Keine Experimente - Markus Feldenkirchen - E-Book

Keine Experimente E-Book

Markus Feldenkirchen

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Beschreibung

Frederik Kallenberg stammt aus einem zerrütteten Elternhaus im katholischen Sauerland und möchte alles besser machen als seine Eltern: Er heiratet seine Jugendliebe Julia, bekommt mit ihr zwei Kinder, engagiert sich in einer konservativen Partei, und als er mit Anfang dreißig auch noch in den Bundestag gewählt wird und nach Berlin aufbricht, scheint sein Glück perfekt. Ganz gegen seine Überzeugungen lässt er sich in der großen Stadt auf eine Affäre mit der emanzipierten, unabhängigen Liane Berg ein und missachtet immer häufiger seine eigenen Grundsätze. Er gerät zunehmend in einen heftigen Konflikt mit sich selbst. Als plötzlich spurlos verschwindet, hinterlässt er viele Fragen und eine mysteriöse Notiz: "Alles hat seine Zeit."

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INHALT

» Über den Autor

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» Impressum

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ÜBER DEN AUTOR

Markus Feldenkirchen, 1975 in Bergisch Gladbach geboren, studierte Politikwissenschaften, Geschichte und Literaturwissenschaften in Bonn und New York und absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München. Seither arbeitet er als Redakteur und Reporter in Berlin, zunächst beim Tagesspiegel, seit 2004 beim Spiegel, mittlerweile als Autor für Deutsche Politik im Hauptstadtstudio. Seine journalistische Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem »Axel-Springer-Preis« für Nachwuchs-Journalisten, dem Journalistenpreis der Körber-Stiftung sowie dem deutsch-amerikanischen »Arthur-F.-Burns-Journalistenpreis«.

ÜBER DAS BUCH

Der konservative Bundestagsabgeordnete und Familienpolitiker Frederik Kallenberg verfällt ausgerechnet den Reizen der emanzipierten, unabhängigen Liane. Sein Weltbild, geprägt von einer schwierigen Kindheit im katholischen Sauerland, von der Ehe mit seiner Jugendliebe Julia und von einer steilen Politkarriere in Berlin, gerät immer mehr ins Wanken. Mitten im Wahlkampf verschwindet er plötzlich, zurück bleibt nur eine mysteriöse Notiz. Ist Liane Teil des Rätsels?

Schonungslos, genau und mit viel Humor schildert Markus Feldenkirchen die innere Zerrissenheit seines Helden, der seine festgefahrenen Prinzipien privat wie politisch immer stärker infrage stellen muss.

»Markus Feldenkirchen entlarvt sie, die unterschiedlichen Weltanschauungen. Bissig und intelligent geht er vor, ohne intellektuell abzuschweifen.« Westdeutsche Allgemeine Zeitung

EINS

Die Notiz, die Kallenberg hinterlassen hatte, war eine Unverschämtheit. Sie sorgte nicht für Gewissheit, sondern warf nur noch mehr Fragen auf.

Alles hat seine Zeit.

Ein Rätsel aus vier Wörtern, zurückgelassen auf feinstem Büttenpapier der Größe DIN A4. Er hatte es, daran bestand nach der grafologischen Untersuchung kein Zweifel mehr, mit der eigenen Hand geschrieben, und zwar mit seinem Lieblingsfüller der Marke Montblanc. Alles, was Frederik Kallenberg seit seinem achtzehnten Geburtstag zu Papier brachte, schrieb er mit diesem Montblanc. Dass er für seine letzten oder vorerst letzten Worte keine Ausnahme machte, leuchtete ein. Er war sich also treu geblieben, wenigstens in dieser Hinsicht. Die Treue war das große, wenn nicht gar verhängnisvolle Thema seines 36-jährigen Lebens.

Seine Büroleiterin, die den Briefbogen auf seinem penibel aufgeräumten und nahezu leeren Schreibtisch fand, hatte den Polizisten bereits am Telefon erzählt, dass Kallenberg den Füller fein säuberlich auf den oberen Rand des Papiers gelegt habe, und zwar genau unter den Bundesadler und seinen Namenszug:

· Frederik Kallenberg, Mitglied des Deutschen Bundestags ·    

Bei ihrer Ortsbesichtigung fand die Polizei später sogar heraus, dass der Füller auf den Millimeter parallel zur oberen Blattkante lag. Sie hatten es nachgemessen, angeblich versteckte sich hinter solchen Kleinigkeiten bisweilen eine Botschaft. Bei Kallenberg war das eher unwahrscheinlich. Dass er akkurat war, wussten die, die ihn kannten, schon lange.

