Kein Weg zurück - Michael Hirtzy - E-Book

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Michael Hirtzy

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Beschreibung

Das mitreissende und Actiongeladenen Ende der ersten VorTeks Staffel Das Ende ihrer Reise Alle Schicksale führen zusammen und doch stehen sie am Scheideweg. Zwei Geschwister kämpfen im Herzen des Molochs im Uranus Orbit um ihr Leben, ohne zu wissen, was sie erwartet, sollte ihre Flucht gelingen. Sie müssen sich der Frage stellen, ob es überhaupt eine Chance gibt, den Fängen Skryvats zu entkommen. Auf sich alleine gestellt sieht sich die Besatzung der Morrigan einer Übermacht gegenüber, der sie trotz allen Einfallsreichtums nicht entgegenzusetzen hat. Im Auge der Vernichtung muss Captain Bataa entscheiden, wo seine Prioritäten liegen. Auf der Alireza steht Val vor der größten und folgenschwersten Entscheidung ihres Lebens. Kann sie es wagen einer KI die Kontrolle zu übergeben oder stürzt sie sich und ihre Crew damit endgültig ins Verderben? Am Ende erwartet sie alle der Untergang, oder der Beginn von etwas Neuem.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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KEIN WEG ZURÜCK
VorTeks Band 10
Michael Hirtzy

IN DIESEM BAND:

Das Ende ihrer Reise.

Alle Schicksale führen zusammen und doch stehen sie am Scheideweg.

Zwei Geschwister kämpfen im Herzen des Molochs im Uranusorbit um ihr Leben, ohne zu wissen, was sie erwartet, sollte ihre Flucht gelingen. Gibt es überhaupt eine Chance, den Fängen Skryvats zu entkommen?

Auf sich allein gestellt sieht sich die Besatzung der Morrigan einer Übermacht gegenüber, der sie trotz allen Einfallsreichtums nichts entgegenzusetzen hat. Auge in Auge mit der Vernichtung muss Captain Bataa entscheiden, wo seine Prioritäten liegen.

Auf der Alireza steht Val vor der größten und folgenschwersten Entscheidung ihres Lebens. Kann sie es wagen, einer KI die Kontrolle zu übergeben, oder stürzt sie sich und ihre Crew damit endgültig ins Verderben?

Am Ende erwartet sie alle der Untergang, oder der Beginn von etwas Neuem.

MICHAEL HIRTZY

KEIN WEG ZURÜCK

© 2024 Michael Hirtzy, c/o Autorenservice Gorischek / Am Rinnergrund 14/5 / 8101 Gratkorn / Österreich

1. Auflage 2024

Covergestaltung und Buchsatz: Catherine Strefford | www.catherine-strefford.de

Coverillustrationen der Einzelbände: Elias Stern / https://www.artstation.com/elias_stern

Serienlogo: Catherine Strefford | www.catherine-strefford.de

LizardCreek Logo: Isabel Kutscherer

Lektorat & Korrektorat: Melanie Vogltanz / lektoratvogltanz.com

Vertrieb über TOLINO MEDIA

Alle in diesem Roman vorkommenden Personen, Ereignisse und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder Ereignissen sind rein zufällig.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Content Notes

Content Notes zu diesem Buch (Information über mögliche für manche Leser*innen unangenehme bzw. triggernde Inhalte) finden Sie am Ende des Buches.

TEIL 1DAS ENDE EINER REISE

KAPITEL 1

Morrigan – Brücke – T minus 0

Die Morrigan schrie wie ein verletztes Tier, das um sein Leben rang. Das Kreischen sich verbiegenden Stahls bohrte sich einer glühend heißen Nadel gleich in Captain Jang Bataas Verstand. Wäre da nicht der zugeklappte Helm seines Schutzanzuges gewesen, hätte er sich die Handflächen auf die Ohren geschlagen. So allerdings blieb ihm keine andere Wahl, als das Crescendo über sich ergehen zu lassen und zu hoffen, dass sein Schiff nicht entzweibrach.

