Perry Rhodan Neo 110: Der Kopf der Schlange - Kai Hirdt - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 110: Der Kopf der Schlange E-Book und Hörbuch

Kai Hirdt

4,0

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Beschreibung

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Die Begegnung verändert die Weltgeschichte, sie leitet die Einigung der Menschheit ein. Nach einer Zeit des Friedens tauchen im Jahr 2049 beim Jupiter fremde Kampfraumer auf und eröffnen das Feuer. Rhodan setzt sich auf die Spur der Angreifer; er entdeckt eine riesige Kriegsflotte der Maahks. Sie ist unterwegs, um Arkon mit einem neuen Methankrieg heimzusuchen. Auf der Erde wird unterdessen Thoras und Rhodans Sohn in den Weltraum entführt. Mit einigen alten Weggefährten bricht Thora auf und macht die Verbrecher ausfindig. Im Sternhaufen Hamtar Rhag Nar Rhug hofft Thora, ihre Rettungsmission zum Erfolg zu führen. Was Thora nicht weiß: Auch Perry Rhodan befindet sich in diesem geheimnisvollen Sternhaufen. Auf der Suche nach seinem alten Mentor Crest wurde er mitsamt seinem Schiff von den P'Kong gefangen genommen. Rhodan hat einen Plan, um die Freiheit der CREST wiederzuerlangen...

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Zeit:5 Std. 45 min

Sprecher:Axel Gottschick

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Band 110

Der Kopf der Schlange

Kai Hirdt

Im Jahr 2036 entdeckt der Astronaut Perry Rhodan auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff. Die Begegnung verändert die Weltgeschichte, sie leitet die Einigung der Menschheit ein. Nach einer Zeit des Friedens tauchen im Jahr 2049 beim Jupiter fremde Kampfraumer auf und eröffnen das Feuer.

Rhodan setzt sich auf die Spur der Angreifer; er entdeckt eine riesige Kriegsflotte der Maahks. Sie ist unterwegs, um Arkon mit einem neuen Methankrieg heimzusuchen.

Auf der Erde wird unterdessen Thoras und Rhodans Sohn in den Weltraum entführt. Mit einigen alten Weggefährten bricht Thora auf und macht die Verbrecher ausfindig. Im Sternhaufen Hamtar Rhag Nar Rhug hofft Thora, ihre Rettungsmission zum Erfolg zu führen.

Was Thora nicht weiß: Auch Perry Rhodan befindet sich in diesem geheimnisvollen Sternhaufen. Auf der Suche nach seinem alten Mentor Crest wurde er mitsamt seinem Schiff von den P'Kong gefangen genommen. Rhodan hat einen Plan, um die Freiheit der CREST wiederzuerlangen ...

1.

Perry Rhodan

Der Alarm gellte durch die Zentrale.

Immer mehr Strahlschüsse fanden ihr Ziel. Der Schutzschirm der CREST wurde bis an seine Leistungsgrenze belastet – und darüber hinaus. Schon mehrere Energiefluten waren durchgeschlagen und hatten das Ultraschlachtschiff erschüttert. Zum Glück waren noch keine relevanten Systeme beschädigt.

Hoffentlich weiß Tuire, was er tut, dachte Perry Rhodan. Stärkere Angriffe halten wir nicht aus.

Er beobachtete die über die Zentrale verteilten P'Kong. Die mit graubraunem Fell behaarten Soldaten der Allianz hielten die Kontrolle über die gekaperte CREST mit eiserner Hand aufrecht. Die Fremdwesen überwachten, dass die Menschen keinerlei Versuch unternahmen, um das Schiff zurückzuerobern. Mit einem Angriff von außen hatten die P'Kong in diesem von der Allianz kontrollierten Sternhaufen allerdings nicht gerechnet. Das sah man ihrem Anführer, Kriegs-Assertor Kang, deutlich an.

»Wie ...?«, fragte Kang entgeistert. »Wer?« Die langen Tasthaare um seine hervorstehende Schnauze zitterten. Der Zimtgeruch seiner Markierungsdrüsen wurde intensiver.

Er ist nicht souverän, wenn man ihn unter Druck setzt, dachte Rhodan. Gut zu wissen. Er erteilte die Befehle, die eigentlich Kang hätte geben müssen. »Zusatzenergie für Schirme bereitstellen. Ausweichkurs! Ortung, zeigen Sie uns die Angreifer.«

»Schon dabei«, brummte Major Eschkol.

Nur eine Sekunde später zeigte das Zentraleholo genau das Bild, auf das Rhodan gehofft hatte: Ein einzelnes, silbern schimmerndes Bestienschiff attackierte die wesentlich größere CREST.

