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Träume sind das Salz der Welt, das steht auf der mysteriösen Karte, welche Tom alias Tauki, der Detektiv, gefunden hat. Eingetaucht in die wilde Natur finnischer Wälder begegnet ihm auf seinen Streifzügen so allerlei. Doch was, wenn die Fantasien aus dem Ruder zu laufen drohen? Drei weitere, kurze Geschichten erzählen von anderen, eher übernatürlichen Begegnungen. Lesen auf eigene Gefahr!
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Seitenzahl: 83
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Kalaton
Das Gespenst
Der Mann auf dem Balkon
Die verrückte Geschichte vom Buh
Das Auto hielt so abrupt, dass Tom aus dem Schlaf gerissen wurde. Er blinzelte und sah durch den Birkenwald den See glitzern. Es war heiss im Auto. Das T-Shirt klebte an seiner Brust und seine Hose an seinen Beinen. Er hasste dieses Gefühl.
„Aus dem Auto mit dir, Sohnemann!“, sagte der Vater freudig und öffnete die Autotüre mit Schwung. Tom wollte mit demselben Schwung zur Türöffnung hinausspringen, vergass aber, den Gürtel zu lösen. So schwang er zur Seite und schlug sich den Kopf am Türrahmen an.
„Nicht so stürmisch!“, lachte der Vater und die Mutter fragte, ob es weh tue. Er schüttelte den Kopf und dachte missmutig:
‚Ein schöner Anfang ist das!‘
Jeder nahm ein Gepäckstück und stapfte zur Blockhütte, die nicht weit entfernt auf einer Lichtung stand. Auf der kleinen Veranda stellten sie ihre Sachen ab. Noch bevor der Vater daran dachte, mit dem Schlüssel raus zu rücken, lief er zum Steg, der nicht weit fort lag und auf den Kalatonsee hinausragte. Mutter rannte dem Vater hinterher – wild gestikulierend die Schönheit des Ortes rühmend und da und dort einer Blume die Ehre erweisend.
Detektiv Tauki sah sich nach verdächtigen Sachen um. Die Feuerstelle schien ganz in Ordnung, wie auch der Birkenwald um die Lichtung. Das Haus selbst war ein länglicher Blockbau, dessen Giebel sich parallel zum See erstreckte. Hier sollte er nun seine Ferien verbringen.
Inmitten von Mücken, stellte Detektiv Tauki fest.
„He Tom, wo bleibst du?“, rief der Vater.
„Komm, es ist schön!“, rief die Mutter.
‚Immer diese Eltern, die dich nie in Ruhe lassen können!‘, dachte Detektiv Tauki. In Wirklichkeit war er nämlich Tom. Detektiv, das wollte Tom werden. Dass er Detektiv spielte, hütete er aber allerstrengstens. Der Name Tauki kam auch nicht von ungefähr! Er erinnerte stark an den Namen Tsaukki; den Detektiven aus seiner Lieblings TV Sendung.
Tom trottete zum Steg und trampelte nach vorne. Wäre er in diesem Moment ins Wasser gefallen, wäre es ihm egal gewesen!
„Was für ein wunderschöner See!“, staunte der Vater.
„Was für klares Wasser er hat und wie warm es ist!“, staunte die Mutter.
‚Was für unheimliche Wasserpflanzen es da hat!‘, dachte Tom.
Je länger er sich umsah, desto mehr graute ihm vor diesem See. Es fielen ihm Szenen vom Gruselfilm ein, den er vor zwei Tagen gesehen hatte. “Im Land der Killermoskitos“ hatte er geheissen. Und als die Protagonisten vor den Killermoskitos in den See geflohen waren, wo sie gedacht hatten, sie seien in Sicherheit, kam ein noch schlimmeres Seemonster angeschwommen!
Tauki sah es schon zwischen den Seerosenblättern lauern und sprang zurück an Land und zur Hütte. Der Vater deutete das als Ungeduld und spazierte, gütig und mit einem “so-war-ich-auch-mal“ Lächeln ebenfalls zur Hütte zurück; dicht gefolgt von der Mutter, die noch immer da und dort auf eine Blume oder ein schönes Kraut hinwies.
