Jupiter 12: Der ewige Lügner - Kai Hirdt - E-Book + Hörbuch

Jupiter 12: Der ewige Lügner E-Book und Hörbuch

Kai Hirdt

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Beschreibung

Seit 3000 Jahren reisen die Menschen zu den Sternen. In dieser Zeit haben sich die Erde und die Welten der Liga Freier Terraner zu einer blühenden Gemeinschaft entwickelt. Die neue Gefahr für die Menschheit kommt diesmal aus dem Herzen der menschlichen Zivilisation – direkt vom Riesenplaneten Jupiter. Mit seiner Lebensgefährtin Mondra Diamond und Reginald Bull, seinem ältesten Freund, begibt sich Perry Rhodan an den Ort des Geschehens. Er stellt fest, dass eine Verschwörergruppe den Jupiter zu einem Schwarzen Loch implodieren lassen will. Kurz vor dem Untergang der Atmosphärenstation MERLIN kann ein Großteil der Bewohner in Sicherheit gebracht werden. In letzter Minute hat Reginald Bull zudem die Bevölkerung von Ganymed gerettet. Der Jupitermond selbst jedoch ist zerstört. Währenddessen schreitet die Umwandlung des Riesenplaneten in ein Schwarzes Loch weiter voran. Perry Rhodan muss in eine ferne Galaxis aufbrechen, um die Katastrophe abzuwenden. Sein Gegner ist DER EWIGE LÜGNER ...

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Zeit:4 Std. 17 min

Sprecher:Marco Sven Reinbold

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Nr. 12

Der ewige Lügner

Die Welt der Schiqalaya nach dem Krieg – ein Unsterblicher erlangt Glückseligkeit

Kai Hirdt / Wim Vandemaan

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

Epilog

Impressum

Seit 3000 Jahren reisen die Menschen zu den Sternen. In dieser Zeit haben sich die Erde und die Welten der Liga Freier Terraner zu einer blühenden Gemeinschaft entwickelt. Die neue Gefahr für die Menschheit kommt diesmal aus dem Herzen der menschlichen Zivilisation – direkt vom Riesenplaneten Jupiter.

Mit seiner Lebensgefährtin Mondra Diamond und Reginald Bull, seinem ältesten Freund, begibt sich Perry Rhodan an den Ort des Geschehens. Er stellt fest, dass eine Verschwörergruppe den Jupiter zu einem Schwarzen Loch implodieren lassen will.

Kurz vor dem Untergang der Atmosphärenstation MERLIN kann ein Großteil der Bewohner in Sicherheit gebracht werden. In letzter Minute hat Reginald Bull zudem die Bevölkerung von Ganymed gerettet. Der Jupitermond selbst jedoch ist zerstört.

Währenddessen schreitet die Umwandlung des Riesenplaneten in ein Schwarzes Loch weiter voran. Perry Rhodan muss in eine ferne Galaxis aufbrechen, um die Katastrophe abzuwenden. Sein Gegner ist DER EWIGE LÜGNER ...

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner ist die letzte Hoffnung für Jupiter.

Ileschqa – Der Schiqalaya geleitet Rhodan zum Psionen-Born.

Phalguwan – Der Phausha spielt eine undurchsichtige Rolle.

Pao Ghyss – Die Kristallfischerin enthüllt ihr wahres Gesicht.

Firmion Guidry

1.

»Schelekesch«, wiederholte Perry Rhodan gedankenverloren. Sie hatten ein neues Ziel.

Die Geschichtsstunde der Schiqalaya war beendet. Die Wesen, die wie knochige Engel aussahen, falteten die Schwingen an ihre Körper. Die lebende Bildwand, die sie gemeinsam gebildet hatten, war von einem Moment auf den anderen verschwunden.

Rhodan dachte darüber nach, was er gesehen und erfahren hatte. Die Schiqalaya waren ein durch und durch friedfertiges Volk, das stets die Flucht dem Kampf vorgezogen hatte. Sie waren zwar mitverantwortlich für die Katastrophe, die sich im Sonnensystem anbahnte – vor über fünfundfünfzigtausend Jahren hatten sie die beiden Geräte hierhergeschickt, die nun drauf und dran waren, Jupiter in ein Schwarzes Loch zu verwandeln.

Aber weder hatten sie in böser Absicht gehandelt, noch beherrschten sie die Technik wirklich. Und das hieß: Sie konnten auch nicht helfen.