Rhodan war erleichtert. Tuire, Rainbow und Schablonski haben unsere Hinweise verstanden! Das Bestienschiff, das sich seit zwei Monaten in der Hand der Menschen befand, flog eine Reihe von Scheinangriffen. Wobei: Von Schein konnte eigentlich keine Rede sein.

Die BOOTY folgte annähernd jener Bahn um Trapeza-Beta, auf der eigentlich der geheimnisvolle Planet Achantur seine Kreise ziehen sollte. Bisher hatten die Menschen dort indes nur ein ebenso mysteriöses Kraftfeld entdeckt. Und selbst das vermochten sie nur anzumessen, weil der Taalstaub der Allianz sich in diesem Bereich ungewöhnlich verhielt.

Sofort nach der Entdeckung des Felds hatte die Attacke begonnen. Der Rumpf der CREST ächzte unter den Treffern. Nun lag es an Rhodan: Er musste Kang überzeugen, dass sie diesen Angriff nur überleben würden, wenn er den Menschen die volle Kontrolle über ihr Schiff zurückgab.

»Fluchtkurs nach Trapeza-Delta!«, rief Rhodan. Ein weiteres Hologramm leuchtete auf und zeigte das unmittelbare stellare Umfeld. Die beiden Sol-ähnlichen Sonnen Trapeza-Alpha und -Beta mit ihren Planetensystemen lagen relativ weit voneinander entfernt. Näher beieinander standen Trapeza-Gamma und -Delta, die beiden Weißen Zwerge. Die vier Sonnen lagen gemeinsam auf einer Ebene und bildeten ein perfektes achsensymmetrisches Trapez.

»So können Sie einer Bestie nicht entkommen.« Der Translator gab Kangs Stimme als gehetzt wieder.

»Dann wehren wir uns. Feuer erwidern!« Mit dem Befehl ging Rhodan ein Risiko ein. Er hielt den Atem an. Eigenmächtige Fluchtbefehle tolerierte Kang offensichtlich. Aber den Feuerbefehl auf ein Schiff, das wie Kangs Volk selbst zur Allianz gehörte?

Die CREST gab zwei Thermoschüsse ab. Sie schlugen wirkungslos in den Schirm der BOOTY ein.

Ein P'Kong drosch Dimina Lesch den Kolben seiner Waffe in die Nierenregion. Die Waffenoffizierin schrie auf und fiel auf die Knie. Ihr blondes Haar verdeckte ihr Gesicht. Aber Rhodan musste nicht erst ihre schmerzverzerrte Miene sehen, um zu wissen, wie ein solcher Schlag wirkte.

»Sollen wir hier sterben, oder dürfen meine Leute uns verteidigen?«, herrschte er den Kriegs-Assertor an.

»Wir sind schon tot«, sagte Kang tonlos. »Das ist eine Bestie ...«

»Ich weiß, was Bestien im Kampf leisten«, schnappte Rhodan. »Ich habe eine von ihnen besiegt.«

Kang starrte ihn ungläubig an.

Rhodan machte rasch eine Armbewegung, die das ganze Kommandozentrum einschloss. »Das hier ist ein liduurisches Schlachtschiff! Wir wissen uns zu wehren!«

Der P'Kong bewegte den Mund, konnte sich jedoch nicht durchringen, ein Kommando zu erteilen. Nervös wischte er über den roten Fellfleck oberhalb seines linken Auges.

Ein neuer Treffer erschütterte die CREST. Aus dem Augenwinkel sah Rhodan das Statusholo. In der unteren Kugelhemisphäre war es zu einem Druckabfall gekommen. Anscheinend hatte Tuire die Außentore von drei Hangars weggeschossen.

Was macht die BOOTY da? Allmählich kamen Rhodan Bedenken. Es nützt uns nichts, wenn Tuire und die anderen den P'Kong Angst einjagen, aber dabei unser Schiff vernichten!

»Die Bestien sind Ihre Verbündeten!« Echte Furcht klang in Rhodans Stimme durch – die musste er Kang nicht vorspielen. »Bringen Sie sie zur Vernunft, oder lassen Sie mich unser Schiff retten!«

Das Stichwort Verbündete tat seine Wirkung. Kang schluckte den Köder. Er richtete seine Waffe auf Eschkol. »Stellen Sie eine Funkverbindung zu dem anderen Schiff her!«

Der Major nickte hastig, ließ seine Hände über die Kontrollen tanzen und trat dann von seinem Pult zurück. »Sie können sprechen.«

