Kleinere Schriften - Francis Bacon - E-Book

Kleinere Schriften E-Book

Francis Bacon

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Beschreibung

Francis Bacon, auch bekannt als Lord Verulam, war ein englischer Philosoph und Staatsmann, der seinem Land als Justizminister und Lordkanzler diente. Seine Werke gelten als Beitrag zur wissenschaftlichen Methodik und blieben auch in den späteren Phasen der wissenschaftlichen Revolution einflussreich. Er war gegen die Zersplitterung des Christentums, da er glaubte, dass diese letztlich zur Entstehung des Atheismus als vorherrschende Weltanschauung führen würde. In diesem Werk finden sich nicht nur seine achtundfünfzig Essays, die wohl jeder Engländer mindestens einmal in seinem Leben gelesen haben dürfte, sondern auch das Werk "Die Weisheit der Alten", in denen Bacon einunddreißig uralte Fabeln neu erzählt und davon ausgeht, dass sie verborgene Lehren zu verschiedenen Themen wie Moral, Philosophie, Religion, Zivilisation, Politik, Wissenschaft und Kunst enthalten. Abgerundet wird das Werk durch seine "Apophthegmata", einer Sammlung neuer und alter Anekdoten.

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Kleinere Schriften

 

SIR FRANCIS BACON

 

 

 

 

 

 

 

Kleinere Schriften, Sir F. Bacon

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849662189

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Vorrede.1

Lord Bacons Leben und Wirken.2

I. Von der Wahrheit.17

II. Vom Tode.20

III. Von der Einheit in der Religion.22

IV. Von der Rache.27

V. Vom Unglück.29

VI. Von der Verstellung und Heuchelei.31

VII. Von Eltern und Kindern.34

VIII. Von der Ehe und der Ehelosigkeit.36

IX. Vom Neid.38

X. Von der Liebe.43

XI. Von hoher Stellung.45

XII. Von der Kühnheit.49

XIII. Von der GÜte und GutmÜtigkeit.51

XIV. Vom Adel.54

XV. Von Empörungen und Unruhen.56

XVI. Von der Gottesleugnung.63

XVII. Vom Aberglauben. 67

XVIII. Vom Reisen.69

XIX. Von der Herrschaft.71

XX. Von der Ratgebung.77

XXI. Vom Verzuge.82

XXII. Von der Schlauheit.84

XXIII. Von der Selbstsucht.88

XXIV. Von Neuerungen.90

XXV. Von der Beschleunigung der Geschäfte.92

XXVI. Von der Scheinklugheit.94

XXVII. Von der Freundschaft.96

XXVIII. Vom Aufwand.104

XXIX. Von der wahren Größe der Königreiche. 105

XXX. Von der Gesundheitspflege.114

XXXI. Vom Argwohn.116

XXXII. Vom Gespräch. 117

XXXIII. Von Ansiedelungen.119

XXXIV. Vom Reichtum.122

XXXV. Von Weissagungen.126

XXXVI. Vom Ehrgeiz.131

XXXVII. Von Maskenspielen und Prunkaufzügen.133

XXXVIII. Vom menschlichen Charakter.135

XXXIX. Von der Gewohnheit und Erziehung.137

XL. Vom Glücke.139

XLI. Vom Wucher.142

XLII. Von der Jugend und dem Alter.146

XLIII. Von der Schönheit.148

XLIV. Von der Missgestalt.150

XLV. Von Bauten.152

XLVI. Von Gärten.156

XLVII. Von Unterhandlungen.162

XLVIII. Von Anhängern und Freunden.164

XLIX. Von Prozessierern und Bittstellern 1).166

L. Von Studien.168

LI. Von Parteien.170

LII. Von Höflichkeiten und Rücksichten.172

LIII. Vom Lobe.174

LIV. Von der Prahlerei.176

LV. Von der Ehre und dem Ruhme.178

LVI. Von der Rechtspflege.181

LVII. Vom Zorne.186

LVIII. Von der Vergänglichkeit aller Dinge.188

Bruchstück eines Essays. 194

Vom Gerücht.194

Vom Könige.196

Über den Tod.199

Die Weisheit der Alten.204

Apophthegmata.275

Vorrede.