ZWEI

Der traurigste Tag in Frederik Kallenbergs Kindheit begann mit der Beichte seiner Mutter, die Schützenjacke sei nicht fertig geworden. Es war kurz nach seinem zwölften Geburtstag, endlich war er dazu berechtigt, beim Schützenumzug mitzumarschieren. Seit er denken konnte, hatte Frederik auf dieses Ereignis hingefiebert. Voraussetzung für die Teilnahme aber war der Besitz einer Schützenjacke, die Satzung kannte da kein Pardon. Und nun, am Morgen des großen Tages, wenige Stunden bevor der Zug sich in Bewegung setzen würde, erfuhr er, dass seine Mutter es vermasselt hatte.

Das ganze Dorf hatte sich schön gemacht an diesem Frühsommertag Ende der Achtziger. Seit Wochen hingen die grün-weißen Fahnen der Schützenbruderschaft in den Vorgärten, am Straßenrand, vor der Kirche, und wer mastlos war, ließ seine Fahne wenigstens aus dem Fenster baumeln. Der Wirt der Gaststätte »Zum Bus« hatte bereits Stehtische aus Plastik auf den kleinen Platz zwischen Eingang und Bushaltestelle getragen, was immer ein sicheres Zeichen dafür war, dass es bald losgehen würde.

Eine Stunde vor dem offiziellen Beginn machten sich zwei Mitglieder des Schützenvorstands daran, unter den Ortsschildern einen Pappkarton zu befestigen, der die Durchreisenden vor einem zwei Tage währenden Ausnahmezustand warnte: »Achtung Schützenfest!« Die kleinen Kinder des Dorfes rannten daraufhin mit dem begeisterten Ausruf »Es geht los! Es geht los!« durch alle vier Straßen Waldhagens.

Als Frederik die aufgeregten Kinder hörte, dachte er, die Welt habe sich gegen ihn verschworen. Was er kaum hatte erwarten können, erfüllte ihn nun mit Traurigkeit. Gleich würde es anfangen, und wieder war er nicht dabei. Gemeiner konnte das Leben nicht sein.

Er hatte schon häufiger unter der Unzuverlässigkeit seiner Mutter gelitten, etwa wenn er als einziges Kind nicht von einer Geburtstagsfeier abgeholt wurde und von anderen Eltern nach Hause gebracht werden musste. Bisweilen genehmigte sich Elvira Kallenberg Auszeiten von den täglichen Pflichten. Einer solchen Auszeit musste nun seine Schützenjacke zum Opfer gefallen sein, obwohl seine Mutter erst vor zwei Wochen mit einem Band seinen Oberkörper vermessen und ihm versichert hatte, er werde der stolzeste Schützenjunge des ganzen Festes sein. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie wohl tatsächlich daran geglaubt.    

»Nicht traurig sein«, sagte sie nun, als sie im Hausflur standen, Frederik mit Anorak statt Schützenjacke, seine Mutter in ihrem schönsten Kleid, dem geblümten, das sie sonst nur an Sonntagen trug. »Nächstes Jahr ist auch wieder ein Fest«, sagte sie. Sie warteten darauf, dass Frederiks Vater vom Frühschoppen aus der Gaststätte »Zum Bus« zurückkam, mit dem die Männer des Dorfes jedes Jahr das Schützenwochenende einläuteten. Danach holten sie ihre Familien zu Hause ab, um gemeinsam zur großen Versammlung unter dem Maibaum in der Dorfmitte zu laufen. Von dort würde der Umzug zum großen Königsschießen losziehen. So hielt man es schon seit 1908, dem Gründungsjahr der Bruderschaft.

Überhaupt hatte Waldhagen selbst die Jahrtausendwende ohne aufwühlende Neuerungen überstanden. Viermal am Tag fuhr der Bus, aber da, wo er hinfuhr, war auch nicht viel los. Die Kirche war nicht nur jeden Sonntag, sondern auch mittwochs und samstagabends gut besucht. Es gab weder ein Kino noch einen Jugendclub. Für Irritationen hatte allenfalls der Wirt der einzigen Gaststätte gesorgt, der eines Tages ein Schweinefilet Bombay als Alternative zum vertrauten Zigeunerschnitzel auf die Speisekarte gesetzt hatte, was wochenlang Dorfgespräch war, bis er es entnervt von der Karte strich. Für Experimente stand der Waldhagener ungern zur Verfügung.

Der Maibaum war ein fünf Meter hoher hölzerner Pfahl, aus dem die Wappen sämtlicher Dorfvereine wie Äste wuchsen. Von unten nach oben las man dort: »Katholische Frauengemeinschaft Deutschland, Abteilung Waldhagen«, »Männergesangverein Caecilia Waldhagen«, »Löschgruppe Waldhagen«, »Kegelgemeinschaft ›Se waggelen‹ Waldhagen«, »Osterfeuergemeinschaft Waldhagen«, »Kirchengemeinde Waldhagen St. Antonius von Padua«, und ganz oben thronte, dem gesellschaftlichen Stellenwert entsprechend, das Wappen der »Sankt Antonius Schützenbruderschaft Waldhagen 1908 e. V.«.