Wobei dies kaum mehr einen Unterschied gemacht hätte. Die Sirenen der unterschiedlichsten Systeme vernahm er schon längst nicht mehr. Zu laut dröhnte das Schiff unter den permanenten Einschlägen auf die malträtierte Hülle. Doch während die Sterbelaute des Hammerheads alles außer die verzweifelten Schreie seiner verbliebenen Crew übertönten, gab es nichts, das die optischen Warnmeldungen ausblendete. Der Zeitpunkt, an dem er sich die Lage noch hatte schönreden können, lag weit zurück. Er hatte hoch gepokert.

Und verloren.

Was auch immer die Kommandanten des Zerstörerverbandes antreiben mochte, riss ihn und seine Besatzung in den Untergang.

Jang hatte längst aufgegeben, die Meldungen zu lesen. Inzwischen mussten es Hunderte sein, die das flackernde Zentralbild des Hologlobus’ einrahmten. Es glich einem Wunder, dass die Morrigan überhaupt noch die Fähigkeit besaß, jeden einzelnen Schaden zu erkennen.

Plötzlich wurde ihm der Boden unter den Füßen weggerissen. Begleitet von ohrenbetäubendem Donnern, das klang, als stünde er direkt im Herzen einer detonierenden Sprengladung, wurde er seitlich gegen eine herabgebrochene Deckenstrebe geschleudert. Kurz darauf fühlte er, wie jegliches Gewicht von ihm wich.

»Dreck!«, fluchte er entgegen seiner üblichen Zurückhaltung. »Die künstliche Gravitation …«

Der Schmerz des Aufpralls pochte wild in der linken Schulter und Hüfte. Die Schwerkraftsysteme hatten sich mit dem Versagen lange genug Zeit gelassen, damit sein Einschlag in den tonnenschweren Träger noch mit vollem Gewicht erfolgt war. Einzig der Dämmung des Schutzanzuges schrieb er es zu, dass seine Knochen vorerst noch heil geblieben waren.

»… ist unser geringstes Problem!«, unterbrach ihn die bebende Stimme seiner Ersten Offizierin. Adaline Hammond hing schwer atmend und nur noch von den straffgespannten Sicherheitsgurten gehalten in ihrem Stuhl. An ihrer rechten Brustseite wölbte sich der ausgehärtete Plastschaum. Vermutlich das Einzige, was sie noch am Leben hielt und verhinderte, dass sie verblutete. Der Treffer, der ein Drittel der mittleren Wand der Brücke zerfetzt hatte, lag mindestens zehn Minuten zurück. Die wie Geschosse in den Raum rasenden Trümmer hatten Adalines Brustpanzer förmlich in ein Nudelsieb verwandelt. Jang wollte gar nicht wissen, wie es darunter aussah.

Nur Ensign Jaffids schnelles Eingreifen hatte verhindert, dass Adaline an Ort und Stelle starb. Mangels medizinischer Ausrüstung und im Anblick des herrschenden Chaos’ hatte der junge Waffenspezialist den für Mikrolecks gedachten Druckschaum in Adalines Anzug gepresst und ihr damit wenige Minuten erkauft. Sich selbst hatte er nicht mehr helfen können. Denn der darauffolgende Treffer hatte die Deckenstrebe zum Bersten gebracht. Eben jene, in der Jang gerade eben erst eingeschlagen war. Der tonnenschwere Stahlbalken hatte Jaffids Helm zerquetscht wie ein rohes Ei.

»Die Morrigan ist wie du«, versuchte Jang einen letzten motivierenden Spruch. »Sie gibt nicht auf.«

»Was uns nichts bringt«, presste Adaline hustend hervor und Jang musste mitansehen, wie feine Blutstropfen von innen gegen die Helmscheibe klatschten. »Sie ist tot und gibt es nur nicht zu.«

Jang starrte seine Erste Offizierin entgeistert an, die nach Atem ringend weitersprach: »Sag nichts. Ich weiß, dass es mir genauso ergeht. Ich komme hier nicht mehr lebend raus. Genauso wie die an Bord Verbliebenen.«

Ihre letzten Worte gingen im blutigen Husten beinahe völlig unter. Ihre Augenlider flatterten.

