Kind braucht Hund - Jochen Stadler - E-Book

Kind braucht Hund E-Book

Jochen Stadler

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  • Herausgeber: Ecowin
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Kinder brauchen Hunde! »Ich hätte so gerne einen Hund!« Diesen Wunsch haben zwei Drittel aller Eltern schon gehört. Das restliche Drittel lebt bereits mit einem vierbeinigen Familienmitglied. Tatsächlich spricht viel dafür, diesem Wunsch zu entsprechen, denn nachweislich tun Hunde Kindern gut: Kinder aus Hundefamilien sind gesünder, weniger schüchtern oder überdreht, können besser mit Stress umgehen, lernen leichter und sind empathischer als ihre »hundelosen« Altersgenossen. Jochen Stadler, Biologe und selbst Hundebesitzer, beantwortet in seinem anschaulichen, klugen und unterhaltsamen Buch die wichtigsten Fragen rund um den Hund in der Familie: - Der perfekte Familienhund: So finden Sie den Hund, der wirklich in die Familie passt! - Wie können kleine Kinder lernen, Hundesprache und Hundeverhalten zu verstehen? - Wie gewöhnt man den Hund an ein Kind – und umgekehrt? - Hundebisse und andere Gefahren vermeiden: Fehler, die zu Unfällen führen können - Was muss bei der Welpenerziehung unbedingt beachtet werden? Nicht auf die Hunderasse, auf Charakter und Erziehung kommt es an Hunde unterstützen Kinder in ihrer emotionalen Entwicklung und sind die idealen Spielgefährten – wenn bei der Hundeerziehung auf gute Sozialisierung geachtet wird. Im Gegenzug müssen Kinder lernen, Hundeverhalten richtig zu deuten, damit es nicht zu Missverständnissen und im schlimmsten Fall zu Verletzungen kommt. Mit dieser Hundekunde werden Eltern und Kinder zu Hundeprofis – und der Hund zum ausgeglichenen Gefährten in allen Lebenslagen. Viele praktische Tipps und Informationen, Hintergrundwissen und aktuelle Hinweise machen dieses Buch zu einem umfassenden Begleiter für alle Familien, die gut informiert und vorbereitet in ein Leben mit Hund starten wollen.

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Seitenzahl: 248

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Jochen Stadler

KIND BRAUCHT HUND

Wie sie beste Freunde werden

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw.

Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

Wir haben versucht, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen und die entsprechenden Urheberrechte zu klären. Sollte dennoch Ihr Recht an einem Werk beeinträchtigt worden sein, so bitten wir um Nachsicht und um Kontaktaufnahme zur Klärung.

Gendererklärung

Der besseren Lesbarkeit wegen verwendet der Autor im nachfolgenden Text zumeist die Sprachform des generischen Maskulinums. Personenbezogene Aussagen beziehen sich auf alle Geschlechter..

1. Auflage

© 2021 Ecowin bei Benevento Publishing Salzburg – München, eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Gesetzt aus der Palatino, Cera Compact

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15

5071 Wals bei Salzburg, Österreich

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Autorenillustration: Claudia Meitert/carolineseidler.com

Printed by Finidr, Czech Rpublic

ISBN: 978-3-7110-0291-4

eISBN: 978-3-7110-5317-6

Für die Kinder dieser Welt. Alle!

Ohne ein paar Hundehaare ist ein Kind nicht richtig angezogen.

INHALT

Hinweis

Vorwort

Kinder brauchen Hunde

Uralte Gefährten

Natürlich beste Freunde

Kinder lieben Hunde

Hunde machen Kinder schlau, einfühlsam und beliebt

Kinder mit Hunden sprechen schöner

Hunde halten Kinder gesund

Hunde streicheln die Kinderpsyche

Hunde sind wertvolle Bindungspartner

Hunde verringern Stress bei Kindern

Hunde bringen Kinder zum Lachen

Tierische Therapeuten

Gefahren, die von Hunden für Kinder ausgehen

Hunde bissen Kinder – in den Medien

Was die Wissenschaft zu Kinder-Hundebissen sagt

Nicht nur Bissverletzungen sind eine Gefahr

Gefährliche Leine

Was Kinder und Erwachsene alles falsch machen und nicht wissen

Trotz allen Aufsehens: Hundebisse bei Kindern sind selten

Hunde beißen Kinder nicht unvermittelt

Welcher Hund kann Kinder gefährden?

Aggression durch Gehirnschäden, Angst und Schmerzen

Ein Kind wurde gebissen – was nun?

Hundekunde für Kinder

Bellende und schwanzwedelnde Hunde beißen auch

Schau mir nicht in die Augen, Kleines

Der Hund macht den ersten Schritt. Immer.

Hunde sind keine Kinder auf vier Beinen

Hunde sind weder Kuscheltiere noch Wölfe

Die Sprache der Hunde verstehen

Fehler, die wissende Kinder und Eltern vermeiden

So verhalten sich Kinder als Hundeprofis

Was beim Hundekauf zu beachten ist

Der optimale Familienhund

Der errettete Hund

Welche Hunderassen zu Kindern passen

Sie schimpften ihn Kampfhund

Was kinderfreundliche Hunde lernen müssen

Sozialisieren

Vorsicht Angstphase

Beißhemmung

Niemals Gewalt, keine Strafen

Krawuzi!