Nun schlug sich also Reginald Bull auf Ganymed mit einer der zwei Maschinen herum. Die andere, hier auf Jupiters festem Kern, war Rhodans Aufgabe. Und um sie zu bewältigen, stand eine große Reise an.

»Möglicherweise gibt es einen Weg«, sagte Ileschqa. In dem unsterblichen Schiqalaya hatte Rhodan unerwartet einen Verbündeten getroffen.

In gewisser Weise jedoch irritierten ihn die Friedfertigkeit und Hilfsbereitschaft dieser Wesen. Einen Gegner hätte man besiegen und zur Unterstützung zwingen können. Aber hier gab es keine Schlacht zu schlagen.

Ganz im Gegenteil hätten ihn die Schiqalaya gern dabei unterstützt, den Fluktuationstransmitter abzuschalten und dadurch die Aufladung Jupiters mit Higgs-Teilchen zu beenden.

Nur konnten sie das nicht, weil die Apparatur von ganz anderer Stelle aus gesteuert wurde: auf Schelekesch, ihrer Hauptwelt bis zu dem Zeitpunkt, da die Tritheophane Präsenz sie erobert hatte. Ein Missionarsvolk dieser ominösen Präsenz, die Zhiridin, hatte nicht nur Schelekesch, sondern die ganze Galaxis Baschq mit Krieg überzogen.

Und nun musste Rhodan auf die gefallene Welt, um den Fluktuationstransmitter außer Gefecht zu setzen. Er musste eine ihm unbekannte Technik finden und desaktivieren. Auf einem fremden Planeten, der sich in der Hand brutaler und fanatischer Feinde befand. Und der in einer anderen Galaxis lag, deren Position Rhodan nicht kannte.

Für diese Aufgabe hatte er nicht einmal mehr zwei Tage.

Ileschqa, der unsterbliche Schiqalaya, der von der Geschichte seines Volks erzählt hatte, sah Rhodan nachdenklich aus lackschwarzen Augen an. »Es ist riskant«, sagte er. »Selbstverständlich haben wir versucht, einen Ausweg zu finden, seit wir auf dem Jupiter havariert sind. Wir glauben, man kann den Fluktuationstransmitter benutzen, um zu seiner Steuerstation zu gelangen. Von dort ist es vielleicht möglich, zu einem anderen Ziel zu fliehen, ohne in die Hand der Zhiridin zu fallen.«

»Mir würde es reichen, zur Steuerstation zu kommen«, entgegnete Rhodan. »Das Zhiridin-Problem müssen wir vor Ort lösen.«

Reflexmäßig legte er die Hand an die Hüfte, dort, wo sein Kombistrahler hätte sein sollen. Er griff ins Leere. Die Waffe hatte er ablegen müssen, bevor er sich gemeinsam mit Pao Ghyss und Firmion Guidry in den Skaphander gezwängt hatte. Der für die Jupiteratmosphäre ausgelegte Raumanzug hatte zwar drei Menschen transportieren können, aber für Ausrüstung war kein Platz mehr geblieben. Was war aus dem Strahler geworden? War er in dem Raupenfahrzeug zurückgeblieben, als dieses den Geist aufgegeben hatte?

Rhodan wusste es nicht. Fest stand nur: Er war unbewaffnet. Und die Schiqalaya um Ersatz zu bitten, war sinnlos. Sie verwendeten keine Angriffswaffen, sondern schützten sich lediglich mit immens starken Schirmen.

»Was heißt eigentlich Ihr glaubt, man kann den Transmitter benutzen?«, fragte Rhodan.

»Wir haben Jahrzehnte geforscht und eine Methode entwickelt. Die Transportkapseln dematerialisieren wie vorgesehen. Wir wissen jedoch nicht, ob sie ihr Ziel erreichen. Es gab noch keinen Versuch mit lebenden Schiqalaya an Bord.«

»Dann wird es wohl Zeit dafür«, entschied Rhodan. »Beziehungsweise mit lebenden Menschen.«

Er blickte kurz zu seinem Begleiter, dem stets schläfrigen Guidry mit seiner Gabe, Maschinen durch Geisteskraft zu heilen. Die wunderschöne, hinreißende Pao Ghyss war nicht zu sehen. Sie wanderte wahrscheinlich durch die Gänge der NAPHAUT DOSCHUR und beeindruckte die Besatzung des gestrandeten Hyperraumboots.

