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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie ist Denise überall im Einsatz. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. »Wie lange bleibt Frau Beran bei uns?«, erkundigte sich Dominik bei seiner Mutti. Denise von Schoenecker schaute von ihrer Post auf. »Ein paar Tage, nehme ich an. Sie hat sich noch nicht entschieden. Natürlich habe ich sie eingeladen zu bleiben, solange sie will.« Nick zupfte nachdenklich an seiner Unterlippe. »Ich frage nur, weil Gunni mir anvertraut hat, dass es ihr bei uns sehr gut gefällt.« Denise dachte an Renas vierjährige Tochter. Ein liebes Mädchen. »Freut sie sich denn gar nicht auf die Reise nach Kanada?« »Ich glaube nicht. Meiner Meinung nach hat sie Angst davor.« Nick zögerte noch. Dann stellte er die Frage, die ihn so brennend interessierte. »Warum will Frau Beran für drei Monate nach Kanada reisen? Sie ist doch in Heidelberg verheiratet?« Denise von Schoenecker wurde sehr nachdenklich. Das war eine Frage, die auch sie beschäftigte. »Um ganz ehrlich zu sein, Nick, ich weiß es nicht.«
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Seitenzahl: 160
Veröffentlichungsjahr: 2021
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»Wie lange bleibt Frau Beran bei uns?«, erkundigte sich Dominik bei seiner Mutti.
Denise von Schoenecker schaute von ihrer Post auf. »Ein paar Tage, nehme ich an. Sie hat sich noch nicht entschieden. Natürlich habe ich sie eingeladen zu bleiben, solange sie will.«
Nick zupfte nachdenklich an seiner Unterlippe. »Ich frage nur, weil Gunni mir anvertraut hat, dass es ihr bei uns sehr gut gefällt.«
Denise dachte an Renas vierjährige Tochter. Ein liebes Mädchen. »Freut sie sich denn gar nicht auf die Reise nach Kanada?«
»Ich glaube nicht. Meiner Meinung nach hat sie Angst davor.« Nick zögerte noch. Dann stellte er die Frage, die ihn so brennend interessierte. »Warum will Frau Beran für drei Monate nach Kanada reisen? Sie ist doch in Heidelberg verheiratet?«
Denise von Schoenecker wurde sehr nachdenklich. Das war eine Frage, die auch sie beschäftigte. »Um ganz ehrlich zu sein, Nick, ich weiß es nicht.«
»Ich denke, Frau Beran ist eine alte Bekannte von dir, Mutti?«
»Ja, so ist es auch. Ich kenne Rena schon sehr lange. Deshalb hat mich ihr überraschender Besuch ja auch so gefreut. Aber irgend etwas in Renas Leben ist nicht in Ordnung. Diese geplante Reise zu ihrer Schwester nach Kanada kommt mir wie eine Flucht vor.«
Nick wandte sich zur Tür. »Ich will dich nicht länger stören. Du hast zu tun. Frau Beran wird sich ja sicher mit dir aussprechen.«
Unwillkürlich musste Denise lächeln. »Mit anderen Worten, du hoffst darauf, von mir bald Näheres zu erfahren.«
Der Junge wurde ein wenig verlegen. Die Neugierde war seine schwache Seite. »Ich würde niemals versuchen, dir ein Geheimnis zu entlocken«, verteidigte er sich.
»Ich weiß, Nick. Lass uns abwarten. Momentan weiß ich auch nur, dass Rena sich hier ein paar Tage erholen will.«
Nick verließ den Biedermeiersalon, und Denise vertiefte sich wieder in ihre Post.
*
Ein nebliger Herbstabend senkte sich über Sophienlust. Rena Beran kam von einem ausgedehnten Spaziergang zurück. Barri, der Bernhardiner, hatte sie begleitet. Die kleine Gunni hatte währenddessen mit den anderen Kindern im Musikpavillon gebastelt.
Rena liebte lange und einsame Spaziergänge. Sie holte sich darin neue Ausdauer und Geduld. Denn Geduld und Energie brauchte sie für das Leben an Axels Seite. Nach außen hin machten sie zwar den Eindruck eines glücklichen Paares. Doch wie sah es in Wirklichkeit aus?