Durch die vorliegende Übersetzung hoffe ich, denjenigen Lesern einen Dienst erwiesen zu haben, welche, des Englischen unkundig, sich dennoch für die Blüten der englischen Literatur aus dem klassischen Zeitalter der Königin Elisabeth und Jakobs des Ersten interessieren. Fehlt es auch keineswegs an deutschen Ausgaben der hervorragenden poetischen Erzeugnisse jener Periode, so sind doch die gleichzeitigen prosaischen Schriften von den Übersetzern bisher durchaus vernachlässigt worden, so dass dieselben dem größeren Publikum fast ganz unzugänglich geblieben sind; unter den betreffenden Schriftstellern ist aber wohl kaum einer, dessen Werke größere Beachtung verdienten als diejenigen des berühmten Philosophen und Kanzlers Lord Bacon, und während jeder gebildete Engländer sich schämen würde zu gestehen, seine Essays nicht gelesen zu haben, sind diese in Deutschland dem Nichtgelehrten wohl kaum mehr als dem Namen nach bekannt. Ich glaube deshalb, eine noch herrschende Lücke in unserer ausgedehnten Übersetzungs-Literatur auszufüllen, indem ich gegenwärtige Übertragung einiger kleinerer Schriften Bacons der Öffentlichkeit übergebe; überzeugt, dass sie nicht verfehlen werden, durch die Fülle der anregenden Gedanken und weisen Lehren, welche sie enthalten; die Mannigfaltigkeit der Gegenstände, welche sie behandeln und von allen denkbaren Seiten beleuchten; den Reichtum an geistreichen Sentenzen, überraschenden Gleichnissen und Bildern, mit denen sie durchwoben sind, das Interesse jedes Lesers zu fesseln und dauernd zu erhalten.

Der Anforderung an den Übersetzer, neben möglichster Worttreue des Originals vor Allem die Eigentümlichkeiten des Stils, – soweit dies einer andern Sprache überhaupt möglich ist, bewahren und wiederzugeben, bin ich bestrebt gewesen zu genügen; diese Bemerkung sei mir zur Entschuldigung gestattet, wenn der geneigte Leser hier und da die Leichtigkeit und den größeren Fluss unserer Ausdrucksweise vermissen sollte. Gerade bei unserm Autor, dessen Stil mehr als der irgendeines andern Schriftstellers seiner Zeit dazu angetan ist, zugleich den Menschen zu kennzeichnen, wäre es am wenigsten angezeigt gewesen, von der so häufig beliebten Übersetzungs-Freiheit Gebrauch zu machen, welche, im Bemühen die Sprache zu modernisieren, einen Hauptreiz des Werkes aufopfert. Wo ich in der Ausführung hinter meiner Absicht zurückgeblieben bin, stelle ich mich der gütigen Nachsicht des kundigeren Beurteilers anheim.

Bradford in Yorkshire,

Dezember 1883.

Lord Bacons Leben und Wirken.

