Kerngeschäft Unterricht - Christoph Städeli - E-Book

Kerngeschäft Unterricht E-Book

Christoph Städeli

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Beschreibung

Konzentration auf das Wesentliche - so lautet die Devise der Autoren in diesem Buch. Sie konzentrieren sich auf den eigentlichen Sinn und Zweck der Schule: auf das Lehren und Lernen, auf den Unterricht. In einfacher und praxisnaher Form beschreiben die beiden unterrichtserfahrenen Autoren theoretische Ansätze. Sie machen konkrete Vorschläge, präsentieren praktikable Methoden und stellen hilfreiche Instrumente zur Verfügung. 'Kerngeschäft Unterricht' richtet sich an Lehrpersonen und Ausbildungsverantwortliche, die ihre Vorstellung von gutem Unterricht weiterentwickeln möchten.

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Diese Publikation erscheint im Rahmen der Lehre und Forschung von Mitarbeitenden der Abteilung Sekundarstufe II/Berufsbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PH Zürich). Sie setzt Schwerpunkte für die unterrichtliche Praxis in der Sekundarstufe II.

Christoph Städeli/Willy Obrist

Kerngeschäft Unterricht

Ein Leitfaden für die Praxis

ISBN Print: 978-3-03905-897-6

ISBN E-Book: 978-3-03905-918-8

4., überarbeitete Auflage 2013

Alle Rechte vorbehalten

© 2013 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.com

Zusatzmaterialien und -angebote zu diesem Buch:

http://mehr.hep-verlag.com/kerngeschaeft-unterricht

Vorwort

Zurück zum Kerngeschäft

Was ist eine gute Schule? Was ist guter Unterricht? Was braucht es, um eine gute Lehrerin, ein guter Lehrer zu sein?

Diese Fragen stellten und stellen sich an Bildung Interessierte und in Bildung Involvierte immer wieder. Seit Pestalozzis Maxime »Erziehung mit Kopf, Herz und Hand« haben im Bildungsbereich unendlich viele Paradigmenwechsel stattgefunden. Pädagoginnen und Pädagogen und selbsternannte »Bildungsgurus« haben Tausende von Büchern verfasst, Thesen aufgestellt und Untersuchungen durchgeführt. Es wurden Inhalte neu definiert, Lehrpläne reformiert, Lehrziele formuliert und taxonomiert, es wurde Qualität evaluiert und gesichert. – Und es wurde administriert.

Bei so viel Betriebsamkeit geriet und gerät das Kerngeschäft fast in Vergessenheit: die Vor- und Nachbereitung und die Durchführung von Unterricht. Dieses Buch setzt hier einen deutlichen Kontrapunkt. Back to the roots ist die Devise: Richten wir das Augenmerk wieder auf den eigentlichen Zweck der Schule – den real stattfindenden Unterricht!

In sieben didaktischen Schritten werden die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Unterricht vorgestellt, einfach und praxisnah. Die Stärke des wegweisenden Werks: Im Buch wird Basiswissen vermittelt, kurz und knapp, und im Internet stehen gleichzeitig Methoden und Anregungen bereit, Instrumente für Lehrpersonen, die es ihnen erlauben, die eigene Unterrichtsarbeit zu analysieren und neue Kompetenzen zu erwerben.

»Kerngeschäft Unterricht« richtet sich an angehende Lehrerinnen und Lehrer; das Buch ist aber auch Pflichtlektüre für »gestandene« Lehrerinnen und Lehrer, die auf der ewigen Suche nach einem »guten Unterricht« und einer »guten Schule« neue Wege gehen wollen.

Für die Herausgeberschaft und den Verlag

Peter Egger

Im Januar 2013

Inhaltsverzeichnis

1 Die Ausgangslage analysieren

Rahmenbedingungen

Lernvoraussetzungen

Lehrvoraussetzungen

Instrumente und Anregungen

2 Ziele formulieren und Kompetenzen festlegen

Die Bedeutung von Lernzielen

Lernzielebenen

Die Formulierung von Lernzielen

Lernziele und Kompetenzen

Instrumente und Anregungen

3 Inhalte auswählen und strukturieren

Die Auswahl von Lerninhalten

Strukturierung

Instrumente und Anregungen

4 Unterrichtskonzeption und Methoden wählen

Unterrichtskonzepte

Instruktion oder Konstruktion?

