie spontan.

Die vollen Lippen öffneten sich und schlossen sich wieder, dann schüttelte er kurz den Kopf. „Wie bitte?“

„Oh. Ich sage immer, was ich denke. Dominic hat mir mehrmals gedroht, mich zu knebeln.“

„Was hat ihn davon abgehalten?“

„Er hatte Angst, ich würde ihn beißen.“

Wenn Marcelo noch einmal den Kopf schüttelte, würde er ein Schleudertrauma bekommen. Aber diese Frau …

Er hatte gewusst, dass sie es in sich hatte. Alessia hatte ihm erzählt, dass die Lehrer an ihrer Schule Clara irgendwann zu Alessia ins Zimmer gesteckt hatten, in der Hoffnung, seine Schwester würde einen guten Einfluss auf sie haben. Dieses Arrangement hielt bis zu Claras Rauswurf. „Es kursierten so viele Gerüchte“, hatte Alessia gesagt. „Angeblich hatte der Rauswurf etwas mit dem Feueralarm während einer Prüfung zu tun, aber das glaube ich nicht. Zugegeben, sie war eine absolute Nervensäge und trieb die Lehrer in den Wahnsinn, aber für mich hatte sie etwas Liebenswertes an sich. Ich hatte immer das Bedürfnis, sie vor sich selbst zu beschützen.“

Marcelo glaubte nicht, dass er jemals in seinem Leben eine Frau getroffen hatte, die weniger schutzbedürftig war. Sie sah vielleicht aus, als wäre sie gerade einem Botticelli-Gemälde entstiegen, aber ihr Mundwerk würde einen Heiligen um den Verstand bringen. Und er kannte sie erst seit einer Stunde.

„Er hätte dich nie kontrollieren können“, murmelte er.

Seufzend strich sie über Bobs Fell. „Er hätte den Kleinen hier benutzt, um mich unter Druck zu setzen. Unter uns gesagt …“, sie warf seinen Freunden, die gespannt zuhörten, einen vielsagenden Blick zu. „Ich glaube, er hat keinen anderen Weg mehr gesehen. Er muss für einen Erben sorgen, aber jede geeignete Prinzessin oder Herzogin in Europa hat ihn abgewiesen.“

Marcelos Schwester war eine der Prinzessinnen, die dem König einen Korb gegeben hatte. Wie alle Berrutis verabscheute sie den König von Monte Cleure. Er besaß die absolute Macht in seinem Fürstentum und behandelte Frauen wie sein persönliches Spielzeug.

Und jetzt sagte Clara, ihr Bruder habe sie an diesen Mann verkauft. Er wusste nicht, was beunruhigender war: die Vorstellung, dass ein Mann seine eigene Schwester so grausam behandeln konnte, oder die nüchterne Art und Weise, mit der sie davon erzählte.

„Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet“, sagte sie und unterbrach seinen Gedankengang. „Hast du eine Freundin?“

Er rieb sich den Nacken. „Im Moment nicht.“

„Cool.“

„Cool?“, wiederholte er.

Sie lächelte strahlend. „Ich stehe in deiner Schuld, schon vergessen?“

Ihm blieb der Mund offen stehen. Wie viele Schocks konnte eine Frau in so kurzer Zeit versetzen? „Ich dachte, du bist noch Jungfrau?“

Jetzt verzog sie angewidert das Gesicht. „Du kommst auf Ideen! Ich wollte dich zum Essen einladen, als Dank für meine Rettung, nicht dir meinen Körper anbieten.“

Er lachte fast vor Erleichterung. Clara mochte die schärfste Frau sein, die er je in seinem Leben getroffen hatte, aber sobald sie das Wort ‚Jungfrau‘ erwähnt hatte, war er gedanklich einen Schritt zurückgewichen. „Freut mich, zu hören.“

„Gut. Aber du bist sehr sexy und siehst sehr gut aus, also dachte ich, ich vergewissere mich lieber, dass du keine Freundin hast, bevor ich dich zum Abendessen einlade. Denn wenn du mein Freund wärst und mit einer anderen Frau essen gehen würdest, wäre ich ziemlich sauer. Was hältst du also von einem Abendessen? Das muss allerdings noch warten, bis ich zurück in Großbritannien bin und wieder an mein Bankkonto komme – King Pig hat meine Geldbörse. Und meinen Reisepass. Wohin fliegen wir eigentlich?“

„Nach Ceres.“

„Gibt es dort eine britische Botschaft?“

„Ja, natürlich.“

„Gut. Könnest du mich bitte dort absetzen? Ich muss mir einen neuen Reisepass ausstellen lassen. Glaubst du, ich kann Bob mitnehmen?“

„Keine Ahnung.“

Sie zog einen Schmollmund und blies die Backen auf. „Gibt es auf deiner Insel Tierheime? Dürfte ich ihn dort unterbringen, während ich alles organisiere, um ihn mit nach Hause zu nehmen?“

„Ich bin sicher, dass man für Bob etwas arrangieren kann“, versicherte er ihr, während er kaum mit ihren Gedanken Schritt halten konnte. Ihr Verstand sprang im Eiltempo von einem Thema zum anderen.

Sie leuchtete auf wie eine eingeschaltete Lampe. „Super. Also, sobald ich Zugang zu meinem Bankkonto habe, kann ich dich zum Dank zum Essen einladen?“

Clara wollte ihn zum Essen ausführen …? Diese Entscheidung fiel ihm nicht leicht. Einerseits war sie hinreißend und sexy und, das musste er zugeben, unterhaltsam. Auf der anderen Seite war sie noch Jungfrau. Er sollte also besser die Finger von ihr lassen. Dann fiel ihm ein, dass er ein erwachsener Mann war, der in der Lage sein sollte, in einer Einladung zum Essen ein Zeichen der Dankbarkeit und kein Date zu sehen. Ein Dinner zu zweit musste nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie anschließend miteinander ins Bett gingen.