Das ganze Dorf war erschienen, knapp 300 Menschen, und um Punkt zwei Uhr setzte sich der Festzug in Bewegung. Wie ein langer, dicker Wurm kroch er die Straße entlang, passierte die Schützenhalle, auf deren Vorplatz die letzten Handgriffe an Kettenkarussell und Bierbude gelegt wurden, und bog in einen Feldweg ein, der sich bergauf in den Wald schlängelte. An der Spitze der Festgesellschaft marschierte der Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr Iseringhausen, der wie jedes Jahr aus dem Nachbarort angereist war. Frederik hatte sich in den hinteren Teil des Wurms einreihen müssen, inmitten der Frauen und Kleinkinder, während seine Schulkameraden, deren Mütter mit der Uniform rechtzeitig fertig geworden waren, vorne in der Gruppe der Jungschützen marschierten. Dass die Frauen überhaupt Teil des Zuges sein konnten, hatte vor nicht allzu langer Zeit zu großen Kontroversen geführt. »Wo kommen wir denn da hin?«, hatten sich einige Mitglieder empört, und dass man »mit so was« gar nicht erst anfangen dürfe. Andere wiederum hatten sich dem Druck ihrer Ehefrauen gebeugt und argumentiert, dass davon die Welt schon nicht untergehen werde und die Frauen ja am Ende des Zuges mitlaufen konnten. Trotz dieses Kompromissvorschlags war die Abstimmung am Ende denkbar knapp mit neun zu acht Stimmen ausgefallen. Vier Vorstandsmitglieder waren daraufhin aus Protest zurückgetreten.

Nach zehn Minuten gelangte der Zug an eine Lichtung. Die Kapelle spielte einen Marsch, das Signal an die Schützenbrüder, sich in Formation aufzustellen. Das Schießen konnte beginnen.

»Wir danken auch in diesem Jahr unserm Schützenbruder Günther für den Bau des Vogels. Kerr Günther, da hasse uns aber wieder son richtigen Oschi gezimmert. Gezz kucken wa ma, wie lang der sich auffe Stange halten tut«, rief der amtierende König. Die Festgesellschaft blickte nun den Hügel hinauf, wo gut dreißig Meter über ihren Köpfen ein Holzadler samt Zepter, Apfel und Krone von einer Metallstange auf sie herabblickte. »Auf den Günther ein dreifaches Horrido!«

Günther, der Vogelbauer, war Frederiks Vater. Es war etliche Jahre her, dass er vor der Kreishandwerkskammer die Prüfung zum Schreinermeister absolviert hatte; die gerahmte Urkunde nahm einen Ehrenplatz in ihrem Wohnzimmer ein, zwischen den Porträts von Jesus Christus und Brunhilde Kallenberg, Frederiks Großmutter. Seine eigene Schreinerei hatte Günther Kallenberg kurz nach der Eröffnung wieder geschlossen. Sie brachte weder die nötigen Einkünfte noch jene geregelten Arbeitszeiten mit sich, die er als gemütlicher Mensch und passionierter Gaststätten-Besucher unbedingt brauchte. Statt länger sein eigener Herr zu sein, hatte er in der Holzabteilung eines Baumarkts angeheuert, wo er nun schon seit Jahren von 10 bis 18 Uhr an der Kreissäge stand und Baumarktbretter auf die vom Kunden gewünschte Länge schnitt. Seine größte schreinerische Leistung war seither der alljährliche Bau dieses Vogels dort oben.

Es nieselte, der Himmel hatte sich hinter Wolken verschanzt, als wolle er dem Schauspiel, das nun folgte, nicht beiwohnen. Um den Schießstand waren rot-weiß gestreifte Plastikbänder gespannt, angeblich als Schutz vor Blindgängern und einfach deshalb, weil man es schon immer so machte. Die Tradition hatte in Waldhagen im Zweifel ein größeres Gewicht als der gesunde Menschenverstand.

Frederik sicherte sich einen Platz in der ersten Reihe, seine Erwartungen an das Schießen waren riesig. Fast alle Väter seiner Freunde waren in den vergangenen Jahren mindestens einmal als Schützenkönig nach Hause gekommen. Man hatte ihnen die schwere Kette mit den silbernen Orden um den Hals gehängt, auf deren Rückseite die Namen aller seit 1908 gekürten Könige eingraviert waren, und hatte sie auf den Schultern zurück zur Schützenhalle getragen. Einige Väter durften sich gar mit dem Titel des Kaisers schmücken, der alle fünf Jahre unter den ehemaligen Königen ausgeschossen wurde. Frederik hatte den Glanz in den Augen seiner Freunde gesehen und sich nichts sehnlicher gewünscht, als seinen Vater wenigstens einmal mit dieser Kette sehen zu können. Und daneben seine Mutter. Als Königin.

