Julia Platin Band 20 - Karen Toller Whittenburg - E-Book

Julia Platin Band 20 E-Book

Karen Toller Whittenburg

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Beschreibung

ENGEL KÜSSEN BESSER! von KAREN TOLLER WHITTENBURG

Witwer Sam ist fasziniert, als er die bezaubernde Gloria kennenlernt. Allerdings behauptet Gloria allen Ernstes, ein Engellehrling zu sein! Sie ist mit der himmlischen Mission betraut, Sam endlich wieder die Liebe beizubringen …

IM HIMMEL DER LIEBE von JUSTINE DAVIS

Dalton MacKay sucht die Einsamkeit. Er will keine Hilfe. Und schon gar nicht von der hübschen, etwas geheimnisvollen neuen Lehrerin Evangeline Law! Aber es ist seltsam: Immer wenn er an Evangeline denkt, taucht sie wie aus heiterem Himmel auf. Fast als besitze sie die Macht, direkt in seine Seele zu blicken und dort die Sehnsucht nach Liebe zu erkennen ...

MEIN KLEINER ENGEL von CHARLOTTE MACLAY

Wie eine kleine Familie leben Pamela, der Rennstallbesitzer Lucky und das Waisenmädchen Angie auf dem Gestüt zusammen. Und genau das hat Angie gewollt, als sie vom Himmel kam, um Pamela und Lucky zusammenzubringen! Doch obwohl Lucky die schöne Ärztin lieber heute als morgen heiraten würde, zögert Pamela noch. Lucky braucht himmlische Hilfe, um seine Traumfrau zu erobern ...

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Seitenzahl: 622

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KAREN TOLLER WHITTENBURG, JUSTINE DAVIS, CHARLOTTE MACLAY

JULIA PLATIN BAND 20

IMPRESSUM

JULIA PLATIN erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage 2023 in der Reihe JULIA PLATIN, Band 20

© 1995 by Karen Toller Whittenburg Originaltitel: „Nanny Angel“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dagmar Mallett Deutsche Erstausgabe 2001 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA AZUR, Band 2

© 1995 by Janice Davis Smith Originaltitel: „Errant Angel“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: SAS Deutsche Erstausgabe 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA AZUR, Band 5

© 1996 by Charlotte Lobb Originaltitel: „The Littlest Angel“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: SAS Deutsche Erstausgabe 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA AZUR, Band 4

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 12/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751519984

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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Engel küssen besser!

1. KAPITEL

Allison Jill Oliver drückte den weichen Körper ihres Lieblingskuscheldrachens an sich, während sie auf Zehenspitzen aus ihrem Zimmer zur obersten Treppenstufe schlich. Wie eine Ballerina hob sie den Saum ihres Nachthemds und wartete einen Augenblick, bevor sie lautlos zum nächsten Treppenabsatz hinunterhuschte. Dort wartete sie erst still im Schatten und schob sich dann zum Geländer hinüber, um durch die Holzstäbe hindurch nach unten in die Eingangshalle sehen zu können. „Schschsch, Hunny“ flüsterte sie dem Stofftier ins Ohr. „Du musst ganz still sein, sonst schickt er uns wieder ins Bett zurück.“

Der schon ziemlich abgenutzte Drache schwieg gehorsam, und Allie drückte seinen ausgeleierten dürren Hals noch fester an sich, während sie auf die halb offen stehende Tür von Sams Arbeitszimmer starrte. Da war er drin, und am liebsten wäre sie auch hineingegangen, hätte sich auf seinen Schoß gesetzt und ihn gebeten, ihr eine Geschichte vorzulesen. Aber Sam mochte nicht, wenn man ihn störte. Er würde nur wieder sagen, dass sie jetzt fünf Jahre alt und damit alt genug sei, um zu verstehen, dass er arbeiten müsse, und dass sie wie ein großes Mädchen im Bett bleiben und schlafen solle. Das hatte er ihr schließlich noch vor fünf Minuten gesagt.

Allison seufzte und ließ sich auf den Boden plumpsen. Sie steckte die nackten Füße durch die Zwischenräume im Geländer und ließ die Beine in den Treppenschacht baumeln. Sie hatte keine Lust auf dieses blöde Schlafen. Sie wollte lieber „Das beste Nest“ vorgelesen bekommen. Das war nämlich ihr Lieblingsbuch, und seit Sam sie bei Grandma abgeholt und nach Hause gebracht hatte, hatte es ihr keiner mehr vorgelesen.

„Wenn ich Sie während Ihrer Geschäftszeiten hätte erreichen können, müsste ich nicht so spät am Abend noch anrufen.“ Selbst draußen auf dem Treppenabsatz war die Ungeduld in Sams Stimme noch deutlich zu hören.

Allison umklammerte einen Geländerpfosten und presste das Gesicht an das Holz.

„Und ob das ein Notfall ist!“ Sams Stimme klang nun sehr verärgert. „Ich habe morgen früh um acht einen wichtigen Termin, und Sie müssen mir ein anderes Kindermädchen schicken. Und zwar sofort.“ Er machte eine Pause, dann wurde seine Stimme wieder lauter. „Aber ich habe Miss Maggard nicht entlassen. Sie ist einfach gegangen … übrigens ohne zu kündigen … Bitte? Wieso um alles in der Welt ist das meine Schuld …? Natürlich weiß ich, dass Allie manchmal schwierig ist … Sie ist letztes Jahr bei ihrer Großmutter vielleicht etwas zu sehr verwöhnt worden, aber die Kleine ist gerade mal fünf Jahre alt. Wie soll sie da bitte eine erfahrene Nanny wie Miss Maggard in weniger als einer Woche vertreiben können? Das ist ja lächerlich!“

Allison verzog den Mund. Sie hatte niemanden vertreiben wollen, aber sie war froh, dass Miss Maggard weg war. Die war gar nicht nett gewesen. Außerdem hatte sie eine große Nase, ihre Zähne klickten genauso wie die kleine Uhr auf Sams Schreibtisch, und zum Mittagessen gab es bei ihr immer nur Käsebrote.

„Ich will mich nicht mit Ihnen streiten“, fuhr Sam fort, und seine Stimme klang nun etwas versöhnlicher. „Ich verstehe Sie, Mrs. Klepperson, aber Sie müssen doch jemanden haben, über den Sie kurzfristig verfügen können. In Ihrer Annonce betonen Sie doch – und jetzt zitiere ich –: ,Die Kindermädchen-Agentur,Schutzengel’ wird mit jedem Notfall fertig. Unsere Engel helfen Ihnen jederzeit aus.’ Finden Sie jetzt auch einen für mich, oder muss ich mich an eine andere Agentur wenden?“

Allison kaute auf ihrer Unterlippe.

„Ich verstehe. Das ist sicher Ihr gutes Recht, Mrs. Klepperson, aber im Interesse des Rufs Ihrer Agentur schlage ich doch vor, dass Sie das noch einmal überdenken, verdammt noch mal!“ Der Telefonhörer wurde aufgeknallt, und dann hörte man nur noch wütend geknurrte, undeutliche Worte.

Allie hielt ihrem Drachen die Ohren zu. „Hör nicht hin, Hunny. Sam ist nicht auf dich böse. Er weiß, dass es nicht deine Schuld ist, dass Miss Maggard abgehauen ist und er nun einen anderen Schubsengel finden muss.“ Sie strich über Hunnys weichen Kopf. „Wenn Mummy statt im Himmel bei uns wohnen würde, wäre Sam nicht immer so wütend, und er müsste nicht so viele Arbeiten machen, und er würde uns jeden Abend ‚Das beste Nest‘ vorlesen.“

Musik kam aus dem Büro, und Allison seufzte aus tiefstem Herzen. „Er hört wieder dieses Lied“, flüsterte sie. „Jetzt wird er böse und traurig.“ Grandma hatte ihr erzählt, dass Sam sich bei dieser Musik an ihre Mutter ’innerte, aber Allie mochte dieses Lied nicht. Sie ’innerte sich auch nicht an ihre Mutter. Und manchmal hatte sie Angst, dass Sam weggehen und nie zurückkommen würde, und dass sie sich dann auch an ihn nicht mehr ’innern würde.

Sie hörte Glas auf Glas klimpern und wusste, dass er sich etwas zum Trinken eingoss. Sie drückte die Augen ganz fest zu und wünschte, jetzt in Sams Büro zu sein. Einmal vor langer Zeit hatte sie auf dem Sofa schlafen dürfen, während er am Schreibtisch arbeitete, und als sie aufgewacht war, hatte er ihr ein Glas Orangensaft gegeben und ihr eine Geschichte vom allerkleinsten Engel erzählt. Er hatte sogar gesagt, dass dieser Engel als Kuscheltier einen kleinen Drachen hatte, damit Hunny sich nicht ausgeschlossen fühlte. Nachdem Mummy tot war, hatte Allie ihn gebeten, ihr die Geschichte noch einmal zu erzählen, aber er sagte, dass er keine Geschichten von Engeln kennen würde. Hunny hatte geweint und geweint und wollte gar nicht schlafen gehen. Allison musste ihm sein „Puff“-Lied vorsingen, obwohl sie gar nicht alle Wörter kannte, und Hunny weinte trotzdem immer weiter, die ganze Nacht.