Beim Gedanken an Pao zögerte er. Konnte er sie dem Risiko einer solchen Reise aussetzen?

Andererseits: Auf Jupiter zurückzubleiben, während der Planet zum Schwarzen Loch wurde, war nicht weniger gefährlich. Und wenn er ehrlich war: Er wollte sie an seiner Seite haben.

»Wo auf Schelekesch würde man herauskommen, wenn alles wie geplant klappt?«, fragte Rhodan.

»Ich weiß es nicht.« Der Schiqalaya erläuterte in Grundzügen die Funktionsweise des Transmitters: Im Umfeld des Quarksterns Wuanq wurden aus Exotischer Materie die Higgs-Teilchen synthetisiert. Der Transmitter sendete sie zunächst zu einer Relaisstation in der Nähe von Schelekesch und dann weiter, über die Abgründe zwischen den Galaxien hinweg, bis in den Jupiter.

Rhodan hörte aufmerksam zu, bis er die möglichen Probleme erfasst hatte. »Besteht nicht die Gefahr, dass wir auf diesem Transmitterrelais herauskommen statt auf Schelekesch?«, erkundigte er sich. »Falls sich der Fluktuationstransmitter überhaupt manipulieren lässt?«

»Das weiß ich nicht«, bekannte Ileschqa.

Rhodan zuckte mit den Achseln. Sie würden es herausfinden. Sie hatten ohnehin keine andere Wahl. Wieder mal ein Plan, der sich selbst macht, dachte er.

*

Pao Ghyss erwartete sie in der Kathedrale, wie Rhodan die Halle vom ersten Moment an innerlich genannt hatte. Der hellblaue, von Streben freie Kuppelbau wirkte steil und überstreckt; er lief spitz zu, ohne wirklich abzuschließen. Im Scheitelpunkt glomm ein schwaches, blaues Licht von unbestimmtem Umriss.

Die schlanke Ganymedanerin stand zwischen zwei Schiqalaya. »Wie bist du hierhergekommen?«, fragte Rhodan.

Einer der Schiqalaya sagte etwas in seiner Sprache. Ileschqa übersetzte es mit: »Sie sagte, sie habe sich verirrt.«

Rhodan sah sie an.

Pao lachte ihr entrücktes Lachen, das stets wie aus weiter Ferne klang. »So könnte man es sagen.«

»Ist es nicht so?« Rhodan verspürte eine große Erleichterung, sie wiedergefunden zu haben, eine eigentümliche Hochstimmung, die ihm zugleich nicht geheuer war. Er lächelte ihr zu.

Sie trat einen Schritt nach vorn. Einer der beiden Schiqalaya legte ihr eine Hand auf die Schulter, ließ sie aber auf eine Geste Ileschqas hin gehen. Dann stand sie nicht mehr als eine Handbreit vor Rhodan und sagte: »Das ist die Schaltzentrale des Hyperraumboots. Von hier können wir ...«

Er nickte. »Ich weiß. Ist schon besprochen.«

Sie gingen zur Mitte des Raums. Dort stand direkt unter der blauen Deckenlichtquelle ein großes, eiförmiges Gebilde aus Drahtgeflecht. Es ähnelte jenen eigenartigen käfighaften Konstruktionen, die den Schiqalaya als Wohnungen dienten.

»Das ist unsere Entwicklung, von der ich gesprochen habe«, erläuterte Ileschqa. »Mit diesem Transporter wollten wir entweder von unserem havarierten Hyperraumboot fliehen oder Hilfe holen – jemanden, der uns befreit. Unser Transszenarium ist zwar defekt und kann nicht mehr die NAPHAUT DOSCHUR als Ganzes in den Hyperraum heben. Aber es kann stattdessen ein Projektionsfeld aufbauen. Darin reist diese Kapsel und folgt dort der Spur des Permanenttransmitters. Sie folgt ihr allerdings nicht bis zum Partikelreservoir, sondern orientiert sich so bald wie möglich in Richtung Quelle der Transmitterimpulssetzung.«

Rhodan brauchte einen Moment, um das Gesagte zu verarbeiten. »Habe ich das richtig verstanden? Die Partikel werden gar nicht in die Abstrahlstation eines Transmitters transportiert, sondern werden, wo immer sie sind, von einem Transportimpuls erfasst? Der Transmitter selbst befindet sich aber an einem völlig anderen Ort?«