Dem Umstande, dass der Name Francis Bacon nicht an irgendeine folgenreiche Erfindung oder glänzende Entdeckung auf einem besonderen wissenschaftlichen Gebiete geknüpft ist, muss es zugeschrieben werden, dass bis heute noch das Gedächtnis dieses großen Mannes mehr auf die Gelehrtenkreise beschränkt geblieben, als in die weiteren Schichten der gebildeten Welt eingedrungen ist. Und doch sind seine Verdienste um die Nachwelt von solchem Umfange, sein Wirken im Reiche des Geistes von solcher Tragweite, dass wir wohl berechtigt sind, ihn den größten Wohltätern der Menschheit beizuzählen; denn er ist es, der zuerst der Welt die Notwendigkeit zur Erkenntnis brachte, und die Arbeit seines ganzen Lebens für die Verbreitung dieser Erkenntnis einsetzte, dass das unabsehbare Feld der Wissenschaften, welches zu seiner Zeit bereits in eine öde Wildnis maß- und inhaltlosester Disputierkunst ausgeartet war, in einen fruchtbaren Acker umgewandelt werden müsse, dessen voraussichtlich unerschöpflicher Ertrag dem Dienste der Menschheit nutzbar zu machen sei, sollte diese nicht in einen Zustand völliger Barbarei zurückversinken. Es war freilich eine glorreiche Zeit, da die großen Denker des Altertums die Welt mit jener unendlichen Fülle erhabenster Geisteswerke beschenkten, welche noch heutzutage das Staunen und die Bewunderung jedes denkenden Lesers erwecken, und in der Tat unvergänglich fortleben müssen, solange gebildete Völker die Erde bewohnen werden; aber welche Früchte waren nach einem Zeitraum von zweitausend Jahren aus allen jenen vielverheißenden Blüten zur Reife gelangt, welcher Nutzen war der Menschheit aus allen ihren philosophischen Systemen, ihren moralischen und politischen Lehren erwachsen? Hatte das Studium ihrer Werke die Menschen gebildeter und besser, die Könige weiser und gerechter, die Untertanen glücklicher gemacht? Keineswegs: nach dem Untergange der alten Welt hatten Mönchs- und Priestertum sich ihres Wissens bemächtigt, und wie deren beschauliche Lebens- und Denkweise und ihre Abgeschiedenheit von der Welt sie vorzugsweise auf abstrakte Spekulationen hinwies, so war Nichts natürlicher, als dass sie gerade dieser Seite der alten Weltweisheit eine ausschließliche Ausbildung widmeten. Denn das Ziel und Streben der Philosophien des Altertums, auf deren Grundlage nunmehr alle spätere Philosophie sich weiter entwickelte, war lediglich auf die Vervollkommnung des menschlichen Geistes, die Verherrlichung der Tugend und die verschiedenartigen Wege zu ihrer Aneignung gerichtet gewesen, während die Erforschung der Natur nicht allein kaum einige Berücksichtigung erfuhr, sondern sogar von Vielen für eine des wahren Philosophen unwürdige Beschäftigung galt. Nur in das Innere des Menschen zu blicken verlohnte sich der Mühe; die Dinge außer ihm, und die Erkenntnis seiner Beziehung zu ihnen lagen außer dem Bereich der Betrachtung eines Weisen. Man glaubte, durch die Vollkommenheit des geistigen Ichs, welches als der Angelpunkt des Weltalls angesehen ward, die äußere Natur bezwingen, sich, so zu sagen, über sie hinwegsetzen zu können, wie z. B. die Stoiker den körperlichen Schmerz für kein wirkliches Übel hielten: kein Wunder also, dass diese Überhebung endlich dahin führen musste, dass die abstrakten Philosophien der alten Zeit, so sehr sie auch geeignet waren, einzelne Menschen zu einer bewundernswerten geistigen Größe emporzuheben, sich doch als gänzlich unfähig erwiesen, zur Veredlung und Verschönerung der materiellen Genüsse des Daseins durch die Beherrschung und Nutzbarmachung der Naturkräfte irgend Etwas beizutragen.