„Unter einer Bedingung“, sagte er.

Erwartungsvoll sah sie ihn an.

„Dass du ab und zu deinem Mund eine Pause und meinen Ohren etwas Ruhe gönnst.“

Sie strahlte. „Abgemacht.“

Der Hubschrauber ging über dem Mittelmeer in den Sinkflug und landete auf einer Wiese. Clara drückte Bob fest an sich und sprang hinaus. Das Gras unter ihren nackten Füßen kratzte ein wenig, aber sie wollte sich nicht beschweren. Lieber zerkratzte Füße als mit King Pig verheiratet zu sein! Die Sonne schien angenehm warm auf sie herab. Ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, seit sie das letzte Mal im Freien gewesen war, und sie genoss einen Moment die warmen Strahlen auf ihrem Gesicht.

„Also, wo geht es zur Botschaft?“, fragte sie Marcelo, nachdem sie sich bei seinen Männern und den Piloten ausgiebig für ihre Rettung bedankt hatte.

Ein amüsierter Ausdruck zeigte sich auf seinem hübschen Gesicht. „Willst du etwa zu Fuß gehen?“

„Wieso nicht? Zu Hause gehe ich jeden Tag mit den Hunden spazieren.“

Er lächelte. „Es ist schon alles geregelt.“ Er deutete auf die beiden Autos, die neben dem Hangar warteten. „Das zweite bringt dich zur Botschaft.“

„Oh, du bist fabelhaft, danke.“

„Gern geschehen.“

Sie hüpfte förmlich auf den Zehenspitzen, um sein Gesicht zu erreichen, und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Die Stoppeln waren weich!

Clara gestattete sich einen letzten Blick auf das wunderschöne Gesicht und die eisblauen Augen. Sollte sie ihm einen Kuss auf den festen Mund geben? Nur um zu sehen, wie sich das anfühlte? Besser nicht. Nachher kam er noch auf dumme Gedanken und glaubte, sie hätte ihre Meinung geändert und würde ihm doch ihren Körper anbieten.

Stattdessen griff sie nach seiner Hand – sie war riesig im Vergleich zu ihrer – und drückte sie. „Ich lade dich zum Essen ein, sobald ich ein paar Dinge geklärt habe, aber das ist nichts im Vergleich zu dem, was du für mich getan hast. Ich schulde dir einen Gefallen, und du kannst ihn jederzeit einfordern. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass du mir und Bob das Leben gerettet hast.“

Die Falten um seine Augen wurden tiefer, und er drückte ihre Hand. „Es war eine … Erfahrung.“

Sie musste lachen. Clara wusste sehr gut, dass sie eine Quasselstrippe war, und je emotionaler eine Situation war, desto schlimmer war es.

„Ja, das stimmt“, stimmte sie zu. „Nochmals danke.“

Sie winkte ihm noch einmal zu und machte sich auf den Weg zu den Wagen, wobei sie sich auf das Auto konzentrierte, das er ihr zugewiesen hatte, damit sie nicht zu ihm zurückschauen musste.

Sie hatte noch nie einen Mann ansehen wollen. Noch eine Premiere.

Dies war wirklich ein Tag der Premieren. Vermutlich lag es daran, dass Marcelo so verdammt attraktiv war. Wäre sie sexuellen Abenteuern nicht abgeneigt, hätte sie nicht gezögert, sich ihm anzubieten. Doch Clara bevorzugte eher andere Sinnesfreuden. Schöne Kleider und schicke Möbel konnten sie nicht verletzen oder anlügen, wie es Menschen taten. Zu viele Lügen, besonders wenn sie von den Menschen kamen, denen du von Geburt an vertrauen solltest, zerstörten etwas Grundlegendes in dir und machten es unmöglich, jemandem zu vertrauen. Die einzige Person, die Claras Vertrauen nie missbraucht hatte, war ihre Mutter.

Marcelo sah ihr nach. Schmutzig und zerlumpt und so sexy, wie er es noch nie gesehen hatte, nicht einmal von hinten. Sogar Claras Gang war sexy. Dabei versuchte sie gar nicht, sexy zu sein. Sie war es einfach.

Allein diese Beine! Schmutzflecken zierten ihre Waden, und an ihren straffen Schenkeln klebten die Fetzen von etwas, das den Tag als wunderschönes und teures Hochzeitskleid begonnen hatte. Ihre Füße waren nackt, und ihr langes, ungezähmtes Haar hing zerzaust herunter.

„Warte“, rief er.

Sie blieb stehen und drehte sich um.

Verdammt! Er konnte sie nicht so zur Botschaft gehen lassen. Sicher, man würde ihr dort helfen, aber sie war so herrlich unbekümmert, was ihren derangierten Zustand anging, dass sein Herz einen Satz machte.

Warum war es ihr so egal?