Allie nahm die Vorderfüße des Drachen, setzte sich ihn auf den Schoß und zwang ihn, sie mit seinen schwarzen Knopfaugen anzusehen. „Und fang nicht an zu weinen, Hunny“, warnte sie ihn in strengem Flüsterton. „Denn ich werde dir nicht wieder,Puff’ vorsingen. Du bist jetzt nämlich groß und musst aufhören, dich wie ein Baby zu ’nehmen. Du musst also jetzt brav sein, wie der Drache von dem allerkleinsten Engel.“ Sie schüttelte das Stofftier, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. „Hast du mich ’standen?“

Sie wusste, dass Hunny schmollen würde. Darum drückte sie ihn fest an ihr Nachthemd und erzählte ihm, er sei der beste Drache auf der ganzen Welt, und dass sie ihn sehr lieb hatte und sich etwas ausdenken würde, damit Sam nicht mehr so oft böse war, weil Miss Maggard gegangen war und er einen anderen Schubsengel besorgen musste, der auf sie beide aufpasste.

Und plötzlich hatte sie eine Idee. „Wir könnten einen Engel für Sam besorgen“, flüsterte sie. „Dann ist er wieder glücklich und … und … er liest uns eine Geschichte vor.“ Schon bei dem Gedanken daran fühlte sie sich richtig gut.

Aber wie sollte sie einen Engel besorgen? An den Teil der Geschichte konnte sie sich nicht ’innern. Allie zog sich am Geländer hoch. „Wir müssen Sam fragen“, sagte sie dann.

Sie stapfte die restlichen Treppen hinunter und schlich zur Tür des Arbeitszimmers. Dort zögerte sie einen Augenblick und gab der Tür dann einen kleinen Schubs, sodass sie mit einem verräterischen Quietschen nach innen aufging. Sam schien es nicht gehört zu haben, denn er blieb zurückgelehnt in seinem großen schwarzen Stuhl sitzen und hörte nur das Lied.

„Sam?“ sagte sie ganz leise. Als er sie immer noch nicht bemerkte, schluckte sie und sagte etwas lauter noch einmal: „Sam?“

Er hob den Kopf. „Allison! Was machst du schon wieder hier unten? Habe ich dir nicht gesagt, was passiert, wenn du noch einmal aufstehst?“

Seine Stimme klang so streng, dass sie eine Gänsehaut bekam, und sie starrte ihn einfach nur an, während sie Hunny umklammerte und ihn sich beschützend an die Brust drückte.

„Was ist es denn dieses Mal?“, fragte er. „Noch etwas zu trinken?“

Sie schüttelte heftig den Kopf und blieb wie angewurzelt stehen.

Der Stuhl knarrte, als Sam sich nach vorne beugte. „Allie“, sagte er mit einer sanften Stimme, die sie jedoch genauso wenig mochte wie die laute, „warum bist du nicht im Bett?“

Sie holte tief Luft und platzte dann mit ihrer Frage heraus: „Wo wohnen die Engel?“

„Nein, Allie, nicht heute Abend.“ Er nahm seine Lesebrille von der Nase, legte sie auf die Schreibtischplatte und rieb sich die Augen. „Warum konntest du nicht einfach einschlafen, wie ich dich gebeten hatte?“

Sie wollte ihm am liebsten sagen, dass sie ohne Gutenachtgeschichte nicht einschlafen konnte und Angst hatte, er würde wieder weggehen, wenn sie die Augen zu fest zumachte. Aber Sam mochte es nicht, wenn sie solche Sachen sagte, und sie wollte ihn nicht noch ärgerlicher machen. „Hunny wollte Apfelmus“, sagte sie zu ihrer schnell ausgedachten Selbstverteidigung.

„Allison.“ Plötzlich klang seine Stimme genauso müde wie die von Ethel, dem Hund von nebenan. Ab und zu hörte man sie hinterm Zaun ein tiefes langsames „Wwwuuufff“ machen, als wenn sie nicht mehr die Kraft hätte, ein richtiges Bellen herauszubekommen. Sam stand kopfschüttelnd vom Schreibtisch auf und lief um ihn herum.

Allison blieb zwar tapfer stehen, aber sie hielt Hunny zwischen sich und ihrem Vater hoch. „Er sagt, er hat Bauchschmerzen. Und er wollte mich nicht schlafen lassen.“

Sam erreichte die Tür und hob in einer schnellen Bewegung seine Tochter mit dem Drachen auf den Arm. „Wenn Hunny noch mehr Apfelmus isst, wird er so dick, dass ich ihn nicht mehr nach oben ins Bett tragen kann.“

Seine Stimme klang plötzlich gar nicht mehr böse, und Allie schlang die Arme um seinen Hals. „Lass uns doch hier bei dir, Sam“, bat sie. „Ich verspreche dir, dass Hunny auch ganz, ganz, gaaanzz still ist.“

Sam blieb unten an der Treppe stehen und nahm sie auf den anderen Arm. „Drachen sind nie wirklich still, es sei denn sie schlafen.“

„Dann bringe ich Hunny ins Bett und bleibe allein bei dir. Biiiiitte, Sam!“

Er seufzte tief und lange. „Allison, wie oft soll ich dir das noch erklären? Ich muss arbeiten. Und du kannst nicht alle fünf Minuten mit einer neuen Ausrede aus dem Bett kommen, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen.“

„Aber Hunny …“

„Hunny bleibt im Bett, wenn du es auch tust. Dies ist heute Abend das dritte Mal, dass ich dich ins Bett bringe, und es ist das letzte Mal. Hast du mich verstanden?“

Allie schmollte, während Sam sie nach oben in ihr Zimmer trug, aber das schien ihm nichts auszumachen. Als er die Bettdecke um sie herum feststeckte, wusste sie, dass sie ihn nicht zu fragen brauchte, ob er ihr Das beste Nest vorlesen würde. „Sam?“, fragte sie, damit er nicht sofort wieder ging. „Ich muss das mit den Engeln wissen. ’sis wichtig.“

„Ich habe dir doch schon erzählt, dass deine Mummy jetzt bei den Engeln wohnt und …“

„Nein“, unterbrach Allie ihn. „Ich muss wissen, wo sie wohnen, und wie ich mit ihnen sprechen kann.“

Sein Blick wurde noch trauriger. „Engel sind wie die Sterne am Himmel. Sie können dich immer hören, wenn du mit ihnen sprichst, egal wo du bist. Du musst dabei noch nicht einmal die Augen schließen oder laut reden. Deine Schutzengel sind immer bei dir, Allie. Und sie passen auf dich auf, wenn ich nicht da bin.“

„So jemanden brauchst du auch, nicht wahr, Sam? Einen Schubsengel.“

Er richtete sich auf. „Ja, Allie, das ist genau das, was ich brauche. Und jetzt schlaf bitte. Wir werden darüber ein anderes Mal reden.“

„Sam?“

Sein Stirnrunzeln entmutigte sie. „Allison, erinnerst du dich noch an unser Gespräch darüber, dass ich es nicht gut finde, wenn du mich Sam und nicht Dad nennst?“

„Aber Grandma nennt dich auch Sam. Und Grandmummy Lu nennt dich Sam. Und Grandpa Gene nennt dich Sam. Und Damon nennt dich Sam. Und deine Sekretärin nennt dich Sam. Und am Telefon meldest du dich immer mit“, Allie ließ ihre Stimme sinken, „Sam Oliver.“

„Das stimmt, Allison, aber ich bin dein Daddy, und du solltest mich nicht so nennen.“

„Hunny nennt seinen Vater Big Bert, und der findet das gut.“

„Aber das ist …“ Er schloss die Augen, und Allison fragte sich, ob er plötzlich einschlafen würde. Aber dann machte er sie wieder auf, und sie konnte sehen, dass sie immer noch voller Traurigkeit waren. „Ist schon gut, Allison. Bitte schlaf jetzt.“

„Okay, Sam.“ Sie schob eine Ecke der Bettdecke unter ihr Kinn. „Ich schlafe jetzt sofort ein. Und Hunny tut das auch. Ich verspreche, wir schlafen.“

Er nickte und ging zur Tür.

„Sam?“

Es dauerte fast eine Minute, aber dann drehte er sich schließlich doch um. „Was ist, Allie?“

„Es tut mir leid, dass ich noch einmal aufgestanden bin.“

Er ging zu ihr, beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf die Wange. „Mir auch.“

Sie wusste zwar nicht, was ihm leidtat, aber sie wünschte sich, dass er nicht mehr das Lied hören würde. Sie schaute hinter ihm her, wie er aus dem Zimmer ging. „Sam?“

Er seufzte und drehte sich noch einmal um, die Hand schon auf der Türklinke.

„Hunny möchte, dass du das Licht im Flur anlässt, ’kay?“

„Okay, aber ich möchte, dass Hunny bis morgen unter der Bettdecke bleibt … egal wie hungrig er ist. Sag ihm, dass ich das so bestimmt habe.“ Sam ließ die Tür so weit offen, dass das Licht aus dem Flur einen hellen Streifen über den Fußboden warf. „Jetzt aber zum letzten Mal: Gute Nacht.“

„Ich lasse Hunny nicht noch einmal aus dem Bett, Sam. Versprochen. Ich sorge dafür, dass er still ist und schläft und …“

„Gute Nacht, Allison.“

„Gute Nacht, Sam.“ Aber kaum hörte sie seine Schritte auf der Treppe, da krabbelte sie wieder aus dem Bett, passte jedoch auf, dass Hunny unter der Decke blieb. Sie beugte sich zu ihm hinunter und gab ihm einen Kuss auf die flauschige Nase. „Du schläfst jetzt, Hunny, und vielleicht bringt dir der Engel etwas Apfelmus, wenn er kommt, ’kay?“

Der Drache schien einverstanden zu sein, und Allison schlich auf Zehenspitzen zum Fenster hinüber. Sie stützte sich mit den Ellenbogen auf die Fensterbank und legte das Kinn in die Hände. Dann schaute sie zu den blinkenden Sterne hoch. „Ist da oben irgendjemand?“, flüsterte sie.