Überblick über Methoden – Methodenvielfalt

Choreografien des unterrichtlichen Handelns

Fünf Phasen des Unterrichts – das AVIVA©-Modell

Instrumente und Anregungen

5 Medien wählen und deren Einsatz planen

Wozu dienen Medien?

Unterrichtsmedien im Überblick

Text als Lernmedium

Instrumente und Anregungen

6 Lernprozesse anregen und begleiten

Stellenwert des Vorwissens

Arbeitsaufträge

Unterstützung durch die Lehrperson

Üben, Wiederholen und Festigen

Erfolgskontrollen

Auf der Suche nach der guten Lehrperson

Instrumente und Anregungen

7 Lernkontrollen durchführen

Lernkontrollen – eine Begriffsklärung

Anforderungen an gute Prüfungen

Prüfungen vorbereiten

Prüfungen durchführen

Prüfungen auswerten

Die Selbstbeurteilung

Interdisziplinäre Projektarbeiten und andere erweiterte Prüfungsformen

Instrumente und Anregungen

8 Instrumente

1 Die Ausgangslage analysieren

1.1 Unterricht nach dem AVIVA©-Modell planen

1.2 Kollegiales Feedback durchführen

1.3 Mentoring planen

1.4 Sich Namen besser merken

1.5 Einen Informationsabend durchführen

1.6 Erkundungen durchführen

1.7 Schülerrückmeldungen sammeln

1.8 Die Lehrperson im Spannungsfeld zwischen Schul- und Unterrichtsentwicklung

2 Ziele formulieren und Kompetenzen festlegen

2.1 Lernziele formulieren – Liste von möglichen Verben

2.2 Fragebogen zu den Kompetenzen beim Schreiben einer Projektarbeit

2.3 Schüler und Schülerinnen führen eine Befragung durch

2.4 Zusammenarbeit in Gruppen – Regeln vereinbaren

2.5 Handlungsziele formulieren

2.6 Kompetenzen für die Ausbildung festlegen

3 Inhalte auswählen und strukturieren

3.1 Inhaltliche Struktur zum Thema »Freizeit«

3.2 Funktionen der Schule klären

3.3 Zusammenarbeit mit Kollegen und Kolleginnen

4 Unterrichtskonzeptionen und Methoden wählen

4.1 Methodenrepertoire der Lernenden erfassen

4.2 Fallstudien

4.3 Leitprogramme

4.4 Werkstattunterricht

4.5 Projektunterricht

4.6 Das Rollenspiel

4.7 Planspiele einsetzen

4.8 Gruppenunterricht – die wichtigsten Regeln

5 Medien wählen und deren Einsatz planen

5.1 Die vier Dimensionen der Verständlichkeit

5.2 Lesestrategien aufdecken

5.3 Verständlich schreiben

6 Lernprozesse anregen und begleiten

6.1 Einen Konflikt lösen

6.2 Differenzieren im Unterricht

6.3 Einzelgespräche führen

6.4 Über den Unterricht sprechen

6.5 Mit Kritik umgehen können

6.6 Aus Fehlern lernen

7 Lernkontrollen durchführen

7.1 Prüfungsaufgaben formulieren

7.2 Mündliche Prüfungen vorbereiten – Checkliste

7.3 Mündliche Prüfungen durchführen

7.4 Eine Kriterienliste erstellen

7.5 Eine Themenmappe erstellen

7.6 Instrumente zur Selbstbeurteilung einsetzen

7.7 Eine interdisziplinäre Projektarbeit durchführen und beurteilen

Anhang

Verzeichnis der Abbildungen

Verzeichnis der Tabellen

Literaturverzeichnis

1 Die Ausgangslage analysieren

Am Anfang steht immer eine Analyse der Ausgangslage. Wir ­gehen zunächst auf die Rahmenbedingungen ein, die uns durch Schule und Gesellschaft vorgegeben sind. Der nächste Schritt führt uns zu den Lernvoraussetzungen. Lernvoraussetzungen einzuschätzen, gehört zu den wichtigsten Aufgaben jeder Lehrperson.