„Komm mit zu mir“, rief er, bevor er es sich anders überlegen konnte. „Nimm eine Dusche und iss etwas. Ich werde Alessia bitten, dir ein paar Kleider zu leihen. Anschließend bringe ich dich zur Botschaft.“

Nachdenklich runzelte sie die Stirn. Dann hellten sich ihre Gesichtszüge auf, und sie grinste. „Versprichst du mir, mich nicht in ein Zimmer zu sperren und damit zu drohen, meinen Hund zu töten, wenn ich dich nicht heirate? Ich möchte nämlich unbedingt nach Hause zu meinen Hunden und meinem Job.“

Marcelo lachte über diese Vorstellung. Er hatte grundsätzlich nichts gegen die Ehe. Eines Tages würde er heiraten, aber noch nicht. Doch sein Leben war so unsagbar langweilig, dass ihm der Gedanke, in nächster Zeit eine Familie zu gründen, ein Gräuel war. Er hatte mit seiner Familie vereinbart, dass er nach seiner Zeit bei der Armee ein arbeitendes Mitglied der königlichen Familie Berruti sein würde. Dass sein Militärdienst ein vorzeitiges Ende gefunden hatte, spielte keine Rolle. Die Abenteuer, die er während seiner Armeezeit erlebt hatte, waren nur noch Erinnerungen, und sie mussten für den Rest seines Lebens reichen. Das königliche Leben bestand aus Pflicht und Etikette.

Zu schade, dass Clara Jungfrau war, und eine stolze noch dazu. Andernfalls hätte er keine Hemmungen, sie zu verführen. Es wäre eine kurze Affäre, denn er hatte das starke Gefühl, dass Clara Chaos förmlich anzog. Und wenn es etwas gab, das nicht mit dem königlichen Leben vereinbar war, dann war es Chaos.

Dabei war sie einfach umwerfend. Es gab keinen Zentimeter ihres Körpers, den er nicht attraktiv fand. Er konnte immer noch die Weichheit ihres prallen Mundes an seiner Wange spüren.

Sie war heiß und die am wenigsten jungfräuliche Jungfrau in der Geschichte der Jungfrauen. Ein Rätsel, das nur ein besserer, geduldigerer Mann als er lösen konnte. Oder eine Frau? War sie deshalb eine Jungfrau? Bevorzugte sie ihr eigenes Geschlecht?

Aber er hatte das Interesse in ihrem Blick gesehen, da war er sich sicher. Marcelo wusste, wann sich eine Frau zu ihm hingezogen fühlte, und Clara hatte nicht die Arglist, das zu verbergen.

Außerdem hatte sie ihm frei heraus gesagt, dass er gut aussah und sie ihn sexy fand.

Aber wie sie selbst sagte, war das alles nebensächlich. Er würde ihr etwas zu essen besorgen und ihr die Möglichkeit geben, sich zu waschen, und dann würde er sie in die Botschaft bringen lassen und nie wieder an sie denken.

Er verschränkte die Arme vor der Brust und hob eine Augenbraue. „Versprochen.“

Hüpfend wie ein Frühlingslamm kam sie zu ihm zurück. „Dann nehme ich das Angebot gerne an. Ich bin am Verhungern!“

3. KAPITEL

„Das ist ja wie im Märchen“, sagte Clara staunend. Das Schloss lag hoch in den sanften Hügeln von Ceres. Als das Auto um eine Kurve fuhr, sah sie, dass das Gebäude ein wildes Durcheinander aus Formen und Baustilen war, umgeben von einem riesigen Park. „Und ich dachte, das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, wäre groß! Hat deine Familie schon immer hier gelebt?“

„Seit fünfhundert Jahren“, antwortete Marcelo.

„Ich wette, hier kann man wunderbar Verstecken spielen.“

„Das habe ich nie gespielt.“

Das Auto kam zum Stehen, und sie drehte sich zu ihm um. „Echt? Alessia hat mich einmal für die Osterferien eingeladen, aber ich musste vorher die Schule verlassen, und mein Bruder hat mich nicht kommen lassen. Ich hätte euch alle dazu gebracht, Verstecken zu spielen.“

Die Tür wurde geöffnet, und sie sprang heraus. Wie gerne würde sie diesen Ort genauer erkunden!

Marcelo kam zu ihr. „Ich wusste gar nicht, dass du uns besuchen wolltest.“

„Ich wollte Alessia besuchen“, korrigierte sie und fügte dann freundlich hinzu: „Aber wir hätten dich bestimmt mitspielen lassen. Deinen Bruder wohl eher nicht – Alessia sagte, er sei ein richtiger Stinkstiefel.“

„Das sagst du ihm besser nicht“, riet er trocken.

„Ich bezweifle, dass ich lange genug hier sein werde, um ihn zu treffen, aber falls doch …“ Sie tat, als würde sie ihre Lippen versiegeln.

Marcelos breite, volle Lippen hoben sich zu einem Grinsen. „Komm schon, Clara Chaos, lass uns zusehen, dass du etwas zu essen bekommst.“

Gespannt beobachtete Marcelo, wie Clara auf die Inneneinrichtung des Schlosses reagierte. In der Empfangshalle und dem breiten Korridor, der zu seinen Privatgemächern führte, blieb sie immer wieder stehen, um die Kunstwerke zu bewundern. Hin und wieder verzog sie auch angewidert das Gesicht.

Als sie seine Tür erreichten, schloss er auf und gab ihr ein Zeichen, einzutreten.

„Wow …“ Ihre Augen leuchteten, als sie sich im Kreis drehte, um alles zu erfassen. „Das ist dein Zimmer?“

„Meine Suite, ja.“

Sie grinste vielsagend. „Wie praktisch. Dann kannst du jederzeit eine Frau mitbringen, ohne dass euch jemand stört.“

Wieder überraschte ihn ihre fröhliche Offenheit.

„Ich wette, die Frauen waren schon immer hinter dir her“, sagte sie und setzte Bob ab. Prompt wälzte sich der Welpe auf dem tausend Jahre alten Perserteppich.