Jene idealste Philosophie Platos, welche sich zwar in die höchsten Regionen menschlichen Denkens aufzuschwingen verstand, vermochte doch Nichts zur Verwirklichung eines Staats, dessen Zweck er in der Gemeinschaft tugendhafter, von den Weisesten (Philosophen) regierten Menschen erkannte. Ja, selbst sein größter Schüler und späterer Gegner, der bei weitem kenntnisreichere und praktischere Aristoteles, der die geheimen Triebfedern menschlichen Handelns weit besser ans Licht zu ziehen und zu beurteilen wusste als sein Vorgänger, und dessen Autorität noch bis ins späteste Mittelalter unerschütterlich feststand, hielt die Bildung der damaligen Welt für so weit vorgeschritten, dass ihm die Möglichkeit fernerer Erfindungen fast ausgeschlossen erschien. Mit welchem Staunen sähe er wohl die Riesenfortschritte der Neuzeit auf dem Gesamtgebiete der Industrie, die täglich sich mehrenden großartigen Entdeckungen in allen möglichen Zweigen der Naturwissenschaften, denen kein Stillstand mehr geboten, kein Ziel mehr gesetzt werden kann! So groß und weitreichend aber auch sein Einfluss auf die Denkrichtung aller späteren Jahrhunderte gewesen ist, so war es doch endlich notwendig geworden, der Wissenschaft einen neuen Ausgangspunkt anzuweisen, den alten Autoritätsglauben zu stürzen, und den Schatz aller erworbenen Kenntnisse wieder auf seine Urquellen zurückzuführen. Denn die strahlende Weisheit der Griechen, welche sich, wie bemerkt, aus den Trümmern der alten Welt in die Mönchsklöster des Mittelalters gerettet hatte, unter deren Pflege sie sich allmählich zu einem Chaos abgeschmacktester Streitfragen und spitzfindigster Disputationen der Scholastiker ausgebildet hatte, trug endlich nur noch die unbrauchbarsten Früchte, wie wir sie in der Alchemie, der Astrologie, dem Stein der Weisen, dem Lebenselixier und ähnlichen phantastischen Ausgeburten wiedererkennen, und so sehen wir denn auch den ganzen langen Zeitraum zweier Jahrtausende fast leer an nützlichen Erfindungen, und nur hier und da durchdringt meteorgleich der Stern eines großen Genius die allgemeine geistige Finsternis.

Aber schon hat die Verbreitung der Buchdruckerkunst begonnen mehr Licht in weitere Kreise zu bringen; die trägen Völkermassen erwachen und regen sich zu einem neuen Leben; die Reformation tritt ein, um den Druck, der auf den Geistern so schwer gelastet, zu heben. Bald fehlte es nicht mehr an bedeutenden Männern, deren hellerem Blick das fruchtlose Abmühen der damaligen Gelehrtenwelt nicht entging; häufigere und eindringlichere Stimmen erhoben sich nach einer Umgestaltung der herrschenden Zustände. Aber es hatte doch Niemand bis jetzt eine Methode zu einem neuen bessern Verfahren angegeben oder den richtigen Weg gezeigt, auf welchem wissenschaftliche Untersuchungen unternommen werden müssten, um zu praktischen Resultaten führen zu können. Dieses große Werk war Francis Bacon vorbehalten; ihm vor Allen haben wir es zu danken, dass die Naturwissenschaften in diejenigen Bahnen gelenkt worden sind, welche sie befähigten, die Höhe zu erreichen, die sie heute einnehmen, und in Wahrheit das Gemeingut der Menschheit genannt zu werden.

„Es ist nicht meine Meinung“, sagt er, „wie es von Sokrates hieß, die Philosophie vom Himmel auf die Erde herab zu holen, d. h. die Naturwissenschaft bei Seite zu setzen und alle Kenntnis nur auf Ethik und Politik anzuwenden. Da aber Himmel und Erde sich zum Nutzen und Wohle der Menschheit vereinigen und dazu beitragen, so sollte auch ihr Ziel sein, aus beiden Philosophien alle eitlen Spekulationen und was sonst darin inhaltlos und nichtig ist auszuscheiden und zu entfernen, dagegen das Wesentliche und Fruchtbare zu bewahren und zu vermehren.“