»Ja«, antwortete Ileschqa. »Ist euch dieses Prinzip vertraut?«

»Oh ja«, sagte Rhodan. »Das sind dreipolare Materietransmitter. Sie führen den Materietransport direkt und ohne Gegenstation durch. Wir nennen derartige Geräte Fiktivtransmitter. Uns wurden vor langer Zeit einmal zwei solcher Geräte zur Verfügung gestellt. Allerdings beherrschen wir die Technologie selbst nicht.«

Ileschqa zögerte. »Eine Empfangsstation braucht der Fluktuationstransmitter schon«, korrigierte er. »Aber wie auch immer: Mit der Kapsel sollten wir uns einfädeln können. Leider operiert das Transszenarium nicht hinreichend verlässlich. Wir sind in der Lage, die Kapsel zu erfassen und in den Hyperraum abzustrahlen. Allerdings reißt nach einigen Minuten die Verbindung ab.«

»Die Verbindung reißt ab?«, wiederholte Rhodan erstaunt. Er dachte darüber nach, was das für ihre Aufgabe bedeutete. »Das muss nicht zwangsläufig heißen, dass die Kapsel verloren ist. Möglicherweise hat sie ihr Ziel durchaus erreicht, konnte euch die Ankunft aber nicht bestätigen.«

Ileschqa fixierte Rhodan. »Würdest du dich auf ein solches Möglicherweise hin der Kapsel anvertrauen?«

Selbstverständlich würde er das. Der Fortbestand des Sonnensystems konnte davon abhängen!

Aber wie sahen das seine Begleiter? Rhodan schaute Guidry an. Der gähnte zunächst, dann nickte er.

Pao lächelte. »Ich gehe, wohin du gehst«, hauchte sie.

»Wir wagen es!«, gab Rhodan Antwort.

2.

Die Schiqalaya hatten den Menschen Raumanzüge zur Verfügung gestellt, die sich den Körperkonturen anpassten. Die Tuchgefäße für die Schiqalaya-Flügel waren allerdings abgetrennt, die Löcher mit farblich leicht helleren Flicken versehen worden.

Perry Rhodan hatte so unauffällig wie möglich über die Nahtstellen gerieben. Der Stoff des Anzugs und der Aufnäher fühlte sich warm und metallisch an. Anzug und Flicken wirkten wie miteinander verlötet. Im Kragen waren ein zusammengefalteter Helm, auf dem Rücken ein flacher Atemluftgenerator sowie weitere Aggregate.

Waffen gehörten wie erwartet nicht zur Ausrüstung. Rhodans Frage danach hatte einer der Schiqalaya mit dem Hinweis auf den »überproportional starken Individualschirm« beantwortet, »dessen Qualität unter den derzeitigen hyperphysikalischen Konditionen in den Niederungen allerdings gelitten« habe.

Rhodan übersetzte für sich: Der Schirm litt darunter, dass die Kosmokraten vor hundertdreißig Jahren im ganzen Universum die Hyperimpedanz erhöht hatten. Im Normalraum und unter den gegenwärtig geltenden physikalischen Bedingungen war er nicht mehr hundertprozentig verlässlich.

Hoffentlich gerieten sie nicht in ein Feuergefecht.

Rhodan, Guidry und Ghyss bestiegen die Kapsel durch eine Luke. Sie war erstaunlich geräumig. Alle drei konnten sich auf den Boden setzen. Zwischen den Maschen der Kapsel spannte sich eine plexiglasartige, biegsame und durchsichtige, beinahe unsichtbare Substanz. Hätte Rhodan das Material nicht zuvor mit der Hand berührt, er hätte gemeint, zwischen den Maschen hindurchgreifen zu können.

Ileschqa sprach noch mit den Schiqalaya in der Halle. Rhodan verstand kein Wort, spürte aber den Nachdruck, den Ileschqa in seine Ansprache legte.

Letzte Anweisungen, dachte der Terraner. Vielleicht für den Fall, dass Ileschqa nicht zurückkehrt.

Rhodan warf Guidry einen Blick zu. Der Ganymedaner hatte die Augen geschlossen. Das hieß wahrscheinlich, dass er seine erstaunliche Gabe einsetzte: Er fühlte sich in die Technik ein, verband sich mit der Maschinerie. Wo nötig, half, heilte und reparierte er durch Geisteskraft.