Zu einer Analyse der Ausgangslage gehört aber auch, dass man die eigenen Lehrvoraussetzungen kennt und sich die Frage stellt, wie weit man mit Lehrplan und Unterrichtsstufe vertraut ist. Eine ­Lehrperson, die neu in einer bestimmten Stufe unterrichtet, wird sich andere Fragen stellen als eine, die das Metier kennt.

Rahmenbedingungen

Mit Rahmenbedingungen sind die äußeren Faktoren gemeint, welche die Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts maßgeblich beeinflussen. Günstige Rahmenbedingungen sind eine wichtige Voraussetzung für einen guten Unterricht.

Lernort: Größe und Lage der Schule, Art des Gebäudes, Raumausstattung, akustische, klimatische und optische Verhältnisse, Gruppenräume, Mediothek, Kantine, Turnhalle.

Lernzeit: Stundenplan und Fächerfolge, Einzellektionen, Blockunterricht, Anzahl Lektionen pro Schultag, Anzahl Dozierende oder Lehrpersonen pro Schultag und Klasse.

Lerngruppe: Größe und Zusammensetzung, Art und Dauer der Sozialbeziehungen, Fach- oder Klassenlehrersystem.

Kollegium: Anzahl der Lehrpersonen in der Schule, Zuteilung der Lehrpersonen in Fach- und Arbeitsgruppen, Verhältnis Schulleitung – Lehrerschaft.

Rahmenbedingungen werden durch Menschen geschaffen und können von Menschen auch wieder verändert werden.

•Sofort veränderbare Faktoren: Auf die Klasse bezogene Maßnahmen, wie Sitzordnung und Gestaltung des Klassenzimmers.

•Mittelfristig veränderbare Faktoren: Veränderungen, die die Schulleitungen und die Lehrpersonen in ihrer organisatorischen Flexibilität und methodisch-didaktischen Kreativität herausfordern (Stundenplangestaltung, Gruppenräume, äußere Differenzierung u. a.).

•Langfristig veränderbare Faktoren: Bei bildungs- und schulpolitischen Entscheidungen ist eine direkte Einflussnahme einzelner Lehrpersonen kaum möglich.

In jedem Fall können die Rahmenbedingungen im Unterricht in eine positive Richtung weiterentwickelt werden. Ein Beispiel dazu: Wenn eine Lehrperson eine Klasse nur am Freitagnachmittag unterrichtet, braucht es nach unserer Erfahrung neben einer klaren Führung und einer sinnvollen Sequenzierung der Lerneinheiten auch immer wieder motivationsfördernde Elemente, die dazu beitragen, dass die Schülerinnen und Schüler die Lernzeit gezielt nutzen. Der Unterrichtsnachmittag könnte zum Beispiel mit einer Erkundung enden, in der die Lernenden nach vorgegebenen oder vereinbarten Regeln ein Thema außerhalb des Schulzimmers bearbeiten.

Lernvoraussetzungen

Im Verlauf der Unterrichtsplanung stehen die Lehrenden immer wieder vor der Frage, über welche Lernvoraussetzungen ihre Schülerinnen und Schüler verfügen. Die Entscheidung für bestimmte Lehrer- oder Schüleraktivitäten lässt sich erst treffen, wenn die gegebenen Voraussetzungen analysiert wurden (Städeli/Obrist/Grassi 2008, S. 99–111, Euler/Hahn 2007). Fehlen die nötigen Lernvoraussetzungen, bleibt meistens auch der Unterrichtserfolg aus. Wichtige Lernvoraussetzungen betreffen die folgenden Bereiche:

•Arbeitstechnik: Über welche Lern- und Arbeitstechniken verfügen die Schülerinnen und Schüler? Welche Erfahrungen bringen sie aus der Primar- und Sekundarstufe I im Hinblick auf den Einsatz von erweiterten Lehr- und Lernformen mit?

