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Nathan Englander

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Beschreibung

Larry, ein atheistischer Jude aus Brooklyn, ist nach dem Tod seines geliebten Vaters ein einziges Nervenbündel. Nach dem jüdischen Gesetz muss er elf Monate lang das Kaddisch für seinen Vater beten. Fieberhaft sucht er nach einem Ausweg – und findet ihn, wie so vieles, im Internet, bei der Website kaddish.com. Ein frommer Jeschiwa-Schüler in Jerusalem wird das Trauergebet für seinen Vater sprechen, während Larry so weitermachen kann wie bisher … »Eine übermütige, warmherzige Geschichte über Glaube, Identität und Familie.« (Financial Times)

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Seitenzahl: 256

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Zum Buch:

Larry, ein atheistischer Jude aus Brooklyn, ist nach dem Tod seines geliebten Vaters ein einziges Nervenbündel, als er im Haus seiner orthodoxen Schwester in Memphis Schiwa sitzt. Vor allem da sie und der Rabbi befürchten, er würde seine Pflicht als einziger Sohn vernachlässigen: Nach dem jüdischen Gesetz muss er elf Monate lang das Kaddisch für seinen Vater beten. Larry verspricht hoch und heilig, seiner Pflicht nachzukommen, während er fieberhaft nach einem Ausweg sucht. Er findet ihn – wie so vieles – im Internet, auf der Website kaddish.com. Larry füllt ein Formular aus, zahlt die Gebühr und vertraut darauf, dass ein frommer Jeschiwa-Schüler in Jerusalem das Trauergebet für seinen Vater sprechen wird, während er unbehelligt sein profanes Leben weiterleben kann. Doch bald ergeben sich einige moralische, philosophische und spirituelle Komplikationen … Eine aberwitzige, rasante Satire, zugleich höchst respektlos und sehr liebevoll.

»Eine übermütige, warmherzige Geschichte über Glaube, Identität und Familie.« Financial Times

Zum Autor:

Nathan Englander wurde 1970 in New York geboren, wuchs in einer jüdischen Gemeinde in Long Island auf und studierte in Jerusalem und in New York Englische Literatur und Jüdische Geschichte. Heute ist er Distinguished Writer in Residence an der New York University und lebt mit seiner Familie in Toronto. Zu seinen Werken gehören der Roman »Das Ministerium für besondere Fälle« und der Erzählband »Worüber wir reden, wenn wir über Anne Frank reden«, der mit dem Frank O’Connor Short Story Award ausgezeichnet wurde und auf der Shortlist des Pulitzerpreises stand. Zuletzt erschien auf Deutsch der Roman »Dinner am Mittelpunkt der Erde«.

Zum Übersetzer:

Werner Löcher-Lawrence, geb. 1956, studierte Journalismus, Literatur und Philosophie und ist der Übersetzer von u. a. Nathan Hill, Hilary Mantel, Hisham Matar, Anuradha Roy, Louis Sachar und Meg Wolitzer.

Nathan Englander

kaddish.com

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch von Werner Löcher-Lawrence

Für meine Schwester

TEIL EINS

I Die Spiegel verhängt und die Eingangstür einen Spalt offen – mit zerrissenem Kragen und dunklen Bartstoppeln im Gesicht lehnt Larry an der Granitplatte der schmucken Kücheninsel seiner Schwester. Er sagt: »Alle starren mich an. All deine Freunde.«

»So ist es nun mal«, erklärt ihm Dina. »Die Leute kommen, sagen nette Sachen, fühlen sich unwohl und starren in die Gegend.«

Die Beerdigung war erst vor ein paar Stunden, und, ernsthaft, Larry hasst sich dafür, es anzusprechen. Er dachte wirklich, dass die Verzweiflung über den Tod seines Vaters nicht größer sein könnte, aber dieser ruhige, murmelnde Strom Beileidsbezeugender macht es für Larry nur noch schlimmer.

Was ihn stört, ist die Art, wie sie ihn ansehen. Das ist nicht das gewohnte, ganz natürliche schmerzvolle Nicken. Larry ist überzeugt, dass mehr dahintersteckt – dass sie ihn verurteilen.

Er weiß nicht, wie er die Woche überleben soll, eingesperrt im Haus seiner Schwester, ihrer Gemeinde, wo ihn jeder Blick zu taxieren scheint.

Und so führt er immer wieder die Hand zum Kopf und fühlt nach seiner Jarmulke, die da schwer wie eine Radkappe liegt. Ohne sie bei der Schiwa des eigenen Vaters zu sein wäre so, als stünde er nackt da.

Larry hat sich mit seiner Schwester in die Küche gestohlen, es ist ihr erster Moment allein, und er macht sich wütend Luft.

