Katzenblut - Elise Lambert - E-Book

Katzenblut E-Book

Elise Lambert

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Beschreibung

Die junge Polizistin Katharina fährt eigentlich nur in die Großstadt, um ihre ermordete Tante Marie zu identifizieren. Doch dort ändert sich ihr Leben schlagartig. Sie erbt das Anwesen von Marie, mitsamt seinen Bewohnern, einem Katzenrudel, angeführt von Floyd, einem sehr lebenserfahrenen Kater, der es sich in den Kopf gesetzt hat, den Mord an Marie mit Katharinas Hilfe aufzuklären. Ein weiterer ungeklärter Mord und eine gestohlene Rassekatze führen Katharina und ihre tierischen Gefährten in die Welt der Katzenzüchter. Sie ermitteln auf eigenen Faust und bringen sich damit in große Gefahr.

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Seitenzahl: 169

Veröffentlichungsjahr: 2016

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© 2016 Elise Lambert

Umschlag, Illustration: Alexandra Götz Fotografie

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7345-0483-9

Hardcover:

978-3-7345-0484-6

e-Book:

978-3-7345-0506-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Epilog

Kapitel 1

Wird sie’s tun? Wird sie’s tun? Der kleine vorwitzige Mäx tänzelte aufgeregt von einem Bein auf das andere. Schließlich war es das erste Mal, dass ihn die Großen mitgenommen hatten. Sein Schwanz ragte dabei kerzengerade in die Höhe und seine Schwanzspitze zuckte ungeduldig.

Sei still! Wir wollen erst abwarten, was für ein Mensch sie ist! Floyd, die älteste der drei Katzen, ein majestätisch anmutender Kater von etwa 8 Jahren, ermahnte den ungestümen Jungspund. Sein schwarzes Fell glänzte wie Ebenholz in der Morgensonne.

Sie wird es tun, das habe ich im Gefühl. Meine Barthaare jucken! Das ist ein untrügliches Zeichen, das mein Gefühl stimmt! Nun meldete sich auch die sanfte Selina, eine zierliche Kätzin mit halblangen graumelierten Haaren zu Wort. Ihre unergründlichen Bernsteinaugen funkelten geheimnisvoll.

Die Katzen saßen versteckt in einem Gebüsch in der Nähe des kriminalpathologischen Instituts und warteten geduldig. Floyd begann seine Beine zu putzen. Mit langen Bewegungen fuhr seine Zunge über das Fell. Genießerisch schloss er dabei halb die Lider, ohne jedoch gleichzeitig seine Umgebung auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu verlieren. Selina lag im feuchten Gras und döste vor sich hin, ihre ständig kreisenden Ohrmuscheln verrieten aber auch ihre Konzentration. Mäx war gerade von einem Schmetterling abgelenkt, als ein mächtiger SUV vorfuhr. Ein älterer, gutgekleideter Herr und eine junge Frau stiegen aus. Durch das Geräusch der zuschlagenden Autotür aufgerüttelt sprang Mäx schnell zu den beiden anderen zurück.

Ist sie das??? Neugierig lugte er unter dem Versteck hervor, wobei er durch sein feuerrotes Fell nicht wirklich getarnt war. Mit einem energischen Pfotenhieb hielt ihn Floyd zurück. Halt dich zurück! Sie soll uns noch nicht sehen!

Galant hielt der Notar und Rechtsanwalt Dr. Eduard von Steinfels seiner jungen Begleitung die Tür auf und wartete bis die kleine zierliche Person das Polizeigebäude betreten hatte, bevor er ihr folgte. „Gestatten Sie mir, voraus zu gehen, Frau Auhuber!“

Katharina Auhuber nickte schweigend. Da war sie nun. Sie, die kleine Streifenpolizistin vom Dorf, in dem imposanten Polizeigebäude des K4, der Oberpfälzer Hauptstadt Regensburg. Mit großen Augen ließ sie alle Eindrücke auf sich wirken. Unter anderen Umständen hätte sie sicherlich kein so beklommenes Gefühl in ihrer Magengegend gehabt. Aber der Anlass ihrer Anreise war kein erfreulicher. Entschlossen atmete sie tief durch und folgte dem Notar.