Rena beschleunigte ihre Schritte. Sie hatte es auf einmal eilig, ins Haus zu kommen. Sie wollte mit Denise sprechen, wollte endlich einmal einem Menschen alles erzählen. Ich habe es satt, immer nur die glückliche Ehefrau spielen zu müssen, dachte die sonst so ruhige Frau aufbrausend. Ich bin nicht glücklich, und ich will auch nicht die scheinbar Glückliche spielen. Denise, meine alte Freundin, wird mich verstehen. Sie ist klug und lebenserfahren und kann mir vielleicht einen Rat geben.
Eine Viertelstunde später saß Rena Denise im Biedermeiersalon gegenüber. Mit dem Nebel war auch die Dunkelheit über Sophienlust hereingebrochen. Das Wetter war unwirtlich. Es war eben Herbst.
»Du hast dir die schlechteste Jahreszeit für deine Schiffsreise ausgesucht«, sagte Denise von Schoenecker zu der Freundin.
Rena zog fröstelnd die Schultern hoch. Sie schwieg.
»Ist dir kalt?«, erkundigte sich Denise besorgt.
»Nein, nein. Hier drinnen ist es ja warm. Das ist mehr ein innerliches Frösteln. Weißt du, Denise, eigentlich habe ich gar keine besonders große Lust zu dieser Reise«, gestand Rena.
Dachte ich es mir doch, überlegte Denise. Laut fragte sie: »Warum reist du dann, Rena? Es zwingt dich doch niemand dazu.«
»Doch!« Die Umstände zwingen mich dazu.« Mit einer resignierten Geste fuhr sich Rena über das flachsblonde Haar, das sie streng nach hinten gekämmt trug.
»Willst du dich aussprechen?«, fragte Denise leise.
Rena seufzte auf. »Ja, ich muss endlich einmal mit einem Menschen darüber sprechen.« Sie zündete sich eine Zigarette an und inhalierte den Rauch. »Meine Freunde und Bekannten in Heidelberg halten mich für eine glückliche Frau. Schließlich lebe ich als Frau des Bankdirektors Axel Beran in sehr guten Verhältnissen. Mein Mann sieht gut aus und ist rücksichtsvoll, kurzum der perfekte Ehemann. So scheint es jedenfalls.«
»Und wie sieht es in Wirklichkeit aus, Rena?«
»In Wirklichkeit leben wir nebeneinander, aber nicht miteinander. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Axel meine Existenz ganz und gar vergessen hat. Ihn interessiert nur seine Arbeit.«
Denise zögerte. Doch dann stellte sie die Frage, die sich in diesem Zusammenhang geradezu aufdrängte. »Glaubst du, dass eine andere Frau mit im Spiel ist?«
Rena schaute auf. Einen Moment lang spiegelte sich Überraschung in ihren großen, braunen Augen. »Mir ist nie etwas aufgefallen«, meinte sie dann gedehnt. »Natürlich habe ich auch schon daran gedacht. Aber eigentlich glaube ich das nicht. Axel hat ganz einfach das Interesse an mir und Gunni verloren. Ihn beschäftigt nur seine Bank, seine Arbeit und der Erfolg. Sonst nichts.«
»Er ist sehr erfolgreich?«, fragte Denise.
»O ja, das muss man ihm lassen!« Es klang fast bitter. »Er hat die Bank aus kleinsten Verhältnissen in die Höhe gebracht. Heute zählt er in Heidelberg zu den angesehensten Bankiers.«
»Bist du nicht auch ein ganz klein wenig stolz auf ihn?«, fragte Denise.
Rena schaute Denise an. Dann verlor sich ihr Blick. »Anfangs war ich es. Ich unterstützte seinen Ehrgeiz und versuchte ihn zu verstehen. Ich bin nicht egoistisch, aber ein bisschen Zeit für ein gemeinsames Privatleben muss ein Ehemann doch aufbringen können. Auch wenn er noch so erfolgreich ist. Wozu hat er sonst eine Familie gegründet?«
Denise spürte Renas verzweifelt fragenden Blick. Eine verfahrene Situation, dachte sie, in der man nur schwer einen Rat erteilen kann. »Hast du niemals versucht, dich mit deinem Mann auszusprechen?«
»Aber natürlich. Immer wieder.«
»Und wie hat er reagiert?«, wollte Denise wissen.
»Überhaupt nicht. Er hat diese Unterhaltungen gar nicht ernst genommen. Ich konnte nie bis zum Kern des Problems vordringen. Entweder hat er die Unterhaltung abgebrochen oder das Thema einfach abgebogen. Schließlich habe ich nicht mehr davon angefangen. Und das schien ihm nur recht zu sein.« Rena schwieg und trank einen Schluck Tee.
