Plunder gibt es immer wieder. Ein Hansel & Pretzel Krimi - Dani Baker - E-Book

Plunder gibt es immer wieder. Ein Hansel & Pretzel Krimi E-Book

Dani Baker

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Beschreibung

Kaum jemand im verschneiten kanadischen Kitchener kann der Verlockung der neuen Dating-App 'Shappunzel' widerstehen. Partnersuchende Kunden strömen in Scharen in das gemütliche Café Hansel & Pretzel, das in der winterlichen Kulisse noch verlockender wirkt, in der Hoffnung, dort die Liebe ihres Lebens zu finden. Als eine Schießerei im Café und ein Toter im Nachbarhaus plötzlich ein ganz anderes Licht auf die hochgelobte Partnerbörse und ihre Nutzer werfen, ist Linns Neugier geweckt. Gemeinsam mit ihren Freunden macht sich Linn auf die Suche nach paarungswilligen Prinzen und Prinzessinnen und entdeckt dabei, dass nicht alle Märchen ein Happy End haben ...

Über die Serie:

Nach einer gescheiterten Ehe ist Linn Sommer froh, in Kanada einen Neuanfang wagen zu können. Die waschechte Norddeutsche mit einer Schwäche für Stepptanz, Fahrradfahren und attraktive Männer verschlägt es in das idyllische Städtchen Kitchener. Dort findet sie einen Job in der deutschen Bäckerei Hansel & Pretzel. Alles scheint perfekt - bis Linn hinter der Bäckerei eine Leiche findet! Sie beschließt, auf eigene Faust zu ermitteln. Und das nicht nur, weil der zuständige Inspektor unwiderstehlich charmant ist.

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Seitenzahl: 256

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ähnliche


Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über diese Folge

Hansel & Pretzel - Die Serie

Die Protagonisten

Titel

Kapitel  1

Kapitel  2

Kapitel  3

Kapitel  4

Kapitel  5

Kapitel  6

Kapitel  7

Kapitel  8

Kapitel  9

Kapitel  10

Kapitel  11

Kapitel  12

Kapitel  13

Kapitel  14

Kapitel  15

Kapitel  16

Kapitel  17

Kapitel  18

Kapitel  19

Kapitel  20

Kapitel  21

Kapitel  22

Kapitel  23

Kapitel  24

Kapitel  25

Kapitel  26

Kapitel  27

Kapitel  28

Kapitel  29

Kapitel  30

Kapitel  31

Kapitel  32

Kapitel  33

Kapitel  34

Kapitel  35

Kapitel  36

Kapitel  37

Kapitel  38

Kapitel  39

Rezept

Rapunzels Zopf

Danksagung

In der nächsten Folge

Über die Autorin

Impressum

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Über diese Folge

Kaum jemand im verschneiten kanadischen Kitchener kann der Verlockung der neuen Dating-App 'Shappunzel' widerstehen. Partnersuchende Kunden strömen in Scharen in das gemütliche Café Hansel & Pretzel, das in der winterlichen Kulisse noch verlockender wirkt, in der Hoffnung, dort die Liebe ihres Lebens zu finden. Als eine Schießerei im Café und ein Toter im Nachbarhaus plötzlich ein ganz anderes Licht auf die hochgelobte Partnerbörse und ihre Nutzer werfen, ist Linns Neugier geweckt. Gemeinsam mit ihren Freunden macht sich Linn auf die Suche nach paarungswilligen Prinzen und Prinzessinnen und entdeckt dabei, dass nicht alle Märchen ein Happy End haben

Hansel & Pretzel – Die Serie

Nach einer gescheiterten Ehe ist Linn Sommer froh, in Kanada einen Neuanfang wagen zu können. Die waschechte Norddeutsche mit einer Schwäche für Stepptanz, Fahrradfahren und attraktive Männer verschlägt es in das idyllische Städtchen Kitchener. Dort findet sie einen Job in der deutschen Bäckerei Hansel & Pretzel. Alles scheint perfekt – bis Linn hinter der Bäckerei eine Leiche findet! Sie beschließt, auf eigene Faust zu ermitteln. Und das nicht nur, weil der zuständige Inspektor unwiderstehlich charmant ist.

Die Protagonisten

Sieglinde (Linn) Sommer, deutsche Teeliebhaberin, die sich nach einer Trennung ein neues Leben in Kanada aufbaut und dabei begeistert in Mordfällen ermittelt

Bas van de Groot, Polizeiinspektor, der Linns Einmischung einerseits nicht leiden kann, aber andererseits sie auch für ihre Menschenkenntnis bewundert

Kamryn Bellamy, Reporterin mit einem schier unermüdlichen Schatz an eigenwilligen, schottischen Redewendungen und Linns beste Freundin

Mackenzie (Mac) Snyder, Linns Gothic-Mitbewohnerin mit einer Vorliebe für laute Musik, Computergenie, stammt aus einer mennonitischen Familie

Igor Medwedew, Linns Mitbewohner, Fitnesscoach und angehender Koch, verwöhnt die WG regelmäßig mit seinen Kochkünsten

Bryan Evans, Linns Vermieter und Makler, der immer um ein friedliches Zusammenleben in der WG bedacht ist

Kyle Anderson, Linns Mitbewohner, Locationscout beim Fernsehen, dessen reizvolle Grübchen Linn häufig verwirren

Marianne und Rainer Brunhuber, Hansel & Pretzel-Besitzer, die Linn wie eine eigene Tochter ins Herz schließen

Kapitel1

»Wieso verdächtigst du immer mich, wenn etwas fehlt?« Die Tür des Küchenschranks knallte zu.

