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Drei, zwei, eins - an die Schüsseln! Deutscher Streuselkuchen, französische Èclairs oder britische Scones - in der kanadischen TV-Show 'Bake your Cake' laufen die Öfen heiß. Wer kann die kritische Jury mit seinen Kreationen aus Mehl, Eiern, Butter und Zucker überzeugen? Linn Sommer muss einen kühlen Kopf bewahren, denn sie vertritt ihren Chef bei dem Backwettbewerb und kämpft mit den anderen Teilnehmern um den Hauptpreis. Doch als die Assistentin des Produzenten erschlagen am Set liegt, hat Linn mehr zu befürchten als verbranntes Karamell und Hefeteig, der nicht aufgehen will. Ein Mörder läuft frei herum, und Linn ist entschlossener denn je, das Verbrechen aufzuklären ...
Über die Serie:
Nach einer gescheiterten Ehe ist Linn Sommer froh, in Kanada einen Neuanfang wagen zu können. Die waschechte Norddeutsche mit einer Schwäche für Stepptanz, Fahrradfahren und attraktive Männer verschlägt es in das idyllische Städtchen Kitchener. Dort findet sie einen Job in der deutschen Bäckerei Hansel & Pretzel. Alles scheint perfekt - bis Linn hinter der Bäckerei eine Leiche findet! Sie beschließt, auf eigene Faust zu ermitteln. Und das nicht nur, weil der zuständige Inspektor unwiderstehlich charmant ist.
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Seitenzahl: 287
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Grußwort des Verlags
Über diese Folge
Hansel & Pretzel - Die Serie
Die Protagonisten
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Rezept
Apfelstreuselschnitten
Danksagung
In der nächsten Folge
Über die Autorin
Impressum
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Drei, zwei, eins – an die Schüsseln! Deutscher Streuselkuchen, französische Èclairs oder britische Scones – in der kanadischen TV-Show 'Bake your Cake' laufen die Öfen heiß. Wer kann die kritische Jury mit seinen Kreationen aus Mehl, Eiern, Butter und Zucker überzeugen? Linn Sommer muss einen kühlen Kopf bewahren, denn sie vertritt ihren Chef bei dem Backwettbewerb und kämpft mit den anderen Teilnehmern um den Hauptpreis. Doch als die Assistentin des Produzenten erschlagen am Set liegt, hat Linn mehr zu befürchten als verbranntes Karamell und Hefeteig, der nicht aufgehen will. Ein Mörder läuft frei herum, und Linn ist entschlossener denn je, das Verbrechen aufzuklären ...
Nach einer gescheiterten Ehe ist Linn Sommer froh, in Kanada einen Neuanfang wagen zu können. Die waschechte Norddeutsche mit einer Schwäche für Stepptanz, Fahrradfahren und attraktive Männer verschlägt es in das idyllische Städtchen Kitchener. Dort findet sie einen Job in der deutschen Bäckerei Hansel & Pretzel. Alles scheint perfekt – bis Linn hinter der Bäckerei eine Leiche findet! Sie beschließt, auf eigene Faust zu ermitteln. Und das nicht nur, weil der zuständige Inspektor unwiderstehlich charmant ist.
Sieglinde (Linn) Sommer, deutsche Teeliebhaberin, die sich nach einer Trennung ein neues Leben in Kanada aufbaut und dabei begeistert in Mordfällen ermittelt
Bas van de Groot, Polizeiinspektor, der Linns Einmischung einerseits nicht leiden kann, aber andererseits sie auch für ihre Menschenkenntnis bewundert
Kamryn Bellamy, Reporterin mit einem schier unermüdlichen Schatz an eigenwilligen, schottischen Redewendungen und Linns beste Freundin
Mackenzie (Mac) Snyder, Linns Gothic-Mitbewohnerin mit einer Vorliebe für laute Musik, Computergenie, stammt aus einer mennonitischen Familie
Igor Medwedew, Linns Mitbewohner, Fitnesscoach und angehender Koch, verwöhnt die WG regelmäßig mit seinen Kochkünsten
Bryan Evans, Linns Vermieter und Makler, der immer um ein friedliches Zusammenleben in der WG bedacht ist
Kyle Anderson, Linns Mitbewohner, Locationscout beim Fernsehen, dessen reizvolle Grübchen Linn häufig verwirren
Marianne und Rainer Brunhuber, Hansel & Pretzel-Besitzer, die Linn wie eine eigene Tochter ins Herz schließen
»Du willst was?« Mein Mitbewohner Igor griff nach dem Besen in der Küchenecke und klopfte damit an die Decke. Sofort verstummte die laute Musik.
»Eine Charlotte backen.« Ich wedelte mit einem Papier. »Rainer hat mir das Rezept mitgegeben.«
Igor hatte vor einigen Wochen seine Kochausbildung am Culinary College beendet und war derjenige in meiner Wohngemeinschaft, der mir am ehesten mit Rat und Tat in der Küche zur Seite stehen konnte.
»Du solltest mit was Leichterem anfangen.«
»Geht nicht. Eine Charlotte ist das Thema der nächsten Folge von ‚Bake your Cake‘.«
»‚Bake your Cake‘?«
»Die Fernseh-Backshow, an der Rainer seit Montag teilnimmt.«
»Ich soll deinem Chef beim Backen helfen?«
»Nein, du sollst mir helfen.«
»Was ist los?« Mac, unsere Mitbewohnerin, die mit ihrer Musik gern jeden Winkel unseres viktorianischen Hauses beschallte, war die Treppe heruntergekommen und lehnte sich an den Türrahmen.
»Ich muss einen Kuchen backen. Im Fernsehen. Anstelle von Rainer«, erklärte ich.