„So ist es doch, oder?“

Marcelo wusste nicht, was er sagen sollte. Clara war einfach entwaffnend, sowohl durch ihre körperliche Präsenz als auch durch ihre nervtötende Angewohnheit, alles auszusprechen, was ihr in den Sinn kam.

Schließlich zuckte sie mit den Schultern. „Du bist ein Prinz, du bist reich und du siehst gut aus. Klar, dass die Frauen dir hinterherlaufen.“ Ihre Augen wurden ein wenig schmaler. „Aber ich wette, du ziehst es vor, selbst zu jagen. Tust du manchmal so, als wärst du ein ganz gewöhnlicher Mann?“

„Wozu?“

„Um zu sehen, ob sie dich auch ohne das ganze Gedöns wollen. Ich würde es tun. Wie auch immer, ist es okay, wenn ich dusche? Ich fühle mich etwas schmuddelig.“

Marcelo hatte das Gefühl, einen Tornado in seine Suite gelassen zu haben, und führte sie die Treppe hinauf zu seinem Gästezimmer, das über ein eigenes Bad verfügte. „Nimm dir, was du brauchst“, sagte er. „Ich sage Alessia, sie soll dir ein paar Kleider vorbeibringen, und der Koch soll dir etwas zu essen zaubern. Genieße deine Dusche, oder nimm ein Bad, wenn du willst.“

Vor seinem inneren Auge tauchte ein Bild von ihr auf, wie sie sich nackt in der Badewanne rekelte. Er schob es beiseite.

Sie strahlte. „Danke. Kannst du dafür sorgen, dass Bob bald etwas zu essen bekommt?“

„Ich kümmere mich darum“, versicherte er ihr.

„Du bist ein Engel. Danke.“

Immer noch lächelnd, schloss sie die Badezimmertür aus dickem Eichenholz.

Marcelo blickte auf den flauschigen Ball zu seinen Füßen hinunter und hob ihn seufzend hoch. „Ich weiß nichts über dich, Bob“, sagte er in seiner Muttersprache, „aber deine Besitzerin ist eine einzigartige Naturgewalt.“

Bob leckte ihm zustimmend übers Gesicht.

Das war ein unglaubliches Badezimmer in einer unglaublichen Suite in einem unglaublichen Schloss.

Während sie in der riesigen frei stehenden Badewanne lag, bewunderte Clara die Fresken an der Decke über ihr, auf denen nackte Putten und Nymphen in einem natürlichen Pool mitten im Wald planschten und schwammen. Sehr sinnlich. Und sehr passend für den Mann, dem es gehörte.

Als ihr langweilig wurde, wusch sie sich die Haare, schrubbte sich ab, schnappte sich das nächste Handtuch und kletterte aus der Wanne.

Marcelos Gästebad war mit einer ganzen Reihe von Toilettenartikeln ausgestattet. Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, putzte sie sich mit einer neuen Bürste die Zähne, fand zu ihrer Enttäuschung jedoch keine Kosmetika. Clara liebte es, sich zu schminken, ohne Make-up fühlte sie sich nackt. Vielleicht würde Alessia ihr etwas leihen. Sie freute sich darauf, ihre alte Freundin zu sehen. Alessia war das einzige Mädchen auf dem schrecklichen Internat gewesen, das Clara gemocht hatte.

Sie wickelte sich in das Handtuch und trat in den angrenzenden Raum. Es war genauso groß wie ihre Gefängniszelle, aber es hatte viel mehr Charme. Und falls man sie hier einsperren würde, befand sie sich nur ein Stockwerk über dem Boden und konnte sich mit einem Sprung leicht in Sicherheit bringen.

„Marcelo?“, rief sie und öffnete die Tür. Als sie keine Antwort erhielt, ging sie hinunter ins Wohnzimmer. Als sie seinen Namen ein zweites Mal rief, öffnete sich die Terrassentür, und er kam mit Bob aus dem Garten hereinspaziert.

„Da bist du ja“, sagte sie und bückte sich, um Bob aufzuheben. „Hast du frische Kleidung für mich besorgt?“

Marcelos feuchte Haare und der frische Duft, den er verströmte, verrieten ihr, dass er geduscht hatte. Er hatte den Smoking ausgezogen und trug jetzt eine enge Bluejeans und ein weißes T-Shirt mit V-Ausschnitt, das seine sexy, muskulöse Figur wunderbar zur Geltung brachte. Er sah echt gut aus. Und dieser Duft!

Er wandte den Blick von ihr ab und sagte mit zusammengebissenen Zähnen: „Ich habe sie dir auf das Gästebett gelegt. Hast du nicht gehört, dass ich nach dir gerufen habe?“

„Nein. Du hättest lauter rufen müssen. Ist alles Ordnung? Du wirkst so angespannt.“

Seine Brust hob sich. Das eckige Kinn wirkte abweisend. „Alessia ist nicht da, also habe ich dir ein paar meiner eigenen Sachen hingelegt.“

„Du bist doppelt so groß wie ich!“

„Sie sind sauber. Geh und zieh dich um.“

„Okay … Bist du sicher, dass es dir gut geht?“

Er nickte, sah sie jedoch immer noch nicht an. „Das Essen ist in ein paar Minuten fertig.“

„Cool. Ich bin gleich wieder da.“

Marcelo hielt den Atem an, bis er ihre Schritte auf der Treppe hörte.