»Wie sieht es aus, Firmion?«

Guidry lächelte entspannt. »Erstaunlich gut«, antwortete er. »Es ist ein Wunderwerk. Ich bin – ich fühle mich beinahe wie zu Hause darin.«

»Werden wir einen guten Flug haben?«

Guidry schürzte die Lippen. »Das kann ich nicht garantieren. Das Transszenarium hat Vorkehrungen getroffen, Probeläufe absolviert, eine Datentrasse gelegt. Es sieht gut aus. Aber ich kann nicht vorhersehen, wie es im tatsächlichen Betrieb sein wird. Tut mir leid.«

Rhodan hatte das Gefühl, dass auch das Rätsel Firmion Guidry sich allmählich löste. Nicht, dass er bereits verstanden hätte, was es mit dem Ganymedaner auf sich hatte. Aber Rhodan spürte, wie sich die Beobachtungen in seinem Kopf sortierten, ausrichteten wie Eisenspäne in einem Magnetfeld.

Bald werde ich ihn verstehen, dachte er.

Eher am Rande registrierte er, dass Pao Ghyss das Gespräch verfolgt, aber nicht nachgefragt hatte. Einen Augenblick lang wunderte er sich darüber. Schließlich konnte sie nicht wissen, worüber er mit Guidry gesprochen hatte.

Etwas in ihm sagte: Sie ist eben ein diskreter Mensch.

Endlich stieg auch Ileschqa zu und unterbrach damit Rhodans Grübeleien. Er setzte sich in die Mitte der Kapsel. »Wir wollen gleich starten«, sagte er. »Die Zeit wird knapp.«

Die Aussage traf Rhodan wie ein Schlag. Er schaute auf sein Multifunktionsarmband, um zu sehen, wie viel Zeit ihm bliebe. Es war bereits später Vormittag am 13. Februar 1461 NGZ. Die Umwandlung Jupiters in ein Schwarzes Loch sollte in anderthalb Tagen unumkehrbar sein.

Am 14. Februar gegen 23.30 Uhr ...

*

»Das Transszenarium aktiviert sich ... jetzt.«

Rhodan blickte seine Begleiter an. Paos Gesicht glühte wie im Fieber. Ihre Unterlippe zitterte ein wenig. Er nahm sich vor, sie im Auge zu behalten, damit ihr kein Leid geschah.

Firmion wirkte wächsern vor Anspannung. Ein feiner Schweißfilm bedeckte seine Stirn und seine Wangen.

Das blaue Licht hatte sich vom Zenit der Kuppel im gesamten Bereich der Halle ausgebreitet.

Oder nein: Das täuschte. Das Licht hüllte die Kapsel ein. Die Umrisse der Halle verschwammen. Rhodan spürte keinen Ruck, keinerlei Bewegung.

Das blaue Licht schwand, wurde zu Schwärze. Langsam schimmerte ein rötliches Leuchten auf, das ebenfalls von überallher zugleich kam.

Wie eine Blase aus reinem Rot, dachte er. Gleichzeitig ein Fluss aus Rot, eine rote Strömung, ein roter Strudel, eine rote Welle, die sie trug, und eine rote Welle, die sie verschlang und in rote Abgründe riss, wo erneut Ströme aus Rot im roten ...

Wir sind im Hyperraum, dachte Rhodan. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, stand auf und stellte sich mit dem Gesicht zur Außenwand. Wie dünn, wie unsichtbar die Membran war, die ihn von diesem Kontinuum trennte!

Kontinuum? Nein, kontinuierlich war hier nichts, jedenfalls nicht für die Schiqalaya. Für sie war diese Welt vielfach in sich gegliedert. Sie nahmen unterschiedliche Schichten oder Ebenen wahr, sogenannte Sequenzen. Durch welche davon mochten sie sich bewegen?

Rhodan hatte die Namen im Gedächtnis, die Ileschqa genannt hatte: die Inklusiven Sequenzen, die Chronostatuarische und die Duratorische Sequenz, die Saumzonen der Ephemeren Sequenzen acht bis zehn. Vorstellen konnte er sich nichts darunter. Für die Schiqalaya mochte es einfach und logisch sein. Das Wahrnehmungsvermögen eines Menschen indes war heillos überfordert, wenn es die Struktur des Hyperraums ergründen sollte.