»Du willst einen Kuchen backen?« Mac kicherte.
»Wieso kaufst du nicht einen?«, mischte sich unser Vermieter Bryan ein, der jetzt hinter Mac aufgetaucht war.
Ich deutete auf den Fußboden. »Ist hier eine Ameisenstraße? Hab ich eine Duftspur gelegt? Kaum unterhalte ich mich mit Igor, kommt ihr alle angelaufen.«
»Ich hab nur gehört, wie Mac von Kuchen gesprochen hat«, verteidigte sich Bryan.
»Und ich bin nur hier, weil Igor mit dem Besen gewummert hat.« Mac ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken. »Also erzähl.«
»Da gibt es nicht viel zu sagen. Mit seinem gebrochenen Bein kann Rainer nicht mehr bei ‚Bake your Cake‘ teilnehmen. Daher haben er und Marianne beschlossen, dass ich ihn vertreten soll.«
»Das ist ja toll.« Bryan zog sein Jackett aus und öffnete seinen obersten Hemdknopf. Als Makler legte er viel Wert darauf, immer gut gekleidet zu sein, doch zu Hause hatte er es gern lässiger.
»Warum geht Marianne nicht an Rainers Stelle hin?« Igor überflog das Rezept.
Bevor ich antworten konnte, schaltete Mac sich ein. »Linn ist groß, blond und schlank. Das Idealbild einer Deutschen. Perfekt fürs Fernsehen.«
»Schön, von einer anderen Frau aufs Äußere reduziert zu werden.«
»Aber es stimmt schon«, gab Bryan zu. »Das wird sicher gut.«
»Sie soll eine Charlotte backen, das kann nicht gut gehen«, brummte Igor.
»Danke auch.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
»Rainer wird sich noch ärgern, wenn Linn erst mal alle Juroren mit ihrem Kuchen vergiftet hat«, scherzte Mac.
»Jetzt hört schon auf«, bat Bryan. Wie immer war unser Vermieter um ein harmonisches Zusammenleben bemüht. »Linn wird ihr Bestes geben, dessen bin ich mir sicher. Wo wird die Show gedreht? In Toronto?«
»Nein, bei Bingemans.« Die Familie Bingemans betrieb im Sommer einen Wasserpark und hatte hinter dem Schwimmbad diverse Hallen, die sie das ganze Jahr für Messen und Firmenevents vermietete.
»Ich kann dich morgen früh hinfahren, wenn du willst«, bot Bryan an.
»Das wäre super, denn außerhalb der Badesaison ist die Busverbindung dahin richtig schlecht.«
»Es wird Zeit, dass du dir ein Auto kaufst.« Mac sah mich auffordernd an.
»Du hast auch keins«, gab ich zurück.
»Ich kann ja auch zu Fuß zur Arbeit gehen.«
»Ich normalerweise auch.« Ich wandte mich an Igor. »Kannst du mir bitte bei dem Rezept helfen?«
»Nur, wenn du meine Ratschläge auch wirklich annimmst.«
»Versprochen.«
»Den hast du gebacken?« Mein Freund Bas nickte anerkennend. »Respekt.«
»Igor meinte, ich müsse die Biskuitrolle gleichmäßiger rollen, damit ich beim Wettbewerb eine Chance hab.« Ich stellte den Teller mit dem Stück Kuchen auf den Couchtisch.
Bas zog mich zu sich aufs Sofa. »Ich finde, er sieht gut aus.«
Ich küsste ihn, machte es mir neben ihm gemütlich und wuschelte ihm durch die blonden Haare. Sie waren länger als normalerweise, sodass er Matthew McConaughey immer mehr ähnelte.
»Wirst du lauter so quietschbunte, verzierte Cupcakes machen?«
»Nein. ‚Bake your Cake‘ ist nicht eine von diesen Backshows, wo es darum geht, die spektakulärste, höchste Torte zu backen. Sie wollen eher traditionelle Backwaren der Einwanderer zeigen. Weniger grellbunt, mehr authentisch.«
»Wann kann ich dich denn im Fernsehen bewundern?«
»Die Show soll im Mai ausgestrahlt werden.«
»Bist du aufgeregt?«
»Total. Aber ich freu mich auch. Ist eine tolle Abwechslung zu meinem Job.«
Bas sah mich forschend an. »Ich wusste nicht, dass du bei Hansel & Pretzel unglücklich bist.«
»Bin ich auch nicht. Es ist nur ... so eintönig. Halt wenig aufregend. Spannend ist es eigentlich nur, wenn ich dir bei deinen Fällen helfen kann.« Kaum hatte ich es ausgesprochen, bemerkte ich meinen Fehler.
Bas’ stahlblaue Augen verdunkelten sich. Kurz nachdem ich nach Kitchener gezogen war, hatte ich die Leiche einer Stadträtin hinter der Bäckerei gefunden. Bas hatte in dem Fall als Polizeiinspektor ermittelt. Seitdem war ich ab und zu in seine Fälle verwickelt gewesen. Sehr zu seinem Missfallen, denn er hasste meine „Rumschnüffeleien“, wie er es nannte. Ich dagegen liebte es, mich mit Menschen zu unterhalten, ihnen alles Mögliche aus der Nase zu kitzeln und dann Theorien mit Kamryn und Mac aufzustellen.
Bas stellte den Kuchenteller zurück auf den Tisch. Ich wollte unseren gemeinsamen Abend nicht weiter vermiesen. Ich kuschelte mich dicht an ihn.
»Wer weiß, vielleicht ist ja die Fernsehwelt was für mich«, sagte ich schnell, bevor er etwas sagen konnte.