Unerwünschte Erfolgserlebnisse verhindern

Vom Geben und Nehmen

Aus!

Nicht anspringen

Ruhe!

An der lockeren Leine spazieren

Warum Lenkbarkeit – auch Gehorsam geschimpft – so wichtig ist

Coole Hunde

Kinder und Hunde im Alltag

Die Umwelt richtig gestalten

Hundespaziergänge

Ehrlich spielen, niemals necken

Gute Spiele, böse Spiele

Kinder mit Hundeangst

Wer trägt die Verantwortung?

Schlusswort: Kinder und Hunde als fantastisches Paar

Endnoten

HINWEIS

In diesem Buch möchte ich darlegen, wie man das Verhältnis von Kindern zu Hunden so fantastisch wie nur menschenmöglich gestalten kann. Kinder sind die verletzlichsten Mitglieder der zweibeinigen Gemeinschaft. Sie können am meisten von den gesammelten Informationen und dem Expertenwissen in diesem Buch profitieren. Außerdem gehört ihnen die Zukunft auf dem blauen Planeten.

Trotzdem gilt jeder Satz, der hier folgt, ohne Einschränkungen auch für Erwachsene bis ins Greisenalter, denn wir Großen sind in Wirklichkeit nichts als ausgewachsene Kinder.

VORWORT

Von all den Lebensformen um uns herum hat sich außer dem Hund keine auf ein Bündnis mit uns Menschen eingelassen.

Maurice Maeterlinck, Schriftsteller

»Ich hätte so gerne einen Hund!« Diesen Satz haben zwei Drittel aller Eltern schon von ihrem kleinen Schatz gehört. Das andere Drittel hat bereits einen Familienhund.1 Es gibt triftige Gründe, Kindern diesen Wunsch zu erfüllen. Hunde tun ihnen gut. Kinder, die mit dem besten Freund des Menschen aufwachsen, sind gesünder, weniger schüchtern oder überdreht und können besser mit stressigen Situationen umgehen. Sie lernen leichter und haben ein feineres Einfühlungsvermögen als ihre Altersgenossen, die keine Fellnasen zum Partner haben.

Es gibt nur drei Gründe, diesem Wunsch nicht nachzukommen: Entweder man hat nicht genug Zeit, sich um den Hund zu kümmern, sodass dieser die meiste Zeit des Tages alleine sein müsste. Oder jemand im Haushalt leidet unter einer Hundehaarallergie. Oder man hat aus irgendwelchen Gründen prinzipiell eine Abneigung gegen die Vierbeiner. »Zu wenig Platz« ist übrigens kein gutes Argument. Hunde brauchen einen menschlichen Partner, auf den sie sich verlassen können, und kein großes Revier. Auslauf bekommen sie mit schönen langen Spaziergängen und nicht beim nervösen Abschreiten eines kilometerlangen Gartenzauns.

Ob Kinder das Glück haben, mit einem Hund groß werden zu dürfen, ist wie vieles auf dieser Welt vererbt: Die meisten Menschen, die als Kinder ein Haustier hatten, haben auch als Erwachsene und Eltern welche, während jene, die ohne Tiere aufgewachsen sind, auch später oft ohne Vierbeiner leben.2 Das liegt nicht nur an den positiven Erfahrungen, die Erstere als Kinder mit ihren tierischen Mitbewohnern gemacht haben: Es ist tatsächlich zu mehr als der Hälfte genetisch festgelegt, ob jemand ein Hundefreund ist oder nicht. Das haben Forscher in einer Studie bei ein- und zweieiigen Zwillingen herausgefunden!3

Viel Geld auf dem Familienkonto ist keine Voraussetzung, dass ein Kind mit einem Hund aufwächst, im Gegenteil: Die Kinder weniger betuchter Familien haben öfter einen (und manchmal sogar mehr als einen) Hund als wohlhabende.4 Vielleicht wissen diese Menschen aber auch nur, dass nicht Geld glücklich macht, dafür aber umso mehr die Freundschaft eines Hundes. Auch das ist nämlich wissenschaftlich bewiesen.5

Damit die Beziehung funktioniert, sollten Hund und Kind einander gut verstehen und jeweils lernen, die Bedürfnisse des anderen zu respektieren. Leider ist dies nicht immer der Fall, und darum geschehen bisweilen Zwischenfälle, bei denen kleine Zweibeiner von Hunden teils schwer verletzt werden. Wer einen Abkömmling der Gattung Canis lupus familiaris, zu Deutsch »Hund«, bei sich zu Hause hat, will aber natürlich auf keinen Fall, dass er eine Gefahr für den geliebten Nachwuchs darstellt. Das ist er auch keineswegs, wenn man ihn gut sozialisiert und zu einem ausgeglichenen, Menschen liebenden und verlässlichen Partner erzieht.