»Spürst du die Stauchung auch?«, fragte Ileschqa. »Die Verkantungen und ineinandergepressten Passagen? Ich habe den Hyperraum noch in seiner ganzen, unbegrenzten Innigkeit erlebt.«

So sieht also die Erhöhung der Hyperimpedanz für einen Schiqalaya aus, dachte Rhodan. »Wie lange noch?«, fragte er.

Ileschqa erhob sich und stellte sich neben Rhodan. Er betrachtete ein Instrument, das wie ein schmaler Schild seinem bleichen Unterarm auflag.

»Wir erreichen den Projektionsbereich der transszenarischen Passage in 3800 Payq«, sagte Ileschqa und legte Rhodan eine bleiche, aber warme, ledrige Hand an die Brust.

Der Terraner ließ ihn gewähren. Er fühlt meinen Herzschlag.

»Oh«, fuhr der Schiqalaya dort. »Das entspricht ziemlich genau 3800 Kontraktionen deines zentralen Pumporgans.«

3800 Herzschläge also. Da sein Puls ruhig und gleichmäßig ging, war von etwa einer Stunde die Rede.

»Zeit genug, mich über die aktuelle Lage in Baschq zu unterrichten«, bat Rhodan.

Ileschqa atmete deutlich hörbar aus. »Das kann ich nicht«, gestand er. »Ich war seit Jahrtausenden nicht mehr dort.«

»Ihr unterhaltet keinerlei Verbindung? Unbemannte Schiffe, Sonden, Drohnen?«, wunderte sich Rhodan.

»Wozu? Wir hatten niemals vor, unsere Refugien im Hyperraum zu verlassen und ganz in die Niederungen zurückzukehren.«

Rhodan akzeptierte die Situation mit einem inneren Seufzen.

*

Die Reise verlief völlig ereignislos. Es war Perry Rhodan unmöglich, ihre Geschwindigkeit zu schätzen. Das rötliche Wabern und Glühen schläferte ihn ein. Er dachte an Baschq und an die frappierende Unkenntnis Ileschqas. Ob die Zhiridin dort überhaupt jemanden am Leben gelassen hatten?

So ärgerlich der Mangel an Informationen war, Rhodan konnte Ileschqa deshalb kaum einen Vorwurf machen. Er selbst hielt sich – mit wenigen Unterbrechungen – seit Jahrtausenden in der Milchstraße auf, und er war trotzdem weit davon entfernt, sich wirklich in ihr auszukennen. Sie entzog sich mit ihren wahren Dimensionen noch immer seiner Vorstellungskraft.

»Hast du Hunger?«, riss ihn Ileschqa aus den Gedanken. Er hielt ihm die offene Handfläche hin, in der einige Klumpen lagen – wie teilgeschmolzene, deformierte Schokolade.

Rhodan nahm das kleinste Stück und legte es sich auf die Zunge. Es schmeckte so gallenbitter und zugleich übersüß, dass es einen Brechreiz auslöste. Rhodan musste alle Willenskraft aufbieten, um den Reiz zu unterdrücken und den Klumpen zu schlucken. Was immer es war – sein Zellaktivator würde damit fertigwerden.

Kaum hatte der Klumpen den Magen erreicht, breitete sich ein überwältigendes Wärme- und Völlegefühl aus.

Ileschqa bot ihm noch ein Stück an. »Danke«, lehnte Rhodan ab. »Ich bin satt. Aber es ist ausgezeichnet.«

»Wirklich?«, wunderte sich Ileschqa. »Ich finde, es schmeckt abscheulich.« Er steckte die übrigen Klumpen in eine Anzugstasche zurück. »Ich werde sie für dich aufheben.«

Guidry hielt die Lider fest zusammengepresst. Sein Haar war zu feuchten Strähnen verklebt. Rhodan begriff: Der Ganymedaner stabilisierte die Kapsel. Ohne seine Hilfe wären sie möglicherweise längst im Hyperraum verschollen. Hoffentlich reichte Guidrys Kraft, um diese Unterstützung bis zu ihrer Ankunft aufrechtzuerhalten.

Auch Pao Ghyss hatte die Augen geschlossen, aber sie wirkte nicht mehr angestrengt. Ein geradezu seliges Lächeln lag auf ihren Lippen. Rhodan ertappte sich bei der Hoffnung, sie könnte von ihm träumen.

Dann wechselte das Licht wieder. Rhodan schaute auf das Chronometer.

Der 13. Februar. 12 Uhr mittags. Sie waren da.

*