Kalte Stahl - Heißes Blut - Gert Rothberg - E-Book

Kalte Stahl - Heißes Blut E-Book

Gert Rothberg

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Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie ist Denise überall im Einsatz. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. Rosana Wilding kurbelte die Scheibe ihres alten Volkswagens herab und warf einen besorgten Blick auf die große, schlossartige Villa, die von der Straße aus kaum zu sehen war. Sie verbarg sich hinter den Baumgruppen eines sehr gepflegten Parks. Jetzt tropfte es von den hellgrünen Blättern der Zweige. Eben war ein heftiger Frühlingsregen niedergegangen. »Dort hinten wohnen also mein Opa und meine Oma?«, erkundigte sich eine helle Jungenstimme hinter Rosana. Die junge Frau wandte sich um und strich ihrem Sohn mit einer liebevollen Geste über die stets verstrubbelten roten Haare. »Ja, mein Schatz«, antwortete sie. Ihre Stimme klang heiser dabei. »Dort hinten wohnen sie.« »Ist aber 'n riesiger Kasten«, stellte Hansi sachlich fest. »Viel zu groß für zwei alte Leute. Ich weiß auch gar nicht, ob es mir da gefallen wird, Mutti. Sicher nicht. Lass mich lieber bei dir bleiben.« Bettelnd schauten die haselnussbraunen Kinderaugen sie an. Mit traurigem Gesicht schüttelte Rosana den Kopf. »Du weißt doch, dass das nicht geht.

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Sophienlust Extra – 54 –

Kalte Stahl - Heißes Blut

Gert Rothberg

Rosana Wilding kurbelte die Scheibe ihres alten Volkswagens herab und warf einen besorgten Blick auf die große, schlossartige Villa, die von der Straße aus kaum zu sehen war. Sie verbarg sich hinter den Baumgruppen eines sehr gepflegten Parks. Jetzt tropfte es von den hellgrünen Blättern der Zweige. Eben war ein heftiger Frühlingsregen niedergegangen.

»Dort hinten wohnen also mein Opa und meine Oma?«, erkundigte sich eine helle Jungenstimme hinter Rosana.

Die junge Frau wandte sich um und strich ihrem Sohn mit einer liebevollen Geste über die stets verstrubbelten roten Haare. »Ja, mein Schatz«, antwortete sie. Ihre Stimme klang heiser dabei.

»Dort hinten wohnen sie.«

»Ist aber ’n riesiger Kasten«, stellte Hansi sachlich fest. »Viel zu groß für zwei alte Leute. Ich weiß auch gar nicht, ob es mir da gefallen wird, Mutti. Sicher nicht. Lass mich lieber bei dir bleiben.« Bettelnd schauten die haselnussbraunen Kinderaugen sie an.

Mit traurigem Gesicht schüttelte Rosana den Kopf. »Du weißt doch, dass das nicht geht. Ich hab es dir doch genau erklärt. Außerdem ist es ja auch nicht für lange. Ich hol dich zu mir, sobald es geht.«

»Großes Ehrenwort, Mutti?«

»Großes Ehrenwort, Hansi«, beteuerte die junge Frau. Zum ersten Mal lächelte sie. Und dieses Lächeln ließ sie noch sehr jung erscheinen. Sehr jung und sehr hübsch. »Aber nun komm. Wir können nicht ewig hier draußen im Wagen sitzen bleiben.«

»Soll ich Rubina mitnehmen?«, erkundigte sich Hansi.

»Nein, lass dein Kätzchen lieber in seinem Reisekörbchen. Wir holen es später.«

Die beiden kletterten aus dem Wagen. Letzte Regentropfen sprühten auf ihre Haare.

Rosana drückte auf den Klingelknopf, unter dem in Goldlettern nur »J. F.« stand. Mehr war wohl nicht nötig.

In dieser Gegend kannte jeder den mächtigen Joseph Forstner, der sein riesiges Werk buchstäblich mit eigenen Händen aufgebaut hatte.

Jeder kannte ihn.

Und manche fürchteten ihn auch.