•Sachstrukturen: Auf welchem Wissen der Schülerinnen und Schüler kann ich meinen Unterricht aufbauen? Welche Begriffe müssen zu Beginn einer Einheit aufgebaut werden, damit die Schülerinnen und Schüler anschließend selbstständig arbeiten können? Was können zentrale Fragen und Problemstellungen der Schülerinnen und Schüler sein?

•Soziale Beziehungen, Gruppe: Welches Verhältnis haben die Schüler und Schülerinnen untereinander? Welche Auswirkungen hat die Art der Interaktion auf das Arbeits- und Lernklima? Wie ist die Beziehung zur Lehrperson?

•Motivation und Emotionen: Welche Haltung und welche persönlichen Einstellungen bringen die Schülerinnen und Schüler in den Unterricht ein? Sind sie bereit, sich auf den Unterricht einzulassen?

•Kulturen und Sprachen: Welche sprachliche und kulturelle Vielfalt zeichnet sich in meiner Klasse ab? Wie viele Schüler und Schülerinnen kommen aus einem anderen Kulturkreis? Wie können sie in den Unterricht besser integriert werden?

•Individuelle Faktoren: Gibt es Schüler oder Schülerinnen, die etwas Interessantes aus dem eigenen beruflichen oder privaten Umfeld einbringen können? Ist ein Schüler dauernd über- oder unterfordert?

Ist einmal die Analyse der Lernvoraussetzungen geleistet, so kann die Lehrperson methodische Vorüberlegungen anstellen und die Unterrichtsvor­bereitung planen. Dabei soll sie auch ihre eigenen Lehrvoraussetzungen berücksichtigen.

Lehrvoraussetzungen

Es hat sich gezeigt, dass bei Lehrpersonen eine positive Ausprägung der Merkmale »Kontaktbereitschaft«, »emotionale Stabilität/Belastbarkeit« und »Selbstkontrolle« als Faktoren für eine später erfolgreiche Berufspraxis gewertet werden können (Rheinberg et al. 2006). Auf der Ebene der Kompetenzen ist nach Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz zu unterscheiden (Becker 2007a): Qualifizierte Lehrpersonen sind in der Lage, die Lernbereiche zu strukturieren und einzelne Lernbereiche sinnvoll zu sequenzieren. Im Unterricht selbst können sie durch verschiedene Methoden den Lehr-Lern-Prozess steuern und sind fähig, Konflikte zu lösen und gruppendynamische Prozesse zu begleiten. Auch die Erfahrung, die eine Lehrperson in einer Schulstufe mit bestimmten Klassen sammeln kann, spielt eine wichtige Rolle.

Ein Beispiel: Eine Metzgerklasse an einer gewerblich-industriellen Berufsschule hat in der Regel ein anderes Bild von Unterricht und von der Lehrperson als eine Klasse an einem Gymnasium. Bei der Ersteren müssen wir davon ausgehen, dass die Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler bisher eher zwiespältig und die Lernerfolge eher bescheiden waren. Sie befinden sich zudem in einem beruflichen Umfeld, das traditionell eher konservativ und durch autoritäre Werthaltungen geprägt ist. Bei der Klasse aus dem Gymnasium hingegen können wir davon ausgehen, dass das Bild von Unterricht und auch die Erwartungshaltung bezüglich des Unterrichts leistungsorientierter sind.

Wie können Lehrpersonen vorgehen, die erst über wenig Erfahrung im Unterricht verfügen? Dazu einige Umsetzungshilfen:

•Vorgängiger Klassenbesuch bei einer erfahrenen Lehrperson

Ein Unterrichtsbesuch vor Ort ermöglicht einen direkten Einblick in die Rahmenbedingungen und die individuellen Gegebenheiten.