Man mag sich in der Tat darüber wundern, dass ein an und für sich so einfacher Weg, wie er ihn vorzeigte, nicht schon längst von scharfsinnigen und gelehrten Männern, deren es ohne Zweifel viele vor ihm gab, eingeschlagen worden war, denn sein Verfahren bestand eigentlich nur in der Einführung des empirischen Elements in alle Zweige der Wissenschaften, war lediglich auf die Anwendung des Grundsatzes, sowohl in der physischen als auch in der moralischen und sozialen Welt gebaut, dass die Erforschung und Erkenntnis der Natur nicht durch trügerische Deduktionen von ungeprüften Sätzen und Annahmen herrschender Autoritäten, sondern einzig und allein auf dem Wege zahlreicher, gründlicher und mit Verstand geleiteter und verfolgter Experimente, mittels deren sorgfältiger Vergleichung der Natur ihre Gesetze abgelauscht werden müssten, zu erreichen sei. Erwägt man jedoch nur die Macht alter festgewurzelter Vorurteile, mit denen selbst unser aufgeklärtes Zeitalter noch tagtäglich, und häufig genug vergebens, zu kämpfen hat, so wird man einräumen müssen, dass zu einer Zeit, wo die Naturwissenschaften, noch allzu sehr von religiösen oder biblischen Anschauungen durchdrungen, kaum etwas Anderes als einen Wust von Aberglauben und Unkenntnis genannt werden konnten; wo man gewohnt war, die überlieferten Autoritäten, je älter sie waren, mit desto größerer Ehrfurcht zu betrachten; wo jeder Versuch einer Neuerung Gefahr lief, als Ketzerei verschrien, und mit Gefängnis, Tortur, wenn nicht gar mit dem Tode bestraft zu werden; --- dass, sage ich, zu solcher Zeit und unter solchen Verhältnissen es unendlich viel schwieriger war, und einen außerordentlichen Mut erforderte, an den alten Systemen, die wie verzogene Kinder gehätschelt wurden, zu rütteln, geschweige sie zu Falle zu bringen. Bacon hatte den Mut dies Unternehmen zu wagen, und wenn es ihm auch nicht vergönnt war, die Früchte seines Schaffens reifen zu sehen, so hatte er doch die Genugtuung, die allgemeine Anerkennung seiner Werke im In- und Auslande noch zu erleben, und konnte im Bewusstsein aus der Welt scheiden, den Anstoß zu einer unausbleiblichen Verbesserung der Zustände gegeben, und so ein seinen Mitmenschen nützliches Leben beschlossen zu haben.

Auch währte es nicht lange, bis das träge Räderwerk der Wissenschaften, von seinem Geiste angetrieben, in lebhaftere Bewegung geriet; und waren auch schon vor seinem Auftreten Männer wie Galilei, Kopernikus, Kepler, Harvey, Gilbert und Andere, durch die gleiche Forschungsmethode zu ihren erstaunlichen Resultaten geführt worden, so hat dieselbe doch vor Allem die glänzendste Rechtfertigung erfahren durch Newtons großartige Entdeckungen, womit Dieser den Reigen anführte, dem die Nachwelt von nun an unentwegt zu folgen gezwungen war. Bacons eigene Meinung von der Wirkung, welche die Anwendung seiner Methode auf die Wissenschaften ausüben würde, war in der Tat eine so hohe, dass er dem menschlichen Geiste die Unsterblichkeit ausgenommen – Nichts für unerreichbar hielt, und sich das Menschendasein der Zukunft, vermöge ihrer Unterwerfung der Natur unter ihren Willen als einen Aufenthalt in einem irdischen Paradiese träumte. Soweit wir jedoch noch von einem so begehrenswerten Zustande entfernt sind, so wird doch nicht geleugnet werden können, dass wir uns ohne Bacons segensreiches Wirken diesem Ideale noch weit mehr entrückt finden würden, als wir es heute sind, wo wir übrigens, ungeachtet der bereits gemachten ungeheuren Fortschritte, doch vielleicht erst an der Grenze ungeahnter Vervollkommnung stehen.

Wenden wir uns nun von der Betrachtung seines geistigen Wirkungskreises zu derjenigen seines Privat- und politischen Lebens, so ist es eine Sache tiefsten Bedauerns, dass Dies nicht auch mit dem Gefühle ungetrübten Beifalls geschehen kann. Viele seiner Handlungen, von Einigen entschuldigt, ja sogar in beredtester Weise verteidigt, haben doch das Verdammungsurteil Anderer auf ihn herabgerufen, und mag auch das herbe, absprechende Verdikt Macaulays über seinen Charakter nicht in seiner ganzen Ausdehnung berechtigt sein, so ist er doch auf der andern Seite von Schuld gewiss nicht freizusprechen. Allein um seiner großen Verdienste willen geziemt es sich, in seiner Beurteilung als Mensch den Standpunkt einzunehmen, den er selber in den Worten angedeutet hat: Was meinen Namen und mein Andenken betrifft, so gebe ich dieselben dem wohlwollenden Urteil der Menschen, dem Auslande und dem kommenden Zeitalter anheim.“ Wohlwollen aber ist nicht immer eine Charakteristik seiner Biographen gewesen.