»Weil du ständig Sachen in deine Gruft schleppst, die nie wieder den Weg zurück finden.« Der Akzent meines russischen Mitbewohners Igor klang härter als sonst.

Ich schloss die Haustür hinter mir, stellte den Koffer ab und schnupperte. Es roch nach Lack. Ich ging durch den Flur in die Küche, wo sich zwei meiner Mitbewohner wie Sparringspartner gegenüberstanden.

»Schön, wieder zu Hause zu sein.« Ich ging zur Spüle, nahm mir ein Glas Wasser und setzte mich an den Küchentisch.

»Igor spinnt total!« Das erhitzte Gesicht meiner Mitbewohnerin Mac passte nicht zu ihrem Gothic-Look. »Er meint, ich hätte den Pürierstab in meinem Zimmer. Was soll ich denn damit?«

»Dir Erdnussbutter in deine Zuckergetränke mixen«, gab Igor zurück.

»Ja, danke, ich hatte einen guten Rückflug.« Ich trank einen Schluck Wasser.

»Du hast sie doch nicht alle!« Mac stemmte ihre Hände in die Hüften. »Vermutlich verdächtigst du mich auch gleich noch, deinen Langhaarschneider gemopst zu haben.«

Igor neigte den Kopf zur Seite. »Hast du?«

»Der Besuch bei meinen Eltern in Deutschland war spitze. Silvester hab ich mit Freunden gefeiert.« Ich lächelte die beiden an.

Mac kniff ihre schwarz geschminkten Augen zusammen. »Danke für deine Nicht-Hilfe.« Sie rauschte aus der Küche und stapfte die Treppe hoch zu ihrem Zimmer. Bevor die Tür zuschlug, brüllte sie: »Willkommen zurück!«

»War das hier die ganze Zeit so ein Irrenhaus?«, fragte ich.

»Ne. Bryan und ich sind vor zwei Tagen zurückgekommen, Mac heute Vormittag. Bis dahin war alles gut.«

»Wo wart ihr alle?«

»Ein Handwerker hat den Fußboden neu gemacht. Da haben wir uns alle ein paar Tage verdrückt.«

»Ist das der Grund, warum es im Flur so riecht?«

»Das kommt vom Kleber. Soll in einer Woche weg sein.«

Oben wurde Macs Zimmertür aufgerissen. »Linn? Steht mein Getränk noch unten?«

Igor zeigte auf einen Shaker, der mit einer milchigen Flüssigkeit gefüllt war, in der braune Flocken schwammen.

»Ja«, rief ich.

»Wenn du hochkommst, kannst du es mir bitte mitbringen?«

»Klar, ich hab die Hände frei, denn meinen Koffer balanciere ich auf dem Kopf.« Ich erhob mich. »Ist der Pürierstab nicht im Schrank, wo auch der Mixer steht?«

Igor öffnete den Kühlschrank. »Da war er, aber jetzt nicht mehr.«

»Wie kommst du darauf, dass Mac ihn haben würde?«

»Sie macht seit Neujahr eine Trinkkur.« Er nahm Möhren aus dem Gemüsefach und legte sie auf ein Schneidebrett. »Zwischen den Mahlzeiten trinkt sie Proteinshakes mit Erdnussbutter.«

Ich hob den Shaker und beäugte ihn. »Ist es das, was hier drin ist?«

Igor griff nach einem großen Messer. »Ich wollte ihr einen ausgewogenen Ernährungsplan entwerfen, aber sie hat sich geweigert.«

Igor, der derzeit sein Geld als Personal Trainer verdiente, war fast fertig mit seiner Ausbildung zum Koch am Culinary College. Nicht nur, dass er uns oft mit seinen kulinarischen Fähigkeiten verzauberte, er ging uns – und vor allem Mac – auch häufig auf die Nerven, was sein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein anging.

»Wenn ich ihr den Shake gebe, halte ich Ausschau nach dem Pürierstab.«

Igor legte das Gemüse in die Spüle und ließ Wasser darüber laufen. »Zwischen den ganzen Spinnweben und Leichentüchern kannst du vermutlich gar nichts sehen.«

Im Gegensatz zu ihm war ich schon im Zimmer unserer Mitbewohnerin gewesen. Daher wusste ich, dass sie nicht in einem Sarg schlief oder die Wände rabenschwarz gestrichen waren. Eher im Gegenteil: Mac hatte ein modern und geschmackvoll eingerichtetes Zimmer.

»Du wärst überra...« Meine Antwort wurde von Adam Yauchs wütendem Bassriff unterbrochen. Igor sah mich fragend an.

»Beastie Boys. Sabotage«, formte ich mit den Lippen, denn es hatte keinen Sinn, gegen die laute Musik anzuschreien.