Jang machte einen Satz in ihre Richtung. Mit beiden Händen packte er ihre Schultern und schüttelte sie. »Wehe, du schläfst mir jetzt ein!«

Adaline zuckte zurück und sah ihn aus feuchten Augen an. »Was denn? Willst du mir Strafe androhen? Dafür ist es zu spät.«

Ihre Schultern sackten trotz seines Griffes nach unten und wieder beutelte er sie. Er würde sie nicht aufgeben. Konnte es nicht. Nicht, solange in ihm noch genug Energie steckte, um sich zu bewegen. Er hatte Adaline und den Rest seiner Crew zu diesem Himmelfahrtskommando überredet. Und jetzt starben sie um ihn herum, während er bisher nur Prellungen davongetragen hatte. Er konnte nur hoffen, dass die zuvor gestarteten Rettungskapseln ihren Weg heraus aus dem Inferno fanden.

»Scheiße!«, fauchte er. »Du stirbst mir hier nicht weg! Haben wir uns verstanden, Commander Adaline Hammond?!« Mit seiner lautesten Befehlsstimme brüllte er sie an, was ihr ein leichtes Lächeln auf die Lippen zauberte.

»Da steckt ja noch Kampfgeist in dir«, flüsterte sie.

Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass sie die übliche Steifheit fallen gelassen hatten. Wozu sollte sie noch daran festhalten? Ihre Taten der letzten Tage reichten, dass er bezweifelte, überhaupt noch im Dienst der KMS zu stehen. Und selbst wenn, wartete außerhalb des Schiffes, zurück auf der Erde, bestenfalls ein hinter verschlossenen Türen geführtes Verfahren auf ihn. Höchstwahrscheinlich würde es dazu jedoch gar nicht erst kommen. Selbst wenn er es entgegen allen Widerständen schaffen sollte, Abrik Darian zu entkommen, würde dessen Mutter dafür sorgen, dass er nicht weit kam. Allmählich dämmerte Jang, dass es keinen sicheren Ort gab, wenn die Darians ihn im Visier hatten. Er hatte sich Gegner ausgesucht, die in einer völlig anderen Liga spielten.

Das musste er sich eingestehen und er fragte sich, ob Vardan sich dessen bewusst gewesen war. Oder hatte sein früherer Kommandant auch geglaubt, dass es eine Möglichkeit gäbe, gegen Syuzanna und ihren Clan anzukommen? Leider brachte Jang diese Erkenntnis nichts mehr. Denn in wenigen Augenblicken würde er sie mit seinem Leben bezahlen. Genauso wie die wenigen Verbliebenen seiner Besatzung, die irgendwo im Inneren der Morrigan noch um ihr Leben kämpften.

Der nächste Treffer schlug in sein einst so stolzes Schiff ein und Jang glaubte körperlich zu fühlen, wie sich die Morrigan aufbäumte und alle Kraft darauf verwendete, ihren zerfetzten Leib beisammenzuhalten. Sie war ein Schiff. Erdacht und gebaut von Menschenhand. Und trotzdem verhielt sich dieses Ungetüm aus Stahl, Verbundstoffen und Kunststoff wie ein Lebewesen mit einem unbändigen Überlebenswillen.

»Hau ab«, unterbrach Adaline seine Gedankengänge. Ihre Stimme wurde zusehends schwächer. Ohne den Verstärker ihres Helms wäre es ihm vermutlich bereits unmöglich gewesen, sie überhaupt noch zu verstehen. Ihre Worte kamen langsam, hörbar gezwungen und unter größter Kraftanstrengung über ihre Lippen. Und jedes einzelne begleitete ein kleiner Schwall Blut. Jang fühlte eine feste, kalte Hand, die sich um sein Herz legte. Es war zu spät. Egal, was er sich einredete. Es gab nichts mehr, was er für Adaline tun konnte. Genauso gut konnte er versuchen, die auf sie zurasenden Raketen und Geschosse des Stormbringer-Verbandes mit bloßen Händen abzufangen.

Die besten Ärzte der Konföderation und der KMS konnten nichts mehr für sie tun. Er wusste es. Und trotzdem blieb Jang wie festgeklebt neben ihr stehen und sah sie an.

»Geh!«, forderte sie ihn erneut auf.