»Sag ihnen«, faucht er, »sie sollen mich nicht ansehen.«

»Bei einem Kondolenzbesuch? Du willst, dass sie uns nicht ansehen?« Dina hält inne. »Uns, die … was sind wir, die Kondolierten? Die Geplagten?«

»Die Plage!«

»Die Trauernden!«, sagt sie. »Du willst, dass sie uns ihr Mitgefühl nicht zeigen?«

»Ich will nicht von ihnen verurteilt werden, nur weil ich ihre bescheuerte Welt verlassen habe.«

Dina lacht, zum ersten Mal, seit sie ihren Vater beerdigt haben.

»Das ist so typisch für dich«, sagt sie. »Es runterzumachen. Zu komplizieren, was einfacher nicht sein könnte. Diese Bitternis angesichts reiner Freundlichkeit, das bist allein du.«

»Ich? Machst du Witze? Denkst du das allen Ernstes? Heute?«

»Das denke ich, kleiner Bruder. Ich liebe dich, Larry, aber wenn du sogar, ja, heute, mit einem deiner Anfälle kommst …«

»Meiner Anfälle!«

»Schrei nicht so, Larry. Die Leute können uns hören.«

»Ich scheiß auf die Leute.«

»Oh, wie nett.«

»Das tu ich«, sagt Larry und denkt, dass sie mit dem Wort »Anfall« nicht ganz danebenliegt.

»Also gut. Verfluche die netten Menschen, die für uns kochen, uns versorgen, die ganze Woche Chauffeur für mich spielen und dafür sorgen, dass wir nicht allein mit unserer Trauer sind. Ja, verfluche die netten Männer, die unseren Vater gewaschen und ihm das Totenhemd angezogen haben, die ihm Scherben auf die Augen gelegt haben und uns jetzt besuchen, damit in diesem Haus ein Minjan zustande kommt.«

»Verschone mich, Dina. Es ist auch meine Trauer, und ich sollte mich hier genauso zu Hause fühlen, in deinem Haus, wie sie.«

»Wer sagt etwas anderes? Aber du musst verstehen, dass sie so etwas nicht gewohnt sind, Larry. Was du tust.« Dina holt Luft und ordnet ihre Gedanken neu. »Die Juden in Memphis sind noch konservativer als die, mit denen wir aufgewachsen sind. In Brooklyn haben selbst die Konformen ihre Eigenheiten. Aber wenn du hier so radikal bist, starren dich die Leute schon mal an.«

Jetzt ist es an Larry, seine ältere Schwester anzustarren. Er steht vor ihr und sieht sie verständnislos an. Was an ihm oder seinem Verhalten radikal sein soll, ist ihm absolut schleierhaft.

»Sag bloß, es ist dir nicht bewusst«, sagt sie. »Sag bloß, du machst das nicht mit Absicht. Hast du tatsächlich so viel vergessen?«

»Ehrlich, ich weiß nicht, ich …«, und eigentlich wollte Larry sagen, er schwört es, was orthodoxen Juden jedoch verboten ist. Und nicht so sehr aus Rücksicht auf seine Schwester, sondern um seine Unschuld zu beweisen (dass er nicht so ein Sonderling ist, wie sie denken, und nichts tut, was einer für falsch halten könnte), schluckt Larry den Schwur mit einem Stottern herunter und ersetzt ihn durch ein Versprechen: »Ich verspreche es.«

»Muss ich es dir wirklich erklären?«

»Bitte.«

Dina verdreht die Augen, wie sie es tut, seit Larry alt genug ist, zu verstehen, was es bedeutet, und wie sie es wahrscheinlich auch vorher schon getan hat. Und dann erklärt sie ihm, wovon sie sicher ist, dass es ihm nicht nur bewusst ist, sondern er es, ohne Zweifel, mit Absicht tut.

»Du gehst einfach hinaus in den Hof. Du liest ein Buch«, sagt sie mit echter schwesterlicher Wut. »Und du setzt dich, als wäre es nichts, auf einen normalen Stuhl.«

Larry richtet sich auf, drückt mit den Händen auf die Granitplatte und stellt sich seiner Übertretung.

Er gibt sich einen Moment, lässt das Blut in seine Wangen strömen und wird rot, als könnte er wie ein Chamäleon nach Wunsch die Farbe ändern.

»Das ist immer noch kein Grund, mich wie ein Monster zu behandeln«, sagt er. »Das sind einfach blöde Regeln.«

Aber selbst während er es sagt, der rebellische kleine Bruder, der er ist, das schwarze Schaf und, ja, der Abtrünnige, versteht Larry, dass Dina diese Regeln sehr wichtig sind.

Wie kann er einfach aus dem Haus gehen? Zu seiner Unterhaltung ein Buch lesen? Und, vor allem, den speziellen Schiwa-Hocker verweigern – den niedrigen Stuhl, die hölzerne Kiste, das Sofa ohne Polster? Das ist zu viel. Diese uralte Haltung, mit hängenden Schultern dazuhocken, mit aschfahlem Gesicht, nahe am Boden, das ist für Dina die reine Trauer.

»Ein dummer Stuhl hat doch nichts mit Trauer zu tun«, sagt Larry und legt noch mal nach.