Mac änderte jeden Monat ihre Playlist, die sie dann für die nächsten vier Wochen in ohrenbetäubender Lautstärke hörte. Dabei sprang sie gern durch verschiedene Genres. Es schien, dass sie sich zum Start ins neue Jahr für Hip-Hop entschieden hatte. Ich trank mein Wasser aus und verließ die Küche.

Mit einer Hand hievte ich den Koffer die Treppe hinauf, in der anderen trug ich Macs Shake. Unsere Zimmer befanden sich zusammen mit Igors im ersten Stock. Bryan, unser Vermieter, schlief unten in dem ehemaligen Arbeitszimmer des viktorianischen Hauses, und Kyle hatte das Dachgeschoss für sich.

Ich öffnete Macs Tür. Das Anklopfen sparte ich mir, denn sie hätte es ohnehin nicht gehört. Mac sprang vom Bett auf und stellte die Musik leiser.

»Hab gehört, das Zeug soll gesund sein.« Ich reichte ihr das Getränk.

»Hat Igor wieder sein Fachwissen raushängen lassen?« Sie schüttelte den Shaker, bevor sie demonstrativ einen Schluck trank. »Wie war’s zu Hause?«

»Es war toll, alle wiederzusehen. Aber zwei Wochen mit der Familie können auch irgendwie anstrengend sein.«

Seit ich vor über vier Jahren nach Kanada ausgewandert war, war dies die zweite Reise zurück nach Deutschland gewesen. Und der erste Besuch, nachdem mein Mann Frank mich vor achtzehn Monaten verlassen hatte.

»Silvester war super. Mit Freunden und Feuerwerk ...« Ich verdrängte das mitleidige Lächeln und die neugierigen Fragen alter Freunde, die nicht verstehen konnten, wie Frank sich plötzlich in einen Mann verliebt hatte. »Aber jetzt bin ich froh, wieder hier zu sein.« Mein Blick wanderte durch ihr Zimmer.

»Ich hab den blöden Pürierstab nicht.«

Bevor ich eine verlegene Ausrede stammeln konnte, klingelte mein Handy. Im Display las ich Bas’ Namen. Mein Herz machte einen Hüpfer.

»Man sieht dir sofort an, wenn dein Freund anruft. Geh lieber fix ran. Nicht, dass der Herr Polizeiinspektor sonst noch mit Spürhunden vorbeikommt.« Mac drehte die Musik wieder lauter.

»Hey, ich bin vor ein paar Minuten nach Hause gekommen. Auf dem Highway war mal wieder ein Megastau.« Ich schloss Macs Tür, ging zu meinem Zimmer, schleppte meinen Koffer rein und ließ mich aufs Bett fallen.

»Schlechtes Timing, denn jetzt bin ich am Flughafen.«

»Du wolltest mich abholen? Das ist ja lieb von dir.«

»Ich bin nicht deinetwegen hier. Meine Tante Femke ist ...« Bas verstummte.

Ich kannte sie nicht persönlich, aber mein Freund hatte mir schon einige Anekdoten von seiner Lieblingstante erzählt. Ich ahnte Böses. »Bas, es tut mir leid«, unterbrach ich das Schweigen zwischen uns. »War ihr Tod plötzlich?«

»Sie ist nicht tot. Sie hatte einen schweren Autounfall.«

»Schrecklich.« Ich starrte an die Zimmerdecke. »Wenn ich gewusst hätte, dass du deine Eltern zum Flughafen bringst, hätte ich mir das Taxi sparen können, und wir hätten gemeinsam zurückfahren können. Willst du nachher vorbeikommen?« Ich unterdrückte ein Gähnen und hoffte, dass ich noch wach sein würde, wenn er aus Toronto zurückkehrte.

Bas räusperte sich. »Ich flieg zusammen mit meinen Eltern nach Holland.«

In meinem Magen breitete sich ein Gefühl aus, als hätte ich seit Tagen nichts gegessen. »Wie ... aber ... wann kommst du zurück?«

»Vielleicht am Sonntag.«

Vier Tage, die mir nach zwei Wochen, in denen wir uns nicht gesehen hatten, wie eine Ewigkeit erschienen.

»Ich muss aufhören. Unser Flug wurde gerade aufgerufen.«

»Wenn was ist, ruf an, okay? Ich bin hier. Ich liebe di...« Das Tuten in meinem Ohr unterbrach mich. Bas hatte aufgelegt.

Kapitel2

»Entschuldigung, kann ich mal durch?« Ich drängte mich an der wartenden Schlange am Tresen von Hansel & Pretzel vorbei und begrüßte meine Chefin Marianne.

»Endlich!«, stöhnte diese. »Ich dachte, du kommst gar nicht mehr.«

»Du hast mir doch gesagt, ich kann heute ausschlafen und muss nicht vor neun Uhr kommen.«

Marianne reichte einer Kundin einen Kaffee und ein belegtes Brötchen. »Das war ja auch noch Pre-Shappunzel.«

»Shappunzel?« Ich hängte meine Jacke weg und band mir eine Schürze um.