Kleinkinder wiederum wissen nicht von Geburt an, wie ein Hund tickt, was er mit seiner Mimik und Körpersprache sagen will, was ihm gefällt und was für ihn unangenehm ist. Darum müssen sie es lernen, wie viele andere Sachen auch. Und auch wenn man keinen Hund in der Familie hat, schadet solches Wissen den eigenen Kindern und Enkelkindern nicht. Sie werden Hunden auf der Straße begegnen, Freunde besuchen, die einen Vierbeiner zu Hause haben, und im Urlaub Kontakt mit ihnen haben. Egal ob es sich dann um misstrauische Straßenköter, wachsame Hofhunde oder verschmuste Familienhunde handelt: Ein Kind, das weiß, wie man mit Hunden umgeht, kann unangenehme Situationen vermeiden und angenehme auskosten.

KINDER BRAUCHEN HUNDE

Kein Psychiater der Welt kann es mit einem Hund aufnehmen, der einem das Gesicht leckt.

Verfasser unbekannt

URALTE GEFÄHRTEN

Der Menschenjunge ging barfuß durch die Höhle, in seiner Hand hielt er eine Fackel, die er alle paar Meter gegen die Wand schlug, damit sie heller brannte. Dicht neben ihm war sein bester Freund, ein großer Hund.

Der Forscher Michel-Alain Garcia hat diese Szene anhand von Fußspuren und Kohleresten in der 1994 entdeckten Chauvet-Höhle in Südfrankreich rekonstruiert.6 In ihr haben Mitglieder des Clans, dem der Junge angehörte, mit Kohle, rotem und hellem Ocker wunderschöne Bilder von rund 1000 Wildpferden, Löwen, Wollnashörnern, Mammuts, Höhlenbären, Hyänen, Rentieren, Bisons, Auerochsen, Steinböcken, Hirschen und einem Panther an die Wände gebannt sowie eine Schnee-Eule eingraviert.

Die menschlichen Fußabdrücke, die sich mehr als 50 Meter durch die Höhle ziehen, stammen von einem acht bis zehn Jahre alten Jungen, ermittelte Garcia. Die Spuren, die sie begleiten, sind von einem »großen Hund«, denn seine mittlere Zehe ist, so wie bei heutigen Hunden, im Verhältnis zur restlichen Pfote kürzer als bei einem Wolf. Andere Forscher glauben anhand von Vergleichen mit der Form vieler Hunde- und Wolfsspuren, dass es sich dabei eher um einen Wolf handelte.7 Ich finde beides spannend, egal ob der Junge mit einem Hund oder dessen direktem Vorfahren, einem gezähmten Wolf, durch die Höhle spaziert ist. Man weiß ja ohnehin auch nicht, ob der Junge zu den Neandertalern gehörte oder ein »anatomisch moderner Mensch«, vulgo Homo sapiens, war.

Das Ganze geschah jedenfalls vor 26.000 Jahren, berichtet der Forscher. So alt sind nämlich laut »Radiokarbondatierung« die Kohlenstoffreste der Fackel an den Höhlenwänden, die jene Fußspuren begleiten. Der Junge und sein Hund oder Wolf lebten dort wohl in einer altsteinzeitlichen Jäger- und Sammlergemeinschaft. Die Jugendlichen und Erwachsenen jagten Bisons, Riesenhirsche und Mammuts, und er selbst pirschte mit seinem Gefährten eher hinter kleineren Tieren wie Hasen, Wildhühnern, vielleicht auch Rentieren und Pferden her. Außerdem besuchten die beiden die Künstler in der Höhle und bewunderten ihre Zeichnungen. Dabei hinterließen sie die Spuren, die viel weniger bekannt sind als die weltweit berühmten Höhlenmalereien. Diese Abdrücke belegen aber, dass Menschenkinder und Hunde – oder »Hauswölfe« – bereits seit prähistorischen Zeiten ziemlich beste Freunde sind. Als »Hauswölfe« bezeichnet der schwedische Verhaltensforscher Erik Ziemen jene Vierbeiner, die bereits mit Menschen zusammenlebten und soziale Beziehungen mit ihnen eingingen, aber noch nicht zu Haushunden mutiert waren.8

NATÜRLICH BESTE FREUNDE

Schon sehr früh in ihrer Stammesgeschichte sind also Kinder und Hunde oder »Hauswölfe« miteinander aufgewachsen. In ihrer gesamten Evolution haben sich die Menschen gemeinsam mit den Lebewesen in ihrer Umgebung entwickelt. Die »Symbiose« zwischen Mensch und Tier ist demnach so alt wie die Menschheit selbst.9 Diese auch heute angeborene »Biophilie« (Liebe zu Lebewesen) ist bei Kindern noch stärker ausgeprägt als bei Erwachsenen. Egal welcher Kultur sie angehören und ob sie auf dem Land oder in der Stadt aufwachsen, sie ahmen gerne Tierlaute nach und benennen Tiere, denen sie im Bilderbuch, in der Natur oder auf der Straße begegnen.10 Oft gehören die Tiernamen zu ihren ersten Worten und sind lautmalerisch, wie etwa »Wau-Wau«, »Kikeriki« und »Muh«.