Sie hörte als Antwort ein leises Rascheln. Es war ein sanftes Geräusch, wie das Rauschen von Engelflügeln, und Allie trug schnell ihre Bitte vor: „Sam braucht einen Schubsengel“, sagte sie hastig. „Heute Abend noch, ’sis sehr wichtig. Bitte schickt ihm sofort einen.“

Nichts passierte, aber Allie beobachtete die Sterne erwartungsvoll und fragte sich, wie lange man wohl vom Himmel bis nach Oklahoma brauchte. Sie wollte auf den Engel warten, aber dann bekam sie kalte Füße. Sie warf einen letzten sehnsüchtigen Blick zum Himmel und huschte zurück. Doch als sie an ihrem Bett ankam, wirbelte sie wieder herum und rannte zum Fenster zurück. Sie presste Nase und Hände an die kalte Scheibe.

„Hab ich fast vergessen“, sagte sie. „Danke, vielen Dank.“ Rasch rannte sie zum Bett, sprang hinein und kuschelte sich mit dem verschlafenen Hunny im Arm unter die Decke. Lächelnd schlief sie ein.

2. KAPITEL

Sam öffnete die Terrassentür in seinem Arbeitszimmer und ging hinaus in Jennys Rosengarten, obwohl man das kaum noch Garten nennen konnte. Kein Rosenstock hatte überlebt. Wie konnten sie auch – ohne Jenny?

Er steckte beide Hände in die Hosentaschen und klimperte mit den Münzen und Schlüsseln, die dort drin waren. Eine nervöse Angewohnheit, die ihm immer häufiger auffiel – genauso wie die Tatsache, dass er seine Tochter jedes Mal anfuhr, wenn sie näher als drei Meter an ihn herankam. Er zwang sich, die Hände aus den Taschen zu nehmen, verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, nicht darüber nachzudenken, was für ein schlechter Vollzeitvater er in dieser ersten Woche gewesen war.

Die Luft, die er einatmete, war kristallklar. Über ihm funkelten die Sterne, und der Mond sah aus wie ein glänzender Schlitz. Dieser Abend ist irgendwie ungewöhnlich, dachte er. Eine Art Unruhe oder seltsame Energie schien durch die Luft zu wehen.

Morgen würde es wahrscheinlich in Strömen gießen. Er drehte sich um und ging wieder hinein. Während er die Tür zuzog, dachte er grimmig, dass es wahrscheinlich genau das war, was er noch vom Leben erwarten konnte – eine lange Reihe regnerischer Tage.

Als er das Sicherheitsschloss einschnappen ließ, spiegelte sich ein Silberstreif in der Türscheibe. Sam konnte gerade noch rechtzeitig aufschauen, um eine Sternschnuppe auf dem letzten Stück ihrer glänzenden Laufbahn durch die Galaxis zu beobachten. Was hatte Jenny immer gesagt? Sternschnuppe, Sternschnuppe, zähl bis drei, wünsch dir etwas für uns zwei.

Er wandte sich ab und ließ die Rollläden herunter. Was war nur in ihn gefahren? Sternschnuppen waren etwas für Verliebte. Nichts für ihn. Nicht mehr jedenfalls. Er setzte sich schnell wieder an den Schreibtisch und vertiefte sich in seine Arbeit.

Klapper! Krach! Klirr!

Der Lärm kam von draußen, und zwar von der hinteren Terrasse. „Ethel“, zischte er und warf seine Brille auf den Entwurf vor ihm. Er stieß seinen Stuhl zurück und machte sich auf den Weg zur Rückseite des Hauses. Diese verdammte Basset-Hündin war bestimmt wieder irgendwie durch den Zaun entwischt und durchsuchte die Mülltonnen der Nachbarn. Allein in der letzten Woche hatte sie zwei Mal den Abfall über die ganze Straße verteilt.

Sam verstand nicht, wie Leute sich Haustiere zulegen konnten, ohne sie anzuketten oder sonst irgendwie dafür zu sorgen, dass sie von den Grundstücken der Nachbarn fernbleiben. Er war wild entschlossen, dafür zu sorgen, dass Ethel für diesen Ärger ein bis zwei Tage im städtischen Hundezwinger verbrachte. Sollten ihre Besitzer doch dafür bezahlen, um sie wieder freizukaufen. Vielleicht würden sie ihren Hund dann wenigstens in Zukunft von den Mülltonnen anderer Leute fernhalten.

Wütend ging er durch die Küche, schaltete die Außenlampe unter dem Vordach an und schaute durch die Hintertür hinaus. Der ganze Müll war über die Veranda verteilt. Nur eine der Mülltonnen war noch nicht umgekippt, aber auch sie schwankte bereits bedrohlich hin und her und stand nur noch zur Hälfte im Schatten des Vordachs.

Sam riss die Tür auf. „Komm da raus, du blöder Köter, sonst breche ich dir alle vier Stumpen, die du Beine nennst!“

Die Mülltonne hörte auf zu schwanken. „Könnten Sie mir bitte hier raushelfen?“ Die Stimme aus der Dunkelheit klang hell und melodiös, weiblich und freundlich.

„Ethel?“, sagte Sam, kam sich aber sofort sehr dumm vor. Die Basset-Hündin des Nachbarn konnte noch nicht einmal richtig bellen, geschweige denn sprechen. „Wer ist denn da?“, fragte er barsch. „Und was zum Teufel machen Sie in meiner Mülltonne?“

„Ich sitze hier drin fest.“ Ein glockenhelles Lachen zog sich durch ihre Worte. „Wissen Sie, Sam, das ist mir etwas peinlich. Könnten Sie mir nicht helfen?“

Sie hatte ihn bei seinem Namen genannt, aber so angenehm ihre Stimme auch war, sie kam ihm nicht bekannt vor. Vielleicht war das ja ein besonders gut ausgedachter Trick, um bei ihm einzubrechen? In der Mülltonne waren jede Menge Papiere, auf denen sein Name stand. Und er wollte da draußen nicht in das abgesägte Ende einer Schrotflinte laufen.

Ihr Lachen überraschte ihn, und er musste unwillkürlich lächeln, obwohl ihm überhaupt kein Grund einfiel, weswegen er das eigentlich tat.

„Sie sind ein sehr misstrauisches menschliches Wesen, nicht wahr?“, fragte die Stimme. „Nun gut, dann versuche ich es eben selbst …“ Fünf schlanke Finger schoben sich über den Rand der letzten, noch stehenden Mülltonne.

Sam überlegte, ob er nicht lieber die Tür verriegeln und die Polizei rufen sollte, statt hier auf die Flinte zu warten, aber er schien seine Beine irgendwie nicht bewegen zu können.

„Füße können ganz schön lästig sein, merke ich gerade. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich je daran gewöhnen werde.“ Aus den fünf Fingern wurden zehn, und Sam sah, dass sie zu zwei glatten Hände gehörten, die wiederum an zwei wohlgeformten Armen saßen.

Ihm fiel die Kinnlade herunter, als der Eindringling sich schließlich aus dem Schatten löste und in den Lichtschein der Außenlampe trat. Eine Frau. Sie war blond, eine glänzende, wilde, lockige Haarpracht bedeckte ihren Kopf – und sie war nackt. Ihre helle Haut leuchtete in frischem Rosa, und als Sam versuchte, Luft zu holen, pfiff sie ihm so durch die Kehle, dass er keuchte wie ein ausgeleierter Blasebalg.

„Haben Sie Schmerzen?“, fragte sie.

Er hatte ein beengendes Gefühl in der Brust, und etwas schnürte ihm den Hals zu. Er fühlte sich durch und durch unwohl, doch diese Empfindungen waren keineswegs schmerzhaft. Er hatte schon lange keine nackte Frau mehr gesehen. Geschweige denn eine, die so aussah wie diese hier. „Wer? Was … machen Sie hier?“

Sie schaute an sich herunter. Mit den Händen hielt sie noch immer den Rand der Mülltonne umklammert. „Ich glaube, ich versuche mich an die Schwerkraft zu gewöhnen.“

„Schwerkraft“, wiederholte er mechanisch und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. „Aha. Und … was machen Sie hier?“

Sie hob überrascht den Kopf, und ihre blauen Augen trafen die seinen. „Allison hat mich eingeladen.“

Er rieb sich mit dem Daumen das Kinn und versuchte angestrengt, seinen Blick nicht tiefer als bis zu ihrem Hals wandern zu lassen. „Und … woher kennen Sie meine Tochter?“

Die Frau lachte vor Vergnügen auf. „Jeder kennt sie.“

Diese Antwort half ihm auch nicht weiter, doch plötzlich fiel ihm etwas ein: „Sie kommen nicht zufällig von der Agentur,Schutzengel’, oder?“

Ihre verführerischen Lippen formten einen Schmollmund. „Eigentlich gehe ich ja als Engel noch in die Lehre.“

Dann hat Mrs. Klepperson also doch noch jemanden geschickt, dachte Sam. Eine Nanny in Ausbildung sozusagen, eine Praktikantin, und dann auch noch eine nackte! „Sagen Sie, Miss ,Lehrling’, wenn Sie ein richtig flügger Engel sind, werden Sie dann auch Kleider tragen?“

„Kleider!“ Sie gab ein lustiges Geräusch von sich und schaute an sich hinunter. „Ach du lieber Himmel! Ich wusste, ich würde etwas vergessen.“ Sie zog bedauernd die nackte Schulter hoch. „Die anderen Engel nennen mich schon,Geh-Holen’, weil ich immer wieder zurückgehen muss, um etwas zu holen, was ich vergessen habe.“

Sam seufzte. Nach seiner Erfahrung wurde keine Frau, die so vergnügt und dazu noch nackt war wie diese, nur von Mondlicht betrunken. „Nun, warum tun Sie es dann nicht gleich sofort?“, schlug er vor.