»Jetzt nicht, später. Was darf es für Sie sein?«

Ich beeilte mich mit dem Händewaschen, um ebenfalls Kunden bedienen zu können. Der Betrieb an diesem Donnerstagmorgen war ungewöhnlich für die deutsche Bäckerei mit angeschlossenem Café. Normalerweise kamen nur ein paar Rathausangestellte, die sich Frühstück kauften. Einen Ansturm gab es in der Regel erst zur Mittagszeit. Außerdem fiel mir auf, dass die Gäste heute jünger als sonst waren. Meist kamen um diese Zeit Mütter mit Babys oder Rentner, die es sich an den Tischen gemütlich machten. Heute waren jedoch viele Studenten anwesend, die nur mit ihren Handys beschäftigt waren. Sie scrollten rauf und runter, wischten nach links und rechts, als wenn sie alle einem mir unbekannten Spiel verfallen waren. Ich war gespannt, was meine Chefin mir später berichten würde.

»Eine Dating-App?« Ich hielt Marianne das Backblech hin, während sie unsere Kuchenauslage neu bestückte.

Ich warf einen Blick durch das Café. Die Zweiertische, die sich wie Perlen vor der langen Sitzbank an der gegenüberliegenden Wand aufreihten, waren alle voll besetzt. Auch an den größeren Tischen am Fenster sowie an den beiden mitten im Raum saßen Gäste. Nicht einmal die Tische mit den Dinersitzbänken links und rechts neben der Tür zu den Toiletten sowie der für gewöhnlich unbeliebte Tisch direkt an der Tür zur Backstube waren noch frei. Selbst draußen saßen Gäste auf den Möbeln, die normalerweise nur im Sommer vor dem Geschäft standen. Rainer und Marianne mussten die Tische und Stühle während meines Urlaubs aus dem Winterlager geholt haben.

»Na ja, eben ein Handy-Programm, um andere Menschen kennenzulernen.« Marianne rückte ein paar Tortenstücke zurecht.

»Ganz in echt, oder ist das nur ein Spiel?«

»Das ist kein Spaß, die suchen wirklich alle ihr Herzblatt.«

»Aber was haben wir damit zu tun?« Ich drehte das Backblech, damit sie an die anderen Kuchenstücke besser herankam.

»Zwischen Weihnachten und Neujahr haben die Mitglieder eine Abstimmung gemacht, wo die besten Orte in KW zum shappen sind ...« Wie fast alle Bewohner der Doppelstadt Kitchener-Waterloo benutzte Marianne die lokale Abkürzung KW.

»Shappen?«

»So nennt sich das bei denen, wenn sich die Teilnehmer in Realität treffen. Hansel & Pretzel hat bei der Wahl den ersten Platz belegt. Seitdem ist hier jeden Tag so ein Trubel.«

»Ist es das Ambiente, haben wir den leckersten Kuchen der Stadt, oder was gefällt den Benutzern hier?«

Das Backblech war leer, und Marianne richtete sich auf. »Soweit ich weiß, gab es keine genauen Kategorien.«

»Super für uns, aber die könnten sich doch auch in jedem anderen Café treffen. Was ist das Besondere hier?«

»Weiß ich nicht. Ich freue mich einfach über die Betriebsamkeit. Denn das wird sicherlich vorübergehen wie andere Internettrends auch.«

»So wie die Ice Bucket Challenge vor ein paar Jahren?«

»Genau. Das war auch so ein Phänomen, das sich erst rasend schnell verbreitet hat und dann wieder verschwand.« Sie legte die Gebäckzange weg.

»Deshalb wäre es ja interessant zu erfahren, warum die Nutzer uns gewählt haben. Dann könnte man diesen Grund vielleicht verstärken oder bewerben, wenn der ganze Zirkus vorbei sein sollte.«

»Marianne Brunhuber?« Eine Mittdreißigerin mit beneidenswert hohen Wangenknochen und einer an den richtigen Stellen betonten Figur unterbrach unser Gespräch. »Ich bin Silvana Petrovic. Wir haben telefoniert.«

»Schön, dass Sie da sind. Ich sage meinem Mann Bescheid. Er wird mit Ihnen die Details für morgen besprechen.« Marianne nahm mir das Blech aus der Hand und eilte in die Backstube.

»Kann ich bitte einen Espresso haben?« Silvana Petrovic schaute sich im Café um und strich sich eine dunkle Haarsträhne hinters Ohr. »Alles Shappunzel, oder?«

Ich hob die Schultern. »Kann sein. Ich hab damit nichts am Hut.«

Silvana Petrovic zog eine perfekt manikürte Augenbraue hoch. »Sind Sie auf einer anderen Plattform aktiv?«

»Ich hab eben erst von der App erfahren. Und generell bin ich nicht der Typ, der Menschen online kennenlernen möchte.«

»Warum? Mit Shappunzel haben Sie als Frau die Zügel in der Hand.« Sie lehnte sich über den Tresen. »Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig für uns Frauen, dass wir uns nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Wir bestimmen, wann, wo und wie wir eine Beziehung mit jemanden eingehen wollen. Oder auch nicht. Shappunzel bietet jeder Frau die Möglichkeit, sich in Ruhe umzuschauen, ohne sich blöd anbaggern oder womöglich gleich begrapschen zu lassen. Das ist ein sicheres Medium.«