Auch Rosana hatte Herzklopfen, als sie jetzt vor der schmiedeeisernen Gartenpforte stand. Sie kannte Joseph Forstner nicht. Sie hatte auch keine Ahnung, wie man sie da drinnen, in dem schlossartigen Haus, aufnehmen würde.

In diesem Moment meldete sich eine blechern klingende Stimme aus dem Gitter der Sprechanlage: »Ja, bitte?«

Mit enger Kehle antwortete Rosana: »Ich möchte zu Herrn Forstner.«

»Sind Sie angemeldet?«, verlangte die blecherne Stimme zu wissen.

»Nein. Aber es ist sehr dringend. Bitte, glauben Sie mir.«

Am anderen Ende herrschte sekundenlang Schweigen. Rosana glaubte bereits, sie habe die lange Fahrt umsonst gemacht. Doch dann vernahm sie ein leises Summen. Wie von Geisterhand bewegt schwang die schmiedeeiserne Gartenpforte vor ihr zur Seite.

»Toll!«, stellte Hansi fest und betrachtete mit großen Augen die Tür. »Wie macht man so etwas, Mutti?«

»Später«, vertröstete Rosana ihn. Ihre Stimme klang noch immer fremd.

Rosana nahm ihren Sohn fest an die Hand und ging mit ihm einen breiten, mit Solnhofener Platten belegten Weg entlang auf das Haus zu. Links und rechts vom Weg wuchsen seltene Bäume und Sträucher. Einige von ihnen blühten und strömten einen betörenden Duft aus. Joseph Forstner hatte sich ein kleines Paradies geschaffen.

»Schön ist’s hier«, stellte Hansi auch prompt fest. »Und ’ne Menge Platz, um Fußball zu spielen.«

»Ich glaube nicht, dass man dich hier Fußball spielen lässt, mein Liebling«, meinte Rosana. Ihre schönen grünen Augen hingen voller Trauer an der Gestalt ihres Sohnes. Armer Kerl! Er wollte toben und springen wie alle Jungen seines Alters. Doch bis jetzt war ihm das immer verwehrt gewesen.

Nun öffnete sich die große Eichentür vor ihnen. Auf der Schwelle erschien eine ältere Frau mit grauen Haaren. Rosana glaubte zuerst, vor der Großmutter ihres Sohnes zu stehen. Doch dann sah sie die gestärkte weiße Schürze der Frau und das schwarze Taftkleid darunter. Also war das die Haushälterin.

»Der gnädige Herr hat leider nur sehr wenig Zeit«, begann die alte Frau.

Da wurde sie am Arm gepackt und zur Seite geschoben. Vor Rosana stand nun ein sehr stattlicher Mann von etwa sechzig Jahren. Alles an ihm war grau: sein tadellos sitzender Anzug, die gepflegten Haare, die kühl blickenden Augen. Mit unpersönlich klingender Stimme forderte er barsch: »Fassen Sie sich kurz. Wenn Sie mir etwas verkaufen wollen, können Sie gleich wieder kehrtmachen.«

Rosana wäre am liebsten wirklich gegangen. Doch sie wusste, sie musste an Hansi denken. »Ich muss mit Ihnen sprechen«, erklärte sie mit belegter Stimme. »Kann ich vielleicht für eine Minute hereinkommen? Ich meine, hier auf der Türschwelle bespricht sich so etwas schlecht.« Sie verstummte und schaute hilflos zu dem alten Mann empor.

Joseph Forstner trat einen Schritt zur Seite. »Meinetwegen, machen wir’s hier in der Diele ab«, entgegnete er unfreundlich. »Aber fassen Sie sich um Himmels willen kurz. Worum geht’s denn eigentlich?«

Rosana holte tief Luft. »Um meinen Jungen«, antwortete sie.

Zum ersten Mal schaute der alte Mann auf das Kind neben ihr. Die kalten grauen Augen wanderten von den roten Haaren bis hinab zu den braunen Schuhen. Recht abgetragenen Schuhen übrigens. Aber Rosana hatte noch kein Geld gehabt, Hansi neue Schuhe kaufen zu können.