Der Pförtner grüßte freundlich hinter seiner Glasscheibe. Steinfels nickte ihm zu und zeigte ihm seine Karte:

„Von Steinfels. Wir werden erwartet!“

„Einen Moment bitte! Ich melde Sie an!“

Nach einem kurzen Telefonat deutete der Pförtner zur Tür und betätigte den Öffnungsknopf.

„Gehen Sie hinein! Sie werden abgeholt!“

Wieder hielt Steinfels Katharina die Tür auf. In dem düsteren Gang dahinter kam ihnen bereits ein untersetzter Mann, er musste wohl so um die fünfzig sein, entgegen.

Der Notar reichte ihm die Hand und stellte seine Begleitung vor.

„Polizeiwachtmeisterin Katharina Auhuber, die Nichte des Opfers!“

„So, so, eine Kollegin aus der Provinz in der großen Stadt!“ lächelte er ein wenig spöttisch. „Na ja der Anlass ist jetzt nicht gerade der schönste für einen Besuch hier! – Kriminaloberkommissar Binder, mein Name.“

Mitfühlend betrachtete er die zierliche junge Frau über den Rand seiner Brille. Katharina erwiderte ein wenig schüchtern seinen Gruß. Ein Kloß in ihrem Hals ließ sie keinen Ton herausbringen. Sie schalt sich selbst töricht. Hatte sie doch zu Tante Marie kaum Kontakt gehabt. Nun war sie lediglich hier, weil keiner sonst in der Familie bereit war, die Tante, die durch ein Gewaltverbrechen zu Tode kam, zu identifizieren.

Binder fuhr fort: „Wollen wir’s gleich angehen? Sind Sie bereit?“

Katharina nickte stumm. Binder führte sie in einen kahlen Raum. Hässliche gelbe Fliesen reichten bis zur Decke. Der Boden bestand aus ebenso geschmacksneutralem, hellgrauen Steinzeug. In der Mitte des Raumes stand ein fahrbarer Metalltisch. Ein dunkelgrünes Tuch bedeckte den Körper, der darauf lag. Am Kopfende des Tisches stand ein weiterer Mann. Schlank, hochgewachsen mit dunkelbraunen Naturlocken, die sich unter seiner OP-Haube hervor kräuselten. Katharina schätzte ihn auf etwa Mitte dreißig.

Binder stellt ihn vor: „Das ist Dr. Meininger, der Pathologe!“

Wortlos grüßte Andreas Meininger, indem er kurz mit den Augen zwinkerte und ihr zunickte. Katharina hatte während ihrer Ausbildung schon mit Toten zu tun gehabt. Aber das waren leblose Körper von Unbekannten. Aber als sie nun näher trat, spürte sie, wie ihr Herz zu pochen begann. Das hier unter dem Tuch war ihre Tante Marie. Die kleine Schwester ihrer verstorbenen Mutter. Ein Teil ihrer Familie. Ihre Hände verkrampften sich, als Meininger das Tuch ein Stück zur Seite schob.

Zum Vorschein kam das wachsbleiche Gesicht einer Frau. Die Augenhöhlen waren violett unterlaufen und ein dunkler Bluterguss war im Bereich des Unterkiefer- und Halsbereichs zu erkennen. Die blonden Locken waren nach hinten gekämmt, noch leicht feucht von der Leichenwäsche. Katharina schluckte.

„Das ist sie! - Das ist Marie-Theres Mendel, meine Tante!“

Auch wenn sie Tante Marie schon seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte, so keimte in Katharina nun doch ein Gefühl von Traurigkeit auf. Wieso musste sie sterben?