Ich stellte ihren Espresso auf den Tresen. »Mag sein, aber ich bin nicht auf der Suche. Ich hab einen Freund.«

»Es geht doch dabei nicht ausschließlich um Liebesbeziehungen. Shappunzel ist mittlerweile schon auf Rang zwei der beliebtesten Apps, was Freundschaften angeht.« Sie deutete auf die Kunden. »Eine von denen könnte Ihre neue beste Freundin sein.«

»Danke, aber auch da hab ich keinen Bedarf.«

»Sie verpassen etwas, wenn Sie Shappunzel keine Chance geben. Shappunzel ist ...«

»... ein sehr ungewöhnlicher Name«, fiel ich ihr ins Wort.

Silvana Petrovic machte ein erfreutes Gesicht. »Genial, oder? Zunächst hat mein Chef die Verbindung von ‚she‘, ‚app‘ und ‚Rapunzel‘ nicht begriffen, als ich das vorgeschlagen hab.« Sie nippte genüsslich an ihrem Espresso. »Jede Frau hat ein Recht darauf, von einem Prinzen aus dem Turm befreit zu werden«, fuhr sie jetzt fort. Offenbar war ihre spontane Werbeaktion noch nicht vorbei. »Doch nur mit unserer App ist es die Frau, die entscheidet, welcher Prinz zu ihr kommen darf. Wir sind Vorreiter für einen modernen, feministischen Ansatz in der digitalen Welt.«

Für einen Austausch mit so gewaltigen Worten fühlte ich mich mit meinem gejetlagten Gehirn noch nicht fit genug.

Glücklicherweise erschien in diesem Moment Rainer neben mir. »Lassen Sie uns nach hinten gehen, dort können wir in Ruhe reden. Hier vorne ist es – dank Ihnen und Shappunzel – sehr voll.«

Die beiden verzogen sich ins Büro neben der Backstube.

»Kannst du uns morgen Abend bei dem Event helfen?« Marianne hatte ein weiteres Kuchenblech von hinten mitgebracht.

»Was ist das für eine Veranstaltung?«

»Ein Empfang für 300 Leute im Atrium des EventBrix. Shappunzel stellt da irgendwas Neues vor, und wir liefern Häppchen.«

Kapitel 3

»Hier, bitte schön.« Das verliebte Pärchen entwirrte die ineinander verschlungenen Hände und zog sie zurück, sodass ich das Plundergebäck abstellen konnte.

Die Asiatin mit den schulterlangen, glatten Haaren entblößte zwei Reihen strahlend weißer Zähne beim Lächeln. »Das ist Rapunzels Zopf? Sieht das lecker aus!« Sie zückte ihr Handy aus der Tasche, richtete den Teller auf dem Tisch aus und drückte auf den Auslöser. »Und überhaupt ist es hier total nett.«

»Sind Sie das erste Mal hier?«, fragte ich.

»Ja. Ich dachte immer, Hansel & Pretzel sei eher was für alte Leute. Aber als ich den Namen bei der Shappunzelwahl gelesen hab, hab ich Michael gesagt, dass wir unbedingt mal herkommen müssen.«

»Und Jennys Wunsch ist mir Befehl.« Ihr Begleiter lehnte sich vor, um wieder die Hand seiner Freundin zu greifen.

»Freut mich, dass es Ihnen hier gefällt.«

Pling-Pling. Ich schaute auf den Boden, konnte aber keine Münze sehen.

»Ich glaube, das war sein Goldtopf.« Jenny deutete mit einer Kopfbewegung hinter mich.

Goldtopf? Hatte ich mich verhört, und sie hatte von einem Knopf gesprochen? Doch auch einen verlorenen Knopf konnte ich nicht entdecken.

Ich drehte mich zum Nachbartisch und zeigte auf die leere Tasse, die zwischen lauter BWL-Büchern herausragte. »Möchten Sie noch einen Kaffee?«

Es dauerte einen Moment, bis der junge Mann die Augen von seinem Smartphone löste. »Entschuldigung, mir ist gerade ein Fenster geöffnet worden. Mehr Kaffee wäre super.«

Alle Fenster unserer Fensterfront waren geschlossen, doch bevor ich bei dem Studenten nachfragen konnte, was er gemeint hatte, war er schon wieder in sein Handy vertieft. Ich machte ein paar Schluckbewegungen auf dem Weg zum Tresen. Denn obwohl ich kein Druckgefühl auf den Ohren spüren konnte, hatte ich ja offenbar Probleme mit dem Hören. Ich holte die Kaffeekanne und füllte die Tasse des Studenten nach.

Pling-Pling.

Dieses Mal schien das Geräusch von einem der Zweiertische gekommen zu sein. Zwei Frauen beugten sich kichernd über ein Handy. Wieso machten sich diese Menschen die Mühe, sich in einem Café zu treffen, wenn sie doch nur mit ihren Handys beschäftigt waren?