Auch Denise versank vorübergehend in nachdenkliches Schweigen. Sie wollte der Freundin so gern helfen. Aber wie? »Hast du dich aus diesem Grund zu der Reise nach Kanada entschlossen?«
»Ja. Meine Schwester hat mich und Gunni eingeladen.«
»Das sieht nach Flucht aus, Rena.«
Renas feine, ausdrucksvolle Züge hefteten sich auf die Freundin. »Es ist eine Flucht, Denise. Das einzige Mittel, mit dem ich Axel vielleicht noch wachrütteln kann.«
»Du bist fest zu dieser Reise entschlossen?«, warf Denise ein. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Renas Abwesenheit die Probleme dieser Ehe lösen würde.
»Ich bin fest entschlossen. Es ist ja auch schon alles vorbereitet. In vier Tagen fahren wir zurück nach Heidelberg. Gleich am nächsten Tag geht es weiter nach Hamburg.«
»So rasch schon?«, staunte Denise. »Eigentlich hatte ich gehofft, ihr würdet ein wenig länger in Sophienlust bleiben.«
Eine schlanke, feingliedrige Hand legte sich auf Denises Arm. »Ich würde ja auch gern bleiben«, sagte Rena. »Es gefällt mir hier. Ebenso Gunni. Aber die Schiffsreise ist gebucht.«
»Dann kann man nichts mehr ändern. Aber wenn ich noch in irgendeiner Weise etwas für dich tun kann, dann zögere nicht, mich darum zu bitten.«
»Ich bin dir schon dankbar für dein Verständnis, Denise. Es hat mir gutgetan, einmal mit einem vertrauten Menschen über meine Schwierigkeiten zu sprechen. Ob ich sie meistern kann, wird die Zukunft zeigen.«
Nach diesem Gespräch mit Denise ging Rena auf ihr Zimmer. Die Unterhaltung hatte sie aufgewühlt. Sie wollte vor dem Abendessen noch ein wenig mit ihren Gedanken allein sein.
Denise wollte nach Schoeneich zurückfahren und suchte Nick, denn es war nicht ratsam, ihn bei diesem ungesunden Nebel mit dem Fahrrad nachkommen zu lassen.
Denise hatte ihrem Mann versprochen, an diesem Tag ausnahmsweise einmal pünktlich zum Abendessen zurück zu sein. Gerade in letzter Zeit hatte sie sich intensiv um die Verwaltung von Sophienlust kümmern müssen. Dabei nahm ihr Frau Rennert in ihrer Eigenschaft als Heimleiterin stets den größten Teil aller Erledigungen ab. Trotzdem blieben noch genügend Fragen, deren Klärung sie der Heimleiterin nicht allein überlassen konnte. Dazu kamen dann noch die großen und kleinen Nöte der Kinder, die oft genug nur von ihrer Tante Isi getröstet werden wollten.
»Tante Isi! Tante Isi!« In diesem Moment war es Gunni, die Denise nachlief.
Denise von Schoenecker wandte sich zu Renas vierjähriger Tochter um. Es war verblüffend, wie sehr Gunni ihrer Mutter ähnelte. Sie hatte das gleiche flachsblonde Haar, die gleiche zarte helle Haut. Sogar in den großen dunkelbraunen Augen glaubte Denise Renas wehmütigen Blick wiederzuerkennen.
»Schau mal mein Kätzchen an, Tante Isi.« Die Kleine hielt ihr ein junges, schneeweißes Kätzchen entgegen.
Denise bückte sich und streichelte das niedliche Tierchen. »Wie heißt es denn?«
»Kinki!«
Kinki miaute zustimmend. Denise musste lächeln. »Süß ist deine Kinki. Sie gehört doch dir?«
Gunni nickte ernst. »Mir ganz allein. Meine Mutti hat sie mir geschenkt. Ich darf sie überall hin mitnehmen.«
»Auch mit auf die große Reise?«
»Freilich. Ich muss Kinki doch meiner Tante zeigen.«
»Freust du dich denn auf die Reise?«, erkundigte sich Denise vorsichtig.
Prompt verdunkelte sich Gunnis Blick. »Ich weiß nicht. Es ist so weit, und vielleicht … vielleicht geht das Schiff unter.«
»Aber Gunnilein, davor brauchst du dich doch nicht zu fürchten.« Tröstend nahm Denise die Kleine in die Arme. »Es ist doch ein ganz großes Schiff. Solche Schiffe gehen nicht unter.«
»Niemals?«
»Niemals«, log Denise. Dabei hatte sie einen Moment lang selbst ein ungutes Gefühl. Aber natürlich durfte sie das dem Kind nicht zeigen.