Jahr für Jahr hatte Frederik das Königsschießen mit dem gemischten Gefühl eines Rennbahnbesuchers verfolgt, der zwar ahnte, dass sein Pferd der lahmste Gaul im Feld war, aber dennoch auf ein Wunder hoffte. Sein Vater würde auch diesmal wieder an den Start gehen, und wieder als krasser Außenseiter – um das zu wissen, genügte ein Blick auf Günther Kallenberg. Mit Sorge hatte Frederik schon am Morgen registriert, wie zeitig sein Vater zum Frühschoppen aufgebrochen war. Anders als sonst im Leben gehörte er an der Theke stets zu den Ersten. Frederik hatte versucht, ihn aufzuhalten, hatte ihn in Gespräche verwickelt, ihn um Hilfe bei den Hausaufgaben gebeten. Erfolglos.

Als hätte er nicht schon genug intus, bekam sein Vater von den anderen Schützenbrüdern eine Flasche Bier nach der anderen in die Hand gedrückt, sie sprachen von »Zielwasser« und lachten aus dem Hohlkreuz heraus, weil sie wussten, dass sich Günther Kallenbergs Traum, einmal König zu werden, mit jedem Schluck weiter vernebelte. Frederik verstand nicht, wie man ein solches Ziel haben konnte und zugleich alles dafür tat, es zu verfehlen. Die anderen machten sich wieder mal lustig über seinen Vater, dabei war er gewiss nicht der einzige Schützenbruder, der sein Leben dem Bier gewidmet hatte. So waren neue, zerfurchte Gesichter mit wuchernden Nasen und rot schraffierten Wangen entstanden. Sauerlandgesichter. Trotzdem schienen die anderen besser mit dem Alkohol umgehen zu können.

Frederik überlegte, ob er zu seinem Vater laufen sollte, um ihm die Bierflasche abzunehmen, aber da fiel schon der erste Schuss. Es dauerte eine Weile, bis dem Vogel Flügel und Apfel und schließlich sogar das Zepter vom Leib geschossen wurden, was von der Menge jeweils mit einem Raunen und von der Kapelle mit einem Tusch bedacht wurde. Frederik ließ seinen Vater keine Sekunde aus den Augen, beobachtete, wie er in der Reihe der Aspiranten langsam vorrückte, vierzehn Schützenbrüder standen jetzt noch vor ihm. Halt durch, schwarzer Adler, flehte er in Gedanken, stürz noch nicht herab! Warte noch auf meinen Vater. Weitere Schüsse, splitterndes Holz, Nieten, Vierteltreffer, dann verlor der Adler auch seine Krone, die letzte Insignie des Stolzes. Wie ein gerupftes Huhn hockte er nun auf der Stange, an all seinen Gliedern schimmerte das helle Holz der Eingeweide. Ein Treffer noch, und der Vogel würde zu Boden fallen. Ein neuer König war so gut wie geboren.

»Regimentsgruuuß«, brüllte der Tambourmajor in die bange Stille und das Musikkorps schepperte den Schützenmarsch. Applaus, dann ein, zwei, drei weitere Schützen. Halt durch, Vogel! Warte noch auf deinen Schöpfer, warte auf Günther Kallenberg!

Jetzt war es so weit. Frederik sah, wie sein Vater durch das Loch in der Absperrung trat, wie er durch den Matsch Richtung Schießstand wankte, wie er vor der Ehrenfahne des Vereins salutierte, auf die der Spruch »Ein Ziel vor Augen gibt Sinn im Leben« aufgestickt war, sah, wie er auf dem Laub ausrutschte und zu Boden fiel. Ein Raunen. Sein Vater im Matsch. Wie ein Mistkäfer.

Aus den Augenwinkeln registrierte Frederik, dass die Leute ihn mitleidig ansahen. Er senkte den Kopf und schloss die Augen. Niemand, der jetzt gaffte, konnte das volle Ausmaß des Dramas erahnen, das sich gerade in diesem Kinderkopf abspielte. Als er die Augen wieder öffnete, sah Frederik, wie sich jemand aus den hinteren Reihen der Festgesellschaft löste und den Weg zurück ins Dorf einschlug, bemüht, den knackenden Ästen am Boden auszuweichen und auch sonst keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dafür war er seiner Mutter dankbar.

Er drehte den Kopf und verfolgte, wie sein Vater sich langsam aus dem Matsch aufrichtete und diesen von seiner Uniform zu wischen versuchte, was natürlich erfolglos blieb und obendrein seine Hände verschmierte. Unter einem Coca-Cola-Sonnenschirm, dem die Witterung alles Rot genommen hatte, weil er sein Leben lang als Regenschirm missbraucht worden war, stand der Munitionswart des Vereins und händigte den Schützen ihre Patrone aus. Die meisten Anwärter ließ er die Gewehrtrommel selber laden, bei Günther Kallenberg übernahm er diesen Vorgang vorsichtshalber. Frederik wurde übel, wie immer, wenn er sich schämte. Doch noch war ein Wunder möglich, noch hatte sein Vater nicht geschossen, noch durfte er hoffen. Einmal nur Glück haben. Einmal König sein.