»Das wäre zumindest ein sicherer Ort. Keiner, wo ich mir ständig Sorgen um dich machen müsste.«
»Das sind ganz schön viele.« Ich konnte meinen Blick nicht von den zahlreichen Kameras lösen, die entweder auf Schienen montiert waren oder von einem Gerüst hingen.
»Jeder Teilnehmer wird die ganze Zeit von einer dieser Kameras gefilmt. Zusätzlich filmen fünf Kameraleute mit Handkameras. Zum Beispiel, wenn jemand den Ofen öffnet«, erklärte Eric McBride, der Aufnahmeleiter.
Der sogenannte Ballsaal von Bingemans wirkte wie ein überfülltes Technikwarenlager: Überall verliefen dicke Kabel, die mit Klebeband auf dem Boden befestigt waren. Dazu kamen Rohrleitungen, die von und zu den Küchenzeilen liefen. In den Gängen dazwischen lagen erhöhte Holzplatten, sodass niemand über Kabel oder Leitungen stolpern konnte. Alles wirkte improvisiert und dennoch durchdacht.
Ich schnupperte. »Wird schon was gebacken?«
»Um zu gewährleisten, dass alle Geräte funktionieren, wird jeden Morgen in jedem Ofen ein Biskuitboden gebacken.«
In zwei Reihen standen jeweils fünf Küchenzeilen hintereinander vor der Bühne. Sie waren abwechselnd in Blau und Orange eingerichtet. Jede Station sah identisch aus: strahlende Spülbecken, Herde mit Backöfen, Mikrowellen und großflächige Arbeitsplatten. Darüber hinaus war jede Küchenzeile mit brandneu aussehenden, umfangreichen Backutensilien ausgestattet: Backschüsseln, Löffel, Teigschaber, Küchenmaschine, Formen, Bleche, Messer etc. Alles entweder in Blau oder Orange.
»Wer backt die Kuchen, und was macht ihr damit?«
»Die Runner wechseln sich mit dem Backen ab. Zwei kommen immer früher, um den Ofentest durchzuführen. Einer von ihnen bringt die Böden dann anschließend zu einer Spendentafel.«
»Die Runner?«
»Sie räumen das schmutzige Geschirr weg, kümmern sich darum, dass ihr immer saubere Schüsseln habt, reinigen später die Backplätze, sie erledigen viel.«
»Ich muss meine Schüssel nicht selbst abwaschen?«
Eric lachte. »Da du mehr als eine Schüssel pro Tag brauchen wirst, würde das viel zu lange mit dem Abwasch dauern. Wenn du die Küchenmaschine benutzt«, erklärte er dann weiter, »immer alles in Glasschüsseln füllen, dann kann die Kamera beim Rühren besser filmen. Wenn du mit der Hand rührst, nimm eine Keramikschüssel, denn da schaut dir der Kameramann ohnehin direkt über die Schulter, und dann macht sich Keramik besser im Bild.«
Ich nickte. »Verstehe.«
»Normales Mehl und Zucker stehen an jeder Backstation. Alles andere dort.« Eric zeigte auf unzählige Regale und fünf Kühlschränke, die hinter den letzten beiden Küchenzeilen standen. »Links das Geschirr, in der Mitte weitere Zutaten, rechts die frischen Sachen in den Kühlschränken.«
»Was mache ich, wenn ich eine Zutat nicht finden kann?«
»Wenn tatsächlich mal etwas fehlen sollte, haben wir einen Runner bei einem Supermarkt in Bereitschaft. Ein Anruf, und er bringt es in weniger als zehn Minuten her.«
»Bei sieben Teilnehmern reichen drei Kühlschränke«, ertönte eine herrisch klingende Stimme.
Eric verengte die Augen, bevor er sich zu der Frau umdrehte, die hinter uns aufgetaucht war.
»Ashley«, stieß er hervor. »Was willst du hier?«
»Euch bei der Arbeit unterstützen.«
»Danke, unser Bedarf an Cheerleadern ist gedeckt.«
Ashley fuhr sich durch ihre kinnlange Lockenmähne. »Du kennst doch Oscar, den alten Geizhals. Ich schaue, ob wir irgendwo Geld sparen können. Und ich denke, drei Kühlschränke sind genug.«
»Die Finanzen sind mit Oscar geklärt. Du kannst hier nicht einfach reinplatzen un...«
»Doch, kann ich.« Ashley nickte mir zu. »Bist du der Ersatz für den Deutschen, der sich das Bein gebrochen hat?«
»Ja, ich bin Linn Sommer.«
»Ashley Russe, Oscars Assistentin.«
»Oscar?«
»Der Produzent der Show.«
»Wann verschwindest du wieder?« Eric trommelte ungeduldig mit einem Stift auf seinem Klemmbrett.
»Wenn du deinen Job erledigst.«
»Bin dabei. Also, tschüss.«
»Ich bleibe den ganzen Tag.«
Eric stöhnte. »Hast du nichts Wichtigeres im Büro zu tun? Akten sortieren und Kaffeebecher auswaschen?«
»Deine Freude, mich zu sehen, ist ansteckend. Wann kapierst du endlich, dass ich nur helfen will?«
»Wann kapierst du endlich, dass Filmleute es hassen, wenn ein Spion aus dem Produzentenbüro am Set auftaucht?«
»Wenn es nicht gut läuft, muss halt mal jemand ein Auge darauf werfen.« Ashley warf ihre Haare zurück. »Keine Sorge, ich werde euch unterstütz...«
»Wenn du dich nützlich machen willst, dann führ Linn herum.« Eric machte auf dem Absatz kehrt und ging zu den Kameramännern.
