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Auf der Erde und den anderen Planeten, die von Menschen bewohnt sind, schreibt man das Jahr 2144 der Neuen Galaktischen Zeitrechnung – gut dreitausendachthundert Jahre in der Zukunft. Die Lage in der Milchstraße ist entspannt, es gibt keine größeren Konflikte. Die Menschen sowie die Bewohner der anderen Sternenreiche arbeiten gemeinsam an ihrer Zukunft. Perry Rhodan hat darüber hinaus größere Pläne: Das Projekt von San soll dabei helfen, auch die Beziehungen zu anderen Galaxien zu verbessern. In dieser Zeit erhält die Erde unverhofften Besuch – ein Raumschiff der Kartanin taucht auf, und an Bord ist eine alte Bekannte: Dao-Lin-H'ay, mit der Rhodan viele Jahre erfolgreich zusammengearbeitet hat. Doch die Kartanin kommt nicht mit positiven Nachrichten, sondern steckt in großen Schwierigkeiten. Anscheinend kann nur Perry Rhodan bei einem Problem helfen, das nicht nur das Sternenreich der Kartanin bedroht. Deshalb begab sich Dao auf die FLUCHT ZUR ERDE …
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Seitenzahl: 149
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Nr. 1
Flucht zur Erde
Sie kommen aus einer kleinen Galaxis – ein Terraner soll ihre Rettung bringen
Michael Marcus Thurner
Cover
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1. Perry Rhodan: Was für ein Spaß!
2. Dao-Lin-H'ay: Die Verfolger
3. Perry Rhodan: Die Entscheidung
4. Dao-Lin-H'ay: Angekommen
5. Valet Gyüngür: Die Heimat
6. Perry Rhodan: Außerhalb des Wracks
7. Suyemi Taeb: Im Einsatz für Rhodan
8. Perry Rhodan: Über Ursa Minor
9. Valet Gyüngür: Krillo
10. Perry Rhodan: Der Versuch der Attentäterin
11. Suyemi Taeb: Das zweite Trümmerfeld
12. Valet Gyüngür: Zurück auf der Farm
13. Perry Rhodan: Nach 44 Stunden
14. Suyemi Taeb: Purs Hartnäckigkeit
15. Perry Rhodan: Die Entscheidung
Impressum
Auf der Erde und den anderen Planeten, die von Menschen bewohnt sind, schreibt man das Jahr 2144 der Neuen Galaktischen Zeitrechnung – gut dreitausendachthundert Jahre in der Zukunft. Die Lage in der Milchstraße ist entspannt, es gibt keine größeren Konflikte.
Die Menschen sowie die Bewohner der anderen Sternenreiche arbeiten gemeinsam an ihrer Zukunft. Perry Rhodan hat darüber hinaus größere Pläne: Das Projekt von San soll dabei helfen, auch die Beziehungen zu anderen Galaxien zu verbessern.
In dieser Zeit erhält die Erde unverhofften Besuch – ein Raumschiff der Kartanin taucht auf, und an Bord ist eine alte Bekannte: Dao-Lin-H'ay, mit der Rhodan viele Jahre erfolgreich zusammengearbeitet hat. Doch die Kartanin kommt nicht mit positiven Nachrichten, sondern steckt in großen Schwierigkeiten.
Anscheinend kann nur Perry Rhodan bei einem Problem helfen, das nicht nur das Sternenreich der Kartanin bedroht. Deshalb begab sich Dao auf die FLUCHT ZUR ERDE ...
Perry Rhodan – Der Terraner sucht eine Aufgabe – für sich und andere.
Dao-Lin-H'ay – Die Kartanin flieht vor einer Katastrophe – und will zu ihr zurück.
Suyemi Taeb – Eine Ex-Agentin – plötzlich wieder im Einsatz.
Valet Gyüngür
1.
Perry Rhodan: Was für ein Spaß!
Ducken. Gebückt weiterhetzen, hin zum nächsten Hindernis. Über den Stein hechten, in vermeintliche Sicherheit, abrollen und so rasch wie möglich wieder auf die Beine kommen. Die Atmung beruhigen, sich umsehen, dann die Situation kontrollieren.