Das Gewehr war geladen, breitbeinig bezog sein Vater Stellung, mit der linken Schulter vorn hievte er den Lauf der Flinte in die Luft, rechtes Auge am Visier, linke Hand am Schaft, Zeigefinger am Abzug. Die Spitze des Gewehrs tanzte wie ein Kreisel in der Luft. Zu lange stand Günther Kallenberg einfach nur da, bemüht, seinen Körper in der Senkrechten zu halten und den Vogel ins Visier zu nehmen, eine Doppelbelastung, die ihn sichtlich überforderte.

Selbst zwei Jahrzehnte später konnte sich Frederik an jedes Detail erinnern, unzählige Male hatte er von diesem Nachmittag auf der Lichtung vor den Toren Waldhagens geträumt. In jedem Traum hatte er aufs Neue auf ein glückliches Ende gehofft, doch jedes Mal endete er genauso, wie jener Nachmittag geendet hatte. Ein dumpfes Klacken. Eine Rauchwolke. Ein Vogel, der nicht mal zitterte, der den Schützen sogar auszulachen schien.

Vaters Kugel war in irgendeinem Baumstamm versunken. Er reichte dem Munitionswart das Gewehr, zuckte die Schultern, als sei ihm alles egal, und schwankte zurück zu den Schützenbrüdern. Die reichten ihm zum Trost ein Bier.

Einen Schuss später war der Vogel unten. Der Schütze, Vater eines Klassenkameraden, ließ das Gewehr fallen, reckte die Arme empor und sog den aufbrandenden Jubel in sich auf. Sogleich strömten die Schützenbrüder auf ihn zu, hoben ihn an Armen und Beinen in die Luft, wuchteten ihm einen aus Blättern geflochtenen Siegerkranz um den Hals und ließen ihn hochleben. Frederik sah seinen Vater abseits stehen, unschlüssig, ob er sich dem Zug anschließen oder im Wald zurückbleiben sollte. Er stand da wie ein kleiner, trauriger Junge, den man vergessen hatte. Frederik ging auf ihn zu, nahm ihn an die Hand und führte seinen Vater schweigend nach Hause.

Für Familie Kallenberg war es gewiss nicht glücklich, dass auf das Königsschießen noch am selben Abend der Königsball folgte, aber so hielt man es schon immer. Selbst in jenen Jahren, über die man heute nicht mehr so gerne sprach, wurde die Tradition konsequent beibehalten – am Ende jedoch mit immer weniger Schützen, weil die an anderen Orten nun andere Ziele vor Augen hatten. Das inoffizielle Motto des Schützensamstags lautete schon seit Ewigkeiten »Schießen und Feiern – bis zum Reihern«.

Am Abend verließen die Kallenbergs also erneut ihr bescheidenes Haus und liefen einer der schwärzesten Stunden ihrer Familiengeschichte entgegen. Frederiks Mutter trug noch immer das schöne Kleid vom Nachmittag. Sein Vater hatte sich für zwei Stunden aufs Ohr gelegt, er wirkte nun etwas frischer als nach dem Schießen. Als sie in der Festhalle ankamen, spendierte er seiner Familie gleich Bratwurst und Fritten, und nachdem er auch noch Getränke organisiert hatte, setzten sie sich gemeinsam an einen der langen Biertische. Einen Moment lang genoss Frederik die Illusion, Teil einer ganz normalen Familie zu sein. Als die ersten Takte der Tanzkapelle erklangen, hakten die drei Kallenbergs sich sogar unter und schunkelten im Rhythmus mit. Einige Lieder lang war er einer der glücklichsten Bewohner Waldhagens.

Nach einer Weile aber zerfiel das Fest in seine Gruppen, am Ausschank, vor den Toiletten, auf der Tanzfläche, vor der Tür. Frederik gesellte sich zu den anderen Kindern, die draußen unter dem Vordach der Schießbude ihre eigene Versammlung abhielten, weil das nun mal angesagter war, als mit den Alten zu feiern. Von draußen hörte er, dass die Musik allmählich aufdrehte, bald trampelte ein Heer von Füßen auf den Holzplanken, vereinzeltes Jauchzen drang aus der Halle.

Es war bereits nach Mitternacht, als er wieder hineinging, um seine Eltern zu suchen. Die Luft roch jetzt nach Bier und Schweiß. Zwischen den mächtigen Wagenrädern, die als Halterung für die Lampen von der Decke hingen, mühte sich ein einsamer Ventilator mit dem Dunst der Zigaretten ab. Frederik entdeckte seinen Vater. Er stand allein vor der Bühne, am Rande der Tanzfläche, und versuchte, sich im Takt der Musik zu bewegen, was ihm sichtlich misslang. Die Scham, die Frederik sogleich wieder empfand, ging weit über die Peinlichkeit hinaus, die andere Kinder spürten, wenn sie ihre Eltern feiern oder tanzen sahen.