Aber zu keinem anderen Tier haben die Menschen ein näheres Verhältnis aufgebaut als zu den Hunden. Die Beziehung zu ihnen ist Zehntausende Jahre alt und in beiden Spezies genetisch verankert. Bei den Hunden gibt es zum Beispiel Veränderungen auf dem Erbgut im Vergleich zu Wölfen, die sie »hyperfreundlich« gegenüber Menschen machen.11 Forscher haben Babys und kleinen Kindern bei einem Versuch Spielzeughunde vorgeführt, die laufen und mit dem Schwanz wedeln konnten. Ebenso ließen sie richtige Hunde in den Raum.12 Die Zweibeiner-Sprösslinge interessierten sich viel mehr für die echten Fellnasen und interagierten spontan mit ihnen. Die Hunde reagierten wiederum auf die Anwesenheit der Kinder: Sie beschnupperten diese, kamen zu ihnen, wenn sie riefen, legten sich manchmal auf den Rücken, um am Bauch gestreichelt zu werden, und leckten ihnen die Gesichter ab.

Dieser Versuch hat bewiesen, dass unbedarfte Kinder eindeutig Lebewesen von bewegtem Spielzeug unterscheiden können und echte Hunde gegenüber Spielzeug bevorzugen. Andersherum werden auch die Hunde von den kleinen Zweibeinern angezogen. Andere Tiere reagieren nicht so intensiv auf Kinder. Das könnte ein Grund sein, warum der Kontakt von Hunden und Kindern im Vergleich zu anderen Menschenkind-Tier-Beziehungen am intensivsten ist.13 Kinder, aber natürlich auch Erwachsene nehmen Hunde als Individuen mit eigener Persönlichkeit wahr und respektieren sie dadurch anders als zum Beispiel »Nutzvieh« aus der Massentierhaltung. Es ist ganz normal, dass sie zu ihrem Hund eine partnerschaftliche und freundschaftliche Beziehung haben, ihm einen individuellen Namen geben und ihn nach dem Tod würdig begraben.14 Forscher nennen dieses Phänomen, das Mitgefühl und Empathie ermöglicht, »Du-Evidenz«.15 Dafür braucht es keine gemeinsame Sprache, weil Hunde menschenähnliche emotionale und soziale Grundbedürfnisse haben. Ihre Ausdrucksformen und ihre Körpersprache sind teils sehr ähnlich wie die der Menschen und können daher mit ein bisschen Übung von ihnen verstanden werden. Deshalb funktioniert es also auch schon zwischen Kleinkindern und Hunden. Außerdem haben Menschen,16 und mit höchster Wahrscheinlichkeit auch Hunde,17 Nervenzellen im Kopf, die ihnen ermöglichen, die Situation, die der andere gerade durchmacht, im Kopf nachzuempfinden. Sogenannte Spiegelneuronen feuern dabei die gleichen Signale, wie wenn sie selbst das tun würden, was sie gerade bei ihrem Gegenüber beobachten.

All dies führt dazu, dass Kinder (und Erwachsene) die Hunde »vermenschlichen« und als Partner genauso wertschätzen wie Artgenossen.18 In vielen Situationen ziehen sie eine Fellnase als Freund sogar Gleichaltrigen vor. Kleinkinder nehmen die Hunde nicht viel anders als andere Menschen wahr und schreiben ihnen dieselben Eigenschaften zu wie sich selbst, ihren Geschwistern und Eltern. Bei vielen anderen Tieren, wie Bienen, kämen sie nie auf diese Idee. Erst im Vorschulalter beginnen sie, Menschen als etwas Besonderes, teils Wertvolleres als andere Geschöpfe zu sehen. Diese Menschenfixiertheit, die Forscher sprechen hier von »Anthropozentrismus«, ist demnach anerzogen und nicht angeboren.19 Dadurch ist für Kinder zunächst einmal ein Hundeleben genauso bedeutend wie ein Menschenleben. Psychologen haben Hunderte von Kindern und Erwachsenen gefragt, wen sie zuerst von einem sinkenden Schiff retten würden: einen Menschen oder einen Hund.20 Die Erwachsenen sagten fast einhellig, dass das Menschenleben Vorrang hätte und sie ihrem Artgenossen an Bord zuerst helfen würden, auch wenn der Hund in der Zwischenzeit ertrinken würde. Die Kinder jedoch hatten keine eindeutigen Präferenzen. Ein Drittel würde sich um den Menschen kümmern, fast genauso viele um den Hund, und ein Drittel konnte sich nicht entscheiden.

Die Moral, dass ein Menschenleben besonders viel wert ist und das Wohl der eigenen Art stets über das Wohl der Tiere zu stellen ist, ist demnach nicht angeboren, wie Theologen und Ethiker lange Zeit behaupteten. Sie ist anerzogen und oktroyiert. Das heißt, wenn man nicht mehr den eigenen Nutzen über alles stellt und Kindern ihren natürlichen Respekt vor Tieren nicht austreibt, lieben und schätzen sie ganz von sich aus die Lebewesen um sich herum, und ganz besonders ihren Hund.