„Wie…ähm…was,“ begann sie zögernd, „…wie ist sie gestorben?“

„Sie und ihre Lebensgefährtin wurden angefahren! Die äußeren Umstände haben gezeigt, dass der Fahrer in voller Absicht gehandelt hat. Es war also kein Unfall. - Ihre Tante war sofort tot. Ihre Begleitung liegt in der Uniklinik, schwerst verletzt. Sie liegt im Koma. Die Ärzte haben kaum Hoffnung. Der Fahrer des Wagens ist flüchtig. Bisher haben wir keinerlei Hinweise auf seine Identität.“ Binder zuckte ein wenig hilflos mit den Schultern. „Aber wir arbeiten fieberhaft daran und versuchen alles, diese gemeine Tat aufzuklären.“

Meininger mischte sich ein. „Sie ist zwar durch den Zusammenstoß mit dem Wagen zu Tode gekommen. Aber da gibt es einige Unklarheiten! Eigentlich müsste sie schon seit langem tot sein!“

Katharina starrte ihn verwundert an. „Wie meinen Sie das?“

„Es muss da bereits in der Vergangenheit mehrere ….na ja sagen wir mal Vorfälle gegeben haben, an denen Sie eigentlich bereits gestorben sein müsste!“ Er führte Katharina zu einem Röntgenbildbetrachter an der Wand und schaltete das Licht ein. Dann deutete er auf einen weißen Fleck im Inneren der Schädelaufnahme. „Das ist ein Projektil. An dieser Stelle würde es normalerweise zu einer immensen Blutung kommen, die unweigerlich zum Tode führt. Aber da ist nichts! Nur die Kugel, die dort schon längerer Zeit stecken muss. Sehen Sie, der Knochen hat an der Eintrittsstelle bereits einen Kallus gebildet, ist also über einen längeren Zeitraum verheilt.“

Mit großen Augen sah die junge Polizistin den Pathologen fragend an.

„Und das ist noch nicht alles! Zwei ihrer Halswirbel waren wohl schon vor etlichen Jahren, vermutlich durch einen sehr harten Schlag, gebrochen und sind ebenfalls wieder verheilt. Das kann aber gar nicht sein. Selbst wenn ein Mensch so eine Verletzung überlebt, müsste er zumindest von Kopf abwärts gelähmt sein.“

Katharina merkte wie sie eine Gänsehaut bekam. Aber Meininger war noch nicht fertig.

„Außerdem habe ich im Oberbauch Narben von Stichwunden gefunden. Bei der Obduktion hat sich herausgestellt, dass diese Narben bis tief in den Bauchraum reichen. Die Verletzungen seinerzeit hätten wiederum irreversible Schäden an lebenswichtigen Organen hervorrufen müssen. Aber sie wurden noch nicht einmal medizinisch versorgt. Sonst hätte man noch Reste von Wundnähten etc. gefunden. Und weil ich der Sache auf den Grund gehen wollte, habe ich dann noch eine Blutuntersuchung veranlasst. Ihr Körper weist Unmengen eines Giftes auf, das einen ausgewachsenen Stier von den Hufen gerissen hätte.“

Andreas Meininger zuckte ratlos mit den Schultern. „Ihre Tante müsste schon seit vielen Jahren tot sein! Ich habe keinerlei Erklärung dafür.“

Ernst Binder machte ein ebenso nachdenkliches Gesicht. „Wissen Sie da etwas drüber?“ wandte er sich an Katharina. Sie verneinte. Sie wusste sowieso nicht viel über Tante Marie. Alles was mit ihr zu tun hatte, war zuhause immer ein Tabuthema gewesen. Für ihren Vater war Marie ein rotes Tuch. Er bezeichnete die jüngere Schwester seiner Frau immer als Schande der Familie, die als gotteslästernde Schlampe mit einer Frau zusammenlebe und dann auch noch als geschmackloser Schmierfink versuchte, Geld zu verdienen, anstatt einen ehrbaren Beruf zu ergreifen, wie sich das gehören würde. August Auhuber konnte sich dabei so in Rage steigern, dass man es in seinem Beisein besser vermied, von Marie zu sprechen. Katharina hatte zwar ab und zu bei ihrer Mutter nachgefragt, aber diese kuschte immer unter Vaters strenger Fuchtel und hatte ihre Fragen nach der Tante stets abgewiegelt. Maries Existenz wurde ignoriert. Und als Barbara Auhuber vor drei Jahren an Krebs starb hatte man ihrer kleinen Schwester noch nicht einmal Bescheid sagen dürfen.