»Wo ist Mama?«, fragte er. Sein Vater zuckte die Achseln.

»Ist sie nach Hause gegangen?«

»Tschüss hat se jedenfalls nich jesacht.« Sein Lallen machte es schwer, ihn zu verstehen.

Die Band stimmte nun das Lied Sauerland an, eine Hymne auf die Heimat, mit der auch sein Vater etwas anfangen konnte, denn pünktlich zum Refrain reckte er seinen Zeigefinger in die Luft und grölte im Chor:

»Sauerland, mein Herz schlägt für das Sauerland,

begrab mich mal am Lennestrand,

wo die Misthaufen qualmen,

da gibts keine Palmen.«

Die Art und Weise, wie die Waldhagener die Worte »Misthaufen« und »Palmen« sangen, sollte zeigen, dass sie froh waren, das eine zu haben und das andere nicht. Dem Lied gelang es, ein ganzes Dorf in Ekstase zu versetzen, Stimmen überschlugen sich, Augen wurden feucht. Frederik suchte den brodelnden Saal noch einmal nach seiner Mutter ab, selbst unter den Tischen, wo sich die Festgäste zu vorgerückter Stunde gerne mal aufhielten. Dass sie nach Hause gegangen war, ohne sich zu verabschieden, konnte er sich nicht vorstellen, und wenn sie es doch getan hatte, war etwas nicht in Ordnung. Aufgeregt lief er wieder nach draußen. Die Hymne des Sauerlands hatte ganz Waldhagen in die Halle gelockt und den Festplatz seiner nackten Trostlosigkeit überlassen. Der Schießstand hatte seine Klappe heruntergelassen und war wieder zur Metallkiste geworden, am Stand mit den Süßigkeiten packte eine Frau die letzten Lebkuchenherzen mit der Aufschrift »Ich hol Dir die Sterne vom Himmel« in einen Karton. Die Glühbirnen an den Ketten des Karussells spiegelten sich in den Regenpfützen. Nur die Bierbude hoffte noch auf Gäste. Von seiner Mutter keine Spur.

Frederik rannte am Imbissstand vorbei auf den Parkplatz, dort hielt er inne und lauschte in die Nacht. Er war umstellt von Golf GTIs, Opel Mantas, einem 190er-Mercedes und einem mit Plane umhüllten Anhänger, in dem die Band »Die Fröhlichen Flamingos« ihre Instrumente transportierte. Hatte er nicht eben ein Knarzen gehört? Nein, außer der Musik der Flamingos war da nur die Belüftungsanlage des Imbissstands, die den Geruch von Fritten und Wurst lauthals in die Nachtluft pumpte. Wieder das Geräusch, ein Knarzen, eindeutig, es kam von der Rückseite der Halle. Den Rücken an die Wand gepresst schob er sich langsam zur Ecke des Gebäudes vor. Das Geräusch wurde lauter. Eine Weile stand er da und traute sich kaum zu atmen. Schließlich hielt er sein rechtes Auge an den Schlitz zwischen Hauswand und Abflussrohr. Weiße Schenkel leuchteten ihm entgegen. Die Schenkel seiner Mutter.

Jemand hatte das schöne geblümte Kleid weit über ihre Hüfte geschoben. Ihre Pobacken klebten auf einer von Vogelscheiße verkrusteten Fensterbank, ihr Rücken wurde gegen einen Rollladen gepresst, von einem Mann, dessen heruntergelassene Hose im Takt seiner Bewegungen auf dem Boden schleifte, vor und zurück wie ein Wischmopp. Der Mann hatte seine Finger in den Nacken von Frederiks Mutter gekrallt und rammte seine Hüfte zackig gegen ihren Schoß. Bei jedem Ruck gegen den Rollladen gab sie entweder ein Stöhngeräusch von sich oder ein ekelhaftes Wort, auf das der Mann sogleich mit einem noch ekelhafteren Wort antwortete. Sonst machte er keine Geräusche.  

Drinnen im Saal war das Sauerland in die Verlängerung gegangen. Frederik hörte den Trommelwirbel, das rhythmische Stampfen hunderter Füße und die Bierkehlen grölen:

»Sauerland, mein Herz schlägt für das Sauerland,

begrab mein Herz im Lennesand,

wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind.«

Zwei Meter hinter der Hallenwand fiel eine Böschung ab ins Nirgendwo. Zwischen Wand und Abgrund war ein Korridor der Verwahrlosung entstanden, ein Friedhof der Dinge, die das Dorf nicht mehr benötigte. Alles moderte, eine Vitrine neben einer Geschirrspülmaschine, eine Gartenschaukel neben einem Tischventilator. Es stank erbärmlich. Frederik und seine stöhnende Mutter trennte nur ein Schaukelstuhl, dessen Polster die Feuchtigkeit und die Ratten zerfressen hatten und der tief im nassen Boden versunken war.