Der Anführer der P'Kong richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er reichte Rhodan bis an die Schultern. »Kriegs-Assertor Kang an angreifendes Bestienschiff. Wir sind Verbündete, wir kämpfen beide für die Allianz. Das Schiff der Humanoiden befindet sich bereits unter unserer Kontrolle, Sie können den Angriff abbrechen!«

Weitere Schüsse schlugen ein. Mehrere Statusholos wechselten von Grün zu Rot. Die schematische Darstellung der CREST zeigte weitere Schäden am Rumpf – zum Glück nur an unbemannten Lagersektionen, teils mit Vorräten der wertvollen Gravitron-Torpedos. Bisher waren die Beschädigungen indes halbwegs zu verkraften. Die größere Gefahr für die Mannschaft ging noch immer von den fünf leuchtend roten Punkten mitten im Schiff aus: Sie markierten die Sprengladungen, die Kang hatte anbringen lassen, um den irdischen Raumer unter Kontrolle zu halten. Er konnte damit jederzeit die Überlicht- und Normalflugantriebe lahmlegen – oder einfach die Messe sprengen, in der die P'Kong den größten Teil der menschlichen Besatzung gefangen hielten.

»Ich wiederhole: hier Kriegs-Assertor Kang im Dienste der Allianz! Brechen Sie den Angriff ...«

Erneut gellte ein Alarm. Ein spürbarer Ruck ging durch das Schiff. Die Zentrale schaltete auf Warnbeleuchtung um. Das war die Intervallkanone, begriff Rhodan entsetzt. Wenn sie uns damit voll treffen, sind wir Asche. Was tat Tuire Sitareh nur?

Kang schnupperte und musterte Rhodan. »Sie haben Angst«, sagte er.

»Natürlich!«, schnauzte Rhodan zurück. »Wir werden beschossen. Ihre Leute verhindern, dass wir uns wehren. Und Sie funken und funken, obwohl Sie keine Antwort bekommen!«

»Die wollen uns wirklich vernichten«, flüsterte Kang. »Wir hätten das Feld nicht finden dürfen!«

In Rhodans Kopf formte sich ein Plan. Als die Menschen Kang von dem mysteriösen Tarnfeld berichtet hatten, hatte der Kriegs-Assertor ungehalten, aber souverän reagiert. Er hatte erst die Beherrschung verloren, als Perry das Phänomen getauft hatte: Aus dem Verhalten des Taalstaubs hatten die irdischen Spezialisten abgeleitet, dass die Quelle der mysteriösen Strahlung aus dem normalen Raum-Zeit-Gefüge herausgelöst war. Rhodan hatte das Phänomen also Anti-Temporales Gezeitenfeld genannt – auf die Schnelle war ihm nichts Griffigeres eingefallen, das den richtigen pseudowissenschaftlichen Klang hatte.

Doch mit dieser Bezeichnung hatte er einen Nerv getroffen: Kang kannte sie, oder zumindest einen ähnlichen Ausdruck. Er hatte einen Wutanfall bekommen, etwas von geheimster Forschung der Allianz gebrüllt. Und nun glaubte der Ober-P'Kong anscheinend, dass die Allianz sie für die Entdeckung des Felds bestrafen wollte.

Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn sich diese Paranoia nicht mit ein bisschen Hege und Pflege zu nackter Angst steigern ließe, überlegte Rhodan.

Mit Hege, Pflege und den nächsten schweren Treffern. Diesmal schlugen die Strahlen im Ringwulst ein. Sie trafen das Schiff mittig zwischen zwei Impulstriebwerken, genau auf Höhe eines Korvettenhangars. Das Beiboot explodierte. Eine gewaltige Feuerlohe schoss hinaus ins All. Der Rückstoß trieb die CREST aus ihrem bisherigen Kurs, sodass die nächsten zwei Strahlschüsse sie knapp verfehlten.

Mein Gott, dachte Rhodan. Wenn uns die P'Kong nicht gefangen hielten, wären auf dieser Korvette mindestens vierundzwanzig Menschen gewesen!

Er sah sich um. Nicht nur die P'Kong, auch die Menschen in der Zentrale waren inzwischen einer Panik nahe. Die Stresshormone in der Luft mussten die Aufregung der stark geruchsorientierten P'Kong weiter steigern.

»Kang«, sagte Rhodan beschwörend, »wir werden vernichtet, wenn wir nichts tun. Es kann natürlich sein, dass Sie das möchten. Wenn Sie sich opfern wollen, weil wir von diesem Feld nichts wissen sollten ...«

Der nächste Treffer. Nun wurde Rhodan wirklich nervös. Was, wenn das nicht Tuire, Rainbow und Schablonski waren? Was, wenn Kang recht hatte und tatsächlich eine Bestie hinter ihnen her war? Unmöglich war das schließlich nicht – sie waren immerhin auf Gebiet der Allianz.