„Was tun?“

„Zurückgehen, wo immer Sie auch hergekommen sind, und die Kleider holen, die Sie vergessen haben.“

„Oh, eigentlich hatte ich noch nie Kleider.“ Sie lachte, wieder mit diesem kehligen angenehmen Klang. „Sie sind meine erste Arbeitsstelle.“

„Nicht möglich.“

„Doch wirklich, das sind Sie. Und ich war so aufgeregt, dass ich wohl nicht richtig aufgepasst habe, als Leonard mir erzählt hat, was ich alles machen muss.“

„Leonard“, wiederholte Sam und dachte, dass er seine Einbruchstheorie vielleicht doch zu schnell aufgegeben hatte. Vielleicht war ihr Komplize schon dabei, das Schloss der Eingangstür zu knacken. „Es interessiert Sie vielleicht, dass ich eine Alarmanlage habe, die auf dem neuesten Stand der Technik ist. Ein Knipser mit dem Schalter, und das ganze Polizeirevier ist hier, bevor Sie auch nur,Her mit den Wertsachen’ sagen können.“

„Warum sollte ich das sagen?“ Sie nahm einen Finger vom Mülltonnenrand und dann vorsichtig noch einen. „Und was würde ich dann mit Ihren … wie haben Sie die genannt?“

„Wertsachen“, fuhr er sie an. „Sie würden sie wohl verkaufen.“

„An wen?“

„An irgendeinen Hehler vermutlich.“

Sie schaute hoch und kicherte. „Einen Hehler?“, fragte sie. „Wirklich?“

Er würde jetzt ins Haus gehen. Sofort. Aber aus irgendeinem Grund blieb er wie angewurzelt in der Tür stehen und starrte sie an, wie sie einen kleinen Schritt zur Seite ging, etwas schwankte und sich schnell wieder am Mülltonnenrand festhielt.

„Gehen ist doch nicht so leicht, wie ich dachte“, sagte sie und versuchte es noch einmal, nur kam sie dieses Mal mit dem ganzen Körper in den Lichtkegel der Außenlampe.

Sam konnte nicht länger widerstehen, und sein Blick wanderte über ihre biegsame schlanke Taille, die sanften Kurven ihrer Hüften bis zu ihren unglaublich langen Beinen. Dieser Anblick schnürte ihm wieder die Kehle zu, und sein Magen verkrampfte sich vor ängstlicher Erregung. Dies musste ein Traum sein. Bestimmt war er am Schreibtisch eingeschlafen, und jetzt träumte er … Himmel, und was für einen Traum!

Sie wankte und streckte die Arme aus, um das Gleichgewicht zu behalten, als wenn sie einen Drahtseilakt in zwanzig Meter Höhe ausführte. „Wissen Sie, Sam, Sie könnten mir eigentlich ins Haus helfen“, sagte sie dann.

Halt, stopp! Er träumte nicht. Er spürte den kalten Märzwind. Er konnte diese schöne, wenngleich ziemlich schamlose Frau sehen, die unsicher über seine Veranda stakste. Und es war egal, ob sie eine Einbrecherin oder die angeforderte Nanny war. Er würde sie nicht ins Haus lassen.

„Sie können nicht hereinkommen“, sagte er und hoffte dabei inständig, dass Allie ausgerechnet jetzt nicht wieder herunterkommen würde. Sie würde dabei mehr über die weibliche Anatomie lernen, als es für ein fünfjähriges Mädchen gut war. „Sie müssen wieder gehen.“

„Machen Sie sich keine Sorgen.“ Das Lächeln auf ihren Lippen strahlte fast ermutigend. „Allie schläft fest. Sie wird heute Abend nicht wieder wegen Apfelmus herunterkommen.“

Sam kam aus dem Staunen nicht heraus. Von wem wusste sie das? Natürlich, von Miss Maggard. „Nein, schauen Sie, ich weiß nicht, wer Sie sind, und …“

„Ich bin Gloria“, sagte sie. „Ich bin Ihr Schutzengel.“

„Nein, nein! Das sind Sie nicht.“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Es tut mir leid für Sie, aber ich brauche jemanden mit mehr Erfahrung und … Kleidern.“ Damit machte er die Tür zu und schloss sie mit Nachdruck ab. Ich werde sofort Mrs. Klepperson anrufen, entschied er. Was dachte sich diese Frau überhaupt dabei, ihm ein solches Nymphchen zu schicken, um auf ein fünfjähriges Kind aufzupassen? Sam ließ das Sicherheitsschloss einschnappen und schaltete die Außenbeleuchtung aus, wobei er sich große Mühe gab, der Versuchung zu widerstehen, aus dem hinteren Fenster zu schauen, um zu sehen, ob die Blondine noch da war.

Und wenn sie tatsächlich noch da war?

Er sollte vielleicht doch die Polizei rufen. Wenn eine solche Frau durch die Straßen wanderte … Die Türglocke erklang und spielte die ersten beiden Takte vom „Halleluja-Choral“. Sam sprang verdutzt auf. Wer um alles in der Welt konnte das sein?

Bevor er noch alle Möglichkeiten durchgegangen war, ertönte die Glocke erneut, und Sam eilte zur Tür. In Wahrheit war es ihm egal, wer vor der Tür stand – ein nacktes Kindermädchen oder ein Einbrecher – solange nur Allison nicht noch einmal aufwachte.

Er ging an der Treppe vorbei durch die Eingangshalle und griff schnell nach der Türklinke, hielt aber lange genug inne, um durch eins der kleinen Fenster in der Haustür schauen zu können. Die Frau vor der Tür hatte ihr Gesicht abgewandt, und er konnte nur die Umrisse eines ordentlichen dunkelblauen Kostüms und die strenge silberne Haarspange sehen, mit der die lockige blonde Haarpracht im Nacken zusammengehalten wurde.

Wieder hallte der „Halleluja-Choral“ durchs Haus, und er riss die Tür auf.

„Da bin ich wieder.“ Ihr Lächeln war umwerfend. „Ich habe jetzt Kleider.“

Die Kehle wurde ihm immer trockener, je fester er die Türklinke umklammerte.

Sie drehte eine wacklige Pirouette, wobei sie immer noch mit dem Gleichgewicht kämpfte, und lächelte ihn entwaffnend an. Sie schien mit sich zufrieden zu sein. „Sie glauben nicht, wo ich die gefunden habe.“

Sam schloss die Augen und öffnete sie wieder, um sich des Anblicks zu vergewissern. Sie konnte unmöglich völlig angezogen hier vor seiner Haustür stehen, wo sie doch noch vor einem Moment …

„Ich habe die ganze Kleidung aus dem Architekten-Magazin, das Sie weggeworfen haben. Sogar die Frisur war da drin.“ Sie strich sich mit den Fingern ein paar widerspenstige Locken aus dem Gesicht. „Eigentlich hatte ich mir ja den Lederanzug von der Harley-Davidson-Annonce ausgesucht, aber Leonard meinte, dies hier wäre passender. Was meinen Sie?“

Drehte er jetzt langsam durch? „Wie …? Wie haben Sie … das gemacht?“

Sie zog die Augenbrauen zusammen und dachte kurz nach. „Nun ja, ich brauchte etwas Hilfe dabei. Leonard hat mit Anziehen mehr Erfahrung als ich.“

Sam schüttelte den Kopf. „Aber das war … Sie hatten … gar keine Zeit.“

Sie lachte nur und beugte sich vor, um noch einmal auf die Klingel zu drücken. Als die kräftigen Töne wieder durch das Haus schallten, legte sie ihren Kopf zur Seite. „Ich liebe dieses Lied“, gab sie zu und ging an ihm vorbei in die Eingangshalle. „Oh, was für schöne Bilder …“

Bevor Sam auch nur Luft holen konnte, stand sie schon unten an der Treppe und bewunderte die Fotos, die an der Wand hingen. „Sie haben ja Bilder von Allison“, sagte sie und tat so, als ob die Kamera mit jedem Foto ein Wunder eingefangen hätte. „Da ist sie an ihrem ersten Geburtstag. Oh, und da sind Sie beide mit Jenny, und da sind ja auch Janice … und Jim, Jennys Eltern, und Ihre Eltern, Lu und Gene. Hier sind Sie mit Jenny auf der Abschlussfeier vom College, und da ist ja noch ein Bild von Allie als Baby, und hier war sie drei Jahre alt. Was für ein kostbares Kind.“ Sie schüttelte die blonden Locken und schenkte ihm erneut ein strahlendes Lächeln. „Ich bin so froh, dass Sie diese Bilder haben.“

Sam hätte nie gedacht, dass all diese Informationen und Familieneinzelheiten, die er bei der Kindermädchen-Agentur angegeben hatte, ihm eines Tages auf diese Weise aufgetischt werden würden. Er hatte eigentlich angenommen, dass die endlosen Formulare, die er ausfüllen musste, zu seiner und Allisons Sicherheit waren. „Hören Sie, Sie können hier nicht einfach so hereinplatzen und …“

„Oh, wie schön!“ Damit verschwand sie in seinem Arbeitszimmer.

„Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause“, beendete er seinen Satz mit matter Stimme. Stirnrunzelnd schloss er erst die Haustür und trat dann durch die Tür seines Arbeitszimmers. Die Frau stand hinter seinem Schreibtisch und hielt seine Brille gegen die Deckenbeleuchtung. Er fragte sich, ob er sie über den Schreibtisch hinweg angreifen oder lieber warten sollte, bis sie versuchte, an ihm vorbeizukommen, um sie dann zu packen.

Wie ein Kind ein neues Spielzeug, so betrachtete sie die Brille von allen Seiten und setzte sie sich schließlich schief auf die Nasenspitze. „Was machen sie denn damit?“ Sie blinzelte durch die geschliffenen Gläser. „Da wird ja alles ganz unscharf“, stellte sie fest.

Er versuchte mit dem Körper möglichst den Türrahmen auszufüllen und stützte sich mit den Händen zu beiden Seiten ab. Jetzt soll sie mal versuchen, an mir vorbeizukommen, dachte er. „Das ist meine Lesebrille.“

Sie runzelte die Stirn über dem Gestell aus Schildpatt. „Sie lesen doch gar nicht.“

„Natürlich lese ich.“

„Allison sagt, dass Sie genau das nicht tun.“ Sie nahm die Brille ab und ließ sie auf den Schreibtisch fallen. „Und was ist das?“, fragte sie, während sie ihre Aufmerksamkeit den kleinen Notizzetteln zuwandte, die er sorgfältig und genau auf die Pläne verteilt hatte.

„Nicht anfassen!“ Aber Sam war nicht schnell genug, um zu verhindern, dass die Zettel ihr bereits durch die Finger glitten und wie verträumte Schneeflocken auf den Boden flatterten.

Sie lachte nur und versuchte, das letzte Blatt aufzufangen, das noch einmal hochflog, um dann wie eine Feder neben Sams Füßen auf den Boden zu schweben.

Er löste seinen entsetzten Blick von den Papieren und schaute sie an. „Ich glaube, Sie geben mir besser Ihre Kennnummer, bevor Sie noch mehr Schaden anrichten.“

„Ich habe keine Kennnummer“, sagte sie. „Aber ich könnte Ihnen die Eintragung meines Heiligenscheins zeigen.“

Für diesen kleinen Scherz hatte er nur ein humorloses Lächeln übrig. „Dann wird Ihr Name wohl genügen.“

Sie nickte zustimmend und drehte sich zum Bücherregal hinter dem Schreibtisch um. „Wenn Sie nicht lesen, was machen Sie dann mit all diesen Büchern?“

Sam versuchte sich zu beherrschen. „Ich dachte, Sie wollten mir Ihren Namen nennen.“

„Ich dachte, das hätte ich schon.“ Sie begegnete seinem wütenden Blick mit einem Lächeln. „Ich bin Gloria.“

„Gloria, und wie weiter?“

„Gloria und wie weiter?“

Sam holte tief Luft und sprach langsam und deutlich. „Was kommt nach Gloria?“

„Halleluja?“

„So, das reicht. Ich weiß nicht, wer Sie sind oder wer Sie geschickt hat, aber dieser Scherz hat jetzt definitiv ein Ende. Sie haben Ihren Spaß gehabt, und ich verlange, dass Sie auf der Stelle mein Arbeitszimmer und mein Haus verlassen.“

„Nein!“, ertönte plötzlich Allisons hohes Stimmchen voller Entsetzen von der Tür. „Sie ist doch der Schubsengel, Sam! Du darfst sie nicht wegschicken!“

Er drehte sich zu seiner Tochter um. „Allison“, sagte er streng. „Ich dachte, wir waren uns einig, dass du heute Abend nicht noch einmal aufstehen würdest.“

„Hunny wollte nur den Engel sehen.“ Allie schob das Kinn vor. „Und es hat an der Haustür geklingelt.“

„Das ist keine Entschuldigung. Marsch nach oben, und nimm deinen schäbigen Drachen mit.“

„Hunny ist nicht schäbig!“ Sie stampfte mit dem Fuß auf und drückte ihr Kuscheltier fest an die Brust. „Er ist der beste Drache in der ganzen Welt, und du solltest dich bei ihm ’tschuldigen, dass du ihn beleidigt hast.“

„Mach dich nicht lächerlich, Allison. Ich entschuldige mich nicht bei einem Spielzeug.“

Allies braune Augen füllten sich mit Tränen. „Sieh nur, was du getan hast, Sam. Jetzt muss er weinen!“

Die Enttäuschung, die in ihm hochstieg, war ihm sehr vertraut. Er wusste nicht, wie man sich als Vater verhielt. Zum Teufel, er wusste noch nicht einmal, wie er mit einem von Motten zerfressenen Spielzeugdrachen reden sollte. „Du gehst jetzt nach oben ins Bett, Allison. Sofort.“

Mit erhobenem Kopf blieb sie wild entschlossen stehen und sah aus wie David, der gegen Goliath antrat. „Allison …“, warnte Sam, „treib es nicht zu weit.“

Die weichen besänftigenden Töne eines alten Volksliedes erklangen hinter seinem Rücken, und Sam sah sich zu Gloria um. Sie sang Hunnys Lieblingslied und kam dabei hinter dem Schreibtisch hervor, machte sich so klein wie Allison, ohne ihr zu nahe zu kommen, und war doch für sie erreichbar.

Allies Trotz verwandelte sich in Staunen. Und während Gloria weitersang, fing auch sie an zu singen. Erst nur einen Ton und dann ab und zu zwei oder drei Wörter. Ihr piepsiges Stimmchen passte sich harmonisch Glorias Gesang an.

Sam schaute seine Tochter hilflos und bestürzt an. Ihr Gesicht leuchtete auf wie ein Silvesterfeuerwerk, und sie ging einfach an ihm vorbei und stellte sich mit großen erwartungsvollen Augen vor die Fremde. Sie hielt ihr den Drachen hin, und Gloria durfte den grünen Kopf streicheln. Sams Herz zog sich vor Neid zusammen. Warum hatte er den Drachen und damit seine Tochter nicht trösten können? Warum hatte er nicht daran gedacht, sich auf Allies Höhe hinunterzubegeben, statt von oben Befehle zu erteilen? Selbst eine so verlorene Seele wie Gloria weiß mit meiner Tochter besser umzugehen, dachte er. Das schien überhaupt jeder zu wissen, nur er nicht.

„Wir haben auf dich gewartet“, sagte Allison, als die letzte Strophe verklungen war. „Das ist Hunny. Er mag Apfelmus, und,Puff’ ist sein Lieblingslied.“

Gloria lächelte. „Das dachte ich mir.,Puff’ ist nämlich ein schönes Lied“, sagte sie. „Mein Name ist Gloria, und ich mag auch gerne Apfelmus.“

Allison warf den Kopf zurück. „Magst du auch Käsebrote?“

„Ich finde Pizza, schmeckt besser.“

„Finde ich auch.“

Und so einfach wird ein Pakt geschlossen, dachte Sam. Seine Tochter war verzaubert von diesem letzten und unerwarteten Angebot der Kindermädchen-Agentur „Schutzengel“.

„Allison, geh nach oben.“ Seine Stimme war eine schroffe Störung, seine unerbittliche Autorität setzte dem Zauber ein abruptes Ende.

Allie zitterte die Unterlippe, als sie ihn ansah. „Ich möchte aber nicht.“

Er versuchte, sie zu warnen, indem er ärgerlich die Augenbrauen hochzog.

Sie warf jedoch die Schultern zurück und hielt die Stellung. „Du willst Gloria nur wegschicken.“

Er war nicht so dumm, diese unbestreitbare Tatsache jetzt und hier mit seiner Tochter zu diskutieren. „Keine Widerrede, Allie! Wenn es sein muss, bringe ich dich nach oben und leg dich ins Bett, aber ich bitte dich, ein großes Mädchen zu sein und zu gehorchen.“

Sie schob die Unterlippe zum Schmollmund nach vorn. „Ich bin kein großes Mädchen. Ich bin klein. Und ich gehe nicht ins Bett.“

Vater und Tochter standen sich Auge in Auge gegenüber, und Sam nahm ihre Herausforderung in väterlicher Allmacht an – bis sie den Drachen hochriss und fest in den Armen hielt, als wäre dieses Stofftier ihr Schutz gegen alles Übel dieser Welt und vor allem gegen den eigensinnigen Vater. In dem Moment war Sam klar, dass ihm kein Ausweg mehr einfiel, Allison ohne eine Flut von Tränen und einem Haufen hässlicher Drohungen nach oben ins Bett zu bringen.