Perry Rhodan hörte ein Grollen, schmerzhaft tief und angsterregend. Die dünne Atmosphäre trug den dumpfen Ton und verzerrte ihn leicht. Ein Haluter! Schlimmer noch: dem Klang nach hielt sich sein Verfolger in unmittelbarer Nähe auf.
So ein dreieinhalb Meter großer Koloss verfügte über furchterregende Kräfte. Wenn der Haluter es wollte, könnte er ihn problemlos in der Luft zerreißen.
Rhodan versuchte zum wiederholten Mal, den Antigrav zuzuschalten. Vergebens. Er konnte nicht fliegen. Sein Schutzanzug ließ ihn im Stich, zumindest teilweise.
Die Basisfunktionen griffen, Rhodan hatte ausreichend Sauerstoff in dieser unwirtlichen Umgebung zur Verfügung. Auch die Polymergel-Spiralfasern des Anzugstoffs, die die Muskelfasern reizten und verstärkten, halfen weiter.
Rhodan betrachtete seinen Kombistrahler. Ein Energie-Pack war bereits geleert, das zweite noch zu 35 Prozent gefüllt. Er hatte eine winzige Chance, den Haluter aufzuhalten. Zumindest für wenige Sekunden.
»Wo bist du, mein Kleines? Lass dich sehen? Lass mich dir helfen, dich von den Schmerzen des Lebens befreien. Komm schon, komm! Wie lange möchtest du es denn hinauszögern?«
Rhodan ging leise zu Boden, legte sich auf den Bauch und kroch vorwärts. Mit unendlich langsamen Bewegungen. Das Gehör eines Haluters war deutlich besser als das eines Menschen. Selbst in einer dünnen Atmosphäre würde er Rhodan über eine Entfernung von gut hundert Metern wahrnehmen.
Die Erde bebte. Der Haluter musste einen Sprung gemacht haben. Unter den hiesigen Schwerkraftbedingungen konnte er gewiss vierzig Meter weit kommen, ohne sich anzustrengen.
Wo war sein Gegner? Was hatte er vor?
Rhodan kroch ein Stückchen weiter und erreichte zu seiner Überraschung eine Wasserstelle, eingeklemmt zwischen großen Felsen. Über die Außenlautsprecher vernahm er leises Rauschen. Gelbe Blätter trieben auf der Oberfläche des Wassers. Sie folgten einer Richtung und verschwanden zwischen den Felsen.
War das sein Fluchtweg? Ein kleiner, unterirdischer Fluss, der für einige wenige Meter zutage trat? Sollte er sich abwärts tragen lassen, hinein in die Dunkelheit, und darauf hoffen, dass das Gewässer an einer anderen und vor allem sicheren Stelle an die Oberfläche zurückkehrte?
Du musst möglichst weit weg von hier. Du hast keine Chance gegen den Giganten. Alles, was du hast, ist deine Erfahrung. Dein Wissen um kritische Situationen. Deine Improvisationskünste.
Rhodan ließ sich ins Wasser gleiten, langsam und vorsichtig. Der Schutzanzug blähte sich leicht auf. Rhodan trieb über die Oberfläche, bewegte dabei keinen Finger. Die Strömung war äußerst schwach, und Rhodan war versucht, Paddelbewegungen zu machen. Aber er behielt die Nerven, während er erneut wütendes Gebrüll hörte. Mal drang die Stimme des Haluters von weiter weg an sein Ohr, dann wieder klang sie erschreckend nahe.
Seine Beine tauchten in die Dunkelheit. Das Wasser gurgelte lauter. Offenbar ging es über mehrere Stufen hinab in die Tiefe. Hinein in die Schwärze des Unbekannten. Gleich hatte er es geschafft, gleich ...
Rhodan fühlte sich hochgerissen. Sein Helm ratterte über den Fels, dann war er wieder im hellen Licht, kopfüber, von einem riesenhaften Monstrum gepackt.
Er starrte auf stämmige Beine und auf zwei Brustarme, die in Händen mit mörderisch scharfen Krallen endeten.
Rhodan feuerte. Er badete den Haluter in Flammen. Dabei konzentrierte er sich auf eine Stelle in Hüfthöhe, behielt den Finger ständig am Abzug. Irgendwann mal ließ ihn sein Gegner fallen, Rhodan prallte auf den Boden, Staub wirbelte um ihn auf. Er kam wieder auf die Beine, ignorierte das Schwindelgefühl und blickte den Riesen an. Das Magazin seines Strahlers war leer, die Waffe hing nur noch lose in seiner Hand.