Vom Tresen aus betrachtete ich Jenny und Michael: Trotz des kalten Januarwetters trug Michael ein enges, kurzärmeliges T-Shirt, das seinen muskulösen Oberkörper betonte. Beide Arme waren stark tätowiert, er trug einen Brillantohrring in jedem Ohr, und um seinen Hals baumelte eine silberne, dicke Panzerkette. Sein Bürstenhaarschnitt war sehr kurz. Damit wirkten seine dunklen Haare nicht so sportlich wie bei David Beckham, sondern ähnelten mehr einem militärischen Kurzhaarschnitt. Mit diesem Äußeren hätte er in jedem Hollywoodstreifen einen Zuhälter verkörpern können, wohingegen Jenny wie eine ehrgeizige, chinesische Professorin für Volkswirtschaft wirkte. Von dem dunklen Hosenanzug bis zur dezenten Brille war sie äußerlich das genaue Gegenteil ihres Freundes.

Die beiden küssten sich und hielten weiter Händchen. Auch wenn sie dem Äußeren nach kein Traumpaar abgaben, schienen sie schwer verliebt zu sein. Ich fragte mich, ob die zwei auch ohne Dating-App zueinandergefunden hätten.

Die Glocke über der Tür bimmelte, und eine Frau mit hellblonden, langen Haaren betrat das Café. Ihre Wangen waren rosig von der Kälte, ihr Gesicht erinnerte mich an eine Puppe. Ich lächelte sie an, doch sie beachtete mich nicht. Stattdessen ging sie zielstrebig auf Michael und Jenny zu. Sie holte eine Waffe aus ihrer Handtasche und feuerte in die Luft.

BANG!

Erschrocken wich ich zurück. Schlagartig wurde es mucksmäuschenstill. Alle hatten sich der Frau zugedreht.

»DU MISTKERL!« Die Frau zielte mit der Waffe auf Michaels Kopf.

»Keely!« Michael rutschte auf seinem Stuhl herum. »Beruhige dich. Wir können über alles reden und ...«

»REDEN? Wie wäre es mit Taten anstelle von Worten?« Sie richtete die Waffe auf seinen Schritt. »Was hältst du von diesem Ziel? Passend für einen Hurensohn wie dich, oder?«

Jennys Unterlippe begann zu beben. Keely warf ihre langen Haare zurück und gab einen schnaubenden Laut von sich. »Glaub mir, ich tue dir einen Gefallen.« Sie blickte sich im Café um. »Ich tue euch allen einen Gefallen, wenn ich dieses Schwein erschieße!«

Ich starrte auf ihre Waffe. Mein Herz klopfte bis zum Hals. Ich hatte vor langer Zeit mal einen Selbstverteidigungskurs belegt. In dem hatte ich zwar gelernt, wie man einen Angreifer mit allen möglichen Kniffen abwehren konnte, aber ich hatte keinen blassen Schimmer, wie man jemandem eine Waffe abnehmen sollte.

Die Tür zur Backstube öffnete sich einen Spalt, und Marianne lugte mit aufgerissenen Augen ins Café. Ich sah sie eindringlich an, doch sie reagierte nur mit Verständnislosigkeit. War es so schwer, meine Gedanken zu lesen? Lautlos formulierte ich ‚Polizei‘. Endlich begriff sie, was ich wollte. Die Tür schloss sich leise, niemand schien den Austausch bemerkt zu haben.

Keely fuchtelte mit der Waffe herum. »Was ist dir lieber? Mitten in die Eier oder gleich das Hirn wegpusten?«

Michael entschied sich, nicht auf den Multiple-Choice-Test einzugehen.

Irgendetwas war merkwürdig. Ich schaute an die Decke. Warum war nirgends ein Loch zu sehen, wo das Projektil getroffen hatte? Hätte nicht auch Putz herunterrieseln müssen? Ich betrachtete die Waffe. Konnte es sein, dass sie gar nicht echt war?

Michaels Hüsteln durchbrach die Stille.

»Kriegst du jetzt einen Anfall?« Keely fasste mit der linken Hand in ihre Jackentasche und schleuderte etwas auf den Tisch, was aussah wie eine kleine Spraydose. »Hast du bei mir vergessen, nachdem du dich aus dem Staub gemacht hast. Ich wollte es eigentlich leersprühen, damit du bei der nächsten Attacke verreckst, weil nichts mehr drin ist!«

Michael machte Anstalten, nach der Flasche zu greifen.

»Lass die Finger davon!«, keifte Keely.

Michaels Hand zog sich in Zeitlupe zurück über den Tisch.

Vorsichtig schlich ich um den Tresen herum. Keely war auf Michael fixiert, sie bemerkte mich nicht. Doch der Student verfolgte jeden meiner Schritte aufmerksam. Ich legte einen Finger an den Mund und näherte mich Keely langsam von hinten.

Pling-Pling.

Ich warf einen Blick auf den Studenten, der fast unmerklich mit einer Kopfbewegung verneinte.

»Jetzt reicht’s. Dem setzen wir jetzt ein ENDE.« Keely stupste Michael mit der Waffe an den Oberarm. »Los! Hol’s raus.«

Wie ihm befohlen wurde, zog Michael sein Handy aus der Hosentasche. Das Display war erleuchtet. Als er es aktivieren wollte, schlug Keely ihm das Smartphone mit der Waffe aus der Hand. Er jaulte vor Schmerz auf, das Telefon fiel zu Boden.