Er spürte, wie sich Entsetzen in ihm sammelte, wie es anschwoll und sich zu einem hellen, spitzen Schrei formierte, der kurz davor war, seine Kehle zu verlassen, aber seine Mutter kam ihm zuvor. Sie rutschte von der schmierigen Fensterbank und schrie. Der Mann versuchte noch, ihren Absturz zu verhindern, indem er seine Hüfte hart gegen ihren Schoß stieß, aber da schmirgelte Elvira Kallenberg bereits mit dem Rücken den Putz herunter. Für einen Moment schien sie reglos am Boden zu liegen, richtete sich aber rasch wieder auf, zog hastig ihren Schlüpfer hoch, streifte das Kleid an ihren Beinen runter und zischte etwas Gehässiges. Blitzartig löste Frederik seine Stirn vom kalten Abflussrohr der Dachrinne und stürzte durch das Labyrinth parkender Autos zurück zum Festplatz.

Dort angekommen sah er gleich seinen Vater. Auch er war auf der Suche, stand am Bierstand und fahndete in den Tiefen seiner Hosentaschen nach Getränkebons. Bald hingen ihm die Innenfutter wie Elefantenohren von den Hüften. Als er die Bons endlich gefunden hatte, stand er vor der nächsten Herausforderung. Nun galt es, die richtige Anzahl von seinem Streifen zu trennen, um eine weitere »Mischung«, wie er es nannte, zu bezahlen, wobei die Mischung darin bestand, dass er ein Kornglas in die frisch gezapfte Biertulpe stürzte und das Glas danach schwenkte, als handle es sich um einen edlen Cognac.

Nachdem er resigniert den ganzen Streifen über die Theke geschoben hatte, torkelten drei Männer aus der Halle. »Und, Günther, pichelst dir mal wieder einen, woll?«, rief einer der Männer. Sein Vater nickte geistesabwesend.

»Richtig so!«, rief ein anderer. »Hasses ja auch nich leicht mit deiner Ollen.«

Das Wort »Ollen« riss seinen Vater aus dem noch laufenden Mischvorgang. »Wat sachse da?«

»Ich sach: Du hasses nich leicht mit deiner Frau.«

»Wat is mit meiner Frau?« Seine Stimme klang aggressiver als bei seiner ersten Frage. »Wat soll sein mit der?«

»Ruhig bleiben, Günther, altes Haus. Hömma, mach keine Spirenzkes hier. Sach, wo issn deine Frau gezz grad?«

»Geht dich n Scheiß an.«

»Nu werd ma nich frech, muss uns nich gleich anbölken. Is ja scheinbar normal, dat deine Olle mit nem andern Kerle zugange is. Soll ja nich dat erste Mal sein, wie man hört, wonnich?«

»Kriss gleich einen auffe Jacke!« Frederik sah, wie sein Vater einen Schritt auf die drei zuwankte, wobei er sein Bierglas von der Theke stieß. Die Scherben kickte er nun in Richtung der Männer, verlor dabei das Gleichgewicht und knallte auf den nassen Asphalt. »Sach so was nich!« brüllte er auf dem Boden liegend. »Erzähl mir hier nich so ne Scheiße, du Arschloch!«

Sein Gegenüber aber hatte jetzt noch größere Lust, »so ne Scheiße« zu erzählen. »Hömma, hasse nich gesehen, mit wem se außer Halle raus is? Dat war der Schnüttgens Micha, dieser Schreiner aus Neu-Listernohl. Hömma, ich war nich der Einzigste, der die beiden gesehn hat. Stimmts oder hab ich recht, Männer?« Die Angesprochenen johlten, als sei ein Tor gefallen.

Günther Kallenberg richtete sich auf und schrie: »Halt die Fresse, du Drecksau.« Er schrie wie von Sinnen. »Elvira is zu Hause. Zu Hause, verstehse? Zuu Haauuseee.« Er schien den Verstand zu verlieren, trat wild um sich, stürmte auf den Mann zu, der vom Schreiner aus Neu-Listernohl gesprochen hatte, drosch mit seiner rechten Hand auf ihn ein, und so entsetzlich all das anzusehen war, so gefiel es Frederik doch, dass sein Vater sich endlich wehrte. Günther Kallenberg hatte seinen Kontrahenten tatsächlich niedergeschlagen, ohne fremde Hilfe, und mit nur einem Fausthieb. Leider ließen die Folgen dieses Triumphes nicht lange auf sich warten. Denn jetzt warfen sich die anderen Männer auf seinen Vater, versuchten seine Arme zu packen, boxten ihm in den Magen, zwangen ihn zu Boden, traten ihn in Rücken, Beine, Brust.

»Lasst ihn!« Frederiks Schrei hallte über den Festplatz. Er hatte die Anfänge des Disputs aus dem Schutz der Dunkelheit verfolgt, nun aber rannte er auf seinen am Boden liegenden Vater zu, entschlossen, ihm zu helfen. Es war ihr Nachbar, der ihn im letzten Moment stoppte und fest an sich drückte.