KINDER LIEBEN HUNDE

99,3 Prozent aller Kinder wollen ein Haustier.21 Am liebsten einen Hund – den hätten rund zwei Drittel aller Kinder gerne als allzeit perfekten Freund, der immer mit ihnen zu tun haben will und immer für sie Zeit hat.22 Sie schätzen Fellnasen, weil sie ihrer Meinung nach »stark, intelligent, sanftmütig, gehorsam und umgänglich« sind.23 Jedes dritte Kind träumt in der Nacht von Tieren: Sechsjährige von Hunden, Hauskatzen und Löwen, Neunjährige von Hunden, Katzen und Pferden und Teenager von Hunden und Wölfen. Neben dem engsten Fellfreund des Menschen dürfen also je nach Altersstufe auch noch andere Tiere vorkommen. Im Wachzustand ist es noch auffälliger: Neun von zehn Kindern tagträumen von ihren Haustieren und vermissen sie, wenn sie im Kindergarten oder in der Schule sitzen. Die jungen Zweibeiner sind auch überzeugt, dass die Hunde sie ebenso vermissen, wenn sie nicht bei ihnen sind.24 94 Prozent der Kinder erklären inbrünstig, dass sie ihre Haustiere lieben. Weniger als ein halbes Prozent mag überhaupt keine Tiere zu Hause, die restlichen »sehen keinen Vorteil darin«, vor allem, da sie Arbeit machen, also zum Beispiel, weil man zum Gassigehen raus muss, oder weil man die Käfige von Kaninchen, die Aquarien der Fische und die Katzenkisten regelmäßig sauber machen muss.

Kleinere Kinder lieben Haustiere – vor allem jene mit Fell und weniger die Gefiederten und Geschuppten – hauptsächlich als Spielkameraden, mit denen man zusätzlich kuscheln kann und die sie lieber streicheln als Stofftiere.25 Größere Kinder und Jugendliche sehen ihre vierbeinigen Freunde als Gefährten, denen sie zum Beispiel ihre Probleme ohne Bedenken mitteilen können. Sie erklären, dass vor allem Hunde, und teils auch andere Haustiere, für sie nach Geld und Erfolg das Drittwichtigste im Leben sind.

Das Beste ist aber: Im Gegensatz zu Handys, Spielkonsolen, Klamotten und anderen Prestigeobjekten ist es vollkommen egal wie der Hund aussieht, wie viel er gekostet hat und wie lange sie ihn schon haben – die Kinder lieben ihn bedingungslos und brauchen nicht jedes Jahr »das neueste Modell, weil das auch die Klassenkameraden schon haben«.

HUNDE MACHEN KINDER SCHLAU, EINFÜHLSAM UND BELIEBT

Schon ein Säugling profitiert enorm von einem Familienhund. Denn bereits mit sechs bis zwölf Monaten sind Babys aus Familien mit Hund grob- und feinmotorisch geschickter als jene aus einem hundelosen Haushalt, sie kommunizieren besser, haben höhere Problemlösungsfähigkeiten und eine schnellere soziale Entwicklung, berichten japanische Forscher.26 Eltern sollten ihrem Nachwuchs daher schon früh den Kontakt zu Hunden ermöglichen, meinen sie. Am besten ist es, wenn der Hund bereits vor dem Kind im Haushalt lebt und ihm daher schon von Beginn an »zur Verfügung steht«. Die Kinder lernen mit ihm dann spielerisch Dinge, die ihnen ohne Hund versagt blieben.

Die Fellnasen verbessern zum Beispiel die nonverbalen Kommunikationsfähigkeiten des Kindes. Das heißt, sie haben dann authentischere, ausdrucksstärkere Verständigungsmöglichkeiten mittels Körpersprache und Mimik als Kinder, die ohne Haustiere aufgewachsen sind.27 Sie können auch besser erkennen, was die Körpersprache und die Mienen von anderen Menschen bedeuten, und dadurch etwa leichter erkennen, ob jemand die Wahrheit sagt oder sie anschwindelt.28 Das alles lernen sie, weil sie genau auf die Körpersprache und das Verhalten des Hundes achten müssen, wenn sie mit ihm kommunizieren, denn das ist eben die einzige Möglichkeit, ihn verstehen zu können.29 Dadurch wird ihre Wahrnehmung für Gesichtsausdrücke und Nuancen in der Körpersprache gesteigert30, und sie können nicht nur die nonverbale Kommunikation von Tieren besser lesen, sondern auch die von Menschen.31 Sie lernen, ihr Gegenüber exakt zu beobachten und es danach einzuschätzen, wie es sich verhält.

Weil Hunde nur auf die Körpersprache und Mimik des Zweibeiners reagieren und nicht darauf, welche Worte er sagt (sondern höchstens, ob er dies etwa mit aufgeregter oder ruhiger Stimme tut), lernen Kinder wiederum, wie ihre Körpersprache, ihr Gesichtsausdruck und ihre Stimme auf andere wirken. Dadurch verbessert sich auch ihre Körperwahrnehmung.