»Glaubst du allen Ernstes, ich lasse zu, dass du eine andere Frau ruinieren kannst? Lieber sorge ich dafür, dass du stirbst. Hörst du? STIRBST!«

Wenn ich meinen Arm ausstreckte, konnte ich sie fast schon berühren. Ich musste nur noch ein bisschen näher an sie herankommen, dann könnte ich sie von hinten überwältigen. Beim nächsten Schritt knirschte es unter meinem Schuh.

Kekskrümel, schoss es mir durch den Kopf. Ich stürzte mich auf sie. Keely wandte sich blitzschnell um. Ihr Ellenbogen traf mich am Brustkorb, sie riss ihren Unterarm hoch, und ihr Handrücken knallte mir ins Gesicht. Explosionsartig breitete sich Schmerz von meiner Nase aus, ich schnappte nach Luft, dann wurde es dunkel.

»Linn? Linn!« Die Stimme meiner Freundin Kamryn war kaum zu hören.

Wieso hielt sie mir die Ohren zu? Mein Kopf wurde hochgenommen und auf zwei erhöhten Rollen abgelegt. Eine Hand strich mir über die Stirn. Ich musste meiner besten Freundin zu verstehen geben, dass es mir gut ging.

Ich öffnete die Augen. Braun. Ich blinzelte. Seit wann hatte Kamryn braune Augen? Ich schloss die Lider und setzte zu einem tiefen Atemzug an, doch brach diesen ab, als es zu schmerzhaft wurde. Ich atmete flach und wagte einen weiteren Versuch. Immer noch braun. Dichte, lange Wimpern umrundeten das Auge. Ich konnte kleine Lachfältchen am äußeren Rand erkennen.

»Linn?« Ihre Stimme klang dunkler als sonst.

Langsam erweiterte sich mein Blickfeld. Ich erkannte eine schiefe Nase, die offenbar mal gebrochen gewesen war, sowie ein glatt rasiertes Gesicht. Der Mann nahm seine Hand von meinem Kopf, knickte den Daumen und den kleinen Finger weg und hielt mir die Hand vor Augen, sodass ich die Handfläche sehen konnte.

»Kannst du mir sagen, wie viele Finger du siehst?«

»Fünf«, krächzte ich.

Er stutzte. »Das ist wohl wahr.« Er drehte die Hand um hundertachtzig Grad. »Und so?«

»Drei.«

»Gut.«

Erst jetzt realisierte ich, dass ich nicht auf zwei Rollen lag, sondern es sich dabei um die Beine des Mannes handelte. Ich war in seinen Schoß gebettet.

»Mensch, Linn.« Kamryn kniete neben ihm. »Hättest du mit deiner Heldentat nicht warten können, bis ich im Café bin?«

Kamryn schrieb für die Kitchener Gazette und war jederzeit bereit, ihre beste Freundin den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen, wenn es sich dabei um eine gute Story für die lokale Tageszeitung handelte.

Ich wollte mich aufrichten, doch Kamryn legte ihre Hand auf meine Schulter. »Bleib liegen.« Sie kam mit einem nassen Lappen auf mein Gesicht zu. »Wir müssen erst dein Nasenbluten stillen.«

Ich zuckte zusammen, als das kalte Wasser meine Nase berührte.

»Was machst du hier?«, brachte ich hervor.

»Wir sind wegen Shappunzel gekommen.«

Hätte ich mir ja denken können, dass meine Freundin diese Art des Kennenlernens ausprobieren würde. Wieso sie sich allerdings digital auf Männersuche begab, anstatt einfach den Avancen meines Vermieters Bryan endlich nachzugeben, war mir ein Rätsel. In meinem Kopf fühlte es sich an, als wenn gerade der Schleudergang der Waschmaschine lief. Ich drückte meine Fäuste auf die Augen und stöhnte.

»Lasst uns ihre Beine hochlegen«, hörte ich Mariannes Stimme.

»Kann ich heute früher Feierabend machen?«, flüsterte ich. »Ich fühl mich nicht so gut.«

Kapitel4

»Hätte nicht gedacht, dass sich das Dream-Team Bett und du so schnell trennen würde.« Mac sprang vom Sessel auf und kam mir entgegen, als ich am Abend mit wackeligen Schritten das Wohnzimmer betrat.

Igor erhob sich vom Sofa. »Ich mache dir einen Tee.«

Er verschwand in der Küche. Mac suchte alle Kissen zusammen und stapelte sie an einer Ecke der Couch aufeinander.

»So fürsorglich hab ich dich noch nie erlebt«, sagte Bryan, der aus seinem Zimmer gekommen war.

»Für Informationen über die Schießerei aus erster Hand tue ich alles.« Mac half mir, mich hinzusetzen.

»Das war also kein Traum?«, fragte ich.

»Nein. Du hast tatsächlich versucht, einer Irren eine Waffe abzunehmen.« Bryan fuhr sich durch seine dunklen, kurzen Haare.

»Reg dich wieder ab. Es war ja nur eine Attrappe.« Mac machte es sich wieder im Sessel bequem.