Wieder betrachtete Katharina das Gesicht von Marie. Ihre ebenmäßigen Züge, das fein gemeißelte Gesicht. Sie war eine wunderschöne Frau gewesen. Sie lebte mit einer Frau zusammen. Na und! Katharina hatte keinerlei Berührungsängste mit Homosexualität. Sie wird schon ihre Gründe gehabt haben, dachte sie bei sich. Ihr Blick wanderte an Maries Hals entlang. Dort wo der dunkel verfärbte Bluterguss sich in den Schulterbereich hinzog. Da konnte sie ein paar feine Linien ausmachen, die nicht zu der Verletzung passten. Sie neigte den Kopf etwas zur Seite, um besser sehen zu können. Eine filigrane Tätowierung zierte die weiche Silhouette und verschwand dort wo der Rücken auf dem Tisch auflag. Es ähnelte einem krallenähnlichen Gebilde, das aussah, als ob es die Haut an dieser Stelle aufreißen wollte. An der Spitze einer dieser blitzenden Krallen war eine kaum sichtbare, etwa 5mm große Narbe. Katharina schwieg obgleich dieser wundersamen Entdeckung. Meininger wird sie sicherlich registriert haben. Und was sollte sie schon mit dem gewaltsamen Tod von Marie zu tun haben.

Kapitel 2

Sie fuhren durch einen edlen Villenvorort am Stadtrand von Regensburg. Wunderschöne alte Herrenhäuser, umgeben von parkähnlichen Gärten zeugten von dem Wohlstand ihrer Eigentümer. Aber Katharina nahm das alles nur am Rande war. In ihrem Kopf kreisten die Gedankenfetzen. Ein dumpfer Schmerz breitete sich langsam aber sicher bis in die Haarwurzeln aus. Von Steinfels brachte sie nach dem Besuch in der Pathologie zunächst in seine Kanzlei.

„Als Nachlassverwalter von Frau Marie Mendel möchte ich Ihnen, Frau Katharina Auhuber mitteilen, dass Ihre Tante Sie als Alleinerbin Ihres gesamten Vermögens eingesetzt hat!“ Steinfels verlas gerade das Testament von der Verstorbenen.

Katharina staunte nicht schlecht. Sie, die Alleinerbin!? Sie wusste noch nicht einmal, wo ihre Tante genau gelebt hat, geschweige denn, ob sie über ein Vermögen verfügte. Ihr Vater hat immer davon gesprochen, dass Marie ein nutzloser Habenichts sei. Na gut, der Begriff Vermögen ist weit dehnbar. Sie rechnete mit ein paar Habseligkeiten, die die Tante vermutlich als wertvolle Hinterlassenschaft ansah. Sie unterschrieb den Erbschein, ohne großartig nachzufragen.

Zufrieden klappte Steinfels die Mappe mit den Dokumenten zu.

„Ihre Tante hat alles schon zu Lebzeiten geregelt. Sie brauchen sich nicht mehr um die Beerdigung zu kümmern. Sobald der Leichnam freigegeben wird, werde ich Sie über Zeit und Ort der Bestattung informieren. – Sie werden sich doch sicher ein paar Tage Urlaub genommen haben?“

Katharina bejahte diese Frage. „Ich habe mir ein Zimmer in einer kleinen Pension gebucht!“ bemerkte sie schüchtern.

„Na, ich denke, das können sie getrost absagen“, meinte Steinfels trocken. „Ich würde Sie dann gerne jetzt zum Haus Ihrer Tante, also zu Ihrem Haus bringen!“

Mit einem amüsierten Lächeln registrierte er den erstaunten Gesichtsausdruck Katharinas. Wie würde sie erst nachher reagieren, wenn sie die ganze Wahrheit erfuhr.