Doch Gunni schmiegte sich noch enger an sie. »Ich möchte lieber hierbleiben. Bei dir und den Kindern. Warum mag meine Mutti nicht hierbleiben? Gefällt es ihr nicht?«
»Ganz bestimmt gefällt es deiner Mutti in Sophienlust. Aber ihr wollt doch auch deine Tante in Kanada besuchen. Ihr habt es ihr versprochen«, erinnerte Denise das Kind.
Gunni wurde nachdenklich. Die Tante, die sie so lange nicht gesehen hatte, interessierte sie natürlich schon. Schließlich nickte sie. »Aber wenn wir von Kanada zurückkommen, besuche ich dich wieder. Darf ich?«
»Aber natürlich darfst du. Wir freuen uns alle sehr darauf.«
In der Zwischenzeit war auch Nick aufgetaucht. Er hatte den Rest der Unterhaltung mitgehört. Ihm folgte die kleine Heidi, die Gunni sofort bei der Hand nahm und in den Speisesaal führte.
Denise und Nick schauten den beiden kleinen Mädchen nach. »Du hast recht, Nick. Gunni fühlt sich hier wirklich ausgesprochen wohl.«
Da kam Gunni zurückgesprungen.
»Meine Kinki!«
Erst jetzt fiel Denise auf, dass sie immer noch Gunnis Kätzchen auf dem Arm hielt. Das süße weiße Knäuel hatte es sich in ihrer Armbeuge bequem gemacht und schnurrte wohlig im Schlaf.
»Sie mag dich wohl auch?«, fragte Gunni mit großen Augen.
»Ein bisschen schon«, entgegnete Denise schmunzelnd. »Aber am meisten mag sie wohl dich.«
Zufrieden nahm Gunni das Kätzchen in Empfang. »Auf Wiedersehen, Tante Isi! Kinki und ich gehen mit Heidi zum Essen.«
»Auf Wiedersehen, Gunni«, antworteten Denise und Nick. Dann drängte Denise zur Rückfahrt. »Wir müssen uns beeilen.«
»Hast du Vati versprochen, pünktlich zum Abendessen in Schoeneich zu sein?« Nick blinzelte seiner Mutti zu.
»Habe ich, und deswegen werden wir jetzt sofort abfahren.« Sie blickte sich suchend um. »Wo ist dein Bruder?«
»Henrik ist schon am Nachmittag zurückgeradelt. Er hatte ein schlechtes Gewissen wegen seiner Hausaufgaben.«
*
Beim Abendessen auf Gut Schoeneich wurde noch einmal über Rena gesprochen. Denise schilderte ihr Gespräch mit der Freundin. Doch nachdem die Kinder mit am Tisch saßen, fasste sie sich kurz.
Alexander von Schoenecker begriff auch so, worum es in dieser brüchigen Ehe ging. »Ich verstehe das nicht«, meinte er kopfschüttelnd. »Frau Beran ist doch nicht das, was man ein Hausmütterchen nennt.«
»Rena ist kein bisschen langweilig«, ereiferte sich Denise sofort.
»Nein, das glaube ich auch nicht. Obwohl sie einen sehr ruhigen und zurückhaltenden Eindruck macht. In manchen Momenten wirkt sie sogar fast scheu«, überlegte Alexander laut.
Nick hörte aufmerksam zu. Auch er hatte sich so seine Gedanken über Rena Beran gemacht. Mit seinen fünfzehn Jahren dachte er ja in mancher Hinsicht schon sehr erwachsen.
»Rena hat eine sehr feine und stille Art«, charakterisierte Denise die Freundin nun treffend. »Aber ihre bescheidene Art täuscht viele Menschen. Sie halten sie für unsicher. Das stimmt jedoch nicht. Sie ist ausgesprochen belesen und sehr gebildet. Nebenbei bemerkt, spricht sie perfekt Englisch und Französisch.«
»Ihr Mann kann sich also gesellschaftlich ohne weiteres mit ihr sehen lassen?«, folgerte Alexander.
»Er könnte mit ihr sogar Staat machen, wie man so schön sagt.«
»Mit dieser Schönheit bestimmt«, mischte sich Nick in das Gespräch ein.
Denise und Alexander blickten einander an und mussten lachen.