•Besprechen der Quartals- oder Semesterplanung mit der Kollegin oder dem Kollegen

Transparenz bei der Unterrichtsplanung verleiht Sicherheit und führt zu einer Optimierung des eigenen Instrumentariums. Nur 80 Prozent der Unterrichtszeit sollten fix geplant werden. Die übrige Zeit schafft Gestaltungsspielraum für individuelle Bedürfnisse und Unvorhergesehenes.

•Absprachen mit anderen Lehrpersonen über das Vorgehen bei Halbjahresbeginn

Ein gemeinsames Besprechen des Unterrichtsstarts verhindert Überschneidungen und ermöglicht einen guten Einstieg in das neue Halbjahr.

•Regelmäßige Gespräche mit der Schulleitung

Regelmäßige Gespräche mit der Schulleitung legen gegenseitige Erwartungen offen und fördern das gegenseitige Vertrauen.

•Kollegiales Feedback

Das kollegiale Feedback fördert die Zusammenarbeit und ermöglicht die Weiterentwicklung der eigenen Konzeption eines guten Unterrichts.

•Mentoring für Neueinsteiger

Mit einem Mentoring durch erfahrene Lehrerkollegen oder -kolleginnen werden Neueinsteiger oder -einsteigerinnen begleitet und betreut. Administrative und pädagogische Fragen lassen sich im persönlichen Gespräch klären.

•Namen der Schülerinnen und Schüler sofort auswendig kennen

Ein Muss! Es gibt nichts Peinlicheres, als nach Wochen die Namen ihrer Schülerinnen und Schüler noch nicht zu kennen.

•Frühzeitiges Planen eines Eltern- oder Ausbilderabends

Das frühzeitige Einbinden der Ausbildungspartner/innen schafft Vertrauen und ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Schule.

Auch wer seinen Unterricht sorgfältig plant, hat noch lange nicht die Gewähr, dass bei der Durchführung alles optimal verläuft. Die Kluft zwischen Vorbereitung und Planung einerseits und Realisierung andererseits kann beträchtlich sein. Erfahrene Lehrpersonen sind sich dieser Diskrepanz bewusst; Lehrpersonen, die eine neue Schulstufe unterrichten, sind häufig enttäuscht, wenn ihnen trotz gewissenhafter Analyse der Ausgangslage und des Lehrplans die Umsetzung misslingt. Unser Rat: Lassen Sie sich nicht beirren, die Ursachen können ganz unterschiedlicher Natur sein. Tauschen Sie sich mit Kollegen und Kolleginnen über das weitere Vorgehen aus. Und haben Sie den Mut, zu Beginn des Halbjahres mit neuen Ideen einzusteigen.

Instrumente und Anregungen

1.1 Unterricht nach dem AVIVA©-Modell planen

Wir wollen hier zunächst das AVIVA©-Modell vorstellen – ein Fünfphasen-Modell von wirkungsvollem Unterricht. Das Modell basiert auf Ergebnissen der Lernpsychologie und best practices guten Unterrichts (vgl. dazu auch Kapitel 4, Abschnitt »Fünf Phasen des Unterrichts – das AVIVA©-Modell«).

1.2 Kollegiales Feedback durchführen

Beim kollegialen Feedback geht es um das Kerngeschäft Unterricht. Wir zeigen, wie sich ein Team auf das kollegiale Feedback vorbereiten kann, wie der Unterricht protokolliert wird und wie Rückmeldungen zum Unterricht formuliert werden können.

1.3 Mentoring planen

Welche Begleitung erhalten Lehrpersonen, die neu an einer Schule unterrichten? Wir stellen ein Mentoringkonzept vor, in dem die Rahmenbedingungen und ein mögliches Vorgehen skizziert werden.

1.4 Sich Namen besser merken

Ein gutes Gedächtnis ist kein Geschenk, sondern Übungssache. Wir skizzieren Methoden, wie Sie sich die Namen der Schülerinnen und Schüler besser einprägen können.