Ashley winkte sofort einen Mann in einem Arbeitsoverall herbei. »Die linken beiden Kühlschranke können weg.«
»Da sind Butter, Eier und Milch drin.«
»Räum es in die anderen Kühlschränke um.«
»Das könnte eng werden. Ich weiß nicht, ob Eric ...«
»Das ist mit ihm abgesprochen.«
Der Arbeiter hob die Schultern. »Von mir aus.«
»Wieso eigentlich sieben?«, fragte ich. »Ich dachte, bisher sind nur zwei von zehn Teilnehmern ausgeschieden.«
»Die Gruppe der First Nations hat sich gegen eine Teilnahme entschieden.«
»Das wusste ich gar nicht. Warum?«
»Sie fühlen sich nicht als Bewohner mit Migrationshintergrund.« Ashley verdrehte die Augen.
»Was auch verständlich ist, denn die First Nations waren ja tatsächlich schon vor den Einwanderern hier. Sie sind also keine Migranten und wollen daher nicht mit uns in einen Topf geworfen werden.« Eine dunkelhäutige Frau mit Rastalocken war neben uns stehen geblieben. Aus ihrer Gürteltasche ragten eine Fusselbürste, ein Kamm und eine Haarspraydose.
»Imani.« Ashley musterte sie kurz. Mir schien, die zwei Frauen konnten sich nicht allzu gut leiden. »Der Wettbewerb ist für die zehn größten Gruppen der Region mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund. Egal, wer wann gekommen ist. Aber die Ureinwohner müssen halt wieder einen Heidenzauber machen.« Sie schnaubte. »Ich bin überrascht, dass sie nicht vor der Halle sitzen und protestieren.«
»Ein medienwirksamer Protest ist häufig das beste Mittel, um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung zu erregen.« Die Frau namens Imani ließ nicht locker.
»Bei all den Protesten, die heutzutage in der Welt rumgeistern, hört doch sowieso keiner mehr hin. Ständig jammert jemand rum.« Ashley setzte eine schmollende Miene auf und fuhr mit weinerlicher Stimme fort: »Black lives matter, Hashtag MeToo, indigene Bevölkerung, gleiche Rechte für Schwule, Lesben und die, die sich nicht entscheiden können, wofür ihr Penis steht ...«
Die dunkelhäutige Frau zog die Augenbrauen zusammen. »Mobbing ist hier nicht erwünscht.«
»Zuständig für solche Beschwerden ist die Assistentin des Produzenten.« Ashley öffnete den Mund zu einem großen O und legte einen Finger an die Unterlippe. »Das bin ja ich.«
»Deshalb glaubst du, du kannst dir alles erlauben?« Imani blickte sie wütend an. »Weil du Oscar den Rücken frei hältst?«
»Das bringt mich weiter, als anderen Leuten mit der Puderquaste über glänzende Nasen zu fahren.«
Imani ging einen Schritt auf Ashley zu. »Du kannst deiner Karriere schon mal Auf Nimmerwiedersehen sagen.«
»Ach ja?« Ashley funkelte Imani an.
»Hallihallo, ein neues Gesicht?« Ein hochgewachsener Mann, der mich mit seinem Strahlemannlächeln und den langen blonden Haaren an einen kalifornischen Surfer erinnerte, gesellte sich zu unserer Gruppe. »Ich bin Joost Jansen, Team Holland.«
Ich wollte ihm gerade antworten, als ich bemerkte, dass er nicht mich, sondern Ashley anstrahlte. Diese streckte ihren Rücken durch und ihre Brust nach vorn.
»Ashley, aber du kannst mich Ash nennen.« Sie hakte sich bei ihm unter und zog ihn zu einer Gruppe mit Sitzwürfeln, die rechts neben der Bühne standen.
Imani und ich starrten den beiden hinterher.
»Linn Sommer, ich vertrete Rainer«, stellte ich mich vor.
»Imani. Ich arbeite in der Maske. Wie geht es Rainer?«
»Geht so. Am meisten leidet er darunter, dass ihn der Arzt zum Stillsitzen verdonnert hat.«
Imani lachte. »Kann ich mir vorstellen. Aber schön, dass du für ihn einspringst. Ich liebe deutsche Backwaren.«
»Ich bin kein Profi wie er. Ich hab bisher nur seinen Kuchen verkauft.«
»Keine Sorge, das klappt schon. Wir helfen dir, so gut wir können. Wir sind eine prima Truppe.« Sie warf einen finsteren Blick auf Ashley, die sich laut über etwas amüsierte, was Joost ihr ins Ohr geflüstert hatte. »Mit ihrer Ausnahme.«
»Sie sollte mir eine Einweisung geben.«
»Ich kann dir deine Station zeigen, wenn du willst.«
Gemeinsam gingen wir auf eine blaue Küchenzeile zu. Je näher wir kamen, desto wärmer wurde mir. Ich öffnete meine Strickjacke.
»Warte ab, bis alle Scheinwerfer eingeschaltet sind.« Imani deutete an die Decke, an der unzählige, klobige Leuchter angebracht waren. »Dann wird es noch heißer.«
»Es gibt von allem so viel: Kameras, Scheinwerfer, Mikrofone, Menschen. Ich weiß nicht, ob ich das hier kann«, gab ich zu.