Hunde zeigen den Kindern auch sehr deutlich, wie deren Verhalten bei ihnen ankommt. Die Reaktionen des Tieres sind immer offen und direkt. Dadurch erhalten die Zweibeiner eine authentische Rückmeldung.32 Im Spiel mit gleichaltrigen Kindern geschieht dies kaum, weil diese vor allem mit sich selbst beschäftigt sind, und auch nicht im Umgang mit Erwachsenen, weil deren Verhalten schon sehr stark von sozialen Normen, Umgangsformen und eingelernten Verhaltensweisen geprägt ist. »

Das Kind erfährt dadurch eine natürliche Bestätigung oder Korrektur seines sozialen Handelns durch eine unmittelbare Spiegelung seines Verhaltens«, schrieb etwa die Wiener Pädagogin Andrea Vanek-Gullner.33 Es bekommt ohne erhobenen Zeigefinger, Ermahnungen oder Zurechtweisungen vermittelt, wie es sich anderen gegenüber verhalten sollte, und lernt, sich empathisch auf sein Gegenüber einzustellen. Wenn der Hund zum Beispiel flüchtet, weil das Kind beim Spielen zu grob oder zu wild ist, erfährt es, dass es ruhiger und sanfter sein muss, damit er nicht davonläuft. Reagiert das Tier dann positiv auf das veränderte Verhalten, fühlt sich das Kind in seinem Handeln bestätigt und wendet es vermehrt an. Der Vierbeiner hat ihm somit auf ganz natürliche Weise die wertvolle Lektion beigebracht, dass man bei einer sozialen Interaktion auf den anderen eingehen sollte.

Diese Erfahrung hilft dem Kind im Umgang mit den Gefährten im Kindergarten, mit den Klassenkameraden sowie mit Lehrern in der Schule, mit Eltern und Geschwistern in der Familie, später mit seinen eigenen Kindern und im Beruf. Kinder, die mit Tieren aufwachsen, sind deshalb kooperativer, weniger aggressiv und können sich besser in eine Gemeinschaft einfügen. Diese Eigenschaften bleiben ihnen ein Leben lang erhalten, und sie sind auch als Erwachsene sozial kompetenter und empathischer.34

Sogar im hohen Alter haben Menschen, die in ihren ersten Lebensjahren einen Hund hatten, bessere Freundschaften mit Gleichaltrigen und sind sozial offener, berichten japanische Forscher.35

US-Wissenschaftler haben wiederum in einer Studie die Beliebtheit von Vorgesetzten bei ihren Mitarbeitern erhoben und dabei herausgefunden, dass jene Chefs, die als Kinder einen Hund hatten, deutlich beliebter waren als jene, die ohne einen vierbeinigen Freund groß werden mussten, so der österreichische Verhaltensforscher Kurt Kotrschal bei einem Vortrag zur Mensch-Tier-Beziehung an der Universität Wien: »Wenn man bedenkt, dass viele Reibungsverluste in Wirtschaft und Gesellschaft durch soziale Inkompetenz entstehen, würde es im Umkehrschluss eine enorm positive Auswirkung auf die gesamte Gesellschaft haben, wenn mehr Kinder mit Hunden aufwachsen würden.«

Werden die Kinder bei der Hundepflege und beim Gassigehen eingebunden und müssen sie auch manchmal auf den Vierbeiner aufpassen, was ihnen in der Regel alles grundsätzlich Spaß macht, lernen sie, Verantwortung zu übernehmen. Natürlich sollten die Aufgaben, die das Kind übernimmt, dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes entsprechen. Es erfährt dadurch, dass der Hund zu einem großen Teil von ihm und anderen Menschen abhängig ist und welche Bedürfnisse er hat.36

Die Fürsorglichkeit, die Hundepflege und Erziehung dem kleinen Zweibeiner abverlangen, kann er auch auf andere Lebewesen, zum Beispiel Wildtiere, übertragen, und selbstverständlich auch auf seine Mitmenschen. Wenn das Kind den Hund mit Liebe versorgt, wird es auch versuchen herauszufinden, was er mag und was er braucht, und dadurch werden wieder einmal seine prosozialen Fähigkeiten gefördert.37 Wenn es dabei erfolgreich ist, stärkt dies sein Selbstbewusstsein, und das Kind erfährt Anerkennung von Gleichaltrigen und Erwachsenen, die es sich mit Fleiß, Arbeit und Verantwortungsbewusstsein selbst erarbeitet hat und auf die es mit Recht stolz sein kann.

Hunde bringen den Kindern einen weiteren Bonus, denn Menschen werden als vertrauenswürdiger und sympathischer beurteilt, wenn sie von einem Hund begleitet werden.38 In einem Versuch ließen die französischen Psychologen Nicolas Guéguen und Serge Ciccotti Probanden auf der Straße fremde Personen nach Geld oder ihrer Telefonnummer fragen. Sie stellten fest, dass die Angesprochenen viel hilfsbereiter und auskunftsfreudiger waren, wenn die Probanden einen Hund dabeihatten. Untersuchungen zeigten auch, dass Kinder, die mit einem Tier aufwachsen, viel öfter von ihren Klassenkameraden als Partner und Kameraden für Freizeitaktivitäten ausgewählt werden.39

Wenn Kinder einen Vierbeiner haben, kommen auch öfter Freunde zu Besuch.40 Die Forscher bezeichnen Hunde deshalb auch als »soziale Katalysatoren«.41 Sie verbessern aber nicht nur die Position der Kinder gegenüber Gleichaltrigen, sondern auch deren Beziehungen mit den Eltern und Geschwistern. Familien, die sich einen Hund angeschafft haben, machen mehr gemeinsame Spaziergänge, Wanderungen und Ausflüge und haben mehr Abwechslung. Dies fördert den familiären Zusammenhalt und das Vertrauen untereinander.42 Hunde machen Kinder also beliebt, schlau, empathisch, lernfreudig, sozial kompetent, und sie steigern ihre Kommunikationsfähigkeit ebenso wie ihr Verständnis für Tiere und andere Menschen. Sie geben ihnen damit viele Boni mit auf den Weg zum Erwachsenwerden, die man für viel Geld nicht kaufen könnte. Demnach sind alle Kinder, die ohne Hund aufwachsen müssen, benachteiligt. Sie sollten das Recht haben, ihre Eltern wegen Unterlassung zu verklagen, und ein gesetzliches Anrecht auf einen Hund bekommen, meinte Kotrschal einmal scherzhaft.