»Sieh an, unser Sohn weiß schon ganz genau, was weibliche Schönheit ist«, neckte Alexander seinen Stiefsohn, den er eigentlich längst als eigenen Sohn betrachtete.
Nick wurde rot. »Dass Frau Beran gut aussieht, ist doch eine Tatsache«, verteidigte er sich.
»Da hast du recht«, pflichtete Denise ihrem Sohn bei. »Rena sieht sogar sehr gut aus. Ich möchte sagen, sie ist eine Schönheit.«
»Dann verstehe ich das Verhalten ihres Mannes nicht. Seine Frau ist schön, gebildet und offensichtlich charakterstark. Mehr kann sich ein Mann doch wirklich nicht wünschen. Alexander schaute dabei seine eigene Frau zärtlich an und fand, dass auch sie all diese Eigenschaften besaß.
»Und über Gunni sagt ihr gar nichts?«, beschwerte sich nun der kleine Henrik. »Gunni ist doch auch hübsch.«
Jetzt war es Nick, der lachen musste. »Mein Bruder fängt ja schon früh an, sich als Herzensbrecher zu üben. Momentan ist es Gunni. Wer war es denn neulich, den du verehrt hast, Henrik?«
Der Jüngere schnitt dem Älteren eine Grimasse.
»Keinen Streit, bitte«, erstickte Alexander die Auseinandersetzung rasch im Keim.
Das Gespräch nahm damit eine andere Richtung an. Rena und ihre Tochter Gunni wurden an diesem Abend nicht mehr erwähnt.
*
Bereits vier Tage später nahmen Rena und ihre Tochter Abschied von Sophienlust. Die Trennung schmerzte auf beiden Seiten.
Es war früher Morgen. Gunni stand neben dem roten Bus, der die Kinder zur Schule bringen sollte. Sie hatte jedem Kind schon die Hand gedrückt und fast ein jedes umarmt.
Auch Rena hatte den Kindern schon Lebewohl gesagt. Sie verabschiedete sich gerade von Denise. Dieses Adieusagen fiel ihr besonders schwer. »Du warst mir eine tröstliche Hilfe«, sagte sie zu der Freundin.
»Leider konnte ich nicht viel für dich tun«, bedauerte Denise.
»Du hast mehr getan, als du glaubst«, erklärte Rena gedankenvoll. »Ich melde mich aus Kanada, und sobald ich zurück bin, besuche ich euch wieder.«
»Wie schon gesagt, du bist herzlich eingeladen. Natürlich auch dein Mann und deine Tochter.«
Denise schloss die Freundin ein letztes Mal in die Arme. Dann stieg Rena in das bereitstehende Auto. Der Chauffeur sollte sie und Gunni zum Bahnhof bringen.
Gunni konnte sich noch immer nicht von dem Schulbus trennen. Die schulpflichtigen Kinder waren bereits eingestiegen, die anderen umringten die Kleine. Gunni konnte die Tränen jetzt nicht mehr zurückhalten. Immer wieder schmiegte sie die feuchten Wangen in das weiche Fell ihres Kätzchens.
Die fast gleichaltrige Heidi ergriff Gunnis Hände. »Wir sehen uns doch wieder, Gunnilein.« Spontan drückte sie der unglücklichen Gunni einen Kuss auf den Mund. »Und wenn du wiederkommst, musst du uns erzählen, wie es war. Ja?«
Gunni nickte. Das wollte sie tun. Sie wollte die Kinder von Sophienlust besuchen und ihnen alles erzählen. Dieser kleine Trost milderte ihren Abschiedsschmerz.
Schließlich rief Rena nach Gunni. »Wir müssen losfahren, sonst erreichen wir unseren Zug nicht mehr!«
Gunni stieg ein und winkte zurück, solange sie konnte. Als der Personenwagen den roten Schulbus überholte, schnellten unzählige Kinderarme an den Scheiben hoch. »Schau, wie sie uns alle liebhaben, Mutti«, schnüffelte Gunni.
Rena schluckte gerührt und winkte eifrig. Die spontane Zuneigung dieser Kinder berührte sie auf seltsame Weise.
*
Bankdirektor Axel Beran hatte seine Frau und seine Tochter nach Hamburg zum Schiff gebracht. Mit der ihm eigenen Selbstsicherheit hatte er Rena alle kleinen Erledigungen abgenommen, die bei einer Einschiffung anfielen. Sie hatte sich um nichts zu kümmern brauchen.