»Konzentrier dich nur auf das, was du machst. Und hör auf Erics Anweisungen.«
»Eric ist also der Chef?«
»Er hält als Aufnahmeleiter alles zusammen. Aber eigentlich ist Big Bob, der Regisseur, derjenige, der das Sagen hat.«
In einer Ecke der Arbeitsplatte stand eine kleine deutsche Fahne mit einem „Hansel & Pretzel“-Schild daneben. Mir fiel auf, dass der erste Arbeitsplatz in der anderen Reihe keine Flagge hatte. »Ist das die Station der First Nations?«
»Ja.« Imani zeigte auf die erste Station in meiner Reihe. »Dort steht Joost, den hast du ja eben schon kennengelernt. Dahinter Dinesh für Indien, du, dann Elena für Italien, aber sie will nur Mamma Rossi genannt werden. Als Letzte in dieser Reihe hat Charlotte aus England gebacken.« Ihr Finger wanderte weiter zu dem gegenüberliegenden Platz, der direkt vor den Kühlschränken lag. »Daria aus Polen, die chinesische Teilnehmerin, beide auch schon raus, Suzette aus Frankreich und dann Miguel für Portugal.«
»Werden die Stationen zwischendurch gewechselt?«
»Nein. Alle backen von Anfang bis Ende an derselben Station. Warum fragst du?«
»Joost muss einmal quer durch den Saal, um zum Geschirr und den Zutaten zu kommen, während andere sich nur umdrehen müssen.«
»Darüber beschwert sich Joost jeden Tag bei Eric.«
In dem Moment kamen Ashley und Joost auf Darias Station zu.
Joost gestikulierte mit den Händen. »Ich verliere jedes Mal wertvolle Minuten! Und jetzt stehen hier zwei Stationen leer ...«
Imani warf mir einen „Siehst du“-Blick zu.
»Eric?« Ashley klopfte mit der flachen Hand auf Darias ehemalige Station. »Joost backt heute hier.«
Eric richtete mit einem Mann auf der Bühne ein von der Decke hängendes Mikrofon aus. »Tut er nicht. Er bleibt an seinem Ofen.«
»Das ist doch Quatsch. Er kann genauso gut diesen hie...«
»Ich warne dich, misch dich nicht in meinen Job ein!«
»Vielleicht ist es Zeit für einen Jobwechsel?«
Eric schleuderte sein Klemmbrett auf das Jurorensofa, sprang von der Bühne und wies auf die Tür. »Wir zwei. Reden. Jetzt«, brachte er zwischen zusammengekniffenen Lippen hervor.
Ashley rollte mit den Augen. »Mach kein Drama. Ich kann für dich übernehmen.«
»Du? Du bist diejenige, die ich nicht an meinem Set sehen will. Das wird Konsequenzen haben.« Eric stapfte Richtung Ausgang.
»Nenn mich Mamma Rossi.« Die kleine, korpulente Italienerin war neben mir aufgetaucht, während ich unschlüssig an meiner Arbeitsplatte lehnte, nachdem Imani mich verlassen hatte. »Mamma mia, an dir ist ja nix dran. Komm mal in mein Restaurant, ich koch dir lecker Pasta und Pizza.«
Es fiel mir schwer, meinen Blick von ihren voll bepackten Hüften zu lenken.
»Essen ist meine Leidenschaft.« Sie streichelte sich über ihren Bauch. »Du hast immer einen Beach Body, ich bin immer bereit für Weihnachten.« Sie lachte.
»Hauptsache, wir fühlen uns alle wohl in unserer Haut.« Eine hochgewachsene Frau mit blond gefärbten, langen Haaren, ausdrucksvoll geschminkten Augen und leicht puffigen Lippen drängte sich an der Mittsechzigerin vorbei. »Daria, schon ausgeschieden«, stellte sie sich vor. »Ist aber nicht schlimm, die Schürze hat ohnehin zu viel verdeckt.« Sie rückte ihren weiten Ausschnitt zurecht, sodass dieser noch mehr von ihrer wohlproportionierten Oberweite präsentierte.
»Und jetzt guckst du nur noch zu?«
»Gehört zur Show. Die Ausgeschiedenen, von Eric auch ganz liebevoll Unterstützer genannt, sitzen da drüben«, sie zeigte auf die Sitzwürfel. »Ab und zu müssen wir ein überraschtes oder entsetztes Gesicht für die Kamera machen. Das wird dann später bei bestimmten Szenen eingespielt.«
»Bist du Linn? Rainers Ersatz?« Ein südeuropäisch aussehender Mann kam zusammen mit einer Frau mit Lockenkopf, einer Chinesin, einem Inder und einer dunkelhaarigen Frau auf uns zu. Er streckte die Hand aus. »Miguel Cardoso.«
Ich schluckte. Seinem Vater gehörte die portugiesische Bäckerei, und ich wusste, dass zwischen Rainer und ihm eine langjährige Rivalität herrschte. Miguel riss sein Handy aus der Tasche und hielt mir das Foto einer hochschwangeren Frau hin. »Meine Frau, Ana. Sie wird bald unser erstes Kind bekommen. Ein Mädchen. Wir werden sie Leonor nennen.« Er wischte über das Display, und eine Ultraschallaufnahme poppte auf. »Süß, oder?«
»Man könnte meinen, du willst gar nicht gewinnen«, sagte die Lockenkopffrau mit britischem Akzent.
»Umso besser für mich, denn ich will auf alle Fälle gewinnen.« Die junge Frau mit dunklen, glatten schulterlangen Haaren strich sich ihre langen Ponyhaare aus den Augen.
»Suzette vertritt Frankreich. Ich bin Charlotte«, stellte die Britin sich und die Dunkelhaarige vor.
»Dinesh Kathri.« Der Inder neigte seinen Kopf. »Backst du viel?«
»Außer Kekse zu Weihnachten backe ich nie«, gab ich zu. »Und selbst die hab ich schon mal mit zu viel Zucker total ruiniert.«
»Dinesh hat letzte Woche sehr süße Mürbeteigkekse gebacken, die waren ... gewöhnungsbedürftig.« Charlotte sah auf ihre Uhr. »Ich geh noch mal eben zur Toilette.« Sie lief aus dem Saal.