Auf dem Weg zu Tante Maries Haus machten sie noch einen Abstecher in das Klinikum, in dem Maries Lebensgefährtin lag. Das ist schon seltsam, sinnierte Katharina, wieso macht sie mich zu ihrer Alleinerbin, wo wir uns fast nie gesehen haben. Dabei hatte sie doch eine Partnerin.

Lore Hausner lag regungslos in ihrem Krankenbett. Ein undefinierbares Wirrwarr von Schläuchen und Kabeln verband die Patientin mit den lebenserhaltenden Gerätschaften, deren sonore Geräusche die einzigen Laute in dem sterilen Zimmer der Intensivstation waren.

Katharina betrachtete die bewusstlose Frau. Das war also Maries Lebensgefährtin. Sie musste so um die Mitte bis Ende fünfzig sein. Ihre graumelierten Haare waren kurzgeschnitten und lugten gerade noch so unter dem dicken Kopfverband hervor. Die Ruhe wurde jäh unterbrochen. Mit einem Ruck wurde die gläserne Schiebetür aufgerissen. Ein weißgekleideter Arzt mit klappernden Schuhen betrat gehetzt den Raum. Ohne sich großartig vorzustellen, begann er gleich mit seinen Ausführungen.

„Guten Tag! Sie sind also die Angehörigen der Patientin? – Ja, schlimme Sache, die da passiert ist!“

Dann ratterte er eine ganze Reihe von medizinischen Fachausdrücken herunter. Katharina vernahm etwas wie Schädel-Hirn-Quetschung, irreparable, starke Einblutungen im gesamten Bauchraum, Notoperation….. Sie war kein Mediziner, was der Herr ihr gegenüber wohl voraussetzte, aber ihr war auch so klar, dass es sehr schlecht um Lore stand.

Der Arzt, Katharina las den Namen „Prof. Dr. Lennartz“ auf dem Namensschild seines blütenweißen, gestärkten Kittels, zuckte mit den Schultern: „Wir haben unser Menschenmöglichstes getan. Aber ich bin ehrlich, ich mache ihnen keine Hoffnung. Die Patientin wird nicht wieder erwachen. Ohne die lebenserhaltenden Maschinen wäre sie schon längst tot! – Sie sollten sich mit dem Gedanken abfinden, dass Ihre Angehörige bereits hirntot ist. Wir haben lediglich mit dem Abschalten der Maschinen gewartet, bis jemand von der Familie eingetroffen ist.“

„Ich bin keine Angehörige,“ warf Katharina ein, „sie war die Lebensgefährtin meiner Tante,“ und etwas leiser fügte sie hinzu, „diese ist aber bereits verstorben.“

„Mein Beileid!“ Lennartz bemühte sich um eine entsprechende Miene, dabei war er in Gedanken schon wieder bei der Operation, die auf ihn wartete. Bevor er jedoch fortfahren konnte, mischte sich von Steinfels in die Unterhaltung ein.

„Ich bin der Notar von Frau Hausner und deren Lebenspartnerin. Frau Auhuber hier ist die Erbin von Frau Mendel. Weitere Angehörige gibt es nicht. Mir wurde in einem Fall wie diesen das alleinige Entscheidungsrecht übertragen. Die dazugehörige Vollmacht habe ich Ihrem Stationsarzt bereits ausgehändigt.“

Lennartz hob die Brauen. „Dann ist das ja bereits geklärt!“ Insgeheim ärgerte er sich, dass er die Akte, die ihm sein Stationsarzt vorlegte, nicht gründlicher studiert hatte. „Wie sollen wir dann weiter verfahren?“

„Ich weiß, dass Frau Hausner sehr schwere Verletzungen erlitten hat“, begann Steinfels. „Aber trotzdem möchte ich Sie bitten, im Interesse meiner Mandantin, die Maschinen noch eine Weile eingeschaltet zu lassen!“