»Wohin?«

»Die Rettungskapseln …«

»Wenn überhaupt noch eine funktioniert, gibt es keinen Ort, an den sie mich bringen können. Entweder vergehen sie im Feuerhagel der Varghund, oder Abrik greift mich auf. Ich weiß nicht, was schlimmer wäre.«

»Wenn du schnell bist, könntest du ihm eigenhändig eine in die Fresse hauen.« Dieser eine Satz musste Adaline so angestrengt haben, dass ihre Augen sich schlossen und sie wie eine schlaffe Puppe gegen die Sicherheitsgurte sank.

»Ich mache es!«, schrie Jang sie an. »Aber nur, wenn du mitkommst. Hast du das verstanden?!« Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, schüttelte er sie wieder, ohne eine Reaktion zu erzielen. »Wage es nicht, dich meinen Befehlen zu widersetzen!« Er ballte eine Hand zur Faust und hieb ihr unsanft gegen die unverletzte Brustseite.

Plötzlich zuckte Adalines Kopf hoch und sie riss ihre Augen auf. »Kann man hier nicht mal einen Augenblick in Ruhe pennen?«

»Nicht solange ich das Kommando habe!«, zischte Jang erleichtert.

»Wie wäre es …«, presste Adaline hervor und zwang dabei ein schwaches Lächeln auf ihre Lippen, »… wenn du dann endlich zurücktrittst, damit ich meine Ruhe habe.«

Jang kniff die Augen zusammen. »Du willst doch nur am Ende noch das Kommando über die Morrigan erhalten.«

»Na klar.« Wieder ließ ein Hustenanfall Adalines Körper erbeben. »Weil ich das, was du mir von ihr übrig gelassen hast, befehligen will.«

Jang fiel keine Antwort darauf ein. Was hätte er in diesem Moment nicht dafür gegeben, Adaline das Kommando über eine voll einsatzfähige Morrigan zu übergeben? Seine Karriere, seinen Rang, sein Leben. Alles wäre es ihm wert gewesen. Doch alles hatte er verspielt. In der Hoffnung, Geheimnisse aufzudecken, die die KMS und Konföderation in ihren Grundfesten erschüttern konnten. Er hatte nicht zulassen können, dass Darian Industries hier draußen derartige menschenverachtende Experimente durchführte. Nicht hier. Nirgendwo. Er musste dem Ganzen ein Ende setzen und hatte schlussendlich nur die Liste jener erweitert, die dafür starben. Mit etwas Glück würde jener Teil, den er auf Skryvat entsandt hatte, mit dem Leben davonkommen. Falls er auch damit falschlag, wäre das Fazit ihres Einsatzes eine Verlängerung von Syuzanna Darians Totenliste. Siebenundachtzig weitere Opfer, die ihr vermutlich kaum mehr bedeuteten als eine Ameisenstraße, die sie unter ihrem Stiefel zermalmte.

»Hörst du das?«, keuchte Adaline schwer und riss ihn aus seinen Überlegungen.

Er fragte sich, ob Adaline in den letzten Minuten plötzlich unter Halluzinationen litt. Worauf wollte sie hinaus? Es gab nichts zu hören. Keinen Laut.

»Was?«, fragte Jang.

»Genau das.«

Er zuckte zusammen und begriff endlich.

Das Dröhnen war verstummt. Die Einschläge, das Hämmern und Kreischen. Nichts davon presste mehr auf seine Ohren. Die Morrigan knirschte und knackte wie glühend heißer Stahl im Feuer. Doch die mit dem Untergang seines Schiffes verbundenen Totenklänge waren verstummt. Und mit ihnen die Hilferufe der letzten Überlebenden der Morrigan. Sekundenlang lauschte er, bis ihn die kratzige Stimme seines Chefingenieurs zusammenfahren ließ.

»Ist da noch wer außer mir?«, fragte Chief Lauri Huttunen vorsichtig. Wie in Sorge darum, dass ein zu lautes Wort das Chaos wieder heraufbeschwören könnte.