»Nein, das will ich nicht!« Kangs roter Fellfleck sträubte sich. Ärgerlich wischte er die Haare wieder nach unten. »In Ordnung«, gab er nach. »Tun Sie, was nötig ist.«

»Dann pfeifen Sie Ihre Leute zurück!«, forderte Rhodan.

Kang pfiff tatsächlich. Der Ton war nicht besonders laut, aber schrill und durchdringend. Die P'Kong ließen ihre Waffen sinken und traten einige Schritte zurück. Die Offiziere an ihren Arbeitsstationen atmeten merklich auf, sobald nicht mehr jede einzelne ihrer Handbewegungen beobachtet wurde.

»Conrad, sind wir bereit für Verteidigungsmuster Regain?«, fragte Rhodan.

Admiralleutnant Deringhouse, der Kommandant der CREST, nickte stumm.

»Dann los!«, rief Rhodan.

2.

Crest, irgendwann 2047

Crest erwachte.

Sein Rücken schmerzte. Er hatte im Sitzen geschlafen. Mühsam öffnete er die verklebten Lider. Er sah sich um und erschrak.

Ich sitze auf dem Kristallthron!

Das war Hochverrat! Sein Tod war sicher! Nur der Imperator durfte ...

Und doch saß er dort. Wieso ließ man ihn leben?

Wie lange ließ man ihn schon leben?

Die Spiegel und Kristalle im Thronsaal warfen sein Bild vieltausendmal auf ihn zurück, als Eben- und als Zerrbild. Er war alt. Uralt. Die Haut ledrig und zerfurcht.

Wie lange?

Seine Blässe ließ ihn leichenhaft aussehen. Sie stand in krassem Kontrast zu seiner dunklen Kleidung. Er trug den imperialen Ornat – Hochverrat! Wieder Hochverrat! Doch die Uniform und der Umhang waren nicht weiß, sondern tiefschwarz.

Er hob die Hand vor seine Augen. Der Ärmel schlotterte um sein bleiches Handgelenk. Seine Finger waren nurmehr dünne Knochen, an denen die faltige Haut locker herabhing. Ohne Fleisch, ohne Muskeln darunter.

Wie lange?

Die Tore des Thronsaals öffneten sich, alle gleichzeitig. Eine Welle schwappte herein, eine Flutwelle, die alles erfasste und mit sich riss. Blutrot. Übermannshoch. Sie raste auf ihn zu. Er wusste nicht, ob ihre Wucht ihn zerschmettern oder ob er in dem Blut ertrinken würde.

Crest erwachte. Er keuchte und krallte sich in sein Bettlaken. Erst nach einigen Sekunden gelang es ihm, den Albtraum abzuschütteln und sich zu erinnern, wo er war: in seiner Kabine auf der AETRON.

Sanfte, schwebende Klänge drangen an sein Ohr. Es war der warme Ton uralter Blasinstrumente, die im Imperium seit Jahrtausenden nicht mehr üblich waren. Vor mehr als zehntausend Jahren hatten die Fijar damit musiziert, bevor das Imperium ihr kleines Sternenreich überrannt und es sich einverleibt hatte.

Inzwischen ruhten die Fijar in Vergessenheit. Ihre Kultur war untergegangen. Nur wenige Forscher kannten überhaupt ihren Namen, und noch weniger wussten, welche Hochkultur die Fijar entwickelt hatten, bevor Arkons Aufmerksamkeit auf sie gefallen war.

Crest selbst war bei seiner Suche nach der Welt des Ewigen Lebens auf dieses Volk gestoßen und hatte sich in ihre wenigen verbliebenen Zeugnisse vertieft. Letztlich war das eine Sackgasse gewesen. Doch bis er dies erkennen musste, hatte er bereits das musikalische Notationssystem der Fijar entschlüsselt und den Klang ihrer flötenähnlichen Instrumente simulieren lassen. Die Musik war ergreifend in ihrer Schlichtheit, fein, ätherisch, zugleich nachdenklich und wehmütig. Sie hatte Crests Herz berührt und ihn nie wieder losgelassen.

Seit die AETRON aufgebrochen war, ließ er sich von diesen Klängen wecken. Ansonsten waren die Fijar für ihn Vergangenheit. Er folgte nun einer anderen Spur zur Welt des Ewigen Lebens.

Und sollten sie auf diesem Weg ihr Ziel nicht erreichen, so gab es immer noch den Hort.

Crest setzte sich mühsam auf und legte die Stirn in Falten. Wie kam er auf diesen Gedanken? Der Hort ... Diese Legende war noch obskurer als ihr jetziges Ziel, die Welt des Ewigen Lebens. Und schon für dieses Expeditionsziel hatte man sie auf Arkon verlacht und ausgestoßen.