Der Haluter hatte die Struktur seines Körpers verhärtet. Bestenfalls der Thermostrahl eines mittelgroßen Schlachtschiffs konnte ihm etwas anhaben. Die Energien von Rhodans Strahler hatten ihn wahrscheinlich bloß gekitzelt.
Er brauchte eine Lösung. Einen Ausweg aus der Situation. Der Haluter starrte ihn mit seinen drei düsterroten Augen an, bewegte sich aber nicht. Er lauerte, wartete anscheinend auf Rhodans nächsten Zug.
Der Riese spielte mit ihm. Ein Mensch war für ihn bloß eine Fliege. Kein Gegner, den man ernst nehmen musste.
Der Sand ...
Rhodan schleuderte den Strahler in Richtung seines Gegners. Der Haluter wehrte sie lässig mit einem Arm ab, war aber für Sekundenbruchteile irritiert.
Rhodan bückte sich, hob zwei Hände voll Sand auf und warf auch diese mit aller Kraft in die Richtung des Gegners. So hoch wie möglich, auf die Augen gezielt.
Die Lamellenlider fingen den Großteil des feinkörnigen Zeugs ab, doch nicht alles. Der Haluter brüllte erneut, so laut, dass Rhodans Ohren schmerzten, obwohl er durch den Helm einigermaßen geschützt war.
Das dunkelrote zentrale Stirnauge und das linke Auge waren irritiert. Also bewegte sich Rhodan nach rechts, wobei er hoffte, dass ihn der Haluter auf dieser Seite schlechter wahrnehmen würde. Ein paar schnelle Laufschritte, rein in das Felsenlabyrinth hinter der Wasserstelle und dann ...
Erneut fühlte er sich gepackt und hochgehoben. Diesmal an den Schultern. Der Riese ging mit Rhodan um wie mit einer Zinnfigur, schüttelte ihn kräftig durch und drückte ein klein wenig zu ...
... und lachte.
»Das war sehr inspirierend, Perry Rhodan!«, sagte der Haluter und stellte ihn auf dem Boden ab. »Ich bewundere deine Hartnäckigkeit und deinen Einfallsreichtum. Du hast fast drei Minuten lang durchgehalten. Das ist eine bemerkenswerte Leistung.«
»Simulation aus!«, rief Rhodan, atmete kräftig durch und schüttelte die Benommenheit aus seinen Gliedern. »Inspirierend, richtig. Ich könnte mir keinen schöneren Einstieg in den Arbeitstag vorstellen.«
Seine Umgebung machte der Wirklichkeit Platz. Eine raffiniert gestaltete Scheinwelt verwandelte sich in eine Halle von gewaltigen Ausmaßen, die von Hindernissen gegliedert wurde. Der Fluss wurde zu einer mannsbreiten Rinne, die Felslandschaft zu einer Anordnung aus Kunststoffbrocken. Rhodan öffnete den Schutzhelm und atmete erleichtert frische Luft ein.
Roboter aller Größen und Formen strömten herbei. Sie würden Schäden, die der Haluter bei seinen wilden Sprüngen verursacht hatte, binnen weniger Minuten reparieren.
»Ich hoffe, ich habe dich nicht allzu grob behandelt. Resident.« Die Stimme des Haluters klang gedämpft, als ob er sich große Mühe gäbe, nicht zu laut zu sprechen.
Rhodan dachte sehnsüchtig an große Mengen schmerz- und krampflösender Salben, die ein Medoroboter in seinen geschundenen Körper einwalken würde. »Ich bin kein Resident mehr, Teik, trage schon lange keinen Titel dieser Art mehr. Ich habe mich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Ich beschäftige mich mehr oder weniger hobbymäßig mit einem kleinen Projekt.«
Rhodan ging in Richtung Dusche, begleitet von dem halutischen Riesen. Für jeden Schritt, den Teik ging, musste er vier tun.
»Das Projekt von San, nicht wahr?«, fragte der Haluter.
»Ich kann leider nicht darüber reden.« Rhodan schlüpfte in den Duschraum.