»Was ist mit dem Jungen?« verlangte Joseph Forstner endlich zu wissen. »Ich habe keinen Kindergarten. Sie haben sich sicher in der Adresse geirrt.«

Rosana war es trotzdem vorgekommen, als habe es im Gesicht des alten Mannes kurz gezuckt, als er den Jungen vor ihm gemustert hatte. Entschlossen sagte sie: »Dieser Junge ist das Kind Ihres Sohnes Rudolf.«

Das Gesicht des alten Mannes verschloss sich noch mehr.

»Mein Sohn Rudolf war nicht verheiratet«, erwiderte er kalt. »Außerdem ist er schon lange tot.«

Rosana nickte. »Ja, seit über sechs Jahren. Damals stürzte er mit seiner Sportmaschine ab.«

»Wozu erzählen Sie mir das?«, fragte der alte Mann barsch. »Schließlich kenne ich als Rudolfs Vater die Fakten.«

»Dann erinnern Sie sich sicher auch noch daran, dass Ihr Sohn sich einige Monate vor seinem Tod verlobte.«

»Ganz recht.« Um die Mundwinkel Joseph Forstners zuckte es spöttisch. »Mit einem blutjungen Ding. Wenn ich mich recht erinnere, kam es sogar aus dem Waisenhaus. Außerdem hatte es keinen Beruf.«

»Das stimmt nicht«, unterbrach Rosana ihn. »Es hatte einen Beruf. Es war Stenotypistin. Aber das war Ihnen damals nicht attraktiv genug. Sie wollten von dieser zukünftigen Schwiegertochter nichts wissen.«

»Genau«, bestätigte Joseph Forstner. »Ich stellte meinen ältesten Sohn vor die Wahl, entweder die Firma und eine standesgemäße Frau – oder dieses junge Ding und keine Erbschaft.«

»Rudolf entschied sich für das Letztere«, sagte Rosana leise. »Weil er mich liebte.«

Der alte Mann musterte sie nun von oben bis unten, wie er es vorhin mit ihrem Sohn getan hatte. »So«, meinte er. »Nun lerne ich endlich einmal die Person kennen, um derentwillen Rudolf alles ausgeschlagen hat. Hm, höchst interessant! Aber Sie haben mir immer noch nicht mitgeteilt, weshalb Sie eigentlich hergekommen sind. Nur um zu behaupten, dass mein Sohn Rudolf ein Kind hinterlassen hat? Das interessiert mich nicht. Rudolf war nicht verheiratet. Bestimmt können Sie nicht einmal beweisen, dass es überhaupt sein Kind ist!«

»Herr Forstner, wie können Sie es wagen …«

»Lassen Sie dieses dramatische Getue!«, rief der alte Mann erbost. »So etwas verfängt bei mir nämlich nicht. Ich will Fakten sehen. Glauben Sie, ich hätte es zu etwas gebracht, wenn ich mich als Geschäftsmann auf bloße Behauptungen meiner Partner verlassen hätte? Spätestens nach einem halben Jahr hätte ich Konkurs anmelden können. Also, heraus mit der Sprache. Waren Sie nun mit meinem Sohn verheiratet oder nicht?«

»Nein, wir waren verlobt. Aber …«

»Dann haben Sie hier nichts zu suchen, Fräulein!« Das letzte Wort betonte er spöttisch. »Und Ihr Kind natürlich auch nicht.«

»So lassen Sie mich doch wenigstens ausreden!«, rief Rosana verzweifelt. »Rudolf und ich waren verlobt. Bald darauf bemerkte ich, dass ein Kind unterwegs war. Als ich es Rudolf sagte, freute er sich riesig. Das Aufgebot war schon bestellt, da stürzte er mit seinem Sportflugzeug ab. Wir konnten also nicht mehr heiraten. Trotzdem ist Hansi sein Sohn. Ihr Enkelkind. Er heißt Hans-Rudolf, nach seinem Vater.«