Er versuchte, aufzustehen, sackte aber zurück. Er wurde von Tag zu Tag schwächer, noch schneller, als die Ärzte ihm prophezeit hatten. Er tastete nach einem Stuhl in der Nähe seines Betts, zog sich an der Lehne empor und hielt sich fest. Seine Beine zitterten, doch nach einigen tiefen Atemzügen hatte er das Gefühl, dass sie sein Gewicht durch einen weiteren Tag tragen würden.

Er hatte gerade seine Kleidung angelegt, da erklang die angenehm modulierte Stimme der Positronik. »Kommandantin Thora ersucht Sie um ein Gespräch.«

Crest lächelte. Er hatte Thora aufgezogen und liebte sie wie eine Tochter. Aber er war Wissenschaftler genug, die Wahrheit nicht zu leugnen: Ersuchen war so ziemlich das Letzte, was Thora jemals tun würde. Sie forderte, umso mehr, seit sie Kommandantin der AETRON geworden war.

»Ich empfange sie«, murmelte er.

Sofort glitt die Tür auf. Thora trat ein, in der Repräsentationsuniform einer Kommandantin des Imperiums. Er wunderte sich – so unheimlich ihm der eigene imperiale Ornat in seinem Traum gewesen war, so unpassend erschien ihm nun Thoras Galakluft. Der nächste Zwischenstopp, bei dem man wichtigtuerische Raumhafen-Verwalter mit so etwas beeindrucken konnte und musste, war noch Tage entfernt. Auf der Reise trug Thora üblicherweise ihre schlichte und deutlich praktischere Bordkombination.

»Haben wir den Kurs geändert?«, fragte er.

Thora ging zu dem zweiten Stuhl am Tisch. Sie zog ihn zurück, setzte sich, schlug die Beine übereinander und ließ kokett die Fußspitze wippen. »Sollten wir das?«, fragte sie.

»Nein«, antwortete Crest. Er ließ sich ebenfalls nieder. »Ich frage nur wegen ...« Er gestikulierte dorthin, wo sich imperiale Orden und Auszeichnungen auf ihrer Brust ein funkelndes Stelldichein gaben.

Thora musterte ihn. Ein Ausdruck der Überraschung lag auf ihrem Gesicht, gepaart mit Verwirrung und einer Prise Verärgerung. »Wegen was?«

»Nichts«, murmelte Crest. Ein Roboter reichte ihm, wie immer um diese Zeit, einen belebenden Kräutersud. »Was führt dich zu mir?«

»Tatsächlich wollte ich über unser Reiseziel sprechen«, erwiderte Thora.

Crest richtete sich ruckartig in seinem Stuhl auf. »Gibt es etwas Neues? Haben wir die Welt des Ewigen Lebens entdeckt?«

Thora schüttelte den Kopf. Erst jetzt bemerkte Crest, dass sie ihr Haar gekürzt hatte. Zuletzt hatte sie diese Frisur vor vielleicht vier Jahren getragen, als sie gemeinsam Geesen besucht hatten – eine weitere ihrer vielen vergeblichen Reisen auf der Suche nach seinem großen Ziel.

»Nein, leider nicht«, sagte sie. »Das ist der Grund meines Besuchs. Die Mannschaft verliert die Motivation. Es wird immer schwieriger, sie von den Fiktivspielen loszubekommen, damit sie wenigstens ihre Grundaufgaben erfüllen.« Sie sah ihm direkt in die Augen. »Ich muss ihnen ein neues Ziel bieten, damit wir unsere Reise fortsetzen können.«

Crest sah sie lange und nachdenklich an. »Vertrauen ist die erste Pflicht des Suchenden«, zitierte er, ohne sich an die Quelle des Satzes zu erinnern. Beeinträchtigten Alter und Krankheit nun schon sein Gedächtnis? Er schüttelte den Kopf und konzentrierte sich. »Steht es schon so schlimm um das Große Imperium, dass unsere Raumfahrer keine Fahrt ins Ungewisse mehr ertragen können?«

Thora nickte. Ihre Miene zeigte Bedauern. »Du hast einmal von einer anderen Möglichkeit gesprochen. Nicht von der Welt, sondern von einem Hort des Ewigen Lebens. Wissen wir darüber etwas? Können wir dort suchen? Einfach, um ein neues Ziel zu haben?«

Crest seufzte. Lauter junge Männer und Frauen taten ihren Dienst an Bord, doch in jeder freien Minute – und inzwischen oft genug während ihrer Dienstzeit – starrten sie in die sinnleeren Farb- und Formkaskaden der Fiktivspiele. Nein, damit war kein Staat zu machen. Und auch keine große Entdeckung. Hatte Thora recht? Mussten sie das Reiseziel ändern, um ihre Helfer zumindest vorübergehend in die Realität zurückzuholen?