Obwohl er weiß, dass es für seine Schwester absolut so ist.

In der ersten Trauernacht in Dinas arktisch heruntergekühltem Haus liegt Larry im kleinen Zimmer seines Neffen, in dessen schmales Bett gezwängt, und friert unter einer dünnen Polyesterdecke. Er kann nicht schlafen. Trotz aller Zen-Übungen gelingt es ihm nicht, sich von seiner Erschütterung freizumachen.

Er will »Daddy« schreien, will »Mommy« schreien, und es ist diese völlige Regression, zusätzlich zu seiner Trauer, die ihn so aufwühlt. Ein erwachsener Mann, frustriert über seine Frustration, der damit kämpft, seinen Schmerz einzudämmen.

Wäre Larry nicht bereits von sich aus wieder zum Kind mutiert, hätte Dina dafür gesorgt, indem sie ihn in diese Höhle eines Elfjährigen verfrachtet hat, statt ihren dreißigjährigen Bruder im weit onkelwürdigeren Arbeitszimmer einzuquartieren.

Aber das Arbeitszimmer ist der Ort, an dem ihr Vater während seines Pessach-Besuches erkrankt ist. Wo er sich zwischen seinen zahlreichen Krankenhausaufenthalten erholt hat – bis zu seiner letzten, schicksalhaften Einlieferung. Damit war das Zimmer aus Dinas Denken ausgeblendet.

Und so liegt Larry in diesem winzigen Bett, dreht sich und sieht ins leuchtende Aquarium seines Neffen.

Das wässrige Licht fließt über ihn und erhellt die gegenüberliegende Wand. Und die Fische gleiten vor einem Regal voller riesiger Pokale herum, wie Larry sie in seinen aktiven Jahren nie gewonnen hat.

Und jetzt will er nicht mehr nach seinen Eltern rufen, sondern seine Schwester anschreien, voller Wut über etwas, was er nicht genau bezeichnen kann. Ist es das Licht im Aquarium, blendend hell, das ihn, den Schlaflosen, nicht zur Ruhe kommen lässt? Oder der Umstand, dass seine große Schwester in ihrer sowieso schon winzigen Familie nicht in der Lage war, ihren Vater am Sterben zu hindern? Dass Dina, die Ältere, Klügere, damals, als er im zarten Alter seines Neffen war, ihre versponnene Mutter nicht davon abhalten konnte, mit Dennis, dem lächerlichen New-Age-Mann, nach Marin County davonzulaufen – gleich nach der Hochzeit, die noch am selben Tag stattfand, da ihr lieber Vater die Scheidungsurkunde bekam?

Ihre Mutter war aus dem Rabbinatsgericht, wo sie geschieden wurden, direkt unter die Chuppa im Prospect Park geeilt. Ihren Sohn Larry hatte sie gezwungen, einen der Baldachinpfosten zu halten, während Dennis das Glas zertrümmerte, indem er mit seinen dicken Birkenstock-Latschen drauftrat.

Bei der Erinnerung schüttelt Larry den Kopf, und während er sich das Kissen vors Gesicht drückt, bis er Sterne sieht, denkt er, dass seine Wut auf Dina vielleicht daher rührt, dass sie für alles steht, was von der einzigen Familie, die er je hatte, noch existiert.

Jetzt gibt es nur noch sie beide.

Nur, dass Dina nicht allein ist. Sie hat einen Mann und drei Kinder und die Hunderte Mitglieder zählende religiöse Sippschaft, die während der kommenden Woche hier ein und aus gehen wird. Diese Südstaatler, diese Memphis-Juden, diese Graceland-Juden, die niemals aufgeben, niemals verschwinden.

Larry, durch die endlose Erkundung seiner Trauer körperlich wie geistig überwältigt, gibt auf und kriecht aus dem Bett. Fast schon gewalttätig reißt er den Stecker für das Aquarium aus der Wand und seufzt erleichtert, als eine erholsame Dunkelheit das Zimmer erfüllt. Tastet sich zurück unter die Decke des Jungen, zieht sie über sich und treibt in wundervoller Schwärze Richtung Schlaf.

Aber er kann nicht loslassen, verfolgt von seinen Gedanken an den Tod, die Erde, die auf den Sarg trifft, und das buchstäbliche Gespenst einer Seele, die von ihrem Körper getrennt wird – den frei herumtreibenden Geist seines Vaters. Larrys Körper hingegen liegt im engen Sarg dieses Bettes, bedrängt von Aberglauben, und es ist, als hätte er sein altes religiöses Selbst ausgegraben, als sein Vater in die Erde gesenkt wurde.

Die Augen geschlossen, versucht er, sich davontragen zu lassen, aber seine Ohren lauschen auf die Fische im Aquarium, um deren Wohlergehen er sich sorgt.