»Das waren Nankhatai. Nach einem alten Familienrezept. Wir mögen sie so süß«, verteidigte sich Dinesh.
Die Chinesin hatte sich bisher im Hintergrund gehalten. Ich ging auf sie zu. Sie hatte ihren Kopf gesenkt, ihre zu einem Bob geschnittenen, glatten Haare fielen ihr nach vorn ins Gesicht. Sie war so zierlich, dass ich mich fragte, ob sie überhaupt schon volljährig war.
»Ich bin Linn«, begrüßte ich sie.
Sie sagte etwas, was sich für mich wie „Schwäschon“ anhörte. Meine Miene sprach offenbar für sich, denn sie wiederholte: »Mein Name ist Xue Zhang«, buchstabierte sie. »Und er wird Schuwäh Tschuong ausgesprochen.«
Joost kam mit Ashley am Arm durch die Flügeltüren. Xue stutzte und musterte das Pärchen. »Charlotte?«
»Ist auf der Toilette. Aber mit den Locken sieht sie tatsächlich ein wenig wie Charlotte aus. Wer ist das?«, wollte Suzette wissen.
»Ashley, die Assistentin des Produzenten«, sagte ich.
»Oh, sie hat also das Sagen?« Dineshs Kopf wackelte stärker.
Ashley lachte laut auf und umarmte Joost.
»Die kennen sich?«, fragte Mamma Rossi.
»Joost hat nur ein Opfer für seine plumpen Anmachen gefunden«, sagte Daria so laut, dass Ashley und Joost es hören konnten.
»Daria, oder?«, fragte Ashley, als sie vor unserer Gruppe stand. »Beim Fernsehen ist nicht immer alles so, wie es scheint. Vielleicht bin nicht ich sein Opfer, sondern er meins.«
»Daria ist nur neidisch, dass ich nicht auf ihre Dinger abfahre«, provozierte Joost sie spielerisch.
Daria posierte mit durchgestrecktem Rücken. »Sind sie zu groß, bist du zu schwach.«
»Es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn ein Mann eine Fälschung erkennt.« Ashley blickte ungeniert auf Darias Brustkorb.
Daria stemmte die Hände in die Hüften. »Meine Brüste sind echt! Willst du mal fühlen?«
Ashley hob abwehrend die Hände. »Dann sind die vermutlich das einzig Echte an dir.«
Daria ging einen Schritt auf Ashley zu. Wie aus dem Nichts trat Eric zwischen die beiden und drängte Daria zurück. »Lass dich nicht von dem Hubschrauber provozieren.«
»Ein Hubschrauber? Wo?« Mamma Rossi schaute zur Decke.
Eric deutete mit dem Kopf auf Ashley. »Sie kommt plötzlich hereingeflogen, wirbelt Staub auf und ist dann wieder verschwunden.«
Mamma Rossi strahlte. »Mi piace tanto, ihr seid wie meine Familie: immer laut und was los.«
Ich warf einen Blick durch die Runde. Wie eine Familie fühlte es sich ganz und gar nicht an. Ich war völlig überfordert mit den neuen Gesichtern und Namen, dem eindrucksvollen Set und der Spannung, die jedes Mal in der Luft lag, wenn Ashley anwesend war.
Ashley löste sich von Joost und legte eine Hand auf Erics Schulter. »Genau, eine liebende Familie. Immer füreinander da.«
Eric schüttelte ihre Hand ab und wandte sich uns zu: »Auf in die Maske.« Dann ließ er uns stehen.
»Wollen wir nach der Show was essen gehen?« Joost war offenbar voll im Flirtmodus.
»Sei mir nicht böse, aber ich bin hinter größeren Fischen her.« Ashley stolzierte in Richtung Aufnahmesaal.
So unhöflich Ashley auch war, ihre direkte Art fand ich beeindruckend. Joost wurde rot im Gesicht.
»Flirten ist wie reiten, non è vero?« Mamma Rossi knuffte ihm in die Seite. »Fällst du runter, steigst du wieder auf und versuchst es noch mal.«
»Ich hab heute Abend noch nichts vor, wenn du auf der Suche nach einem Date bist«, sagte Daria.
»Deine Körbchengröße gefällt mir nicht«, antwortete Joost schroff.
»Und deine Kragenweite passt mir nicht«, konterte Daria.
»So ...« Imani drückte mich auf einen Friseurstuhl. Sie löste mein Haargummi und begutachtete einzelne Strähnen.
Daria saß auf dem Stuhl neben mir. Eine Frau mit einem pink-grün-blauem Pixieschnitt und zahlreichen Piercings im Gesicht wischte ihr mit einem feuchten Tuch über die Augen. »Wann kapierst du endlich, dass du ungeschminkt hier auftauchen sollst?«
»Lizzy, ich gehe nie ungeschminkt aus dem Haus«, antwortete Daria. »Was sollen die Leute von mir denken?«
»Mit deinem tollen Teint hast du es doch gar nicht nötig, dich zu schminken.« Charlotte saß neben den anderen Teilnehmern auf einer langen Bank, die hinter unseren Stühlen stand.
»Und außerdem kostet es mich jeden Morgen extra Zeit, dich abzuschminken.« Lizzy warf das Tuch in einen Eimer in der Ecke.
Fasziniert beobachtete ich, wie sie zwei Kästen öffnete, die einem Handwerker hätten gehören können. Eine Palette entfaltete sich nach der anderen: Unzählige Lidschattentöne, Wimperntusche, Stifte, diverse Tuben, zahlreiche Lippenstifte und ein unfassbar großes Sortiment an Pinseln und Schwämmen kamen zum Vorschein.
»Augen nach vorn«, befahl Imani mir.