»Jaslov hier«, meldete sich der Leiter der medizinischen Abteilung. »Zusammen mit fünf nicht mobilen Verletzten unterschiedlichen Schweregrades in der Krankenstation. Alle beweglichen, darunter Colonel Durenko, wurden mit der ersten Welle der Rettungskapseln evakuiert.«

Jang wartete. Hoffte auf weitere Meldungen und musste sich nach mehreren Atemzügen eingestehen, dass keine mehr kommen würden. Er holte tief Luft und seufzte. »Jang Bataa hier. Ich bin zusammen mit Commander Hammond auf der Brücke. Sie ist schwer verletzt. Doktor Jaslov, sehen Sie eine Möglichkeit, zu uns zu kommen?«

Auf seinen eigenen Rang verzichtete er dabei gezielt. Das Recht, ihn zu benutzen, hatte er verwirkt. Mit seinen Entscheidungen und vor allem mit den daraus resultierenden Konsequenzen. Die Last der Toten musste er tragen. Allein. Bis zuletzt.

Jaslov antwortete zurückhaltend: »Negativ. Ich habe hier mehrere schwerverletzte und kritische Patienten. Und niemanden, der über medizinisches Wissen verfügt. Ich kann hier nicht weg. Nicht, ohne Leben zu gefährden.«

Ein Blick zu Adaline offenbarte Jang ihr müdes Lächeln. Ob es auf seinen Versuch abzielte, ihr zu helfen, oder auf Jaslovs Reaktion, vermochte Jang nicht zu sagen. Aber zumindest atmete sie noch und bekam mit, was um sie herum geschah. Jang setzte zu einer Antwort an, da schüttelte sie zaghaft den Kopf. Er verstand. Auch wenn er es nicht wollte.

»Sicher?«

Adaline nickte. Schwach. Viel zu schwach, um ihm Hoffnung zu machen.

»Bleiben Sie, wo Sie sind«, gab Jang den Befehl, gegen den sich alles in ihm sträubte. Ihm war bewusst, was er damit tat. Doch er wusste genauso gut wie Adaline, dass er gar nicht anders agieren konnte. Niemals durfte er das einzelne Leben einer Offizierin über das mehrerer Besatzungsmitglieder stellen. Egal, was er ihr verdankte.

»Verstanden«, gab Jaslov zurück, ohne die Anordnung zu hinterfragen.

Adalines Finger reckten sich schwach in seine Richtung und instinktiv ergriff Jang ihre fahle, kalte Hand. »Ich bin hier. Bis zum Schluss.«

Das zaghafte Lächeln auf ihren Lippen verschwand und ihre Augen weiteten sich. Jang zuckte zusammen. Spürte sie Schmerzen? Litt sie Qualen, die er sich nicht einmal vorstellen konnte?

»Was?«, presste er erschrocken hervor.

Keine Antwort. Nur ihr stierer Blick an seiner Schulter vorbei an einen Punkt hinter ihm.

»Holo …«, keuchte sie beinahe unhörbar.

Endlich verstand Jang und drehte sich um, ohne dabei seine Hand von ihrer zu nehmen.

Ein Blick auf das unbeständig flackernde Holodisplay offenbarte ihm, dass seit dem letzten Treffer rund drei Minuten vergangen waren. Was bewegte Abrik Darian zu dieser Feuerpause? Wollte er sie quälen? Den Glauben an seine Gnade wecken, bevor er sie mit einem letzten brutalen Handstreich auslöschte? Jang traute es ihm zu. Wenn irgendetwas den Major antrieb, dann sein Ego. Und das hatte Jang selbst mehrfach und schmerzhaft verletzt. Aber verfügte der Heißsporn über genügend Kalkül, um den finalen Triumph so lange wie möglich hinauszuzögern? Nur um ihm, dem Captain, der sich gegen ihn gestellt hatte, ein letztes Mal vor Augen zu führen, dass er über ihm stand?

Kaum, dass er diesen Gedanken zu Ende dachte, sah Jang in der unzuverlässigen Projektion ein Sensorbild, das ihm den Atem stocken ließ. Das musste es sein, was Adaline erkannt hatte.