Mehr und mehr fürchtet Larry, dass er durch das Ziehen des Steckers die ganze Vorrichtung abgeschaltet und dabei die Fische erstickt oder ersäuft hat oder wie immer die Bezeichnung dafür ist, Geschöpfe, die unter Wasser atmen, davon abzuhalten, es zu tun.

Er kann sie natürlich nicht herumschwimmen hören, und so versucht er, stattdessen das Geräusch des Wasserfilters auszumachen – ihn vom unvertrauten elektrischen Summen des Hauses zu isolieren. Doch dem steht das Dröhnen des unermüdlichen Kompressors entgegen, der irgendwo ganz in der Nähe angebracht ist und all die eisige Luft durch die Schlitze über seinem Bett zwingt.

Also öffnet Larry die Augen wieder, dreht sich und versucht, in der Dunkelheit etwas zu erkennen, vorzugsweise die aus der dämlichen Aquariumpumpe aufsteigenden Blasen.

Er ist, und er weiß, es ist alles andere als rational, voller Angst, dass die Familie am Morgen gleich mit einer ganzen Reihe weiterer Beisetzungen konfrontiert wird, die alle sein idiotischer, onkelhafter Fehler sind. Er stellt sich vor, wie sie sich in ihren Trauerkleidern ins Bad quetschen und über eine der imposanten geräuscharmen Reiche-Leute-Toiletten des Hauses beugen. Larrys Neffe wird die Zeremonie leiten, während seine beiden Schwestern, wie Sargträger, einen mit Fischen gefüllten Kescher in Händen halten – und die Kinder sehen zu, wie ihre ermordeten Mündel dem Schöpfer entgegenfallen, genau wie ihr Großvater am Morgen zuvor.

Jedes Mal, wenn sich der Schlaf endlich nähert, holen die Fische Larry zurück, bis er sich aus dem Bett kämpft, um den verdammten Aquariumstecker wieder einzustöpseln.

Das Licht leuchtet, und Larry überlässt sich der Endlosigkeit der Nacht, liegt da und vermisst seinen Vater, seinen geliebten Vater, der, so weißbärtig wie gläubig, der Einzige in Larrys altem Leben in ihrer abgeschiedenen Gemeinde war, der seine wahre Natur verstand und Larry als genau den liebte, der er war, der den Mann im Herzen trug, zu dem er geworden war.

»Ich will, dass du weißt«, hatte ihm sein Vater aus dem Krankenbett heraus gesagt, »dass es dir in dieser und der nächsten Welt gut gehen wird.«

»Denkst du?«, sagte Larry.

»Weißt du, was ich denke?«

»Sag es mir.«

»Ich denke, die Kommende Welt ist einfach ein langer Tisch, an dem alle sitzen, auf beiden Seiten, Männer und Frauen …«

»Haustiere?«

»Keine Haustiere«, sagte sein Vater.

»Gar keine?«

»Also gut«, sagte sein Vater. »Unter dem Tisch, Katzen und Hunde. Aber keine Vögel. Ich kann es mir mit Vögeln nicht vorstellen.«

»Das ist okay«, sagte Larry.

»Dieser lange Tisch mit seiner vollkommenen weißen Decke steht nicht voller Essen und Trinken, sondern die Thora liegt auf ihm, Exemplare für alle, so dass du darin allein oder mit jemand anderem zusammen lesen kannst.«

»Das kann ich mir vorstellen.«

»Und weißt du, was an diesem Tisch passiert?«

»Was?«

»Alles, was du bis in alle Ewigkeit tust, ist lernen. Nichts anderes. Keine Unterbrechung. Kein Tag, keine Nacht, kein Wochenende oder Ferien, kein Y’mei Chag oder chol. Denn es ist das Jenseits. Die Zeit fließt immer weiter – alles ist nur einem Zweck untergeordnet.«

»Klar«, sagte Larry.

»Deshalb dient dieser Ort für die versammelten Seelen gleichzeitig als Himmel und Hölle.«

An dieser Stelle schnappte sein Vater nach Luft, wie ein Fisch.

»Es funktioniert so«, sagte sein Vater. »Wenn du Verstand und ein gutes Herz hast, wenn es dir gefällt, die Thora zu studieren, und du an Wissen interessiert bist, dann ist das ewige Lernen für dich der Himmel.«

Er sah seinen Sohn an, und Larry nickte.

»Und wenn du deine Zeit aber nur mit narishkayt und Schwachsinn verschwenden und deine gierigen Gedanken denken willst, obwohl das Geld weg ist, wenn du weiter deine schmutzigen Gedanken denken willst, obwohl dein schvontz unter der Erde liegt, dann ist dieser Tisch für dich reine Qual. Dann ist das Sitzen dort, mit deinem üblen Hirn, die Hölle.«

Larry überlegte, da an der Seite seines Vaters.

Irgendwie fand er es komisch, und er zog in Erwägung, einen Larry-Witz zu reißen. Aber da er der Sohn seines Vaters war, nahm er es auch ernst, und die Vorstellung beeindruckte und ängstigte ihn irgendwie.