1.5 Einen Informationsabend durchführen

Es ist heute selbstverständlich, dass die Lehrpersonen ihre Schule nach außen zu repräsentieren wissen. Für viele Lehrpersonen bietet die Durchführung eines Informationsabends eine gute Möglichkeit, ein Gespräch mit den Ausbilder/innen und den Eltern zu führen. Wir zeigen, wie ein Treffen mit Eltern oder Ausbildern/innen konkret organisiert werden kann.

1.6 Erkundungen durchführen

Exkursionen und Projektwochen gehören heute zum methodischen Standardrepertoire – auch deshalb, weil auf einer Exkursion die Sinne auf vielfältige Weise angeregt werden, wie es im schulischen Alltag kaum möglich wäre. Exkursionen sind dennoch die schulische Ausnahme, da sie in der Regel bewilligungspflichtig sind, Mehrkosten und Aufwand verursachen und immer ein gewisses Risiko beinhalten.

Unsere Checkliste trägt zu einer gelingenden Veranstaltung bei.

1.7 Schülerrückmeldungen sammeln

Frühzeitig Schülerrückmeldungen einzuholen, ist die beste Voraussetzung, um den eigenen Unterricht zu reflektieren. Wir zeigen, wie Rückmeldungen der Lernenden gesammelt und ausgewertet werden.

1.8 Die Lehrperson im Spannungsfeld zwischen Schul- und Unterrichtsentwicklung

In den letzten Jahren wurden in Deutschland, Österreich und der Schweiz zahlreiche Schulentwicklungsprojekte realisiert. Abläufe wurden optimiert und die internen Strukturen der Schulen verbessert. Glücklicherweise wenden sich heute viele Qualitätsverantwortliche vermehrt wieder dem Unterricht zu, unserem eigentlichen Kerngeschäft. – Wir geben hier vier Denkanstöße, wie das »Kerngeschäft Unterricht« noch stärker ins Zentrum gerückt werden kann.

2 Ziele formulieren und Kompetenzen festlegen

Wenden wir uns nun den Lernzielen zu. Wir zeigen, welche ­Bedeutung Zielen im Unterricht zukommt. Es folgt die Beschreibung der verschiedenen Lernzielebenen. In diesem Zusammenhang ­behandeln wir auch die kognitive Taxonomie von Bloom. Eine ­Taxonomie ist ein Klassifikationssystem, mit dessen Hilfe eine ­Lehrperson Ziele und Aufgaben auf unterschiedlichem Anspruchs­niveau formulieren kann. Im letzten Teil des Kapitels geht es um die Frage, wie die Lernziele mit den Kompetenzen in Verbindung ­gebracht werden können.

Die Bedeutung von Lernzielen

Guter Unterricht zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass klar formulierte Ziele angestrebt werden. Ziele beschreiben die Absichten der Lehrperson bzw. der Schülerinnen und Schüler. Lernziele sollen eingesetzt werden, wenn es darauf ankommt, dass die Lernenden einen bestimmten Inhalt präzise beherrschen. Lernziele sind für die Lehrperson »Führungsinstrumente«. Mit ihrer Hilfe bestimmt sie weitgehend das Qualitätsniveau des Unterrichts (Steiner 2007, S. 45–59).

Lernzielebenen

Lernziele können auf verschiedenen Ebenen formuliert werden (vgl. Abb. 1). Auf der obersten, ganz allgemeinen Ebene geht es um die Bildungs- oder Erziehungsziele. Dann folgen die Leitideen. Bezogen auf den Unterricht, werden Lehr- und Handlungsziele formuliert. Die Lehrperson kann die Lehrziele weiter in Lernschritte aufgliedern. Sie gibt auf diese Weise den Lernweg vor, den die Schülerinnen und Schüler zu gehen haben. Oder aber die Schülerinnen und Schüler halten in ihrem Berichtsheft bzw. in ihrer Lerndokumentation fest, was sie tun wollen. Sie planen ihre Arbeit selbst. In diesem Fall sprechen wir von Handlungszielen.