»Ach du heilige Scheiße«, keuchte er. »Was ist das?«

KAPITEL 2

Varghund – Brücke – T minus 0

Abriks Lippen bebten und das Rauschen seines Blutes in den Ohren übertönte die Meldungen, die auf ihn einprasselten wie Hagel auf ein Blechdach. Er wollte sie alle von sich schieben und endlich Zeit finden, einen klaren Gedanken zu fassen. Seit er den Computern mithilfe des Überrangbefehles die teilweise Kontrolle über seinen Verband übergeben hatte, überschlugen sich die Ereignisse.

Assumir gab ihm die Kontrolle über die Hauptrechner aller fünf Schiffe. Im Prinzip konnte er sie ohne einen einzigen Menschen an Bord befehligen. Allerdings musste er sich langsam eingestehen, dass er die Herausforderung unterschätzt hatte. Das System, dafür gedacht, im Katastrophenfall einer handlungsunfähigen Besatzung zur Seite zu stehen und ihren Arsch zu retten, erwies sich im Gefecht als leidlich anwendbar.

Erneut bebte der Boden unter seinen Füßen und die Vibrationen ließen seine Zähne hart und schmerzhaft aufeinanderschlagen. Ein rascher Blick zu den neuen Alarmmeldungen bestätigte Abriks Vermutung: ein neuerlicher Einschlag. Geschosse aus den Abfanggeschützen der Krigshök. Die Computer reagierten zu langsam. Ein Risiko, vor dem die Konstrukteure gewarnt hatten. Die Feuerautomatik kam gut damit zurecht, ein Ziel zu erfassen und zu verfolgen. Doch bei der Vorausberechnung aller erdenklichen Bewegungsmuster der eigenen Schiffe scheiterte sie kläglich. Und so traf nur ein Bruchteil aller abgefeuerten Waffen die Morrigan. Der Rest verpuffte in den Tiefen des Alls oder schlug, wie gerade eben, in den eigenen Schiffen ein.

Abrik ballte die Hände zu Fäusten und schrie innerlich. Er musste etwas tun. Nur fiel ihm nichts ein, womit er die Situation verbessern konnte. Welche Befehle er den automatischen Systemen auch erteilte – sie kamen zu spät. Kaum, dass er sie aussprach, hatte sich die Lage bereits wieder verändert.

»Verdammte Kacke!«, brüllte Lieutenant Harmann, der vornübergebeugt an den Waffenkontrollen saß und seit Minuten darum kämpfte, die Zielerfassung der Varghund zu unterstützen. Genauso gut hätte der junge Offizier versuchen können, aus einem um ihn herumfliegenden Fliegenschwarm ein einzelnes Insekt herauszupicken. Die Gefechtsparameter veränderten sich in Sekundenschnelle. Schiffe wie die Varghund und ihr Verband waren nicht darauf ausgelegt, im Nahkampf zu agieren. Im Abstand von wenigen Dutzend Kilometern zu ihrem Gegner veränderten sich die Positionen derartig rasend schnell, dass selbst die hochgezüchteten Sensoren beim Tracking versagten. Im Hologlobus bekam Abrik inzwischen nur mehr Schätzungen der aktuellen Positionen zu sehen. Wo sich die Morrigan oder die Schiffe seines Kampfverbandes tatsächlich befanden, konnte nichts und niemand präzise sagen.

»Sir!«, rief Harmann mit einem kurzen Blick über die Schulter in Abriks Richtung. »Wir haben zwei Raketenlafetten und alle ARFRs an Backbord verloren.«

Der kaum der Akademie entwachsene Soldat konnte das Zittern seiner Stimme nicht unterdrücken. Seit seiner unvermittelten Beförderung schien er erst zu verstehen, worauf er sich eingelassen hatte. Auch dass er dabei bebte wie Espenlaub, konnte er vor Abrik nicht verstecken. Es fehlte Harmann an Erfahrung und der notwendigen Ruhe für einen Waffenoffizier. Aber zumindest verzichtete er darauf, ihm ständig zu widersprechen. Ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger, der mit einem Loch im Kopf am hinteren Rand der Brücke lag. Dorthin hatten Harmann und Lebedew Lieutenant Commander Korhonen verfrachtet, nachdem dieser Abrik einmal zu oft Paroli geboten hatte.