Der Hort des Ewigen Lebens ...

Noch wollte er nicht aufgeben. Aber wenn es einmal sein musste, wenn die Welt des Ewigen Lebens sich tatsächlich als Hirngespinst herausstellte, wäre der Hort ein mögliches Ziel. Doch die Legende dazu war alt und vage. Er selbst hatte Jahre nicht an den Hort gedacht, bis vor wenigen Minuten.

Sein Extrasinn meldete sich, der separierte Logiksektor seines Gehirns. Zu viel des Zufalls.

Er stutzte. Das stimmte. Wieso sprach Thora ihn gerade nun darauf an?

Er musterte sie. Die zu aufwendige Frisur. Die eindrucksvolle, aber unpraktische Uniform. Ihre fast laszive Haltung. Ihre Lippen zu rot, ihre Augen zu glänzend.

Sein Verhältnis zu ihr war väterlich, doch für viele andere arkonidische Männer entsprach sie sicherlich einer Traumfrau. Insbesondere für ...

Ach ja. Crest wusste wieder, woran er war. Er schloss die Augen, sammelte sich, flüchtete sich in die gedankliche Disziplin einer Dagormeditation. Er konzentrierte sich auf einen imaginären Punkt, nur einen Gedanken entfernt von allem, was sein Geist zu umfassen vermochte. Er atmete ein, hielt die Luft an, ließ jede Regung schwinden, bis nichts von ihm übrig war als dieser eine Punkt jenseits seines Verstands.

»Crest ...« Thoras Stimme schwand wie alles um ihn herum.

Er atmete aus und schlug die Augen auf.

3.

Perry Rhodan

Der Treffer war mörderisch. Ein Teil des Rumpfs erhitzte sich auf mehrere Tausend Grad. Die Ausrüstung in den Laderäumen dahinter verbrannte oder verdampfte. Dass der Rumpf überhaupt hielt, verdankten sie nur dem Baumaterial der Liduuri. Ihr Praecellostahl war hitzeresistenter und formstabiler als das arkonidische Pendant. In einem Schiff des Imperiums hätte nach diesem Treffer ein gewaltiges Loch geklafft.

Die Zentralecrew reagierte blitzschnell. Sie wandte dem Feind eine andere Seite des Schiffs zu, bis der Rumpf in der Weltraumkälte abgekühlt war. Weitere Schüsse verfehlten die CREST nur knapp. Die Schirmgeneratoren erholten sich, aber viel zu langsam. Wenn das Bestienschiff sie nun mit einer Impuls- statt mit einer Thermowaffe traf, konnte dies das Ende sein.

Das Raumgefecht dauerte mehrere Minuten. Rhodans Unsicherheit wuchs. Immer wieder erzielte die BOOTY – wenn sie es war – Treffer, und die Zentralebesatzung arbeitete fieberhaft, um dem Schlimmsten zu entgehen und zugleich selbst einige Schüsse ins Ziel zu bringen. Sämtliche Gefechtsprotokolle waren aktiv. Schiff und Zentrale waren im Verschlusszustand. Die Meldungen jagten einander. Rhodans Crew arbeitete zusammen wie Teile einer gut geölten Maschine. Die P'Kong beobachteten das Geschehen mit wachsender Faszination.

Endlich gelang ein schwerer Treffer gegen das Bestienschiff. Es drehte ab und beschleunigte, bis es außerhalb der Kernschussweite war.

»Regain abgeschlossen.« Deringhouse klang zufrieden.

»Fast«, sagte Rhodan.

»Was heißt das?«, wollte Kang wissen. »Sind wir in Sicherheit?«

In diesem Moment flammte ein Energiefeld vor seinen Reißzähnen auf. Auch die anderen P'Kong in der Zentrale wurden auf diese Weise eingeschlossen.

»Wir sind in Sicherheit«, antwortete Rhodan. »Wie es mit Ihnen steht, muss sich erst zeigen.«

Kang musterte Rhodan durch das Flimmern. »Erklären Sie sich.« Das Haar auf dem roten Fleck stellte sich auf.