Der Haluter blieb davor stehen, als wisse er nicht, was er tun sollte.
»Entschuldige mich bitte für einige Minuten. Ich muss mir den Schweiß vom Körper waschen«, sagte Rhodan laut und fügte in Gedanken hinzu: ... und ein klein wenig vor Schmerz schreien.
*
Miro Teik begleitete ihn in sein Büro am Canopus Boulevard. Sie spazierten durch die Straßen. Rhodan genoss es, zu Fuß zu gehen und das Gras, die frische Luft und den Duft von blühenden Blumen wahrnehmen zu können.
Der Haluter und der Terraner zogen die Blicke anderer Passanten auf sich. Schließlich überragte der Haluter sie alle und wirkte wegen seines martialischen Aussehens erschreckend.
Die rot leuchtenden Augen, das breite Gebiss, der mächtige Körper mit den vier Armen, die Säulenbeine ... Haluter waren Kampfmaschinen auf zwei Beinen. Unverkennbar in der Gestalt, bedrohlich wirkend – und dennoch mit einem sanften Gemüt ausgestattet.
Wenn sie nicht gerade ... Spaß in einer Simulationsarena haben.
Rhodan ließ die üblichen Sicherheitsüberprüfungen im Sansa-Gebäude über sich ergehen und verbürgte sich bei den Wachrobotern für Teik. Gemeinsam glitten sie durch den Antigravschacht in die Höhe. Gemeinsam – aber nicht nebeneinander. Das wäre angesichts des mächtigen Körpers des Haluters kaum möglich gewesen.
Gertrud Morningdale begrüßte Teik völlig ungerührt, als wäre er ein Gast wie jeder andere. »Es gibt viel zu tun, Perry«, sagte sie und deutete auf einen schwebenden Roboter, dessen Ablagefläche mit Akten, Datenkristallen und sortierten Schriftstücken überladen war.
»Es gibt immer viel zu tun.« Er griff nach der Kaffeetasse, die Morningdale bereitgestellt hatte. Sie schien über einen sechsten Sinn zu verfügen und hatte stets dann ein Heißgetränk für ihn parat, wenn er es benötigte. Mit mundgerechter Temperatur, immer frisch zubereitet.
Rhodan winkte Miro Teik mit sich und betrat sein Büro. Den nebenher schwebenden Roboter ignorierte er, und er blieb auch stur, als dieser all seine Unterlagen auf dem Schreibtisch ausbreitete.
Rhodan trat auf den Balkon hinaus, atmete tief durch und genoss die Sonnenstrahlen eines prächtigen Frühlingstages.
Es wartete ein weiterer heißer und trockener Sommer auf ihn, den er zum größten Teil in der Stadt verbringen würde. Trockene Winde, die aus dem nahen Altai-Gebirge herabfielen, würden durch die Straßen wehen. NATHAN, die Biopositronik auf dem Mond, würde den herbeigewirbelten Sand aus den weiten Ebenen der Wüste Gobi mithilfe von Prallschirmen abhalten und von Zeit zu Zeit einen reinigenden Regen auslösen. 200 Millionen Terraner und Lebewesen aus allen Teilen der Milchstraße lebten in der Megalopolis, geschützt und bestens versorgt.
»Es ist schön hier«, sagte Miro Teik. »Ich habe meine Heimatwelt nur selten verlassen. Aber Terra war stets eines meiner liebsten Reiseziele. Auch wenn die Schwerkraft ruhig ein wenig höher sein könnte.«
»Selbstverständlich.«
Der Haluter trug unter seinem schwarzgrauen Anzug einen Schwerkraftregler, den er auf die in seiner Heimat üblichen 3,6 Gravos eingestellt hatte. Andernfalls wäre er wohl bei jedem Schritt gegen die Decke in Rhodans Büro gestoßen.
Rhodan nahm die Solare Residenz in Augenschein. Sie war etwa acht Kilometer Luftlinie entfernt und wurde derzeit vom Sonnenlicht gebadet. Dieses besondere Kennzeichen der Stadt, ein Gebäude in Blütenform, war zwischen mehreren Wolkenkratzern gut zu erkennen. Rhodan hatte bei der Suche nach einem Büro großen Wert darauf gelegt, die Residenz im Blickfeld zu haben. Schließlich hatte er viel Zeit in dieser Schaltstelle terranischer Politik verbracht.