Blieb noch seine Erste Offizierin, die Abrik weiterhin Sorgen bereitete. Aber zumindest verhielt sich Renan Pereira vorerst ruhig. Das an Korhonen statuierte Exempel und die Pistole in der Hand von Lieutenant Lebedew schienen auszureichen, um ihr klarzumachen, dass das gesünder für sie war.

Erneut ruckte der Boden unter Abriks Füßen und das Donnern brechender Hüllenpanzerung dröhnte in seinen Ohren. Er stolperte unkontrolliert zur Seite und packte die Rückenlehne seines Stuhles, um zu verhindern, dass er zu Boden stürzte. Im selben Augenblick heulte eine Sirene auf. Das auf- und abschwellende Jaulen ging durch Mark und Bein und zählte zum Furchterregendsten, das alle Soldaten der KMS kannten.

»Druckverlust in Sektion C bis F der Decks vier und fünf!«, meldete Chief Chamapiwa, der als Einziger seiner ursprünglichen Brückencrew nicht gegen Abrik vorzugehen schien. Ob aus Überzeugung oder Selbstschutz, konnte Abrik nicht erkennen. Er hielt es auch für belanglos. Vorerst zählte nur, dass die Aufgaben erfüllt wurden.

»Automatische Abriegelung versagt«, rief der leitende Technikoffizier. Kleinlaut schob er nach: »Mangels Besatzung können wir die Bereiche nur abschreiben. Ich habe niemanden, der das beheben kann. Nicht in der Größe.«

Abrik dämmerte die Erkenntnis, dass eine elfköpfige Crew für einen vierhundertachtzig Meter langen Zerstörer womöglich doch zu gering definiert sein könnte.

»Gefahreneinschätzung?«, fauchte Abrik im Versuch, den Eindruck zu erwecken, dass er die Lage unter Kontrolle hielt.

»Die Hüllenpanzerung ist auf eine Länge von sechzig Metern durchschlagen. Die Eingeweide der Varghund liegen frei. Noch ein Treffer an dieser Stelle und es wird lebensbedrohlich. Der aktuelle Einschlag ging haarscharf an der Abschirmung des sekundären Fusionsreaktors vorbei.«

Abrik wollte seine Wut hinausbrüllen, doch er durfte keine Schwäche zeigen. Nicht, wenn er die Situation wieder unter Kontrolle bringen wollte. Sein Schiff stand kurz davor unterzugehen. Dem Fakt musste er sich stellen. Ein einziger fehlgeleiteter Treffer seines eigenen Verbandes oder ein gezielter Schuss der Morrigan reichte aus. Dann würde sich die Varghund in einen glühenden Schlackehaufen verwandeln.

Er kam nicht dazu, seine Gedanken zu Ende zu denken.

»Die Morrigan startet Rettungskapseln«, forderte Harmanns Meldung seine volle Aufmerksamkeit.

Abrik biss sich auf die Lippen. Auch das noch! Er hatte gehofft, sein Problem mit einem Handstreich lösen zu können. Sein Plan hatte vorgesehen, die Morrigan mit einigen gezielten Schüssen in ihre Einzelteile zu zerlegen und vom Angesicht des Sonnensystems zu tilgen. Übrig geblieben wäre ein stummer Trümmerhaufen, dessen Existenz man auf eine Fehlfunktion des hochgezüchteten Antriebes hätte zurückführen können. Für das passende Ergebnis der Untersuchung hätte seine Mutter gesorgt. Wenn überhaupt irgendjemand in der KMS den Mut aufgebracht hätte, ein Schiff hier heraus in die Sperrzone zu schicken, um die Sache zu prüfen. Es wären Monate vergangen. Viel zu lange, um noch irgendwelche brauchbaren Hinweise zu finden. Wenn ein Fusionsreaktor seine angestaute Energie unkontrolliert freiließ, blieb selten genug übrig, um irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Und das projizierte Dämpfungsfeld seines Verbandes hätte dafür gesorgt, dass nicht einmal die Blackbox ihre Nachricht nach außen übertragen konnte.

Und jetzt das.

---ENDE DER LESEPROBE---