Verwundert starrte der Professor den Notar an. „Und was glauben Sie, soll das bringen? Wie ich schon sagte, die Patientin ist bereits hirntot. Eine Änderung des jetzigen Zustandes ist nicht zu erwarten!“

„Dann sehen Sie es einfach als eine Art gewinnbringende Kostendeckung durch die Auslastung Ihrer Geräte“, konterte Steinfels halsstarrig. Er machte keinen Hehl daraus, dass er sein Gegenüber nicht mochte. „Sie werden weiterhin alles Mögliche für die Patientin tun. Sorgen Sie dafür, dass rund um die Uhr jemand anwesend ist. Und ich möchte sofort benachrichtigt werden, wenn sich am Zustand von Frau Hausner etwas ändert!“

Katharina wunderte sich insgeheim auch über das Verhalten des Notars. Glaubte er wirklich Lore Hausner würde aus ihrem komatösen Zustand jemals wieder erwachen? Wenn doch selbst die Ärzte sie aufgegeben hatten. Aber die Strenge in seinem Tonfall ließen keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Forderung zu.

Lennartz zuckte mit den Schultern: „Wenn Sie darauf bestehen! Aber aus medizinischer Sicht….!“

„Es ist mir egal, was die medizinische Sicht angeht,“ unterbrach ihn Steinfels, „machen Sie einfach, was ich Ihnen sage!“ Und zu Katharina gewandt meinte er: „Kommen Sie Frau Auhuber, wir können hier nichts weiter tun - im Moment. Lassen Sie uns gehen!“

Die Bemerkung, „im Moment“ war Katharina nicht entgangen. Nochmal wunderte sie sich über die Sturheit, sagte aber nichts dazu und folgte ihm schweigend, einen etwas verdatterten Professor zurücklassend.

Steinfels hielt vor einem riesigen schmiedeeisernen Tor, drückte auf eine Fernbedienung und wie von Geisterhand schwang das massige Tor auf. Ein breiter Kiesweg schlängelte sich einen sanften Hügel hinauf und verschwand zwischen stattlichen alten Tannenbäumen scheinbar im Nirgendwo. Die Sonne hatte bereits ihren Zenit überschritten und tauchte den parkähnlichen Garten in gleißendes Licht. Rechterhand konnte man sehen, wie sich ihre Strahlen auf der Oberfläche eines Teiches widerspiegelten. Ein Schilfgürtel und riesige Bambusstauden wiegten ihre Halme im leichten Sommerwind. Der kurzgeschnittene Rasen schmiegte sich wie ein kuscheliger Schal in die Landschaft.

Katharina fand langsam ihre Fassung wieder. „Wo sind wir hier?“ fragte sie staunend. Im Stillen beantwortete sie sich die Frage selbst. Das wird Steinfels Anwesen sein. Vielleicht hat er noch etwas zu erledigen, rätselte sie. Sie waren beide während der Fahrt recht schweigsam gewesen. Katharina hing ihren Gedanken nach und der Notar ließ seine Begleitung mitfühlend in Ruhe. Sie sollten sich vor dem nächsten Schock, der unweigerlich folgen würde, erst einmal sammeln.

„Liebe Frau Auhuber“, begann Steinfels feierlich, „wir sind angekommen. Hier hat ihre Tante gelebt und gewirkt!“

Schockiert sah Katharina ihn an. Der Notar scherzte bestimmt. Aber dann war das ein schlechter Scherz. Vielleicht war Tante Marie so eine Art Angestellte, wenn sie hier gewirkt hatte. Bestimmt gehörte ihr dann ein kleines bescheidenes Häuschen irgendwo in diesem Park und sie hat sich um den Garten gekümmert, redete sie sich schnell ein.

Steinfels startete den Wagen und fuhr langsam die Auffahrt entlang, damit die junge Frau neben ihm auch alles bewundern konnte. Er hoffte, sie möge die Eindrücke dieses Paradies genauso empfinden, wie er es jedes Mal wieder tat. Sein Verhältnis zu den beiden Damen beschränkte sich nicht nur auf eine geschäftliche Zusammenarbeit. Bereits seit vielen Jahren verband ihn eine enge Freundschaft mit ihnen.