Es verging natürlich einige Zeit, bis der Vater endlich den Schlüssel in einer Hosentasche gefunden und die Türe geöffnet hatte. Tom trappte, nun wirklich ungeduldig geworden, von einem Bein aufs andere. Die Mutter berührte ihn am Arm und sagte ihm, ebenfalls freundlich und gütig lächelnd, er solle nicht so nervös sein. Das nervte ihn gewaltig, was seine ohnehin üble Laune nicht gerade verbesserte.
So schlüpfte er als erster ins Haus – noch bevor der Vater die Türe richtig geöffnet hatte. Diesmal sahen sich die Eltern nur an. Sie konnten ihren Sohn ja so gut verstehen!
Das Haus war einfach, aber praktisch eingerichtet, fand Tauki. Es hatte auf der einen Seite eine Sauna und eine Küche, die durch eine Ess-Wohn-Schlafstube auf der anderen Seite des Hauses mit dem Vorraum verbunden waren. Nachdem er auch unterm Bettsofa nach verdächtigen Sachen gesucht, aber – enttäuschender und langweiliger Weise – nichts gefunden hatte, musste er mit dem Vater die restlichen Gepäckstücke aus dem Auto holen. Und das waren relativ viele. Die Mutter verteilte in dieser Zeit ihre Sachen im ganzen Haus – natürlich schön geordnet und gut versorgt.
„Uff, gehen wir baden!“, sagte der Vater.
„Ja, ich habe auch heiss!“, sagte die Mutter.
‚In diesen Monstersee wollen sie baden gehen? Die sind verrückt!‘, dachte Tom.
„Los, Sohnemann, ins Wasser mit dir!“, rief der Vater.
„Heissa, los, komm!“, rief die Mutter.
‚Ihr könnt mich Mal!‘, dachte Tom, stieg aber schön brav in seine Badehose und watschelte dem Vater hinterher, der ganz kribbelig vor Vorfreude aufs Baden, wie ein junger Hund, zum See hüpfte.
Platsch, der Vater war im Wasser. Plitsch, die Mutter auch. Tom blieb auf dem Steg zurück und sah sich um. Am Rande des Sees standen Bäume. Kleine knorrige Birken wechselten hohe, majestätische Föhren ab und manchmal schimmerte eine fleckige Felsplatte übers Wasser. Hier auf dem Steg fühlte Tom sich noch sicher.
Mutter und Vater waren schon weit raus geschwommen und riefen ihn:
„Das Wasser ist warm!“
„Komm, worauf wartest du noch?!“
Tom berührte mit den Zehen das Wasser, stieg hinein und blieb stehen. Er sah sich gründlich um. Kein Monster zu sehen. Er begriff schnell, dass er sich auf einem künstlich angelegten Sandweg befand und sich rechts wie links schlammiger Boden ausdehnte.
Er tauchte unter, tauchte schnell wieder auf, hechtete zum Steg und sprang an Land.
„Wovor hast du denn solche Angst?“, rief der Vater.
„Das Wasser ist doch warm?“, rief die Mutter.
Tom sah wieder prüfend über den Kalatonsee. Nein, mutig war er nicht, aber wer weiss...
Die Eltern schwammen zurück.
„Hier hat es keine Monster!“, rief der Vater.
„Es wird langsam Zeit, das du aufhörst, so kindisch zu sein!“, rief die Mutter mit Besorgnis in der Stimme.
Aber sicher hatte es ein Monster im Kalatonsee! Es schaute mit seinen Glubschaugen übers Wasser, sah Toms Eltern, zog das Maul zusammen und wendete sich wieder interessanteren Dingen zu. Diese Menschen hatten doch keine Ahnung! Ohnehin frass er nur kleine Mädchen. Die anderen hatten entweder zu viel Gädder oder einfach einen zu hohen Kalkgehalt und er konnte Kalk nicht vertragen. Das verursachte Ausschlag bei ihm! Deswegen hatte er sich ja auch in diesem sauren Sumpfsee niedergelassen.
Als der Vater zum Wasser rauskam, beauftragte er seinen Sohn Holz zu suchen. Dieser stolperte nicht lange in den Wald hinein, als er schon zwei alte, abgestorbene Bäumchen sah, die er zur Feuerstelle schleppte, wo der Vater sie zersägte. Tom machte sich an der Feuerstelle zu schaffen. Sie bestand aus drei Steinblöcken an jeder Seite; nur die vierte Seite war offen. Darüber lag ein rostiges Gitter.
Detektiv Tauki putzte die Asche heraus.