»Ich möchte nicht unfreundlich erscheinen, Miro Teik. Aber warum wolltest du mich unbedingt treffen?«, fragte er seinen Gast. »Es muss Jahrzehnte her sein, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben. Ich war sehr überrascht, eine Nachricht von dir zu erhalten.«
Teik schwieg für eine Weile, bevor er reagierte. »Wir kennen uns seit langer Zeit, nicht wahr? Du warst vor langer Zeit mit meinem Elter Fancan Teik befreundet und weißt womöglich mehr über ihn als ich selbst.«
»Er war ein Freund der Menschheit und wir haben ihm viel zu verdanken.« Rhodan musste sich Mühe geben, jahrtausendealte Erinnerungen aus seinem Verstand hervorzusuchen. Fancan Teik war einer der ersten Haluter gewesen, mit denen die Terraner zu tun gehabt hatten.
Mehr als dreitausenddreihundert Jahre war das nun her. So viel neue Erinnerungen seitdem.
Miro Teik lehnte sich vorsichtig gegen das Geländer des Balkons. »Lass es mich erklären, Rhodan: Ich bin alt. 3098 Menschenjahre, um genau zu sein. Ich spüre, dass ich nur noch wenig Zeit habe. Einen Großteil meines Lebens habe ich auf Halut verbracht, zurückgezogen und mit Forschungen im Bereich der Geisteswissenschaften beschäftigt.«
»Ich kenne einen Teil deiner Arbeiten. Du hast dich unter anderem mit philosophischen Betrachtungen zu der Frage Was ist wahres Leben aus der Sicht von positronisch-biologischen Robotern auseinandergesetzt.«
»Unter anderem, ja. Aber über all dem Nachdenken und dem Ringen um einzelne Worte hatte ich stets das Gefühl, in meinem Leben etwas zu verpassen. Ein ... Abenteuer. Und da kommst du ins Spiel, Rhodan.«
»Ich wüsste nicht, wie ich dir helfen könnte.« Rhodan verbarg seine Betroffenheit.
Er kannte Miro Teik tatsächlich seit jenem Zeitpunkt, da sein Elter Fancan ihn als gerade mal zwei Meter großen Jüngling vorgestellt hatte. Schlank und linkisch war Miro gewesen. Er hatte unkontrolliert mit den Armen gerudert und enorme Probleme damit gehabt, auf allen Sechsen eine Geschwindigkeit von mehr als fünfzig Stundenkilometern zu erreichen. Eine Geschwindigkeit, die für einen erwachsenen Haluter gar nichts war.
Das war vor über dreitausend Jahren gewesen. Dieser Haluter, der sich als alt und gebrechlich bezeichnete und der ihn trotzdem mit Leichtigkeit in der Trainingshalle besiegt hatte, war ein Verbindungsglied zu Rhodans tiefster Vergangenheit. Gewiss hatte Miro Teik Erinnerungen an Erlebnisse, die Rhodan selbst schon längst vergessen hatte.
Sie sprachen sich vertraulich an, was Haluter bei guten Freunden gern taten. Ansonsten bevorzugten die Mitglieder dieses Volkes es, distanzierte Begriffe zu benutzen und auch untereinander sehr höflich miteinander umzugehen.
»Ich suche eine letzte große Herausforderung«, fuhr der Haluter fort.
»Handelt es sich um eine Art finale Drangwäsche?«, fragte Rhodan.
Mit Grauen dachte er an jenen Zustand, in den Haluter von Zeit zu Zeit versetzt wurden, um ihr Aggressionspotenzial abzubauen. Im Zustand der Drangwäsche waren sie fast unkontrollierbar, gefangen in einem berserkerhaften Wutzustand.
»Nein. Ich bin völlig klar im Kopf. Ich habe meine allerletzte Drangwäsche längst hinter mir. Mir geht es um vitales Erleben, frei von den Zwängen der Forschung. Ich habe mein Haus auf Halut abgeschlossen und überlasse es dem Verfall, wie es bei uns üblich ist. Vor mir liegt nur noch diese abschließende, kurze Lebensphase.«
Rhodan musterte Miro Teik. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals allzu viel über den natürlichen Tod eines Haluters gehört zu haben. Auch sein alter Freund Icho Tolot hatte zu diesem Thema weitgehend geschwiegen.