Vor ihnen tauchte ein alter herrschaftlicher Sandsteinbau auf. Seine Mauern waren zum Teil stark verwittert und verliehen ihm das Aussehen eines mittelalterlichen Schlosses. Nichtsdestotrotz war das Gebäude ansonsten sehr gepflegt. Die langgezogenen halbovalen Fenster mit ihrem kathedralähnlichen Charakter blitzten im Sonnenlicht. Rechts und links beschlossen zwei runde Türme den rechteckigen Hauptteil.

Bewundernd glitt Katharinas Blick über das imposante Anwesen. So etwas kannte sie, die kleine Polizistin aus dem Oberpfälzer Hinterland, bisher nur aus dem Fernsehen. Suchend sah sie sich nach einem kleinen Gärtnerhäuschen um. Wahrscheinlich war es in einem entlegeneren Teil des Parks, dachte sie wieder bei sich. Die Bewohner des Schlosses wollten sich ihr Zuhause sicherlich nicht mit dem Anblick eines Dienstbotenhauses verschandeln.

In Gedanken versunken hatte sie gar nicht registriert, dass der Notar parkte und ihr nun bereits die Tür aufhielt.

Galant, wie es seine vornehme Art war, machte er eine ausladende Handbewegung in Richtung des Hauses.

„Darf ich Ihnen Ihr neues Zuhause vorstellen! – Die bescheidene kleine Hütte Ihrer Tante Marie-Theres Mendel, scherzhaft auch Cat-Castle genannt!“

Katharina, die gerade ausgestiegen war, merkte wie ihre Knie weich wurden. Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Ihr Herz klopfte bis zum Hals und sie konnte das Blut in ihren Adern rauschen hören. Ungläubig starrte sie Steinfels an. „Das ist jetzt nicht ihr Ernst“ stotterte sie aufgeregt.

„Doch, mein voller!“ Steinfels grinste spitzbübisch. „Entgegen der schlechten Meinung ihrer Verwandtschaft, die sie seit Jahrzehnten mied, war Marie eine sehr erfolgreiche Malerin, deren Werke über den gesamten Globus verteilt ihre Anhänger fanden.“

Ein Anflug von beschämter Röte stieg Katharina ins Gesicht. Gegen das Schloss von Tante Marie erschien ihr der elterliche Bauernhof, von dem sie immer geglaubt hatte, er sei ein stattlicher Besitz, wie eine Tagelöhnerhütte. Was würde ihr herrischer Vater dazu sagen. Er, der Marie immer als Nichtsnutz verdammte. Und wie hätte erst ihre verstorbene Mutter zu Lebzeiten reagiert, wenn ihr bewusst gewesen wäre, dass aus ihrer kleinen, verstoßenen Schwester eine schwerreiche, angesehene Malerin geworden war. Langsam fand Katharina ihre Fassung wieder.

Steinfels führte sie an üppig blühenden Rhododendren vorbei über eine wuchtige Steintreppe hinauf zu der schweren doppelflügeligen Eichentür, die zwischen zwei steinernen Säulen prangte. Jede Hälfte zierte ein eiserner Katzenkopf mit einem dicken Ring durch das geöffnete Maul. Katharina hatte das Gefühl, als würden sie die unheimlichen Katzenaugen mit Blicken durchbohren. Wieder begann ihr Herz laut zu klopfen. Gleich würde sie ihr Haus zum ersten Mal betreten. Der Gedanke daran war ihr doch sehr befremdlich, aber letztendlich war sie nun abenteuerlustig genug, sich auf ihre neue Zukunft einzulassen.

Bevor Steinfels den Schlüssel umdrehte wandte er sich noch einmal zu ihr um.

„Eine Frage hätte ich da noch!? – Ich hoffe, Sie mögen Katzen!“