Francis Bacon wurde am 22. Januar 1561 als der jüngere von zwei Söhnen des Sir Nicholas Bacon, Großsiegelbewahrers der Königin Elisabeth, aus zweiter Ehe mit Anna Cook, der Schwägerin des damaligen Staatsministers Lord Burleigh, in London geboren. Seine Mutter besaß eine für jene Zeit ausgezeichnete Bildung: sie war im Lateinischen, Griechischen und Italienischen ebenso wohlbewandert wie in Küche und Keller, und dabei die zärtlichste Mutter. Sir Nicholas erfreute sich eines bedeutenden Ansehens unter seinen Zeit- und Amtsgenossen, und empfing häufige Zeichen des Vertrauens seiner Königin während der langjährigen ehrenhaften Verwaltung seines Amtes. So schienen sich alle Umstände zu vereinigen, um dem jungen Francis die Aussicht auf eine glänzende Karriere zu eröffnen: Zutritt zu den höchsten Kreisen, mächtige, vielvermögende Verwandte und die sorgfältigste Erziehung; wiewohl aus den wenigen Berichten, welche über seine früheren Kinderjahre vorliegen, keineswegs erhellt, dass er ein außerordentliches Kind gewesen sei, falls man nicht der bekannten Anekdote einen unverdienten Wert beilegen will, nach welcher die Königin es liebte, sich mit dem aufgeweckten Knaben zu unterhalten, den sie oft ihren kleinen Siegelbewahrer genannt haben soll, eine Voraussagung, welche sich indessen zu ihren Lebzeiten nicht bewahrheitete. Er scheint auch ein schwächlicher Knabe gewesen zu sein, was sich aus den häufigen Apotheker-Rechnungen schließen lässt, die während seiner Studienjahre zu Cambridge, wohin er in seinem dreizehnten Jahre geschickt wurde, unter den Ausgaben für seine Erziehung erscheinen. Sir Nicholas hatte seinen Sohn für die Staatslaufbahn bestimmt, weshalb er ihn nach Absolvierung seiner Studien dem englischen Gesandten in Frankreich, Sir Amyas Paulet, übergab, damit er unter dessen Aufsicht sich nicht sowohl die feineren französischen Sitten aneignen, als vornehmlich seine Welt- und Menschenkenntnis vermehren möge. Dort benutzte er seine Muße zur Veröffentlichung seiner ersten literarischen Arbeit: ,, Kurze Übersicht der Lage Europas", durch welche Schrift er eine scharfe Beobachtungsgabe bekundete, und sich die Anerkennung der Königin erwarb. Der plötzliche Tod seines Vaters rief ihn im Jahre 1580 an die Seite seiner Mutter zurück, und da die Hinterlassenschaft des Verstorbenen keine bedeutende war, so befand er sich nunmehr in so beschränkten Verhältnissen, dass er sich gezwungen sah, sich dem Studium der Rechtswissenschaft zu widmen, welche als Erwerbsmittel schneller zu verwerten war, und ein einträglicheres Einkommen verhieß. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich nebenbei aus Neigung mit philosophischen Studien, und hatte begonnen, die Mängel der herrschenden Systeme und die Fesseln, in denen die Geister von ihnen gehalten wurden, zu bemerken, sowie die Idee in sich zu nähren, eine bessere Methode für wissenschaftliche Forschungen einzuführen. Zu diesem Ende schrieb er die Abhandlung, welcher er den hochklingenden Titel gab: „Die größte Geburt der Zeit“, und worin er, wenn auch noch in ziemlich unreifer Form, die Prinzipien entwickelte, die ihn späterhin zu dem Namen eines Reformators der Wissenschaften berechtigten. Bei Alledem aber behielt er ein wachsames Auge auf Alles, was ihm zu seiner Beförderung dienlich sein konnte; allein in dem gehofften Beistand seiner Verwandten sah er sich bitter getäuscht, und gerade Dasjenige, was die Grundlage seines künftigen Ruhmes werden sollte, seine literarische Tätigkeit, erwies sich ihm vorerst als ein Hemmnis in der Erlangung einer Anstellung, indem Burleigh ihn der Königin als einen Träumer und unpraktischen Menschen, der die Staatsgeschäfte eher verwirren als fördern würde, schilderte, – freilich wohl nur mit dem Hintergedanken, seinem eigenen Sohne, Sir Robert Cecil, die Bahn zu ebnen, welche ihm unter gleichen Verhältnissen der ihm geistig weit überlegene Bacon ohne Zweifel streitig gemacht haben würde. Um sich aber doch den Anschein eines Förderers der Interessen seines Neffen zu geben, verschaffte Burleigh ihm die Anwartschaft auf die Registratur der Sternkammer, ein Amt, welches allerdings sechzehnhundert Pfund Sterling jährliches Einkommen mit sich brachte, jedoch von Bacon erst zwanzig Jahre nachher angetreten werden konnte, was ihn zu der witzigen Bemerkung veranlasste, dass es so viel heiße als eines Andern Grundstück neben seinem Hause zu haben: es verbessere die Aussicht, fülle aber nicht die Tenne. Auch hatte Elisabeth ihn früher schon zu ihrem außerordentlichen Rat ernannt, mit welchem Posten zwar ebenfalls nur ein unbedeutendes Einkommen verknüpft, der ihm aber doch zur Einführung in seine juridische Praxis von großem Nutzen war. Im Jahre 1593 trat er als Abgeordneter für die Grafschaft Middlesex ins Parlament, wo es ihm durch seine Beredsamkeit bald gelang das Ohr des Hauses zu gewinnen. Er beging indessen die Unvorsichtigkeit, gegen die Bewilligung von Subsidiengeldern, welche die Königin begehrt hatte, zu sprechen, wodurch er Diese so tief beleidigte, dass sie ihm sogar den Zutritt zu ihr untersagen ließ. Hiernach fiel es Burleigh natürlich nicht schwer, seinen Neffen von jedem einträglichen Amte auszuschließen, obwohl Dieser, seinen Irrtum einsehend, eine förmliche, doch vorderhand nutzlose Abbitte vor der Königin tat.