Igor kam mit einer Tasse Tee sowie einem Teller Keksen aus der Küche zurück. Er platzierte beides auf dem Couchtisch und setzte sich auf den anderen Sessel. Bryan lehnte weiterhin am Türrahmen.

»Schieß los«, bat Mac.

»Lass sie doch erst mal zu sich kommen.« Bryan, der immer um ein friedliches Zusammenleben der Hausbewohner bemüht war, guckte sie streng an. Dann wandte er sich an mich: »Hast du Schmerzen? Die Sanitäter haben gesagt, dass es unwahrscheinlich sei, dass du eine Gehirnerschütterung hast. Aber wir sollen dennoch auf Anzeichen achten.«

»Ich bin schlapp, und mein Kopf dröhnt.«

»Kein Wunder, du hattest offenbar kräftiges Nasenbluten und warst kurz ohnmächtig. Abgesehen davon kämpft dein Körper ja auch noch mit dem Jetlag.« Bryan warf mir ein mitfühlendes Lächeln zu.

»Da wir jetzt geklärt haben, dass Linn nicht sterben wird, will ich endlich hören, was passiert ist.« Mac hatte sich vorgelehnt und wippte mit einem Fuß.

»Du bist echt unmöglich«, herrschte Bryan sie an.

»Nein, nur neugierig«, konterte Mac.

Bryan öffnete den Mund, doch ich winkte ab. »Ist schon gut.« Ich berichtete meinen Mitbewohnern von den zahlreichen Gästen im Café, dem verliebten Pärchen und der schießwütigen Keely.

»Shappunzel hat im Dating-Markt eingeschlagen wie eine Bombe.« Mac arbeitete als Software-Entwicklerin und war immer auf dem neusten Stand, was Onlinetrends anging. »Deren Nutzerzahlen sind in den letzten vier Wochen um ein Vielfaches angestiegen.«

»Ich könnte mir vorstellen, dass sich das nach dieser Aktion heute ändern wird«, sagte Bryan. »Es geht ja keiner freiwillig das Risiko ein, von einer Wahnsinnigen erschossen zu werden.«

»Es waren nur Platzpatronen«, widersprach ich.

»Außerdem ist sie sicherlich die Ausnahme und nicht die Regel in dem Kundenstamm.« Igor reichte mir meine Teetasse.

Bryan schaute in die Runde. »Ist das hier Team Pro-Onlinepartnersuche?«

»Ich nicht«, beeilte ich mich zu sagen. »Liebe ist nichts, was man online kaufen kann wie den neuesten Bestseller oder ein neues Ladekabel.«

Mac verdrehte die Augen. »Du bist manchmal echt altbacken.«

»Autsch.« Igor zuckte gespielt zusammen. »Das von ihr zu hören zu bekommen ...«

Mac stammte aus einer alteingesessenen und wichtigen Mennonitenfamilie aus KW. Im Gegensatz zu den meisten jungen Mitgliedern dieses Glaubens hatte Mac sich nach dem sogenannten Rumspringa, einem Jahr mit sonst verbotenen Freiheiten, gegen ein mennonitisches Leben entschieden.

Ihre Familie hatte sie daraufhin, wie normalerweise in dieser Gemeinschaft üblich, nicht verstoßen, sondern sie hielten weiterhin Kontakt. Zu Feiertagen besuchte Mac sie und tauschte dann sogar ihre Gruftiklamotten gegen ein traditionelles Kleid mit Häubchen ein.

Mac nahm sich einen Keks. »Dating-Apps sind am Puls der Zeit. Die Menschen verbringen mehr Zeit mit ihrem Smartphone als mit irgendeinem anderen Gerät. Da liegt es nahe, es auch zum Kennenlernen von neuen Menschen zu nutzen.«

»Den Mann fürs Leben im Internet finden? Ich weiß nicht.« Ich nahm einen Schluck von meinem Tee.

»Es muss ja nicht gleich die Liebe des Lebens sein. Einfach nur andere Menschen auf unkomplizierte Weise kennenlernen. Ein paar Gedanken austauschen, möglicherweise ein Treffen. Wenn es dann funkt, prima. Wenn nicht, hat man vielleicht jemanden gefunden, mit dem man ab sofort zum Klettern gehen kann oder der die Leidenschaft für Gesellschaftsspiele teilt. Oder man hat im schlimmsten Fall eine Stunde zusammen in einem Café verbracht.«

Ich umschloss die Tasse fest mit den Händen und genoss die Wärme. »Ich finde die Vorstellung merkwürdig, mir einen Menschen wie in einem Katalog aussuchen zu können.«

»Dein Problem wäre doch eher, dass du im Handy nicht wie in einem Katalog blättern könntest.« Mac strich sich Kekskrümel von der Bluse, die auf den Sessel fielen.

»Mac!«, ermahnte Bryan sie.

»Hast du Linn jemals mit ihrem Handy gesehen?« Mac mopste sich einen weiteren Keks. »Sie tippt mit dem ausgestreckten Zeigefinger wie ein Kind auf seinem Spieltelefon herum.«

»Sieht das tatsächlich so doof aus?«, fragte ich.