„Hast du das gesehen?“ Glorias Flüstern trennte die verhärteten Fronten. „Hast du gesehen, wie Hunny gegähnt hat?“

Allisons ganze Aufmerksamkeit galt jetzt dem Kuscheltier in ihren Armen. „Er gähnt nicht“, sagte sie zu Gloria. „Siehst du?“

Gloria presste ihre Lippen nachdenklich aufeinander. „Dann muss ich mir das eingebildet haben … nein, sieh mal, er tut es schon wieder. Er gähnt, nicht wahr, Sam?“

Sam konnte nur ein Grinsen in dem Drachengesicht sehen, aber er nickte zustimmend.

„Ja, ich kann sogar seine Mandeln sehen. Er muss sehr, sehr müde sein.“

Allison packte den Drachen an den Barthaaren, drehte ihn zu sich herum und untersuchte ihn genau, bevor sie Gloria ihre Zweifel mitteilte.

„Ich glaube nicht, dass er Mandeln hat.“

„Vielleicht habe ich mich da getäuscht, aber ich weiß genau, dass Drachen gerne viel schlafen.“

Ihre großen braunen Augen waren voller Misstrauen. „Hunny nicht.“

„Das ist aber sehr ungewöhnlich für einen Drachen“, sagte Gloria mit einem wissenden Lächeln. „Denn wenn Drachen schlafen, dann träumen sie von wunderschönen Dingen wie von Apfelmus und Engeln und kleinen Mädchen, die Allison heißen.“

Sam betrachtete diese sehr hübsche und sehr scharfsinnige junge Frau, die heute Abend buchstäblich vom Himmel gefallen war. In ihrem Nadelstreifen-Kostüm sah sie zum Anbeißen aus, wobei die Rüschen ihrer blütenweißen Bluse zugleich etwas sehr Unschuldiges hatten. Wenn Sam sie nicht vor weniger als zehn Minuten noch nackt gesehen hätte, dann hätte er wahrscheinlich geglaubt, all seine Gebete wären erhört worden. Und vor allem wäre er dann nicht so seltsam irritiert und aufgeregt.

„Träumt Hunny von mir?“ Allisons Frage holte ihn in die Wirklichkeit zurück.

„Wann immer er nur kann“, sagte Gloria in einem Ton, als ob sie es ganz genau wisse. „Glaubst du, Hunny könnte lange genug aufhören zu gähnen, um noch eine Gutenachtgeschichte zu hören, bevor er einschläft?“

„‚Das beste Nest‘?“ Allie zeigte großes Interesse. „Das ist seine Lieblin’sgeschichte.“

„Das ist ja auch eine wunderschöne Geschichte. Warum gehst du nicht schon mal nach oben ins Bett? Dein Daddy kommt gleich rauf und liest dir und Hunny ‚Das beste Nest‘ vor. Würde dir das gefallen?“

Allie ließ ihre Schultern enttäuscht sinken. „Sam liest nicht.“

„Aber ich habe seine Lesebrille gesehen.“ Gloria zeigte auf die vollgestopften Bücherregale. „Und er hat all diese Bücher.“

„Er liest aber nie ‚Das beste Nest‘.“

„Das stimmt nicht, Allison.“ Sam hatte das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. „Ich habe dir das Buch schon ein Dutzend Mal vorgelesen.“

„Wann denn?“

Sie erinnert sich nicht mehr, musste er feststellen. Sie erinnerte sich wirklich nicht mehr. „Okay. Ich komme gleich rauf und lese dir ‚Das beste Nest‘ vor, sobald ich hier alles geregelt habe mit Miss … äh, mit Gloria.“

Allie wägte ihre Möglichkeiten ab. „Du darfst sie aber nicht wegschicken! Hunny und ich mögen sie lieber als Miss Maggard.“

„Ich weiß.“ Sam strich über Allies dünnes aschblondes Haar, legte ihr dann die Hände auf die Schultern und schob sie zu Tür.

„Gute Nacht, Allison“, sagte Gloria. „Gute Nacht, Hunny.“

„Bis morgen, nich’, Gloria? Du bist doch da, wenn ich aufwache, nich’? Und dann … dann spielen wir … und singen,Puff’ und … so, nich’?“

„Nach oben, Allison.“ Sam unterstützte seine Aufforderung mit einem festen Druck auf ihren Rücken.

Allie zog Hunny am Schwanz die vier kleinen Stufen zur Tür des Arbeitszimmers hinauf. Dann drehte sie sich plötzlich noch einmal um, und ihr Gesicht strahlte, als sie ihren Einfall vortrug: „Komm mit rauf, Gloria. Dann kann Sam dir auch ‚Das beste Nest‘ vorlesen.“

Sam nahm seine Tochter hoch. „Ich bin gleich wieder da“, sagte er zu Gloria mit einem leicht verlegenen Stirnrunzeln. „Gehen Sie nicht weg.“

„Bestimmt nicht.“ Ihre Antwort war klar und deutlich, und Sam fragte sich, welches Risiko er da einging, indem er sie allein in seinem Arbeitszimmer zurückließ. „Machen Sie sich keine Sorgen“, fuhr sie lächelnd fort. „Ich hebe nur diese Papiere auf und schau mich ein bisschen um.“

„Ich möchte, dass Gloria bei mir im Zimmer schläft“, sagte Allison. Sam schaute hinunter auf das Kind, und zurück zu Gloria, die schon das Zimmer mit ihren neugierigen blauen Augen absuchte. „Ich bin in einer Minute zurück“, sagte er in einem etwas verzweifelt klingenden Ton. „Rühren Sie nichts an.“

„Du kannst ‚Das beste Nest‘ nicht in einer Minute lesen“, beschwerte sich Allie, als er mit ihr auf die Treppe zuging. „Du brauchst einen ganzen Haufen Minuten, wenn du es richtig vorliest.“

Wild entschlossen nahm er mit Allie auf dem Arm immer zwei Stufen auf einmal. Als er auf der obersten Stufe angekommen war, kam ein Unheil verkündendes Geschepper aus seinem Arbeitszimmer, gefolgt von einem erschrockenen „Ups.“

Sam blieb bestürzt stehen, aber Allison machte Anstalten, sich aus seinem Arm herauszuwinden. „Ich krieg keine Luft mehr“, keuchte sie.

Er lockerte seinen Griff und beeilte sich, sie in ihr Zimmer zu bringen. Dort ließ er sie einfach auf das Bett fallen. „Ich komme gleich zurück und lese dir ‚Das beste Nest‘ vor“, sagte er schnell. „Und du stehst nicht wieder auf.“

„Und wenn ich aufs Klo muss?“

„Ich warne dich, Allison.“ Mit dieser nicht weiter ausgeführten Drohung eilte er aus dem Zimmer, raste die Treppe hinunter und kam erst in seinem Arbeitszimmer wieder zum Stehen … Gloria war nirgendwo zu sehen. Die Papiere, die sie auf den Boden verteilt hatte, lagen säuberlich aufeinandergestapelt auf dem Schreibtisch. Das Glas, das er vorhin benutzt hatte, war sauber und zu den anderen Gläsern aus Waterford-Kristall auf die Bar hinter seinem Schreibtisch zurückgestellt. Er schaute sich um, um den Schaden zu festzustellen, der zu diesem fürchterlichen Geschepper, das er gehört hatte, passte.

Die Terrassentür zum Garten stand offen, und er schaute hinaus. „Gloria?“, rief er, aber er sie war nicht im Garten. Sie ist fort, dachte er erleichtert, wenn auch mit einem Anflug von Enttäuschung.

„Verdammt!“ Er machte auf dem Absatz kehrt und lief – rums! – direkt in sie hinein. Sie taumelte zurück, und in seinem vergeblichen Versuch, sie festzuhalten, bevor sie zu Boden ging, verlor auch er das Gleichgewicht, und sie fielen gemeinsam auf den Holzfußboden. Einen Moment lang, vielleicht auch zwei, spürte Sam nur ihren Körper unter sich – die Weichheit und die herrlichen Formen dieses ausgesprochen weiblichen Körpers. Als sie sich bewegte, spürte er, wie sein Körper sofort reagierte. Schnell richtete er sich auf und blickte zu ihr hinunter. „Alles in Ordnung?“

Sie setzte sich auf. „Klar. Ich tue mich nur noch schwer mit dem Laufen, aber ich kann schon ganz gut landen. Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen, wie es geht.“

„Danke, aber ich fürchte, dafür reicht die Zeit nicht mehr. Sie müssen jetzt gehen.“

„Ich kann nicht gehen, bevor ich meine Aufgabe erfüllt habe.“

„Das geht schon in Ordnung. Ich werde Mrs. Klepperson alles erklären.“

Sie lächelte verschämt. „Ich glaube, Sie wissen nicht, mit wem Sie es zu tun haben, Sam.“

Er kam wieder auf die Füße und reichte ihr die Hand. „Sie haben ganz bestimmt recht, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Sie jetzt gehen müssen.“

Gloria ergriff mit beiden Händen die seine und klammerte sich an Sam, um nicht wieder das Gleichgewicht zu verlieren. „Ich glaube bald, dass dies die schwierigste Aufgabe ist, die ich je gehabt habe.“

„Sie sagten doch, dass dies Ihre erste ist.“

„Und wie es bis jetzt aussieht, auch meine letzte. Ich muss bestimmt sofort zurück ins Cherub-Corps.“