Im folgenden Abschnitt gehen wir genauer auf die unterschiedlichen Ebenen ein und geben dazu verschiedene Beispiele.

Bildungsziele

Die erste Ebene bezieht sich auf die allgemeinen Lernziele. Diese entsprechen oft den Bildungszielen (z. B. Selbstbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit), oder sie umschreiben Schlüsselqualifikationen, die die Schülerinnen und Schüler in der Ausbildung erwerben sollen.

Der pädagogische Auftrag der Lehrperson besteht darin, Lernfelder und -situationen zu schaffen, die es den Lernenden ermöglichen, bestimmte Bildungsziele zu erreichen.

Beispiele:

• Ausbildung als Grundlage für lebenslanges Lernen,

• Verantwortung für das eigene Lernen übernehmen,

• Gestaltung von Gegenwart und Zukunft in Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidarität als Teil einer Gruppe und der Gesellschaft,

• Auseinandersetzung mit den wesentlichen Fragen und Problemstellungen der durch die Geschichte geprägten Gegenwart und der sich abzeichnenden Zukunft in der Berufs- und Arbeitswelt,

• Kooperations- und Konfliktfähigkeit.

Leitidee

Auf der zweiten Ebene folgt in Form eines Richtziels die Leitidee für die einzelnen Fächer, Lernbereiche oder Aspekte. Leitideen stellen den Bezugsrahmen eines bestimmten Themengebiets für den entsprechenden Beruf dar. Sie steuern die Lernzielfindung und liefern eine Begründung für den konkreten Unterricht.

Beispiel:

Optimale Kommunikation und Informationsverarbeitung ist in der kaufmännischen Arbeitswelt zentral. Die Schülerinnen und Schüler werden in ihrem Arbeitsbereich immer wieder mit dieser Anforderung konfrontiert und können durch eine optimale Nutzung von Informationen ihre Arbeitsabläufe effizient gestalten. Deshalb sollte in der Ausbildung diese Thematik berücksichtigt werden.

Lernziele

An dritter Stelle werden die Lernziele für eine kürzere Unterrichtseinheit oder Lektion bestimmt. Ein Lernziel greift nur einen Gegenstand aus dem Lehrplan auf und gibt an, was die Schülerinnen und Schüler am Ende der Lektion oder Unterrichtseinheit können müssen. Es werden ferner die Hilfsmittel aufgeführt und der Maßstab, nach dem die erbrachte Leistung beurteilt wird. Von einem Lehrziel wird dann gesprochen, wenn das Ziel von der Lehrperson oder ihren Ratgebern oder Vorgesetzten formuliert wurde. Von einem Handlungsziel spricht man dann, wenn die Schülerinnen und Schüler sich selbst Ziele gesetzt haben, die ihr Handeln im Unterrichtsprozess leiten (Jank/Meyer 2008).

Beispiele für Lehrziele:

• Die Lernenden können anhand eines konkreten Falls die fünf Kriterien aufzählen, die sie im Bereich des Berufsgeheimnisses bei der Weitergabe von Informationen berücksichtigen müssen.

• Die Lernenden können fehlerfrei einen Leserbrief zu einem aktuellen Thema schreiben, adressieren und versenden.

Werden die Lernziele, beispielsweise im Rahmen eines Projektunterrichts, von den Schülerinnen und Schülern selbst formuliert, so spricht man von Handlungszielen. Sie bringen ihre situationsabhängigen Bedürfnisse und Interessen zum Ausdruck und sind in der Regel auf ein Handlungsergebnis bezogen.

Beispiel für ein Handlungsziel:

• Wir wollen die Zukunftsaussichten für das Friseurhandwerk in verschiedenen Betrieben mit Interviews untersuchen und daraus drei Schlussfolgerungen für die berufliche Weiterbildung ziehen.