»Wie interessant!« Das klang wieder spöttisch. »Verlangen Sie nun von mir, dass ich Freudentänze aufführe vor Entzücken darüber, dass Sie herkommen und mir erklären, ich sei Großvater geworden? Vor knapp sechs Jahren?«

»Ich habe keine Freudentänze erwartet«, entgegnete Rosana ruhig. »Ich wollte Sie nur bitten, etwas für den Jungen zu tun.«

»Für diesen Jungen, von dem ich nicht einmal weiß, wer in Wirklichkeit sein Vater ist? Vielleicht irgendso ein hergelaufener Kerl, der nichts taugte. Und nun wollen Sie den Jungen hier ins weiche Nest setzen? Sagen Sie mal, Fräulein, für wie naiv halten Sie mich eigentlich?«

Rosana biss sich auf die Lippen. Tränen waren ihr in die Augen gestiegen, aber sie schluckte sie tapfer herunter. »Ich habe Sie nicht für naiv gehalten«, erklärte sie fest. »Nur für etwas menschlicher. Ich beanspruche auch nicht die Erbschaft seines Vaters für den Jungen, falls Sie dies befürchtet haben sollten.«

»Was wollten Sie dann, um Himmels willen?«, polterte der alte Mann.

Mit gesenktem Kopf antwortete Rosana: »Ich habe die vergangenen sechs Jahre allein für mein Kind gesorgt. Aber nun habe ich meine Stelle verloren, weil mein Chef überraschend gestorben ist. Zu allem Unglück bekam ich auch noch die kleine Wohnung gekündigt. Das Haus, in dem sie lag, ist alt und baufällig. Es soll abgerissen werden. Wir stehen also buchstäblich auf der Straße, Hansi und ich.«

»Und meine Rubina auch«, meldete sich zum ersten Mal das Kind zu Wort. ›Rubina‹ hat’s gern warm. Sie hat immer unter dem Ofen gelegen.«

Wieder war der alte Mann zusammengezuckt, als erinnere ihn die Stimme des Jungen an etwas.

Rosana wusste, diesmal hatte sie sich nicht getäuscht. Sie hatte Joseph Forstner genau ins Gesicht geblickt.

»Aber ich glaube nicht, dass es Rubina hier gefallen wird«, fuhr Hansi fort. »Mir auch nicht, Mutti. Den Opa habe ich mir ganz anders vorgestellt. Wie den Herrn Frenzel neben uns. Der war immer schrecklich nett und hat mir Geschichten erzählt.«

»Aha. Und ich gefalle dir also nicht?« erkundigte sich Joseph Forstner sarkastisch.

»Nein, gar nicht«, antwortete Hansi in schöner Offenheit. »Ich will auch nicht bei dir bleiben. Du bist so eklig. Lieber schlaf ich mit Mutti in dem alten Auto. Auch wenn’s da reinzieht.«

Joseph Forstner machte eine spöttische Verbeugung vor Rosana. »Sie sehen selbst, Fräulein, die vielgerühmte Stimme des Blutes spricht nicht zu ihm. Er hat vermutlich begriffen, dass wir nicht miteinander verwandt sind. Sie hätten den Jungen für diese Theateraufführung besser präparieren sollen. Er hat seine Rolle schlecht gelernt. Und nun möchte ich Sie bitten, mein Haus zu verlassen und sich nie mehr hier blicken zu lassen. Ich wünsche Ihnen und dem Jungen nicht mehr zu begegnen.« Damit machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand durch eine Tür, die sich auf der linken Seite der Diele befand.

»Komm, Mutti, wir gehen«, drängte Hansi und umklammerte fest die Hand seiner wie erstarrt dastehenden Mutter. »Hier hat’s mir kein bisschen gefallen. Ich bin froh, dass der Opa mich nicht gewollt hat. Ich hab aber nicht alles verstanden, was er gesagt hat. Erklärst du mir das mit der Verlobung später?«

Noch während der Junge sprach, zog er seine Mutter an der Hand dem Ausgang zu.