„Cherub-Corps? Was ist das denn? Windel-Dienst?“

„Eher so etwas wie ein Fahrdienst.“ Sie seufzte und schaute ihn fast neugierig an. Dann plötzlich hob sie die Hand und strich ihm über die Wange. Ein Lächeln der Überraschung umspielte ihre Lippen. „Ich wusste nicht, dass sich ein Mann so gut anfühlt.“

Er machte erschrocken einen Schritt zurück, und sie hielt sich schnell an seiner Hand fest, um nicht wieder umzufallen. „Hoppla“, sagte sie. „Meinen Sie, ich könnte mich hinsetzen?“

Bevor er Nein sagen konnte, saß sie im Schneidersitz auf dem Boden. Sie strahlte ihn an. „Jetzt glaube ich auch, dass Leonard mit diesem Outfit recht gehabt hat. Wenn ich den Lederanzug genommen hätte, dann wäre jetzt die Hose aufgeplatzt.“

Sam wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, ihm war nur klar, dass er aufhören musste, sich durch ihre entwaffnende Art ablenken zu lassen. Seine Hauptverantwortung war Allison, und egal wie unschuldig diese Frau auch aussah, sie war kein Engel. „Wer zum Teufel ist Leonard?“

„Er ist der offizielle Berater für Engel in der Ausbildung und damit zuständig für Erfahrungen in einem menschlichen Körper. Und er hilft als Aufseher den Engeln, die eine Anstellung haben.“

Sam nickte, als ob er sie verstünde. Entweder gab es in dieser Agentur für Kindermädchen für alles einen auf den Himmel anspielenden Begriff, oder er hatte es hier mit einer echt verrückten Pflanze zu tun. „Könnte ich vielleicht mal mit diesem … Berater reden?“

„Natürlich nicht“, sagte sie lachend. „Er spricht nur mit mir, und er kommt auch nur, wenn ich Schwierigkeiten habe.“

„Dann wundert es mich umso mehr, dass ich ihm noch nicht begegnet bin. Was haben Sie übrigens vorhin zerbrochen?“

„Oh, keine Sorge, ich habe es wieder repariert.“

„Was?“, wollte er wissen, und schaute sich suchend nach einem Anzeichen irgendeiner Zerstörung um. „Was haben Sie repariert?“

„Haben Sie eigentlich in letzter Zeit mal Ihren Blutdruck kontrollieren lassen? Ich glaube, er ist ein bisschen hoch.“

Und er stieg von Minute zu Minute höher. „Verdammt noch mal! Ich will, dass Sie aus meinem Haus verschwinden, und ich will wissen, was zum Teufel Sie kaputt gemacht haben, während ich oben bei Allison war!“

Traurig schüttelte sie den Kopf. „Wir werden an Ihrem Wortschatz arbeiten müssen, Sam. Sie wissen ja, Ihre Tochter ist sehr leicht zu beeinflussen.“

Er fragte sich, wie er mit dieser Frau fertigwerden sollte. „Dazu werden Sie keine Gelegenheit mehr haben, Miss Geh-Holen.“

Sie hatte wenigstens den Anstand, bei diesen Worten zu erröten. „Der erste Eindruck ist wirklich sehr wichtig“, seufzte sie. „Am besten vergessen Sie, dass Sie mich ohne Kleidung gesehen haben.“

Er glaubte nicht, dass das möglich war. „Wenn ich verspreche, es zu vergessen, würden Sie mir dann versprechen, jetzt zu gehen, ohne eine Szene zu machen?“

Sie lächelte, und es war ihm rätselhaft, warum er zurücklächelte. „Allison wartet auf Sie“, sagte sie.

Als wenn das ihr Stichwort gewesen wäre, tönte die Stimme der Kleinen aus ihrem Zimmer herunter. „Sam? Wann bist du fertig mit Reden? Hunny verliert die Geduld.“

„Oh, oh! Sie gehen lieber zu ihr. Sonst verlieren noch alle die Geduld in diesem Haus.“

Plötzlich fühlte sich Sam ganz eigenartig und sehr ruhig. „Ich gehe jetzt besser nach oben“, sagte er, obwohl er eigentlich lieber unten geblieben wäre, bis diese Frau endgültig aus dem Haus war. Doch plötzlich schien ihn das nicht mehr wichtig zu sein.

„Man soll einen Drachen nie warten lassen.“

Eine herrliche Teilnahmslosigkeit hatte ihn ergriffen und ihm all seine Entschlossenheit genommen. „Was machen Sie in der Zwischenzeit?“

„Oh, ich bleibe einfach hier.“ Sie zeigte mit einer Handbewegung auf ihre Beine. „Wenn ich hier schon mal so sitze, kann ich ein wenig darüber meditieren, wie man einen Fuß vor den anderen setzt. Vergessen Sie mich einfach, Sam. Wenigstens bis morgen.“

Er nickte zustimmend, obwohl er das gar nicht wollte, doch er konnte nicht anders. Dann ging er aus dem Zimmer, als wenn sie gar nicht da wäre.

3. KAPITEL

Die Sonne strahlte durch die Glastür in der Küche und warf ein hübsches Mosaikmuster auf die Fliesen. Sam reckte und streckte sich noch etwas verschlafen und ging barfuß zum Spülbecken. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so tief geschlafen hatte und so ausgeruht – und so spät aufgewacht war. Die Uhr neben der Spüle zeigte die Zeit an – sieben Uhr acht und fünfzehn Sekunden. Sam schaltete das Radio ein.

Das laute Geplapper von Jennys Lieblingsradiosprecher erinnerte ihn daran, wie diese Küche morgens immer voller Leben gewesen war, mit den Frühnachrichten, Wetterberichten und dem anderen täglichen Quatsch.

Sam drehte am Sendersuchknopf, um einen Sender zu finden, der ihn nicht an die Vergangenheit erinnerte – und stieß auf eine beschwichtigende Stimme. „Dies ist eine gute Übung. Dennoch kann man sich oft auch ohne solche Denkanstöße, wie wir sie heute in dieser Sendung besprochen haben, noch nach Stunden an seine Träume erinnern.“

„Jetzt, liebe Hörer, legen Sie Ihre Stichwörter zur Seite und fangen mit den Beinübungen an … Und eins, und zwei, und … so weiter! Bleiben Sie auf Kanal 92,3 eingeschaltet, denn morgen wird Ihnen Dr. Grace Tracy in unserer Sendereihe über Träume einige Deutungshilfen für Ihre Tr…“

Sam drehte weiter an dem Knopf und fand eine nervenzerreißende Mischung aus Bass und elektrischer Gitarre. Bei so einem Krach ist mir die Stille doch lieber, dachte er, und stellte das Radio wieder aus. Die Ruhe würde sowieso nur noch so lange anhalten, bis Allie aufstand. Das erinnerte ihn daran, dass Miss Maggard sie ja plötzlich verlassen hatte und er, wenn kein Wunder geschah, seine fünfjährige Tochter heute mit ins Büro nehmen musste. Vielleicht sollte er eine andere Agentur anrufen. Mrs. Kleppersons „Schutzengel“ waren schließlich nicht die einzigen Kindermädchen in Tulsa.

Oh, eigentlich hatte ich noch nie Kleider. Worte voller Lachen zogen wie Spruchbänder durch seinen Kopf und vor seinem inneren Auge entstand das Bild einer Frau – einer sehr schönen und sehr nackten Frau. Plötzlich erinnerte er sich sehr lebhaft an seinen Traum der letzten Nacht und all die verlockenden Bilder. Sam massierte sich den Nacken. Noch nie zuvor hatte er einen solchen Traum gehabt, einen so realen Traum, dass er den seltsamen Wunsch verspürte …

Er drehte sich um, um aus der Hintertür zu blicken. Es war absurd, unter dem Vordach etwas finden zu wollen. Er musste verrückt sein, auch nur den leisesten Gedanken daran zu verschwenden, dass er dort gestern Abend jemanden gesehen hatte. Er hatte wahrscheinlich gehört, wie die Basset-Hündin des Nachbarn in den Mülltonnen wühlte, und dieses Geräusch musste sich irgendwie in seine Träume geschlichen haben und zu einer nackten Nanny geworden sein. Nackte Nanny. Es konnten sich keine anderen zwei Wörter so sehr widersprechen wie diese beiden! Er schämte sich beinahe dieses Gedankens, ging aber doch hinüber zum Fenster und schaute in den Garten hinterm Haus.

Nicht die Spur von Müll auf dem taufrischen Gras. Die vier Mülltonnen standen ordentlich an ihrem gewohnten Platz, die Deckel waren fest verschlossen. Ethel hatte keine Spuren hinterlassen. Sam lachte erleichtert auf, aber das Lachen erstarb ihm auf den Lippen, als die Türglocke ihren Choral erklingen ließ.

Ich liebe dieses Lied. Ihr Gesicht und ihr Lächeln waren in seinem Kopf genauso lebendig wie ihre Worte. Sam schüttelte den Kopf und ging durch die Küche in die Eingangshalle. Die letzte Woche war sehr anstrengend gewesen, nachdem er Allie nach Hause geholt und versucht hatte, sie wieder in sein Leben zu integrieren. Gut, integrieren war vielleicht nicht das richtige Wort – er hatte seiner Tochter eine hochbezahlte Nanny besorgt, die jedoch nach wenigen Tagen die Flucht ergriffen hatte.

„Puff“ ist ein wunderschönes Lied. Sie hieß Gloria, und sie hatte die Stimme eines Engels.

Wie ein Ertrinkender griff Sam nach der Türklinke und riss die Tür auf.