Das Geschrei hatte inzwischen weitere Dorfbewohner auf den Festplatz gelockt, wo sie einen Halbkreis um das prügelnde Knäuel bildeten. »Holt die Bullen«, rief einer, »der Günther is bekloppt geworden!«, woraufhin der Festwirt zurück in die Halle rannte, um zu telefonieren. »Bleib ruhig, mein Junge«, flüsterte der Nachbar. »Sie tun ihm nichts, sie halten ihn nur fest, bis er sich beruhigt hat.« Frederik zitterte am ganzen Körper, presste sich an den Nachbarn und ließ sich von ihm den Kopf streicheln. Schon kreiste das Blaulicht der Polizei am Himmel. Mit heulenden Reifen jagte der Einsatzwagen durch das Dorf und hielt schließlich vor dem Imbissstand. Zwei Beamte ließen sich die Lage erläutern, zogen Handschellen und Fußfesseln heraus und forderten die Bändiger seines Vaters auf, ihnen das Problem zu überlassen.

Als die Männer Günther Kallenberg losließen, war es, als habe man ein wildes Tier aus seinem Käfig gelassen. Wieder trat er um sich, stand auf, fluchte, schlug auf die Polizisten ein, erwischte einen von ihnen am Hemdkragen und zerrte derart fest daran, dass alle Knöpfe abplatzten. Dann setzte er auch seinen Kopf als Waffe ein und hämmerte seine Stirn gegen die Staatsgewalt. Es dauerte eine Weile, ehe sie ihn überwältigt hatten. An den Füßen gefesselt, die Arme mit Handschellen auf dem Rücken fixiert, trugen sie ihn zum Einsatzwagen. Frederik sah, wie sein Vater ein letztes Mal Widerstand leistete, ehe die Polizisten seinen Kopf ins Fahrzeug drückten und die Tür verriegelten. »Lasst ihn frei, bitte lasst meinen Vater frei«, wimmerte er leise vor sich hin. »Er ist doch kein Verbrecher.« Aber da sprang bereits der Motor an. Jetzt erst erkannte er, dass sein Vater, die Stirn gegen die Fensterscheibe gepresst, in der Dunkelheit des Platzes nach etwas suchte – nach ihm, seinem Sohn. Es dauerte einige Sekunden, der Wagen rollte bereits an, bis sich ihre Blicke trafen. Frederik sah die flehenden Augen seines Vaters, sie riefen nach Hilfe, nach ihm, seinem letzten Vertrauten. In Frederik rangen Mitleid und Verachtung miteinander, das eine Gefühl befahl ihm, das Polizeiauto zu stoppen, das andere, schnell abzuhauen. Schließlich drehte er sich weg und lief davon.

Er rannte durch die gaffende Menge, so schnell wie er nie in seinem Leben gelaufen war, sprang über den Zaun eines Vorgartens, nahm einen weiteren Zaun, gelangte auf die Hauptstraße des Dorfes und verlangsamte erst jetzt seine Schritte. Von hier waren es nur wenige Meter bis zur Bushaltestelle. Sein Herz klopfte, als wolle es die schmächtige Brust von innen sprengen.

An der Haltestelle setzte er sich auf die Bank und vergrub sein Gesicht in den Händen. Am liebsten wäre er für immer abgehauen, weg von diesem Ort, weg von diesen Eltern. Wenn jetzt ein Bus gekommen wäre, Frederik wäre eingestiegen, fort in ein anderes Leben. Aber es kam zu dieser Stunde kein Bus mehr.

DREI

Zwei Wochen waren vergangen, seit man seine Notiz gefunden hatte. In dieser Zeit hatte sich der Präsident des Deutschen Bundestags geweigert, den Fall zu kommentieren. Umso verwunderter reagierten die Abgeordneten, als kurzfristig ein zusätzlicher Tagesordnungspunkt in den Ablauf der 115. Sitzung des Deutschen Bundestags, der letzten vor der Sommerpause, aufgenommen wurde. »Aktuelle Stellungnahme des Präsidiums in der Angelegenheit Kallenberg, MdB.« Auf den Hinweis, dass Kallenberg der konservativen Partei angehörte, war im offiziellen Schriftsatz verzichtet worden. Es ging um Größeres.

Das Plenum war an diesem Vormittag weit besser besucht als die restliche Tagesordnung– Beratung zum Antrag »Umweltschutz im und durch den Sport stärken« oder »Aktuelle Stunde zur Situation in Aserbaidschan nach den Präsidentschaftswahlen«– hätte vermuten lassen. Voll waren die Reihen immer dann, wenn die Fraktionsvorsitzenden dies anordneten. Ansonsten funktionierte das Parlament nicht anders als ein herkömmliches Stadttheater. Es musste etwas geboten werden, sonst blieben die Stühle leer. An diesem Vormittag waren die Abgeordneten freiwillig erschienen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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