‚Aha, da hatte jemand Beweise vernichtet!‘
Plötzlich sah er, dass sich ein Teil des einen Steines öffnen liess. Vorsichtig nahm er diesen fort und schaute, was sich dahinter befand. Viele angekohlte Birkenblätter lagen dort. Er wühlte etwas umher. Auf einmal hatte er einen stark zusammengefalteten Zettel zwischen den Fingern, ohne, dass er sagen konnte, woher er kam. Er faltet ihn auf, verhedderte aber die Finger ineinander, da er so aufgeregt war und der Zettel fiel zu Boden. Schnell hob er ihn auf und öffnet ihn ganz, was jedoch immer noch schwer für ihn war. Fast hätte er ihn sogar noch ein zweites Mal fallen gelassen!
Auf dem Zettel waren mit Bleistift ganz klar und deutlich die Umrisse des Kalatonsees eingezeichnet; Tauki hatte keine Zweifel!
Der Vater, der ebenfalls auf den Zettel aufmerksam wurde, kam hinzu.
„Eine Karte“, sagte er etwas enttäuscht.
„Eine Schatzkarte!“ rief Tom überglücklich.
Die Mutter kam hinzu.
„Die sieht aus, wie eine von deinen Karten, die du ab und zu zeichnest.“, sagte die Mutter.
‚Frechheit!‘, dachte Tauki, ‚denkt die etwa, ich würde Beweise fälschen? Eltern haben einfach keine Fantasie. Ganz klar, dass auf der kleinen Insel etwas sein muss. Warum sonst wäre dort ein rotes Kreuz!‘
Detektiv Tauki beschloss, die Insel so schnell wie nur möglich aufzusuchen.
Noch am selben Abend, als er gerade abgewaschen hatte, schob er das Ruderboot ins Wasser und fuhr davon, noch bevor Mutter oder Vater irgendetwas sagen konnten. Die Insel befand sich etwa in der Mitte des langgezogenen Sees. Er nahm geradewegs Kurs auf sie. Dabei war er so aufs Rudern konzentriert, dass er fast ins Inselchen gefahren wäre.
Jetzt, wo er sich umschaute, fiel ihm auf, dass es am See, - nicht weit von ihrer Hütte – noch ein anderes Haus gab. Es war ein aus Brettern gezimmertes Zweistockhaus, das jedoch einen sehr verlassenen Eindruck machte.
Auf der anderen Seite der Insel band Tauki sein Boot an einen Baum und faltete – diesmal ruhiger – die Karte auf. Auf dieser, das fiel ihm nun auf, waren keine Namen verzeichnet. Nur etwas stand darauf. Detektiv Tauki versuchte es zu entziffern. Das erwies sich als schwer. Nicht etwa, weil es unleserlich darauf gekritzelt war. Im Gegenteil! Der Schriftzug bestand aus mit grosser Mühe hin gezeichneten alten Buchstaben, die Tom noch nie gut lesen konnte. Zuerst entzifferte er das Wort „Träume“, - das Nächste riet er mehr, als dass er es las: „sind“, dann war‘s leicht: „die“ und „Träger“, darauf folgte „der“, das war klar. Doch das letzte Wort bereitete ihm mehr Mühe. Es bestand, so dachte er, aus vier Buchstaben. Die letzten drei gingen „elt“, doch der erste sagte ihm nichts.
‚elt... elt?‘ , dachte Tauki immer wieder.
„Welt! Genau!“, rief Tom aus.
„Träume sind die Träger der Welt.“, las er laut.
„Was das auch immer heissen mag!“, murmelte Tauki und sah auf der Karte nach, wo genau sich das Kreuz befand. Er begann, die kleine Insel zu durchsuchen. Nun, sie war wirklich nicht sehr gross: Von Tom‘s Haus aus gesehen bestand sie aus einem grossen Felsen, gefolgt von einem kleinen, sumpfigen Grasflecken. Das war die Insel. Bäume hatte es drei: ein Tännchen und zwei kleine Birken.
Tauki fand nichts. Sein Interesse an der Karte liess nach. Stattdessen wuchs es fürs Geisterhaus. Er nahm sein Fernglas hervor, das er, genau wie sein Schweizermesser und ein Feuerzeug, dann dabei hatte, wenn er auf Erkundung war. Schnur hatte er sowieso immer in der Tasche.
Er setzte sein Glas ans Auge und suchte damit das Geisterhaus ab.