Sein Vater, der ihn kannte und verstand wie niemand sonst, streckte seine mit Leberflecken übersäte Hand aus, legte sie auf Larrys und sagte: »Ich bin sicher, an dem Ort – für dich wäre es der Himmel.«

Larry rang um Luft, nicht aus Überraschung, sondern um die Wärme und den Trost herunterzuschlucken, die der Zuspruch seines Vater in ihm aufbranden ließ.

»Vertrau mir, Larry, es ist in Ordnung, dass du nicht gläubig bist. Diese Phase deines Lebens – es fühlt sich an, als bliebe es für immer so, aber mit etwas Glück lebst du lange, und all dieses ›für immer‹ wird dir eines Tages als vergänglich erscheinen. Denkst du, dass ich mir in deinem Alter das Heute habe vorstellen können? Dass wir 1999 haben, am Rand eines neuen Millenniums stehen, und ich mich am Ende meiner Tage von einem gutaussehenden herangewachsenen Sohn verabschiede? Ich kann dir sagen, dass ich mich damals schon alt fühlte und alles zu wissen glaubte.« Sein Vater drückte sanft Larrys Hand. »Du bist ein guter Junge, und ich bete dafür, dich erst am Tisch gegenüber zu sehen, wenn du hundertzwanzig bist. Aber für dich, Jungchen, wenn es an der Zeit ist, an diesem Tisch Platz zu nehmen, wird es sich anfühlen wie eine grenzenlose Gnade.«

II Der zweite Tag der Schiwa ist noch schwerer als der erste.

Larry macht seiner Schwester ein Friedensangebot und verbringt den ganzen Morgen im Wohnzimmer bei den Besuchern, sitzt auf dem niedrigen, rückenfeindlichen Stuhl.

Er lässt mit sich plaudern, nimmt gute Wünsche entgegen und beantwortet jedes noch so schwache Stirnrunzeln mit einem höflichen Nicken. Brav hört er sich die lähmend erzählten Geschichten über das Sterben der Eltern jedes Einzelnen im Raum an, über die abrupten Abschiede, die sich hinziehenden Leiden und die letzten Worte, dazu die Klagen derer, die die Gelegenheit verpasst haben, Lider zu schließen, die sich nicht wieder öffnen würden.

Larry würde am liebsten darauf antworten: »Danke für die Offenheit und scheiß auf deinen toten Vater.«

Stattdessen runzelt auch er die Stirn und spendet seinerseits Trost. Tätschelt ein Bein, einen Rücken und umarmt sogar jemanden so heftig, dass ihrer beider Jarmulkes zu Boden segeln.

Wann immer Larry zur Uhr sieht, scheinen die Zeiger wie eingefroren, falls sie sich nicht sogar rückwärts bewegen. Die unerbittliche Tennessee-Sonne schneidet durch die Jalousetten und trifft Larry mit ihrem Gleißen, wohin immer er sich wendet.

Nachdem er so lange dagehockt hat, wie es ihm menschlich möglich ist, hievt sich Larry in die Höhe und tapst auf Socken hinaus in den glutheißen Garten hinter dem Haus. Alle Blicke folgen ihm, der da die Regeln verletzt.

Als Larry seine Schwester endlich allein in der Küche erwischt, ist es fast Zeit für das maariv, das Abendgebet. Er will gerade die Tür hinter sich schließen, als er aus dem Nebenzimmer gut vernehmlich die Knie einer Frau knacken hört. Sie ist eines der älteren Synagogenmitglieder, und sie steht auf, um sich selbstlos um ihre Bedürfnisse zu kümmern.

Larry hält inne, die Hand auf der Klinke, und schickt seine Gedanken mit aller Macht zu ihr hinüber: Jetzt mal halblang, du liebenswürdige alte Schachtel.

Die Frau erstarrt unter seinem Blick, bevor sie sich den Rock glattstreicht, als wäre sie deswegen aufgestanden. Dann setzt sie sich wieder, langsam.

Larry wendet sich Dina zu und sieht, wie müde sie ist – nicht vom Bewirten, Trauern oder Muttersein. Er ist es, der seine Schwester erschöpft.

Er wartet, dass sich ihr Ausdruck entspannt.

Als das nicht geschieht, und aus Angst, die Gelegenheit zu verpassen, fängt er an.

»Sie bleiben und bleiben«, sagt Larry.

Und wie anders kann Dina darauf reagieren, als die Augen zu verdrehen?

»Noch fünf Tage«, sagt er. »Fünf endlose Tage.«

»Weißt du, was mich schafft, Larry? Weißt du, was deine Schwester, so viele Leute da draußen auch sein mögen, für den Rest der Woche nicht erträgt?«

Larry denkt über die Frage nach, und Larry antwortet.

»Mich?«, sagt er.