Wie betäubt ließ Rosana noch einmal ihren Blick über die Diele gleiten. Sie sah die kostbaren Wandteppiche, den offenen Kamin, auf dessen Sims eine Sammlung alter Uhren stand, die bequeme Polstergruppe davor. Hier also hatte Rudolf seine Kindheit verbracht. Wie oft hatte er ihr von dem schönen Haus und dem herrlichen Garten erzählt. Dabei hatte er stets gehofft, dass auch sein eigener Sohn einmal hier würde leben können. »Papa wird sich schon umstimmen lassen«, hatte er oft lachend behauptet, »wenn unser Kind erst einmal geboren ist. Sollte es außerdem noch ein Junge werden, dann kann er bestimmt nicht widerstehen.«

Und ob er widerstehen konnte, der alte Herr, dachte Rosana. Sie wusste, dass sie dieses Erlebnis nie vergessen würde. Joseph Forstner hatte sie behandelt, als ob sie ein Flittchen sei, das sich mit jedem einlasse.

»Mutti!«, sagte Hansi noch einmal drängend.

Wie erwachend antwortete Rosana: »Ich komme ja schon, mein Liebling.« Sie streckte die Hand nach der riesigen schmiedeeisernen Türklinke aus.

In diesem Moment hörte sie rasche Schritte die Treppe herabkommen. Es waren die Schritte einer Frau.

Automatisch ließ Rosana die Hand sinken und drehte sich um. Erschien ein Bote Joseph Forstners, der ihr mitteilen sollte, sie habe sein Haus gefälligst etwas rascher zu verlassen?

Doch die Dame, die da die Treppe herabkam, war Ende Fünfzig, hatte sehr gepflegte weiße Haare, gütige blaue Augen und trug ein elegantes helles Kostüm. Sie musterte ihrerseits die junge Frau am Fuße der Treppe und den Jungen neben ihr. Als sie Hansis roten Wuschelkopf sah, die Sommersprossen auf Stirn und Nase und die Zahnlücke in seinem Oberkiefer, da flog ein ungläubiges Lächeln über sein Gesicht. »Rudolf«, murmelte sie. »Genauso hat Rudolf ausgesehen, als er knapp sechs Jahre alt war. Er war auch ziemlich groß für sein Alter.«

»Bist du meine Oma?«, erkundigte sich Hansi misstrauisch. »Willst du mich auch nicht haben wie der Opa?«

Zuerst warf die Dame mit den gepflegten weißen Haaren und den gütigen Augen einen ängstlichen Blick auf die Tür, hinter der Joseph Forstner vor wenigen Minuten verschwunden war. Dann beugte sie sich hinab zu dem Jungen, zog ihn fest in ihre Arme und küsste ihn zärtlich auf beide Wangen. »Ja, mein Kind, ich bin deine Oma«, erklärte sie mit leiser Stimme. Tränen glänzten plötzlich in ihren Augen. »Ich selbst würde dich bestimmt nicht wegschicken. Aber ich muss tun, was dein Opa wünscht. Alle müssen das tun.« Die letzten Worte hatte sie nur noch geflüstert.

»Ich finde dich nett«, verkündete Hansi und grinste. Dabei zog er die Nase kraus. Wie ein richtiger Lausbub sah er jetzt aus.

Am liebsten hätte die alte Dame ihn wieder in ihre Arme geschlossen. Man merkte ihr das deutlich an. Aber sie schickte nur abermals einen ängstlichen Blick zu der weiß lackierten Tür auf der anderen Seite der Diele. »Er kann jeden Moment zurückkommen«, sagte sie.

Atemlos fragte Rosana: »Sie glauben also, dass Hansi Rudolfs Sohn ist, Frau Forstner?«

»Glauben, mein liebes Kind?« entgegnete Christine Forstner mit bebender Stimme. »Ich weiß es! Genauso hat Rudolf ausgesehen, als er sechs Jahre alt war. Nicht einmal die Zahnlücke fehlte. Schade, dass ich Ihnen nicht die Kinderbilder zeigen kann. Aber es würde zu lange dauern.«