Der mannshohe Spiegel war komplett mit Lichtern umrandet. Meine Haare, die ich vorhin zu einem Dutt zusammengebunden hatte, hingen mir schlapp am Kopf herunter.
»Wir machen dir einen hohen Pferdeschwanz.« Imani bürstete meine Haare eng am Kopf nach hinten.
»Das geht bei mir nicht, das Gummi wird wegrutschen und ...«
»Wenn ich fertig ist, wird sich kein Haar bewegen.«
Zehn Minuten später hatte ich einen Pferdeschwanz, der mich frisch aussehen ließ und bombenfest saß. Außerdem strahlte mein Gesicht, als wäre ich mit Glückshormonen während einer Schwangerschaft überflutet worden.
»Das ist ja echt ... Kannst du mir vielleicht zeigen, wie ...«
Imani stupste mich an. »Raus aus dem Stuhl. Mamma Rossi, du bist dran.«
Charlotte klopfte auf die Sitzfläche neben sich. »Setz dich. Wenn alle fertig sind, gehen wir gemeinsam rüber.«
Nachdem Imani Mamma Rossi von ihrem Stuhl verscheucht hatte, waren die Tränensäcke der Italienerin fast verschwunden, und sie wirkte wenigstens zehn Jahre jünger.
»Kannst du mir die Haare wieder so machen wie letzte Woche?«, bat Dinesh Imani. »Meine Frau fand, ich sah aus wie Shah Rukh Khan, der Bollywood-Star.«
Imani massierte eine ordentliche Portion Gel in Dineshs dunkle Haare. »Dann lass es heute Abend mal zu Hause krachen, Adonis.«
»Wenn er Adonis ist, was bin ich dann?« Joost, der bei Lizzy Platz genommen hatte, grinste uns im Spiegel an.
»Ein Gigolo.« Ashley war in den Raum getreten.
»Ist das nicht ein Mann, der für seine Dienste bezahlt wird?«, fragte Imani nach.
»Im Grunde eine männliche Prostituierte.« Daria kicherte.
»Du könntest mir eine Million zahlen, und ich würde dich nicht mal auf einen Milchshake bei McDonalds einladen«, zischte Joost.
»Jetzt hab dich nicht so, ihr würdet ein hübsches Paar abgeben«, bemerkte Ashley spöttisch.
Joosts Kinnlade fiel runter. »Vor einer halben Stunde hast du noch mit mir geflirtet, und jetzt versuchst du mich an die polnische Pirogge abzuschieben?«
»Polnische Pirogge?«, fuhr Daria hoch.
Lizzy drehte Joosts Gesicht zum Spiegel. »Hier spielt die Musik.« Sie hielt eine Hand schützend über seine Augen, während sie seine Surfermähne mit einer Schicht Haarspray bedeckte.
Ashley lehnte sich an die Wand. »Geht’s ein bisschen schneller? Wir haben heute noch einen langen Tag vor uns.«
Die Tür öffnete sich erneut, und ein etwa fünfzigjähriger Mann mit einem teuer aussehenden Anzug, passender Krawatte und einem gepflegten Bart betrat den Raum. Er blieb in der Tür stehen, als er Ashley entdeckte. »Was, zum Kuckuck, machst du hier?«
Ich sah zwischen den beiden hin und her. Die Abneigung, die Ashley bisher am Set entgegenschlug, war beängstigend.
»Oscar hat mich geschickt.«
»Warum?«
»Noch so eine herzliche Begrüßung«, bemerkte Ashley spitz. »Eric ist auch völlig aus dem Häuschen, dass ich hier bin.«
»Wer ist das?«, flüsterte ich Charlotte zu.
»Payton West«, antwortete sie. »Er sitzt zusammen mit Goldie Barr in der Jury.«
Der Juror ballte die Fäuste. »Du alte Klapperschlange! Das Spionieren kannst du dir sparen, du wirst nichts finden!«
»Bist du dir da sicher?«
Imani klatschte in die Hände. »Husch, husch, Teilnehmer ins Studio. Payton, du bist dran.«
Payton West trat zur Seite, damit wir den Raum verlassen konnten. Als ich mit ihm auf gleicher Höhe war, stoppte ich.
»Ich bin Linn Sommer, der Ersatz für Rainer.«
»Willkommen im Irrenhaus. Und viel Erfolg.«
Ashley war die Letzte, die hinter uns den Raum verließ. »Ich werde dich nicht aus den Augen lassen«, hörte ich sie sagen.
»Lass mich in Ruhe«, zischte Payton West.
»Wo bleibt ihr?« Eric stand vor der Bühne und tippte auf sein Klemmbrett. »Preset war für acht Uhr angesetzt.«
»Fahr den Blutdruck wieder runter, es ist zwei vor acht.« Ashley stolzierte an ihm vorbei.
»Ich bin der Aufnahmeleiter dieser Show, ich bestimme, wer wann wo zu erscheinen hat. Nicht du!«, brüllte Eric.
»Noch nicht.« Ashley zog ihr Handy aus der Jacketttasche.
Eric schlug ihr das Handy aus der Hand. Es knallte auf den Boden. »Halt dich raus! Meine Show, meine Regeln ...«
»Irrtum. Das ist Oscars Show. Wenn er den Geldhahn zudreht, gibt es keine Show mehr.« Ashley hob ihr Handy auf und inspizierte es.
»Ash, was verschafft uns die Ehre?« Ein attraktiver dunkelhäutiger Mann kam von der Bühne auf uns zu.
Ashley ging auf ihn zu und fuhr mit der Hand über sein enges Shirt. »Wahnsinn, immer noch das Calvin-Klein-Unterwäsche-Model.«
Er stupste ihr auf die Nase. »Du Schmeichlerin.«
»Können wir das Kaffeekränzchen jetzt beenden?« Eric klopfte mit einem Stift auf sein Klemmbrett.