KINDER MIT HUNDEN SPRECHEN SCHÖNER

Das waren jetzt schon eine ganze Menge wissenschaftlich bewiesener Vorteile, die dafürsprechen, dass Familien sich einen Hund anschaffen. Aber es kommt noch besser: Hunde verbessern laut Studien sogar die Sprach- und Lesefähigkeiten von Kindern, obwohl Vierbeiner die Menschensprache, bis auf ein paar eingelernte Wörter, ja gar nicht verstehen. Etwa ab dem Alter von drei Jahren sprechen Menschenkinder mit ihrem Haustier und übernehmen dabei Kommunikationsmuster, die sie Eltern und Erwachsenen abgeschaut haben: Sie erklären alles sehr deutlich, wiederholen wichtige Dinge mehrmals hintereinander und beschreiben sie möglichst einprägsam.43

Wissenschaftler der Universität Chicago (USA) erklären übrigens, dass es kein Zeichen von Verrücktheit, sondern der menschlichen Intelligenz und Kreativität ist, wenn man sich mit Hunden unterhält, als ob sie jedes Wort verstehen würden.44 Wenn sie ihrem Hund etwas beibringen oder ihn von etwas abhalten wollen, artikulieren sich kleine Kinder also klar und deutlich. Dadurch bekommen sie eine schönere, besser verständliche Aussprache.45

Außerdem wird in der Familie mehr miteinander geredet, wenn ein Tier dabei ist, unter anderem, weil ein Hund mit seinen Taten und Untaten immer wieder für Gesprächsstoff sorgt. Die Kinder lernen, Eltern, Großeltern, Geschwistern und Freunden ihre Erlebnisse und Erfahrungen mit dem Tier verständlich zu berichten, und trainieren somit schon für Schulaufsätze, bei denen es sich anfangs ja meist um ein Erlebnis mit einem Tier dreht! Auch beim Lesenlernen können Hunde Kinder unterstützen. Im Beisein eines Vierbeiners sind sie dabei konzentrierter. Dadurch schneiden sie bei Leseverständnistests besser ab, als wenn kein Hund dabei ist, fand Kurt Kotrschal heraus.46 Außerdem lesen viele Kinder ihren Hunden vor und verbessern damit ihren Lesefluss.47

HUNDE HALTEN KINDER GESUND

Kinder mit Fellnasen-Freunden sind auch körperlich gesünder als solche ohne. Die Hunde sind nämlich nicht nur Beziehungskatalysatoren, sondern auch Fitnesstrainer für Kinder jedes Alters.48 So sind zum Beispiel Zehn- bis Zwölfjährige mit einem Hund täglich eine halbe Stunde länger auf den Beinen als hundelose Kinder und sie sind zusätzlich gute zwei Stunden pro Woche körperlich aktiv.49 Sie unternehmen dabei viele verschiedene Dinge mit ihrem Vierbeiner. Neben Spazierengehen und Spielen gaben Kinder in einer Befragung an, dass sie mit ihrem Hund gerne herumtollen, toben, Wettrennen veranstalten, Rad fahren, kuscheln, ihn füttern und pflegen oder dem Hund etwas beibringen, zum Beispiel Kunststücke.50 Sie halten sich auch öfter draußen auf, wenn sie etwa mit dem Hund in der Nachbarschaft spazieren gehen und im Hof oder Garten spielen.51 Dadurch erreichen sie viel öfter die offiziellen Empfehlungen, wie viel sich Kinder und Jugendliche bewegen sollten, und sind seltener übergewichtig.52 Aus kleinen Stubenhockern könnten durch ein Tier auf einen Schlag aktive und unternehmungslustige Kinder werden, meinen Experten.53 Je besser die Beziehung zu ihrem Hund ist, desto unternehmungslustiger sind die Sprösslinge mit ihm.54

Ebenso verstärkt sich wiederum die Bindung zwischen den beiden durch die gemeinsamen Aktivitäten.55 Das Ganze ist also ein sich selbst verstärkender Prozess, der nur Positives hervorbringt. Noch dazu werden beide – Kinder und Hunde – dadurch nicht nur fitter, sondern auch fröhlicher und zufriedener, wie Forscher berichten.56 Mit Hunden können die Kinder also praktisch nur an Lebensqualität gewinnen!