»Gern«, sagte Rhodan. »Verteidigungsmuster Regain hatte nichts mit dem angreifenden Schiff zu tun. Es ist ein Standardprogramm, das menschliche Crews bei der Rückeroberung ihrer Schiffe unterstützt, falls sie gekapert werden. Kurz gesagt: Seit Sie an Bord sind, untersuchen Medoscanner Ihren Organismus und haben ein Narkosemittel synthetisiert. Es wirkt leider auch auf uns, das hat den Einsatz etwas erschwert.« Er runzelte die Stirn. »Im Ergebnis sind alle, Ihre und unsere Leute, außerhalb der Zentrale betäubt. Roboter haben die P'Kong entwaffnet.«

Kang war sprachlos, was Rhodan nicht störte – er war ohnehin noch nicht fertig.

»Natürlich kann kein vorgefertigtes Programm alle Eventualitäten voraussehen, deshalb mussten wir die Operation von hier aus unauffällig steuern. Daher die kleine Scharade mit dem angreifenden Raumschiff; andernfalls hätten Sie uns ja kaum die Steuerung überlassen, oder Sie hätten jede einzelne Aktion beobachtet.«

Im Kino hatte Rhodan immer mit den Augen gerollt, wenn der Bösewicht dem wehrlosen Helden erklärte, mit welchem brillant-verrückten Plan er ihn überrumpelt hatte. Nun fand Rhodan sich selbst in einer ähnlichen Lage, und er musste zugeben: Die Rolle machte Spaß. Und aus Sicht des Kriegs-Assertors war er ganz sicher ein Bösewicht.

Lächelnd fuhr Rhodan fort: »Ohne das Gefecht wäre Ihnen wahrscheinlich zudem aufgefallen, dass Sie von Ihren Leuten draußen im Schiff keine Statusmeldungen mehr bekommen. Mit dem Verschlusszustand haben wir obendrein den Funkverkehr blockiert.«

Der Kriegs-Assertor musterte Rhodan ungerührt. »Ich bin beeindruckt, Mensch. Beinahe hätte Ihre Jagd Erfolg gehabt. Sie haben nur etwas Wichtiges vergessen.« Kang hielt ein Steuergerät in die Luft. »Wir haben Ihr Schiff vermint, und dieser Auslöser sendet auf modulierenden Frequenzen. Sie können sein Signal nicht blockieren.« Kang entblößte eine Reihe spitzer, nach innen gebogener Zähne. »Löse ich ihn aus, bleibt von Ihrem Schiff nur ein Wrack. Unsere anderen Schiffe werden es einsammeln und wie von Anfang an geplant nach Antra bringen.«

Er drehte die Hand mit dem Auslöser hin und her, wie um zu winken. »In Gefangenschaft bleiben Sie ohnehin. Aber wenn Sie die Energiefelder abschalten, muss ich die Minen nicht zünden, und Ihr Schiff wird nicht noch stärker beschädigt, als es jetzt schon ist. Außerdem verlieren Sie niemanden von Ihrer Crew bei der Explosion – das ist euch Menschen doch wichtig.«

Auch Rhodan zeigte nun beim Lächeln die Zähne. »Sehen Sie, Kang – wir haben hier an Bord eine Menge leistungsstarker Roboter, die nicht nur Waffen einsammeln, sondern auch bewusstlose P'Kong in Windeseile durchs halbe Schiff transportieren können.« Rhodan zeigte auf das Statusholo, in dem die Positionen der fünf Sprengladungen leuchteten. »Standorte der P'Kong einblenden«, forderte er die Positronik auf. Viele kleine Punkte erschienen, einige wenige davon in der Zentrale. Die meisten drängten sich zu fünf Klumpen um die Sprengladungen zusammen.

Kang war einige Sekunden lang sprachlos. Dann nickte er Rhodan zu. »Für jemanden, der so wenig duftet, sind Sie ein weitblickender Stratege. Aber glauben Sie ernsthaft, dass ich meine Untergebenen schone, wenn ich ein Ziel zu erreichen habe?«

Rhodan erschauderte. Ohne mit der Wimper zu zucken, drohte der Kriegs-Assertor damit, Hunderte seiner eigenen Soldaten in die Luft zu sprengen. Damit waren die P'Kong auf einmal keine Geiseln der Menschen mehr, sondern ein Druckmittel, um Rhodan zu erpressen – denn selbstverständlich würde er einen solchen Massenmord nicht zulassen.

Kang lehnte sich entspannt gegen ein Pult, das von seinem Energiefeld mit eingeschlossen wurde. Er rieb sein Hinterteil daran. »Sie sehen, ich bin der Überlegene. Und nun schalten Sie diese lächerlichen Energiefelder ab.« Der strenge Zimtgeruch seiner Markierung stieg Rhodan in die Nase.

Revierverhalten!, schoss es Rhodan durch den Kopf. Natürlich! Die P'Kong sind Jäger, sie respektieren nur stärkere Jäger!