Er ließ sich auf den nächstgelegenen Stuhl sinken, presste die Handfläche an die Schläfen und versuchte, das Bild von Clara aus dem Kopf zu bekommen, die nur mit einem kleinen Handtuch bekleidet vor ihm stand. Mit diesem Anblick hatte er nicht gerechnet, und die Wirkung hatte prompt und unmissverständlich eingesetzt. Er musste den Atem anhalten, damit der warme Duft der frisch gebadeten Clara nicht seine Sinne betörte, und den Blick von dieser Augenweide abwenden.

Seine Ausweichmanöver waren nicht schnell genug gewesen. Sowohl ihr Duft als auch das Bild hatten sich in ihn eingebrannt. Dio, sein Herz pochte immer noch, und seine Jeans wurde eng.

Sie hatte nicht bemerkt, welche Wirkung sie auf ihn hatte. Bei jeder anderen Frau, die nur mit einem winzigen Handtuch bekleidet vor ihm aufgetaucht wäre, hätte er angenommen, dass es Absicht war. Aber Clara hatte sich verhalten, als wäre es völlig normal.

Hätte sie sich nicht in eines der übergroßen Handtücher wickeln können? Musste sie sich unbedingt eines aussuchen, das kaum ihren Po bedeckte?

Er holte tief Luft. In einer Stunde konnte er Clara ruhigen Gewissens zur Botschaft schicken. Ein Anruf von ihm würde ihr den Weg ebnen. Er war ein Prinz des Landes, sein Wort hatte Gewicht. Er würde alles tun, um diese gefährlich attraktive, aber unantastbare Frau von seiner Insel zu bekommen und sein inneres Gleichgewicht wiederherzustellen.

Doch als sie kurz darauf zu ihm ins Esszimmer kam, begann sein Herz erneut, heftig zu pochen.

„Ich brauche deine Hilfe“, sagte sie und hob das marineblaue Poloshirt, das er ihr gegeben hatte, bis zur Taille. Sein Gürtel, der die Jeans halten sollte, war selbst im letzten Loch noch zu groß. „Kannst du noch ein Loch in den Gürtel machen? Wenn du ihn lieber nicht ruinieren willst, könnte ich das Shirt auch als Kleid tragen, lang genug ist es, aber ich habe keine Unterhose an, und ich möchte niemanden erschrecken.“

Er biss die Zähne zusammen, um dieses Bild zu vertreiben, und winkte dem nächsten Diener, ihm ein scharfes, spitzes Messer zu holen.

„Nimm den Gürtel ab“, sagte er schärfer als beabsichtigt.

„Okay.“ Sie zog ihn heraus und reichte ihn Marcelo. Prompt rutschte ihr die Jeans bis zu den Knöcheln hinunter. Sie zog die Hose aus, legte sie auf die Lehne des Stuhls neben sich und setzte sich. „Was gibt’s zu essen?“

Er holte tief Luft. „Gebratene Pilzgnocchi.“

„Es riecht wunderbar.“

Ihre Teller wurden für sie gefüllt, und der Diener legte ein Messer bereit, mit dem Marcelo ein Loch in den Gürtel machen konnte.

„Du ziehst wieder dieses Gesicht“, bemerkte Clara nach einer knappen Minute des Schweigens, während sie aßen.

„Was für ein Gesicht?“

„Dieses Gesicht. Ganz angespannt, als würdest du eine besonders saure Zitrone lutschen. Magst du keine Gnocchi?“

Sie war aufmerksam, und ihr entging nichts.

Wie würde sie wohl reagieren, wenn er genauso offen wäre wie sie? Wenn ich angespannt bin, dann deshalb, weil ich noch nie einem Wesen begegnet bin, das so sexy ist wie du, und weil du ganz offen sagst, dass du keine Unterhose trägst, und weil ich mir vorstelle, wie du nackt aussiehst, und so rattig bin wie ein Teenager.

„Ich habe Kopfschmerzen“, antwortete er und hoffte, sie würde den Wink beherzigen und eine Weile den Mund halten.

Es war nicht nur das, was sie sagte, was ihr Schweigen so wünschenswert machte. Es war ihre Stimme. Je länger sie sprach, desto mehr wollte er ihr zuhören. Ihre Stimme hatte eine ganz eigene Melodie, die genauso verführerisch und unterhaltsam war wie der Rest von ihr.

Sie schaffte es, eine ganze Minute zu schweigen, ehe sie erneut das Wort ergriff.

„Ich habe meine schmutzigen Sachen in den Wäschekorb gelegt, aber wenn du mir eine Tüte gibst, kann ich sie entsorgen. Oder habt ihr hier eine Müllverbrennungsanlage?“

Er schüttelte den Kopf und nahm sich mehr Parmesan. Er traute sich nicht, sie anzuschauen, denn dann würde er den Blick nicht mehr abwenden können. Viele ungeschminkte Frauen wirkten farblos. Nicht so Clara. Ihre natürliche Ausstrahlung hob ihre Schönheit hervor. Er wollte Clara anstarren wie eines der Meisterwerke, die im Schloss zu sehen waren.

Nach dem Essen passte Marcelo den Gürtel für sie an. Als er fertig war, reichte er Clara den Gürtel.

Dankbar lächelnd schnappte sie sich die Jeans, fädelte den Gürtel durch, steckte ihre Beine hinein und sprang auf. Sie drehte sich um, sodass sie mit dem Rücken zu ihm stand, und zog sich die Jeans über die Oberschenkel. Marcelo war nicht darauf vorbereitet, dass er einen Blick auf ihren runden Hintern erhaschen würde. Unwillkürlich fuhr er sie an: „Hast du denn überhaupt keinen Anstand?“

Erschrocken drehte sie sich um. „Was meinst du?“

Er biss die Zähne zusammen und wusste nicht, ob er lachen oder wegen ihrer Unverfrorenheit schreien sollte. „Ich habe gerade deinen Po gesehen!“

„Ach das.“ Sie setzte sich wieder auf ihren Platz und rollte die Jeans an den Knöcheln hoch. „Das ist nur Haut. Was ist denn dabei?“

Ja, aber nicht jedermanns Haut ist so köstlich wie deine.