Und noch einen Vorteil bringen die Vierbeiner den Kindern: Ihre Eltern erlauben ihnen in Begleitung eines Hundes viel öfter, ohne Erwachsene herumzustreunen, Freunde zu besuchen, in den Park oder zu einem Spielplatz zu gehen und in Geschäften in der Umgebung einkaufen zu gehen. Allerdings sollte man beachten, dass es laut Gesetz nur für Jugendliche ab dem 16. Lebensjahr erlaubt ist, mit einem Hund alleine spazieren zu gehen. Wenn etwas passiert, haften freilich die Erwachsenen.

Das Leben mit den Fellnasen stärkt sogar das Immunsystem der Kinder. Vermutlich weil sie beim Kuscheln, Knuddeln und Spielen mit etlichen ungefährlichen Bakterien in Kontakt kommen, haben sie Antikörper (von der Sorte Immunglobulin A, die Krankheitserreger abwehren) gegen weit mehr Keime als Kinder ohne Haustier.57 Dadurch ist ihr »immunologisches Gedächtnis« stärker und ihre Gesundheit robuster. Weil das Immunsystem dadurch eine Vielzahl an »echten« Keimen kennenlernt und sich daran austollen kann, haben sie weniger Allergien. Genauer gesagt besitzen sie viel seltener Antikörper (von der Sorte Immunglobulin E, die Allergien verursachen) gegen Pollen und andere Dinge in der Luft.58 Allergien treten nämlich vermehrt auf, wenn Kinder in einer zu sterilen Umgebung, also vor allem im Kinderzimmer und am Bildschirm, aufwachsen. Der Dreck, den die Hunde in die Wohnung bringen und mit dem die Kinder bei gemeinsamen Abenteuern draußen in Berührung kommen, ist also gesund. Das gilt aber nur, wenn der Hund im Haushalt lebt. Der seltene Kontakt mit einem Vierbeiner bei Verwandten oder im Urlaub reicht dafür nicht aus. Kinder, die mit Hunden aufwachsen, haben auch ein geringeres Risiko für Asthma, wie Forscher berichten.59 Insgesamt sind Kinder im Volksschulalter, wenn sie einen Hund zu Hause haben, im Schnitt neun Tage pro Jahr weniger krank, berichtet die englische Wissenschaftlerin June McNicholas.60 Auch die Angst vor einer Hundehaarallergie ist unbegründet, erklärt sie: Wenn die Kinder von Anfang an mit einem Hund aufwachsen, ist ihr Risiko dafür nicht höher als bei Kindern, die keinen Kontakt zu Vierbeinern haben. Zwar könnten Tiere auch Krankheiten oder Parasiten, wie zum Beispiel Würmer, übertragen, aber durch vernünftige Hygienemaßnahmen kann man das Risiko einer Übertragung sehr gering halten. Regelmäßiges Händewaschen und Entwurmen der Vierbeiner sowie Kontrollbesuche beim Tierarzt verhindern, dass sie die Hunde und später die Kinder traktieren. »Insgesamt überwiegen die Vorteile klar«, so McNicholas.

HUNDE STREICHELN DIE KINDERPSYCHE

Fragt man Kinder, so sagen sie, dass Hunde einige Vorteile gegenüber Erwachsenen haben: Sie seien im Gegensatz zu diesen stets treu, anhänglich und immer für sie da.61 Man könne sich auf sie verlassen und werde von ihnen beschützt. Sie seien gute Zuhörer, hätten nie schlechte Laune, schimpften und widersprächen nicht, wie sie es von ihren Eltern, Freunden und Geschwistern gewohnt seien.

Für den Fall, dass sich jemand überlegt, ob ein weiteres Kind oder ein Hund besser zur Familie passen würde: Die Kinder hätten definitiv mehr Freude an einem Hund als an einem Geschwisterchen!62 Sie wissen oder spüren nämlich, dass die Hunde sie so lieben, wie sie sind, dass diese sie bedingungslos akzeptieren und sie nicht immerwährend bewerten und mit anderen vergleichen.63 Die Hunde unterscheiden im Gegensatz zu ihren Kindergarten- oder Schulkollegen nicht nach Erscheinungsbild, ethnischer Zugehörigkeit oder anderen äußeren Faktoren, wem sie ihre Aufmerksamkeit geben. Kinder haben dadurch nicht das Gefühl, dass sie irgendwelchen Normen oder ehrgeizigen Vorgaben gerecht werden müssen, damit die Hunde sie mögen, was bei ihren Eltern und Freunden oft anders ist. Sie müssen sich vor den Hunden nicht verstellen, und die Vierbeiner scheren sich auch überhaupt nicht um ihre Vergangenheit und darum, was andere über sie denken. Sie antworten unmittelbar und authentisch auf das Verhalten der Kinder, was Letzteren ein solides psychisches Fundament schenkt. Experten nennen dies »Grounding« oder »Erdung«.64 Hunde sind also eine akzeptierende, nicht urteilende, stabile Quelle unbedingter und teils grenzenloser Liebe. Dass die Kinder von den Fellfreunden vollkommen unabhängig von gesellschaftlichen Normen und Wertvollstellungen so akzeptiert werden, wie sie sind, ist ungemein wichtig für ihre emotionale Entwicklung. Sie erhalten dadurch ein lebenswichtiges gesundes Selbstvertrauen.