»Ich verlange nicht viel, Perry Rhodan. Vielleicht weißt du von einer Expedition ins Unbekannte? Von einer Aufgabe irgendwo in der Milchstraße, die Wagemut erfordert? Ich wäre jederzeit bereit dafür. Meine Kräfte lassen nach. Aber ich behaupte, dass ich immer noch eine große Hilfe sein kann.«
»Wie ich bereits sagte: Ich bin derzeit mit Hintergrundarbeiten und Repräsentationsaufgaben beschäftigt. Oder willst du mich begleiten, wenn ich in eine der arkonidischen Baronien reise, um dort mit arroganten Arkoniden in Phantasieuniformen schlechten Sekt zu nippen? Entspräche das deiner Vorstellung von Abenteuer?«
»Ich fürchte nein.«
»Dann muss ich dich bitten, für einige Tage ruhig zu bleiben und dich auf Terra umzusehen. Vielleicht finde ich ein Aufgabengebiet für dich.«
»Vielleicht?«
»Mehr kann ich derzeit nicht versprechen.«
»Das ist enttäuschend. Aber ich verstehe.«
Rhodan unterdrückte einen Seufzer. Teiks Worte erinnerten ihn daran, was für ein langweiliges Leben er derzeit führte. Er kämpfte mit dem terranischen Beamtenapparat, leitete zähe Diskussionen mit möglichen Sponsoren des Projekts von San oder sinnierte mit zukunftsgerichteten Forschern, welche Möglichkeiten diese Initiative allen Völkern der Milchstraße bieten könnte.
Es war von größter Wichtigkeit, dass das Projekt von San ins Laufen kam. Es sollte intelligente Lebewesen aus mehreren Galaxien verbinden. Nur gemeinsam waren sie stark und würden Gefahren von außen begegnen können.
»Ich finde etwas für dich, Teik«, versprach Rhodan. »Du bekommst dein letztes Abenteuer.«
*
Miro Teik bedankte sich höflich und mit steifen Worten, wie es bei Halutern zumeist der Fall war, und verließ mit polternden Schritten das Büro. Erst da fiel Rhodan auf, dass der Haluter seinen Oberkörper leicht vornübergebeugt hielt. Womöglich hatte er Gleichgewichtsprobleme. Oder kannten die Riesen von Halut auch Rückenschmerzen?
Rhodan blieb auf dem Balkon zurück, nachdenklich und ganz und gar nicht bereit, sich um den Stoß an Unterlagen zu kümmern, der auf seinem Schreibtisch immer weiter anwuchs. Der Roboter schleppte weitere Schriftstücke und Datenkristalle heran.
»Perry?«
»Hm?« Rhodan drehte sich nicht zu Morningdale um, die leise näher gekommen war.
Sie trat an den Rand der Brüstung, unmittelbar neben ihm, an genau der Stelle, wo eben noch Miro Teik gestanden hatte. Sie blickte in die Tiefe. Rhodan roch ihr Parfum. Es erinnerte ihn vage an irgendjemanden. An eine Frau, die ihm vermutlich vor Jahrtausenden etwas bedeutet hatte.
Erinnerungen, begraben unter Erinnerungen.
»Es gibt jede Menge zu tun«, mahnte sie.
»Ich weiß. – Sag mal, wie lange arbeitest du schon für mich?«
»Ich arbeitet nicht für dich, sondern mit dir. Das ist ein kleiner, aber feiner Unterschied, Perry.«
»Verzeihung. Du hast recht.« Er lächelte.
Morningdale schob sich eine Strähne grauen Haares aus dem Gesicht, die der böige Wind aus der sonst perfekt sitzenden Frisur gedrückt hatte. »Drei Jahre und fünf Monate.«
»Warum tust du dir das an? Deine Arbeit ist fordernd und oftmals unbelohnt.«
»Es waren vermutlich die besten drei Jahre und fünf Monate meines Lebens. Ich sah jemanden, der zu seiner eigentlichen Stärke und zur inneren Ruhe zurückfand. Du hast diese Auszeit vom politischen Tagesgeschäft dringend benötigt.«