Lernschritte

Die eigentliche Struktur des Unterrichts ergibt sich aus den Lernschritten. Darin wird festgelegt, welchen Weg die Schülerinnen und Schüler einschlagen sollen, damit sie das Ziel auch erreichen. Alternativ setzen sich die Schülerinnen und Schüler selbst Ziele und planen ihre Arbeit. Die einzelnen Schritte legen sie in ihrem Berichtsheft/ihrer Lerndokumentation fest.

Beispiele für Lernschritte aus einem Lehrziel:

• die Entstehung des Lehrvertrages beschreiben,

• die gesetzlichen Grundlagen und Vollzugsorgane im Zusammenhang mit dem Lehrvertrag aufzählen,

• Rechte und Pflichten der Auszubildenden anhand praktischer Beispiele nennen.

Beispiele für Lernschritte aus einem Handlungsziel:

• mit dem Ausbilder ein Gespräch über den Lehrvertrag führen,

• Rechte und Pflichten der Auszubildenden im Lehrvertrag nachschlagen,

• Erkenntnisse im Berichtsheft/in der Lerndokumentation festhalten.

Die Formulierung von Lernzielen

Lernziele können operationalisiert werden. Darunter ist die genaue Angabe des Endverhaltens zu verstehen, das die Schülerinnen und Schüler nach Durchlaufen des Unterrichts unter ganz bestimmten Bedingungen bei Beachtung eines spezifischen Gütemaßstabs zeigen sollen.

Beispiel:Die Lernenden könnenanhand eines konkreten Falls die fünf Kriterienaufzählen, die sie im Bereich des Berufsgeheimnisses bei der Weitergabe von Informationen berücksichtigen müssen.

Kursiv: Endverhalten; fett: Hilfsmittel; unterstrichen: Gegenstand; grün: Maßstab.

Zur genauen Bezeichnung des Endverhaltens bedarf es eindeutiger Verben wie nennen, beschreiben, erklären, verdeutlichen, aufzählen, planen, bewerten, entscheiden, die keinen oder nur einen geringen Interpretationsspielraum zulassen (Instrument 2.1). Die verlangte Leistung wird so formuliert, dass sie beobachtbar ist. Sie kann in Form eines beobachtbaren Verhaltens umschrieben sein, oder es wird auf ein konkretes Produkt hingearbeitet (schriftliche Arbeit, Mind-Map, Plakat, Grafik u. a.).

Die Operationalisierung von Lernzielen ist teilweise umstritten; deshalb gehen wir auf die Stärken und Schwächen dieses Konzepts ein:

Wichtig ist, dass bei der Formulierung nur auf ein Thema bzw. auf einen Gegenstand Bezug genommen wird. Fremdwörter sollen möglichst vermieden werden. Es sind stets auch die Hilfsmittel und die Bedingungen anzu­geben, unter denen die Lernleistung erbracht werden soll. Entsteht sie in Einzel-, Partner- oder Kleingruppenarbeit, in einer bestimmten Zeiteinheit, mit bestimmten Techniken? Soll sie an einem näher zu bezeichnenden Lernort gezeigt werden?

Schließlich müssen Beurteilungsmaßstäbe oder Kriterien genannt werden, denen die Lernleistung zu genügen hat. Letzteres kann durch die Angabe von quantitativen (zum Beispiel drei Merkmale) oder qualitativen – auch für einen Laien verständlichen – Kriterien erfolgen.

Für den kognitiven Bereich des Lernens hat Benjamin Bloom mit seinem Mitarbeiterstab Mitte der 1950er-Jahre ein Ordnungssystem entwickelt, das helfen sollte, bei der Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts Lern- und Denkprozesse auf verschiedenen Ebenen anzugehen. Auf der ersten Ebene dieser Taxonomie sind eher anspruchslose Denkleistungen aufgeführt: Die Lernenden müssen sich an einen Sachverhalt erinnern und die gelernten Informationen wiedergeben. Auf den weiteren Stufen werden die Denk- und Lernleistungen immer komplexer; die Lernenden müssen beispielsweise eine eigene Analyse durchführen und eine persönliche Bewertung abgeben.

Taxonomie von Bloom