„Ich bin immer noch ein Mann, Clara.“

„Und?“

„Du bist eine schöne Frau“, sagte er ihr steif. „Eine sehr schöne, unglaublich attraktive Frau.“ Eine Frau, die er ohne zu zögern verführen würde, wenn sie nicht noch Jungfrau wäre.

„Ich kann nichts dafür, wie ich aussehe, und du kannst nichts dafür, wie du aussiehst“, sagte sie mit ihrer üblichen Offenheit.

Er griff nach seinem Glas Wasser und umklammerte es fest, als er es an seine Lippen führte. „Es stört dich nicht, halbnackt in einem Handtuch herumzuschlendern und einem Mann einen Blick auf deinen Hintern zu gewähren?“ Sie musste doch die Gefahr erkennen!

„Ich bin nicht herumgeschlendert und habe dir auch keinen Blick gewährt. Ich habe dir den Rücken zugedreht, um dir die Peinlichkeit zu ersparen, meine Vagina zu sehen.“

Er verschluckte sich fast an dem Schluck Wasser, den er gerade im Mund hatte.

Sie unterdrückte ein Kichern. „Ich hätte dich nie für zimperlich gehalten.“

Das ärgerte ihn. „Ich bin nicht zimperlich.“

„Warum benimmst du dich dann so? Ich würde meinen, du hättest in deinem Erwachsenenleben schon jede Menge weibliche Haut gesehen.“

„Es gibt eine Zeit und einen Ort für so etwas.“

„Wir sind in deiner Suite. Wer soll mich sonst sehen?“, fragte sie mit nervtötender Vernunft.

„Darum geht es nicht.“

„Mir geht es darum.“

„Hast du keine Angst, dass mich die Lust überkommt?“

„Ist es denn so?“

„Natürlich nicht.“

„Was ist dann dein Problem?“

Diese Frau könnte einen Heiligen zum Trinker machen. „Dein Mangel an Selbsterhaltung!“

Sie kräuselte die Lippen, und auf ihrer Stirn bildete sich eine tiefe Falte. „Es ist sehr rührend, wie du dich sorgst, aber um mich brauchst du keine Angst zu haben. Für mich ist menschliche Haut einfach nur die Hülle des menschlichen Körpers. Und was deine Selbstbeherrschung angeht … Wenn ich dich für ein Ungeheuer halten würde, würde ich nicht hier sitzen. Aber falls es dich beruhigt – ich trainiere seit Jahren Selbstverteidigung.“ Sie grinste. „Ich kann dir ein paar Tricks zeigen, wenn du willst.“

Er hatte wirklich schon alles gehört, aber das war der Gipfel. „Du glaubst, du könntest gegen mich kämpfen?“

Ihre Mundwinkel zuckten. „Hast du Angst, du könntest mir wehtun? Denn ich versichere dir, es ist viel wahrscheinlicher, dass ich dir wehtue.“

Das kann sie doch nicht ernsthaft glauben. Er war kräftig genug, um sie in Stücke zu zerreißen. „Hättest du dich gegen Dominic wehren können?“, fragte er herausfordernd. Im selben Moment wurde ihm übel, denn er dachte daran, was passiert wäre, wenn er Clara an diesem Morgen nicht gerettet hätte.

Das Funkeln in ihren Augen verschwand, und er wusste, dass sie den gleichen Gedanken hatte.

„Ich war darauf vorbereitet“, sagte sie und sprach zum ersten Mal leise. „Ich hätte mit aller Kraft gekämpft. Nicht ohne Grund hatte er immer seine Leibwächter dabei, wenn er zu mir kam.“

„Hat er dir jemals wehgetan?“

Sie schüttelte den Kopf und lächelte bitter. „Er wollte nicht, dass ich auf den Hochzeitsfotos verunstaltet bin.“

Er schmeckte bittere Galle, und zum ersten Mal in seinem Leben wünschte sich Marcelo, jemandem wehzutun. Ihn richtig zu verletzen.

Bevor er den fauligen Geschmack herunterschlucken konnte, klopfte seine Privatsekretärin an die Tür und schlüpfte in den Raum. Was sie ihm ins Ohr flüsterte, ließ seinen Magen rumoren.

Er bewahrte seine Fassung und stand auf. „Bitte entschuldige mich“, sagte er zu Clara. „Meine Mutter hat mich um ein Treffen gebeten. Nimm dir einen Nachtisch. Es wird nicht lange dauern.“

Wenn er zurückkehrte, würde er sie zum Auto begleiten und der aufreizendsten Frau, die er je in seinem Leben getroffen hatte, zum Abschied nachwinken.

„Das kann nicht euer Ernst sein!“

Die Gesichter von Marcelos Eltern und Geschwistern, die wegen dieses familiären Notfalls zusammengekommen waren, verrieten ihm, dass sie es ernst meinten.