Nach außen hin war Axel der perfekte Gatte. Rena erkannte an den Blicken aller Menschen, mit denen sie zu tun hatten, was sie über ihren Mann dachten. Besorgt kümmerte er sich um seine Familie. Dabei rief sein selbstsicheres Auftreten geradezu Bewunderung hervor.
Nur Rena, die ihren Mann sehr gut kannte, bemerkte die kleinen Zeichen der Ungeduld in seinem Verhalten. Mit seinen Gedanken war er schon wieder in seiner Bank in Heidelberg.
Gunni kam zu ihrer Mutti gelaufen. »Da drüben steht ein Mädchen. Es hat gefragt, ob mein Papi mein Papi ist.«
Rena verstand sofort, was Gunni meinte.
»Und warum wollte sie das wissen?«
»Sie hat gesagt, ich habe einen ganz tollen Papi. Warum hat sie das gesagt, Mutti? Haben wir einen tollen Papi?«
Rena musste lächeln. Aber es war ein wehmütiges Lächeln. Abschiedsschmerz mischte sich hinein und die Erkenntnis darüber, dass sie sogar von Fremden um einen Mann wie Axel beneidet wurde.
»Ja, Gunni, wir haben einen tollen Papi«, antwortete sie. Selbstverständlich konnte das Kind ihre Sorgen noch nicht begreifen.
Natürlich war Axel ein gut aussehender Mann. Sein Auftreten und sein Aussehen hoben ihn weit über den Durchschnitt hinaus. Schon rein äußerlich fiel er durch seine Größe und seine sportliche Figur auf. Unsicherheit kannte er nicht. Es gab keine Situation, die er nicht meisterte. Man sah ihm den modernen Manager, der Karriere macht, schon von weitem an. Und dann sein Lächeln! In dieses Lächeln hatte Rena sich zuerst verliebt. Sie liebte es auch jetzt noch. Es drückte so vieles aus. Vor allem aber Zärtlichkeit. Sogar dann noch, wenn er schon nicht mehr bereit war, zärtlich zu sein. Aber er verstand es, in einer Art zu lächeln, die den Himmel auf Erden versprach.
Auch als er jetzt Renas Kabine betrat, lag dieses Lächeln auf seinen Zügen. »Ich glaube, ich habe alles getan, was ich tun konnte«, meinte er. »Ihr seid gut untergebracht, und alle Formalitäten sind erledigt.«
Rena spürte instinktiv, dass er sich schon verabschieden wollte. »Bis wir endgültig auslaufen, vergehen noch gut drei Stunden«, erinnerte sie ihn.
»Ich weiß. Aber so lange kann ich nicht bleiben.« Nun war offene Ungeduld aus seiner Stimme herauszuhören.
Rena schluckte die Enttäuschung tapfer hinunter. »Das musst du ja auch nicht«, lenkte sie ein. Sie wollte diese letzten Minuten nicht durch einen Streit überschatten.
»Ich muss auf dem schnellsten Weg zurück nach Heidelberg. Rein geschäftlich gesehen bedeutet diese Fahrt nach Hamburg für mich ohnehin schon einen Verlust.«
Rena wandte sich ab. ›Rein geschäftlich gesehen‹, hatte er gesagt. »Musst du alles nur vom geschäftlichen Standpunkt aus sehen?«, fragte sie und bemühte sich ernsthaft, ihre Stimme nicht bitter oder anklagend klingen zu lassen.
Seine stahlgrauen Augen hefteten sich nur flüchtig auf Rena. Dann nahm er seine Wanderung durch die Erste-Klasse-Kabine wieder auf. »Du weißt, dass ich dieser Einstellung meinen Erfolg verdanke«, erinnerte er leicht tadelnd.
»Natürlich! Ich bin ja auch stolz auf dich, Axel.« Rena kam zu ihm und lehnte sich leicht an ihn. Sie verlangte nur noch ein paar letzte zärtliche Minuten vor dieser langen Trennung. Nur ein paar Augenblicke, die ihr zeigten, dass ihm noch etwas an ihr lag. »Gib mir noch zehn Minuten«, bat sie. »Dann begleite ich dich hinauf an Deck.«
»Keine Begleitung. Ich möchte mich hier von dir verabschieden, Liebes.« Er sprach das Kosewort so aus, wie er auch den Namen eines Angestellten genannt hätte. Ohne Wärme. Trotzdem war Rena glücklich, dass er sich in der Kabine verabschieden wollte. Das schloss alle neugierigen Zuschauer aus.