»Richtig. Das ist es, womit ich nicht klarkomme. Womit mein Mann nicht klarkommt. Und womit auch meine süßen Kinder, das sehe ich schon, sehr bald nicht mehr klarkommen werden.«

Larry will antworten, doch seine Schwester hält ihn mit erhobenem Zeigefinger davon ab.

Sie ist noch nicht fertig.

»Larry, hör mir zu. Ich kann dir nicht immer wieder sagen, dass sie alle gute Menschen sind. Ich habe nicht die Kraft, dir alle zwei Minuten erklären zu müssen, dass Güte nichts als Güte ist. Wenn du Negatives sehen willst, wo es nur Positives gibt …«

»Nur?«, sagt Larry. »Ich gebe ja zu, von Leuten wie diesen gibt es in Situationen wie diesen Unterstützung. Aber dass das alles«, sagt er und deutet in Richtung Wohnzimmer, »nur positiv sein soll?«

Dina verschränkt die Arme vor der Brust. Stumm fordert sie ihn heraus weiterzumachen.

»Das würde bedeuten, dass sie auch hier wären, wenn du nicht mehr koscher leben würdest oder gegen Israel wärst. Oder wenn du plötzlich lesbisch würdest.«

»Warum sollte ich plötzlich lesbisch werden?«

»Okay, dann Avi. Wenn er schwul würde.«

»Avi, mein Mann? Avi, der selbst jetzt, in dieser Situation, spitz wie nur was ist?«

»Igitt«, sagt Larry. Er überlegt. »Aber wenn er plötzlich schwul wäre. Wären dann auch so viele hier?«

Es ist eine rein theoretische Überlegung.

Offenbar ist Dina nicht in der Stimmung für anspruchsvolle Diskussionen. Und obwohl sie ihn gerade gestern erst ermahnt hat, seine Stimme nicht zu erheben, ruft sie ziemlich laut: »Genug!«

Das Wort hallt durch den Raum.

Sie müssen es auch im Wohnzimmer und im Esszimmer gehört haben. Larry spürt all die gelangweilten Nachbarn, die zwischen Bagels und Kuchen und in den zahllosen Schüsseln mit Rohkost auf dem Tisch herumstochern.

Er weiß, sie halten inne in ihrer Stocherei und starren zur Wand, und ihre rissigen Möhrenstifte schweben über Schüsseln mit verharschtem Hummus und Baba Ghanoush.

Larry holt tief Luft und versucht, bis zehn zu zählen.

»Genug, wovon?«, sagt er viel zu lange nach Dinas Schrei. Und aus irgendeinem Grund reckt er dabei stolz die Brust vor, als hätte er gerade die cleverste Antwort der Welt gegeben.

»Ich habe dir meine Tür geöffnet«, sagt Dina. »Mein Haus. Es war immer auch dein Haus. Und meine Gemeinde, sie war auch deine.«

»Was, die Gemeinde hier in Memphis? Wo Elvis nicht weit von unserem Vater begraben liegt? Hör schon auf.«

»Memphis. Brooklyn. Das ist egal. Die orthodoxe Gemeinschaft des jungen Israel ist überall auf der Welt die gleiche. Sie ist dein Zuhause, Larry – wo immer du sie findest, ob du davor wegläufst oder nicht.«

Ihm zu sagen, er wäre weggelaufen, sie, die hier in Tennessee sitzt. Ausgerechnet. Ihm, der sein Leben lang in New York gelebt hat und immer noch lebt. Das toppt wirklich alles in diesem Grand-Ole-Opry-, diesem Gus’s-Fried-Chicken, diesem Hee-Haw-Staat. Wo Larry, würde er nicht die ganze Nacht wachliegen, weil er kurz vorm Durchdrehen steht, sowieso kein Auge zutäte, vor lauter Angst, von einer verdammten Einsiedlerspinne gebissen zu werden und mit einem abgefaulten Bein aufzuwachen. Wenn überhaupt.

Wie konnte ausgerechnet sie sagen, dass er es sei, der weggelaufen war?

Seine Schwester war es doch, so sah es Larry, die Avi nach ihrer Hochzeit von Brooklyn auf den Mond gefolgt war. Larry dagegen blieb in ihrer Heimat verwurzelt. Wo wohnte er denn? Stand das Doppelbett mit der orthopädischen Matratze, auf die Larry nächtens in wirklicher Verdunkelungsfinsternis seinen Kopf bettete, nicht gerade mal drei U-Bahn-Stationen von der Gegend entfernt, in der sie aufgewachsen waren?

War die Tatsache, dass er die Entfernung in U-Bahn-Stationen zählte, nicht schon Beweis genug? Konnte es einen eindeutigeren Beleg dafür geben, dass er an dem Ort geblieben war, wo man sie großgezogen und den man ihnen als Zivilisation nahegebracht hatte?

Das will er ihr gerade klarmachen. Ernsthaft auseinandersetzen, als Rabbi Rye (was für ein lächerlicher Name für einen Rabbi!) hereingestürmt kommt, um Larry zum Abendgebet ins Wohnzimmer zu zerren.