Marcelo massierte seine Schläfen, um die aufkommenden Kopfschmerzen zu lindern. „Ich kann sie nicht heiraten. Clara Sinclair ist völlig ungeeignet, Mitglied einer königlichen Familie zu sein, schon gar nicht von dieser.“

„Wir werden große Schwierigkeiten bekommen, wenn du es nicht tust“, sagte Amadeo, sein Bruder. „Es muss ja nicht für immer sein, nur für ein oder zwei Jahre. Gerade lange genug, um überzeugend zu wirken.“

„Selbst ein Tag ist zu lang. Sie hat keinen Anstand und platzt mit allem heraus, was ihr gerade durch den Kopf geht.“

Seine Mutter richtete sich auf. „Diese Frau zu heiraten, ist die einzige Möglichkeit, den Ärger abzumildern, den dein Handeln dieser Familie eingebracht hat. So edel es auch war.“

Marcelo schaute von Gesicht zu Gesicht. Hinter den strengen Fassaden verbarg sich Mitgefühl. Sie alle wussten, dass er noch nicht bereit war zu heiraten.

Aber sie wussten auch, dass er sie in diese Zwickmühle gebracht hatte. Es war seine Verantwortung, das Problem zu lösen, bevor der Schneeball, den er ins Rollen gebracht hatte, zu einer Lawine wurde.

Er hob die Hände. „Also gut, ich werde sie fragen. Aber sie wird nicht zustimmen. Clara will nicht heiraten. Sie will zurück nach England und ihr Leben fortsetzen.“

„Dann liegt es an dir, sie zu überzeugen“, sagte sein Vater. „Um unser aller willen.“

4. KAPITEL

Da sie in Marcelos Abwesenheit nichts weiter zu tun hatte, beschloss Clara, den Tisch abzuräumen. Doch sie hatte kaum damit begonnen, als zwei seiner Angestellten kamen und darauf bestanden, ihr diese Aufgabe abzunehmen.

Gab es etwas Schlimmeres als Langeweile? In ihrer Gefängniszelle in Monte Cleure war sie fast wahnsinnig geworden, aber wenigstens konnte sie sich damit ablenken, sich Foltermethoden für Dominic auszudenken.

Warum hatte es sie so aufgewühlt, als Marcelo sie gefragt hatte, ob sie sich gegen Dominic hätte wehren können? Sie hatte nicht mehr an eine Rettung geglaubt und war fest entschlossen gewesen, bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. Nach Marcelos Frage hatte sie einen kurzen Moment daran gedacht, was passiert wäre, wenn Marcelo sie nicht gerettet hätte.

Clara beschäftigte sich nie mit solchen sinnlosen Überlegungen. Wenn dir etwas Schlimmes zustieß, gab es nur eines: Aufstehen, Krönchen richten, weitermachen.

Komisch, dass er beim Thema Haut so zimperlich war. Sie war gar nicht auf die Idee gekommen, dass es ihm unangenehm sein könnte, sie in einem Handtuch zu sehen. Marcelo hatte schon viele Geliebte gehabt.

Als sie fünfzehn war, war er eines Tages in ihrem Internat aufgetaucht, um Alessia auszuführen. Clara hatte mal wieder Stubenarrest und beobachtete das bunte Treiben auf dem Schulgelände von der Fensterbank aus. Der große, gut aussehende Fremde fiel ihr sofort auf, und an Alessias Reaktion erkannte sie, dass er einer ihrer Brüder war. In den folgenden Jahren war Clara in den sozialen Medien immer wieder auf seinen Namen gestoßen. Sie hoffte immer, dass er eine der schönen Frauen heiraten würde, mit denen er sich oft zeigte. Jeder Mann, der seine kleine Schwester aus dem Internat abholte, war in Claras Augen ein guter Kerl und hatte es verdient, sein Glück zu finden. Andrew hatte sie nie im Internat besucht.

Vermutlich war ihr nicht in den Sinn gekommen, dass Marcelo sich beim Anblick ihrer nackten Haut unwohl fühlen könnte, weil sie ihm vertraute. Sie hatte gar nicht daran gedacht, dass es unangemessen war. Doch es blieb dabei, dass er sie niemals gegen ihren Willen anfassen würde.

Sie vertraute einem Mann? Überhaupt einem Menschen? Heute war wirklich ein Tag der ersten Male.

Sie nahm von der Zitronenmousse und streckte die Beine aus. Sie war froh, dass sie bald zur Botschaft aufbrechen würde. Marcelo erweckte ganz komische Gefühle in ihr. Sie war nervöser als sonst und starrte immer wieder auf die Esszimmertür, als würde sie mit angehaltenem Atem auf seine Rückkehr warten. Das war seltsam und ein bisschen beunruhigend. Aber nur ein bisschen. Vermutlich drehten viele Frauen in seiner Gegenwart regelrecht durch; im Vergleich dazu war die Wirkung, die er auf sie hatte, ein Witz.

Trotzdem richtete sie sich auf, als er zurückkehrte.

Er schloss die Tür hinter sich, und ein Blick in sein Gesicht verriet ihr, dass etwas Schreckliches passiert war.

Sie erhob sich halb von ihrem Stuhl. „Ist jemand gestorben?“

Er schüttelte den Kopf, ließ sich auf einen Stuhl sinken und fuhr sich durchs Haar. Er schloss für einen Moment die Augen, dann schaute er Clara direkt an. „Es gibt keinen leichten Weg, es zu sagen.“

„Dann sag es einfach“, ermutigte sie ihn. „Direkt und geradeheraus ist immer am besten.“

Seine Mundwinkel zuckten kurz, bevor er tief einatmete. „Ich muss dich überreden, mich zu heiraten.“

Marcelo beobachtete Clara genau und machte sich auf eine heftige Reaktion gefasst.