Charlotte schubste mich vor. »Das ist Linn, sie vertritt Rainer.«
Der Mann wandte sich mir zu. »Freut mich.« Seine Stimme war so dunkel wie die eines Radiomoderators um drei Uhr morgens. »Ich moderiere die Show. Tom Reed, the one and only sweet.«
»Auf eure Plätze«, befahl Eric.
Ich folgte Mamma Rossi zu unseren Küchenzeilen.
»Non è possibile! Wo ist mein Mehl, mein Zucker?« Die Italienerin schaute sich unglücklich auf ihrer Arbeitsplatte um.
»Sind das nicht deine Zutaten?« Ich zeigte auf blaue Plastikbehälter, die auf der anderen Seite des Herdes standen.
»No! Meine Container sind alle orange.«
Ashley tippelte mit ihren hohen Absätzen über eine der Holzbrücken über die gebündelten Kabel. »Blau passt farblich besser zu deiner Station, daher hab ich sie getauscht.«
»Du hast was?« Eric war neben Ashley aufgetaucht.
»Ich hab die Dosen ausgetauscht. Und weiter nach hinten auf die Arbeitsplatte gestellt, sodass die Kamera mehr von der eigentlichen Handlung mitbekommt.«
»Aber der Mixer ist jetzt im Weg.« Mamma Rossi klopfte auf eine große Küchenmaschine, die vor ihr stand.
»Die muss weiter nach vorn für unseren Sponsor.«
Eric nahm seine Baseballkappe ab und fuhr sich über seinen kurz geschorenen Schädel. »Du kannst das Set nicht umräumen, wie es dir gefällt. Die Stationen sind abwechselnd in Blau und Orange eingerichtet, und dabei bleibt es.«
»Das macht mich ganz matta, verrückt! Macht sie das mit Absicht?« Mamma Rossi griff nach einem Nudelholz und fuchtelte damit in der Luft herum.
Eric ging zu der aufgebrachten Italienerin und nahm ihr die Teigrolle aus der Hand. Er schnippte mit den Fingern. Sofort kam ein Runner zu ihm gelaufen.
»Mehl und Zucker in Orange zu Mamma Rossi. Küchenmaschine an den alten Platz.« Eric legte das Nudelholz auf die Arbeitsplatte. Er winkte einen Mann mit einer Handkamera zu sich und kam mit ihm zu mir. »Das ist Harrison. Wenn du deinen Ofen öffnen willst, sag ihm Bescheid, davon brauchen wir ein Close-up.« Eric ließ uns stehen und ging zu Dinesh.
»Das erste Mal im Fernsehen?«, fragte Harrison.
»Sieht man mir das an?«
»Den grünen Unterton deiner Haut haben Lizzy und Imani nicht wegschminken können«, scherzte er.
»Filmst du mich die ganze Zeit?«
»Nein.« Harrison wies auf eine Kamera, die an einem Gestell an der Decke montiert war. »Die ist nur auf dich gerichtet und läuft permanent. Ich bin der Springer für Joost, Dinesh und dich.«
»Wenn wir uns am Ofen verbrennen, dokumentierst du die Entwicklung der Brandblase?«
»Genau. Inklusive der Großaufnahme, wie unser Pflastertaxi Pam deine Hautfetzen untersucht.« Harrison deutete mit dem Kopf auf eine Sanitäterin, die sich mit einem Tontechniker unterhielt. »Und noch was – nicht zurückweichen, wenn ich komme.« Er schulterte seine Kamera und trat so nah an mich heran, dass ich die Linse mit meinem ausgestreckten Arm hätte berühren können. Ich ging einen Schritt zurück.
»Genau das meine ich.« Er senkte die Kamera wieder. »Daran musst du dich gewöhnen. Wir rücken euch gern auf die Pelle. Nicht, um euch nervös zu machen, sondern nur für eine gute Aufnahme.«
Neben mir tauschte ein Runner die Dosen von Mamma Rossi aus, die sich mit einer herzlichen Umarmung bei ihm bedankte.
»Licht!«, rief Eric.
Mit einem kurzen, tiefen Brummen schalteten sich die Scheinwerfer über uns ein. Meine Augen brauchten einen Moment, um sich an das helle Licht zu gewöhnen. Ich spürte, wie meine Wangen sich erwärmten. Ich öffnete meine Strickjacke.
»Wenn du sie jetzt ausziehst, kannst du sie den ganzen Tag lang nicht tragen«, warnte Harrison.
»Ich kann sie doch hier hinlegen und später ...«
»Nein. Um Kontinuität zu bewahren, musst du den ganzen Tag dieselben Klamotten tragen. Sonst sieht es später so aus, als wenn die Folge an verschiedenen Tagen gedreht wurde.«
Auf meiner Arbeitsplatte lag eine blaue Schürze. Das Logo der Sendung sowie mein Name waren in Orange darauf gestickt. Entschlossen zog ich meine Strickjacke aus und die Schürze über.
»Ton!« Auf Erics Kommando kam der Runner zurück, der Mamma Rossi ihre orangen Dosen zurückgebracht hatte. Er legte einen Transmitter, der so groß wie eine Zigarettenschachtel war, und ein langes Kabel mit einem kleinen Ansteckmikrofon auf die Arbeitsplatte.
»Transmitter an die Hose klipsen, Kabel hinten durch dein T-Shirt nach oben ziehen, nach vorne bringen und das Mikro oben an deiner Schürze befestigen.« Er ging weiter zu Dinesh.
»Ich helf dir und du mir, va bene?