Der Jammer der Tage bleibt ungebrochen, aber jeder einzelne hält für Larry spezielle Qualen bereit. Zum Beispiel, wenn die Gemeinde ihren Minjan bildet, dreimal täglich, morgens, nachmittags, abends, und Larry gezwungen ist, wieder und wieder das Trauer-Kaddisch zu rezitieren.

Rabbi Rye holt das Quorum zusammen, und Larry betet vor den Versammelten mit dem schoklenden Ernst und der kawwana, die diese Profi-Juden von ihm erwarten.

Als der Moment kommt, hebt Larry die Stimme, damit sie auf sein himmlisches Flehen antworten können. Er präsentiert ihnen seine Tränen und betet das Totengebet für seinen lieben, lieben Vater.

III Wieder im Bett, starrt Larry in seinem Elend die Fische an, ist gefangen mit den einzigen Haustieren im ganzen Universum, die keinen Trost bieten. Vor dem Hinlegen hat er nicht einmal mehr versucht, das Licht zu dämpfen, sondern sich der ewigen Schlaflosigkeit ergeben.

Allerdings hatte er, während das Haus um ihn herum damit beschäftigt war, sich die Zähne zu putzen und die Schlafanzüge anzuziehen, seinen Laptop herausgeholt und das Telefonkabel des Jungen zum Nachttisch gelegt, auf den er seinen Computer stellte. Larry stöberte im Internet herum, sah zum Aquarium hinüber und versuchte herauszubekommen, mit was für Fischen er es zu tun hatte. Er hoffte, sich ihnen dadurch etwas weniger fremd zu fühlen und eine bessere Verbindung zu ihnen aufzubauen.

Als sein Neffe hereinkam, um Futter ins Wasser zu streuen, trat Larry neben ihn und versuchte, sich an das zu erinnern, was er gerade nachgesehen hatte. Er sagte: »Ist das ein Leierfisch, der da hinter den beiden?«

Der Junge verdrehte die Augen exakt so, wie es seine Mutter getan hätte.

»Das sind alles Leierfische. Die beiden vorne sind Stern-Mandarinfische, der dahinter ist ein LSD-Mandarin. Aber es sind alles …«

»Leierfische?«

»Ja«, sagte der Junge.

»Und der kleine da, der wie ein Hai aussieht?«

»Das ist ein Hai«, sagte der Junge, schüttelte den Kopf und überließ den Onkel seinen Sorgen.

Jetzt sieht Larry zu, wie der Minihai sich dreht und quer durchs Aquarium zur Scheibe geschwommen kommt.

Larry drückt sich das Kissen gegen die Brust und zieht die Beine an. Er denkt daran, wie er seinen Vater geliebt hat und sein Vater ihn; wie er seinen Sohn akzeptiert und damit eine für einen religiösen Menschen ungewöhnliche Art von Glauben gezeigt hat. Er glaubte an Larrys Larrytum. Er heiligte seinen Sohn.

Aber so sehr sein Vater an ihn als Menschen geglaubt hatte, so wenig akzeptierte er das, was Larry für wahr hielt. Noch auf dem Totenbett machte er ihm klar, dass das Leben, das Larry gegenwärtig führte und für das er so gekämpft hatte, nicht sein wirkliches Leben sei.

Selbst noch als Larry dreißig wurde, sein Haar die ersten grauen Strähnen zeigte und sich die Tränensäcke unter seinen Augen zu dehnen begannen, war das Leben, das er sich ausgesucht hatte, für seinen Vater nicht mehr als eine Phase, die damit enden würde, dass Larry, wie sein Vater es nannte, den Weg »nach Hause fand«.

Nach Hause.

Für seinen Vater und seine Schwester war das Zuhause nicht der eine Ort, aus dem man kam. Es war überall, jeder Ort auf dem Planeten, an dem es Gleichgesinnte gab, koscher lebende, Mikwe nehmende, Israel preisende Synagogengänger, Stammesbrüder, die alle genau das Gleiche auf die gleiche Art taten, fühlten und glaubten – und die das Trauern so ernst nahmen, dass sie sich gegenseitig die Luft im Zimmer wegatmeten, einem den Sauerstoff nahmen, so dass die Lebenden tatsächlich eins sein konnten mit den Toten.

Larrys Vater war so sehr davon überzeugt, dass die ganze Existenz seines Sohnes nur eine Phase war, dass er während eines der vielen Abschiedsgespräche zu Larry sagte: »Solltest du welche von diesen schrecklichen Hipster-Tätowierungen haben, will ich es nicht wissen. Aber ich bitte dich, falls noch welche dazukommen, sorge dafür, dass man sie nicht sieht. Wenn du in die Herde zurückkehrst, wird es mit irgendwelchen dummen Dingen, die du dir auf die Finger hast schreiben lassen, oder einem Drachen auf dem Arm schwierig. Dann siehst du dich jeden Morgen mit deinen Fehlern konfrontiert, wenn du die Tefillin anlegst.«

In dem Moment hatte sich Larry seltsam hin- und hergerissen gefühlt, umsorgt, aber auch verletzt. Und er hatte lachen müssen. »Hipster«, dieses Wort aus dem Mund seines Vaters! Eine Million hätte er darauf gewettet, dass er es nicht mal kannte.