Die großen Augen weiteten sich. Der volle Mund zog sich so stark zusammen, dass ihre Wangen mit ihm nach innen gezogen wurden und verschwanden, bis ihre Lippen die Größe und Form eines Vogelschnabels hatten.

Dann bedeckte sie den Vogelschnabel und ihr halbes Gesicht mit einer Hand, und ihre Schultern begannen zu zucken. Zu seinem Entsetzen liefen Tränen über die Hand, die ihren Mund bedeckte, aber er hatte kaum Zeit, sich deswegen zu sorgen, denn schon riss sie die Hand weg, schlug sie auf den Tisch und warf den Kopf zurück.

Sie weinte nicht. Sie schüttelte sich vor Lachen.

Sie schlug mehrmals auf den Tisch und wischte sich immer wieder die Tränen weg, bevor sie sich wieder im Griff hatte.

„Dich heiraten?“, brachte sie schließlich heraus. Noch mehr Lachen hallte durch den Raum. „Du meinst es tatsächlich ernst. Du willst, dass ich dich heirate! Oder ist das die Idee deiner Mutter? Deine ist es auf keinen Fall. Sie muss ziemlich verzweifelt sein!“

Marcelo hatte seine Familie mit dem Gefühl verlassen, das Gewicht des ganzen Schlosses auf den Schultern zu tragen. Doch jetzt, wo Claras Lachen in seinen Ohren klang und er ihre Heiterkeit sah, spürte er, wie diese Last abnahm.

Er hatte sich Wutanfälle vorgestellt. Er hatte sich ausgemalt, dass sie laut fluchend Dinge nach ihm werfen würde.

Da sie Direktheit und Ehrlichkeit vorzog, sagte er: „Ja. Leider ist meine Beteiligung an der Rettung nicht unbemerkt geblieben. Die Wachen haben die Tür aufgebrochen und Fotos von uns gemacht, wie wir am Hubschrauber hängen. Dominic tobt und droht unserem Land. Meine Mutter und meine Familie sind der Meinung, dass wir so schnell wie möglich heiraten sollten, um die Öffentlichkeit auf unsere Seite zu bringen. Wir stellen die Sache so dar, dass wir uns lieben und ich ein sturer Narr bin, der das erst gemerkt hat, als es fast zu spät war. Ich habe dich Dominic geraubt, weil ich es nicht ertragen hätte, dich mit jemand anderem verheiratet zu sehen.“

„So sieht das also deine Familie?“ Scharfsinnig sah sie ihn an. „Und wie siehst du das?“

Seufzend schob er den Stuhl zurück und stand auf. „Ich glaube, ich brauche einen Drink. Willst du auch einen?“

Sie streckte die Beine aus und verschränkte die Arme. „Warum nicht?“

Er holte eine Flasche Scotch und zwei Gläser aus der Bar am anderen Ende des Raumes und schenkte beiden reichlich ein. Ein Glas schob er zu Clara und nahm einen großen Schluck aus dem anderen.

Es brannte angenehm in seiner Kehle. „Ich fürchte, ich stimme mit meiner Familie überein.“

Marcelo konnte zu keinem anderen Schluss kommen. Er hatte seine Abenteuerlust über seinen gesunden Menschenverstand siegen lassen. Jetzt besaß Dominic ein Foto, auf dem deutlich zu erkennen war, dass Marcelo Clara festhielt, während sie, an einem Hubschrauber baumelnd, über den Palast des Hauses Fernandez flogen. Marcelo war medienerfahren genug, um zu wissen, dass sich die Presse um dieses Foto reißen würde.

Seine Familie war zu Recht wütend auf ihn, er selbst war es ja auch. Er hatte einen diplomatischen Zwischenfall verursacht, der leicht eskalieren konnte. Die königliche Familie Berruti war nur das Aushängeschild ihrer Nation, ein anachronistisches Relikt aus der Vergangenheit, das nur durch die Zuneigung des Volkes am Leben erhalten wurde. Marcelo und seinen Geschwistern war von Anfang an eingebläut worden, wie prekär ihre Stellung und ihre Titel waren.

Die Menschen auf Ceres waren im Grunde ihres Herzens Romantiker. Sie würden Wahnsinn aus Liebe leichter verzeihen als Wahnsinn aufgrund von Langeweile und mangelnder Selbstbeherrschung.

„Hast du dieses Fotos von uns?“, fragte Clara.

Er suchte das Bild auf seinem Smartphone heraus und zeigte es ihr.

Sie betrachtete es interessiert. „Mein Gesicht ist nicht zu sehen, aber das bist eindeutig du. Sobald ich ein neues Telefon habe, musst du mir das Bild schicken“, fügte sie hinzu und gab ihm das Handy zurück. „Was passiert, wenn ich mich weigere, dich zu heiraten?“, fragte sie. „Schleifst du mich dann in die Kirche und drohst, meinen Hund zu töten, wenn ich eine Szene mache?“

Ungläubig sah Marcelo sie an, weil sie das überhaupt fragen musste. Er trank noch einen Schluck von seinem Scotch. „Ich kann dich nicht zwingen, mich zu heiraten. Und selbst, wenn ich es könnte, würde ich es nicht tun – ich habe dich nicht vor diesem Mistkerl gerettet, um dich zu einem Leben mit mir zu zwingen, das du nicht willst.“

Ihre Augen funkelten vor Neugier. „Warum hast du es dann getan?“

„Aus Langeweile.“ Marcelo schüttelte den Kopf. Darauf lief es hinaus. Nach drei Jahren ständiger Langeweile war ihm einfach die Sicherung durchgebrannt.