„Das Unterhemd steht dir gut, Sam, aber hier im Mittleren Westen tragen wir Hemden und Krawatten zur Arbeit. Übrigens auch Socken und Schuhe.“ Sein Freund und Geschäftspartner Damon Field rauschte an ihm vorbei in die Küche. „Du bist spät dran, mein Freund. Und ich bin extra zwanzig Minuten früher aufgestanden, um dir Frühstück zu bringen.“ Er hielt zwei weiße Tüten hoch. „Bagel mit Schinken und Käse für uns und ein paar klebrige Donuts für unsere Prinzessin vom Schmollberg.“

Sam schloss die Haustür und folgte Damon die Halle hinunter in die Küche. „So wie du sie immer foppst, ist es kein Wunder, dass Allison automatisch schmollt, wenn du da bist.“

„Sie lässt sich gern von mir aufziehen.“ Damon legte die Tüten auf den Tisch. „Aber solltest du nicht lieber in die Gänge kommen? Das Treffen mit Morrison ist um acht.“

„Mir ist klar, wie spät es ist und auch wie wichtig dieser Termin ist, aber ich habe heute Morgen … äh, ein kleines Problem.“

Damon schlug Sam auf die Schulter. „Du weißt, ich hasse es, immer derjenige zu sein, der sagen muss,Hab ich es dir nicht gesagt?’, aber ich habe dich gewarnt. Du kannst dich bei deiner 52-Stunden-Woche nicht auch noch um ein Kind und ein Haus kümmern. Du hättest Allie bei ihrer Großmutter lassen und sie nur an den Wochenenden und in den Ferien herholen sollen. Diese Regelung hat doch ein ganzes Jahr lang gut geklappt, oder etwa nicht?“

„Ich bin ihr Vater. Nicht nur ein gelegentlicher Besucher.“ Sam kämpfte gegen die Schuldgefühle an, die ihn einfach nicht in Ruhe lassen wollten. Allie allein zu lassen, war egoistisch und falsch gewesen, die schlimmste aller falschen Entscheidungen, die er nach Jennys Tod getroffen hatte. Sein Kummer und die Arbeit waren für ihn eine willkommene Entschuldigung gewesen, das Kind zu den Großeltern zu geben und sich um die Bauprojekte in Europa zu kümmern. Doch es war nicht die Arbeit gewesen, die ihn damals zu dieser Entscheidung geführt hatte, sondern einfach nur die blanke Angst. Angst vor einem Leben ohne die Frau, die er liebte, seit er dreizehn Jahre alt war, Angst vor einem Haus, das seinen Mittelpunkt verloren hatte, Angst vor einer Rolle, die er nicht spielen konnte. Also war er davongelaufen, und zwar so schnell er konnte. „Ich hätte sie nicht verlassen dürfen.“

„Du hast es richtig gemacht, Sam. Janice und Jim haben sie gerne um sich gehabt. Außerdem ist auf einer Baustelle in Italien – oder sonst wo auf der Welt – kein Platz für ein Kind.“ Damon schaute sich suchend in der Küche um. „Und jetzt hör auf, dir Vorwürfe zu machen, und zeig mir lieber, wo ich alles finde, um uns eine anständige Tasse Kaffee zu zaubern.“

„Im Stehkaffee der Tankstelle bekommst einen Kaffee für 59 Cent“, schlug Sam vor, „und es liegt auf dem Weg ins Büro.“

„Nun komm schon, Sammy, ich schmeiß doch mein Geld nicht in einen Automaten.“ Er öffnete einen Schrank und nickte zufrieden. „Weißt du noch, wie wir die Videokamera deines Vaters auseinandergenommen haben? Da werde ich doch wohl auch noch eine Kaffeemaschine bedienen können.“

Damon zog die Filtermaschine aus dem Schrank und wuchtete sie auf die Arbeitsplatte.

Sam musterte das Gerät und beobachtete Damon, wie er sich damit abmühte. Eine Tasse Kaffee wäre jetzt wirklich ein Geschenk des Himmels, aber nachdem er fünf Tage lang jeden Morgen vergeblich versuchte hatte, dieser Maschine Kaffee zu entlocken, wusste er, dass es zwecklos war. „Das ist vergebliche Liebesmüh, Damon. Im Kühlschrank ist noch Milch. Trink die.“

„Ich will aber Kaffee trinken“, sagte Damon. „Sieh du nur zu, dass du dich endlich anziehst, und ich werde …“, sein Blick fiel auf die Tür, „wenn das nicht unsere Prinzessin ist. Guten Morgen, Hoheit.“

Allison rümpfte geringschätzig die Nase. „Hunny und ich möchten frühstücken“, sagte sie zu Sam.

„Ich habe euch Donuts mitgebracht.“ Damon zeigte auf eine der Tüten. „Ich wette, du isst mehr als nur einen.“

Sam zog einen Stuhl heran, und Allie kletterte hinauf. „Hunny möchte Apfelmus“, sagte sie. „Und ich möchte einen Hamburger.“

Sam schob sie mit ihrem Stuhl an den Tisch. „Möchtest du lieber einen Bagel?“

Allie seufzte und legte den Kopf auf den Tisch. „Nein“, brummelte sie. „Ich möchte einen Hamburger und Pommes und ganz viel Sauce.“

„Also Toast mit Kirschmarmelade.“ Sam ging zum Schrank und holte den Toaster heraus, das einzige Küchengerät, dem er noch traute. „Du auch, Damon?“

„Nein, ich halte mich an die Bagels.“ Damon schaltete die Kaffeemaschine an. Dann zog er sich einen Stuhl heran und nahm Allison gegenüber am Tisch Platz. „Nun, Prinzessin, bist du bereit, diese wertlose Drachenhaut gegen meinen Teddybären einzutauschen?“

Allie hob den Kopf. „Wir haben einen Schubsengel. Und wenn ich ihr das sage, dann lässt sie dich verschwinden.“

„Oh.“ Damon zog die Augenbrauen hoch, als wenn er Angst hätte. „Einen Schubsengel. Hat er denn kräftige Arme und große Hände?“

Sam schob den Griff am Toaster hoch. Ihm war es egal, ob das Brot schon heiß genug war. Hauptsache er hatte etwas, womit er Damons Fopperei stoppen konnte. „Zwei Toasts sind im Anflug.“

„Komm schon, Allie“, zog Damon sie auf. „Ich sag nie wieder was gegen deinen Drachen, wenn du mir von dem Schubsengel erzählst.“

Sam stellte einen Teller vor Allison und schob dem Quälgeist, der seine Tochter ärgerte, auch einen zu. „Lass sie in Ruhe, Damon. Sie redet von dem Kindermädchen. Miss Maggard war von der Agentur,Schutzengel’.“

Damon sah ihn an. „Was meinst du mit ‚war‘?“

„Miss Maggard hat uns verlassen, um ihr Glück – oder was auch immer – woanders zu suchen.“

„Ich und Hunny haben sie verleibt.“

Sam sah seine Tochter in stiller Verzweiflung an. Wie kam sie immer nur auf solche Ideen? „Ich glaube, das hast du falsch verstanden, Allison, Miss Maggard ist nicht gegangen, weil du sie vertrieben hättest.“

Das Kind legte den weichen Drachenkopf neben sich auf den Tisch, bevor sie in ihren Toast biss. „Ist schon gut, Sam“, sagte sie mit vollem Mund. „Ich und Hunny mögen Gloria sowieso lieber.“

Ich bin Gloria, und ich bin Ihr Schutzengel. Nein. Halt. Stopp. Das war doch in seinem Traum vorgekommen. Wie konnte Allison …?

„Ha… hallo.“ Damons Stottern löste bei Sam Alarm aus. Er wirbelte herum, während Damon aufsprang. „Sam, alter Knabe“, flüsterte Damon leise, „du hast mir etwas vorenthalten. Wer ist das?“

Das war die Frau. Die aus seinem Traum. Sie stand in der Tür, ein leuchtend blaues Sommerkleid umspielte ihren herrlichen Körper, und in einer Hand hielt sie einen mit Bändern geschmückten Hut, während sie sich mit der anderen am Türpfosten festhielt. Sie sah aus, als wäre sie aus einer Reklame für Champagner oder einen anderen Luxusartikel gestiegen. Sie lächelte, und er hätte schwören können, dass die Sonne plötzlich noch heller schien. „Ist dieser herrliche Morgen nicht wie ein Wunder?“, sagte sie.

„Ein Wunder“, echote Damon. „Sie müssen der Schubsengel sein.“

„Ich bin Gloria.“

Sam machte einen Schritt auf sie zu und war plötzlich vollkommen unsicher. Wenn sie ein Traum war, wie konnte sie dann in seiner Küche stehen? „Wo kommen Sie denn her?“, fragte er.

„Direkt aus meinen Träumen.“ Damon war blitzschnell an der Tür. „Ich bin Damon Field. Sam hat Ihnen bestimmt von mir erzählt, wenn er auch aus irgendeinem Grund vergessen haben muss, mir von Ihnen zu erzählen.“

„Damon“, sagte sie, und aus ihrem Mund hörte es sich wie der Klang eines Tautropfens an. „Ich weiß über Sie Bescheid.“

„Was immer er Ihnen erzählt hat, es war bestimmt maßlos übertrieben, oder es stimmte überhaupt nicht.“

„Einiges davon ist wahr. Ihr Anzug ist sehr schön.“