Und wo sie schon über Lebensentscheidungen sprachen, bot es sich an, auch auf das Begräbnis zu kommen und sich um die Überführung der sterblichen Überreste nach New York zu kümmern.

Larry konnte nicht alles seiner Schwester überlassen. Irgendwann musste er erwachsen werden.

Jetzt war es an seinem Vater zu lachen, rau und mit trockener Kehle.

Nein, erklärte er seinem Sohn. Er würde nicht zurückgehen. Nicht nach Brooklyn.

Das war ein Schock für Larry. Und dann setzte sein altes Denken wieder ein. Ja, natürlich, sein Vater wollte in Israel begraben werden. Wenn der Messias kam und die Toten auferweckt wurden, wollte sein Vater nicht die lange Reise unterirdisch nach Jerusalem machen müssen, bevor er zum Himmel aufsteigen konnte. Das war es, was Larry als Kind gelernt hatte, dass es die im Heiligen Land sind, die direkt aus ihren Gräbern aufstehen. Die anderen Juden müssen erst die Reise dorthin antreten und ihre klappernden Knochen in ihre eigentliche Heimat schaffen, bevor sie neu zum Leben erweckt werden.

»Jerusalem«, sagte Larry und nickte düster und voller Verständnis.

Wieder lachte sein Vater.

»Yerushalayim? Weißt du, was das kostet? Den Sarg da hinzufliegen? Ein Grab zu kaufen? Willst du mich tatsächlich da hinschaffen, damit sie mich in einem steinigen Hang im Schatten irgendeines protzigen Einkaufszentrums vergraben können? Nein, nicht in Israel, Larry. Hier in Memphis«, sagte er. »Ich werde bei den machatunim begraben. Bei der Familie deiner Schwester.«

»Für immer in Memphis?«

Sein Vater nickte.

In Memphis, für immer. Ja.

Larry wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Was war mit den Grabstellen, die seine Eltern bereits daheim in Royal Hills hatten?

»Das war mein Hochzeitsgeschenk für sie und diesen Narren.«

»Du hast Dennis dein Grab geschenkt?«

»Am Tag, als sie die Ringe getauscht haben. Soll deine Mutter ruhig unter einem gemeinsamen Stein mit ihm liegen, samt seinem eingravierten Narren-Namen. ›Dennis.‹ Das ist, als müsstest du bis in alle Ewigkeit neben einem Tennistrainer liegen.«

»Aber Dad, sie werden nicht nach Brooklyn zurückkommen. Niemals. Sie kommen nicht mal zu Besuch hergeflogen.«

»Was weißt du über die Entscheidungen deiner Mutter und dieses Idioten? Welcher Fußpfleger zieht mit seinem Geschäft an einen Ort, wo die Reichen den ganzen Tag die Beine hochlegen? Im Umkreis von hundert Kilometern gibt es da keinen hart arbeitenden Fußballen.«

»Was reden wir über Füße? Du gehörst nicht hierher, Abba«, sagte Larry mit einer Geste, die das Zimmer, in dem sie sich befanden, das Krankenhaus, Memphis und den ganzen großen Staat Tennessee umfasste. »Was, wenn ich die Grabstellen zurückhole? Wenn ich mit Mom konferiere? Du solltest in Royal Hills begraben werden, wo die Juden sind. Und wo du immer warst. Du könntest eines nehmen, und ich … ich das andere.«

»Ja«, sagte sein Vater. »Verlass uns jetzt, als wäre es nichts. Aber ich bin sicher, du kommst zurück.«

Das Wort »verlassen« ließ Larry zusammenzucken. Sein Vater merkte es und begriff, warum. »Ich meine nicht als Sohn, Larry. Du bist hier. Du bist hergeflogen. Du wohnst im La Quinta Inn und übernimmst deinen Teil. Ein perfektes Kind. Ich rede von dir als Jude. Nicht mich hast du verlassen. Ich meine dein Volk, deinen Glauben. Und auch deshalb ist es so richtig.«

»Deshalb was?«

»Hier.«

»Weil ich säkular bin?«

»Weil ich sterbe. Und wenn ich gehe, will ich, dass alles richtig gemacht wird. Auf die rechte Weise.«

IV Es ist das Alles-richtig-Machen, weshalb Rabbi Rye Larry aus dem Wohnzimmer ins Arbeitszimmer führt. Sie haben eben das letzte Abendgebet der Schiwa hinter sich gebracht. Was folgt, ist eindeutig von langer Hand geplant. Dina ist direkt hinter ihm, mit Duvy Huffman im Schlepptau.