»Kriegs-Assertor, während unserer Gespräche auf Ihrer Stützpunktwelt« – eher: während der Verhöre und Foltersitzungen, setzte Rhodan in Gedanken hinzu – »durfte ich erfahren, dass Rang und Karriere Ihnen sehr wichtig sind. Nun denken Sie sich Folgendes: Wenn Sie tatsächlich Ihre eigenen Leute in die Luft sprengen, sind nur noch die« – Rhodan zählte kurz durch – »zwölf P'Kong in der Zentrale auf diesem Schiff.«

»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Kang.

Der Translator vermittelte nicht, ob die Frage beiläufig oder angespannt betont war, doch der Wortlaut verriet genug. Ich habe ihn!

Rhodan war zufrieden. »Wenn Sie die Minen zünden, beschädigen Sie die Antriebe. Dann können Sie nicht selbst zurückfliegen, sondern müssen sich abholen lassen.« Er verfiel in Plauderton. »Nun ist der Kapitän des bergenden Schiffs sicher auch gerissen und ehrgeizig, sonst hätte er in Ihrer Gesellschaft seinen Rang nicht erreicht. Er kommt hierhin und findet Sie, in einem verteidigungsunfähigen Schiff mit nur zwölf Soldaten. Wird er Sie befreien? Oder wird er Sie beseitigen, die CREST als eigene Beute nach Hause bringen und in Zukunft als Ihr Nachfolger seine Marken hinterlassen?«

Lange wog Kang den Auslöser in der Hand. Dann drückte er auf ein Schaltfeld.

Rhodan hielt den Atem an.

Eine Explosion blieb aus. Die grellen, roten Punkte in der holografischen Schiffsdarstellung erloschen.

»Die Minen sind entschärft.« Kang beugte sein Haupt. »Ich gratuliere zu Ihrer erfolgreichen Jagd.«

Soldaten der Raumlandetruppe führten die letzten P'Kong aus der Zentrale ab und sperrten sie in separate Zellen. Rhodan wollte verhindern, dass die Leitungsebene ihrer Gefangenen gemeinsam einen Fluchtplan entwickelte. Nach Wochen der Demütigung und Entbehrungen hatten die Menschen nun die Oberhand, und dabei sollte es bleiben.

»Schiffsstatus!«, forderte er, als sich die Tür hinter dem letzten Außerirdischen schloss.

»Könnte schlimmer sein«, meldete die Chefingenieurin. »Verlust einer Korvette, Triebwerke okay. Beschädigungen am Rumpf, Ausfall einiger Geschützbanken. Das meiste davon lässt sich mit Bordmitteln instand setzen, aber es wird eine Weile dauern.«

»Wie beurteilen Sie die Intention des angreifenden Schiffs anhand der Schäden?«, fragte Rhodan.

»Schwer zu sagen.« Beim Nachdenken ließ die hagere Spanierin leicht den Kopf nach rechts und links zucken. Es verlieh ihr etwas Geierhaftes. »Zu schwere Treffer für ein Scheingefecht. Andererseits: Mit unseren verzögerten Reaktionen vorhin hätte das Bestienschiff uns ziemlich problemlos aus dem All pusten können.«

Rhodan nickte. »Wir sind also so schlau wie vorher. Funk, haben Sie endlich Kontakt herstellen können?«

Eschkol schüttelte den Kopf. »Wir arbeiten ständig dran. Aber ... Oh verdammt.«

»Was?«

»Das Schiff kommt zurück!«, rief Eschkol.

Es will den Job zu Ende bringen. Rhodan fröstelte. »Fluchtkurs!«, befahl er. »Weiter um Kontakt bemühen!«

»Halt, sie funken uns an!« Eschkol aktivierte hastig eine Holoverbindung. Cel Rainbow erschien als Lichtprojektion in der Zentrale.

Gott sei Dank, es ist wirklich die BOOTY! Rhodan entspannte sich. »Was war das denn, Mister Rainbow? Haben Sie es auf uns abgesehen?«

Der Oberleutnant wirkte fahrig. Die kürzeren Haare aus seiner dunklen Mähne hatten sich zum Teil aus dem Zopf gelöst und hingen ihm ins Gesicht.

»Entschuldigung, Protektor! Wir haben Probleme, das Schiff zu kontrollieren! Beim Scheinangriff haben sich automatische Kampfroutinen aktiviert, die wir nur zum Teil eindämmen konnten.«

Hinter Rainbow war Tim Schablonski zu sehen, der um die holografische Steuerkonsole herumsprang und mal hier, mal dort Schaltungen vornahm. Die Jacke seiner Bordkombination klebte feucht an seinem Rücken.