Unter solchen Umständen wird es kaum Wunder nehmen, dass er sich nach andern Seiten umschaute, sich andere Freunde suchte, von denen er wirksameren Beistand erwarten konnte. Einen solchen Freund fand er in dem jungen Grafen Essex, einem aufsteigenden Stern am glänzenden Hofe Elisabeths und bereits ihr mächtiger Günstling. Gleiche Interessen verbanden die beiden Männer bald zu engerer Freundschaft, und die Dienste, welche der Eine durch seine klugen Ratschläge leistete, beeiferte sich der Andere in substantiellerer Weise zu vergelten. Nichtsdestoweniger war das allzu ungestüme Drängen des Grafen bei der Königin um die Ernennung seines Freundes zum Staatsanwalt (Solicitor General) Diesem vielmehr hinderlich, indem er sich durch seinen Anschluss an Essex andere Feinde bereitet hatte, denen Nichts willkommener sein konnte, als eine Gelegenheit, Letzteren aus der Gunst der Königin zu verdrängen. Als ihre Anschläge nun wirklich Bacons Anstellung zu Gunsten Cecils hintertrieben hatten, was den Grafen ganz außer sich brachte, so glaubte Dieser ihn nicht passender entschädigen zu können, als durch das Geschenk einer wertvollen Besitzung. Um diese Zeit warb Bacon um die Hand der jungen und reichen Witwe, Lady Hatton, einer Enkelin Burleighs, welche jedoch seine Werbung zurückwies, wie es heißt, infolge seines wegwerfenden Urteils über die Liebe, dem er in seinen vor kurzem veröffentlichten Essays einen unzweideutigen Ausdruck gegeben hatte. Er hatte keine Ursache, sich über diese Wirkung seiner Arbeit zu beklagen, da Lady Hatton ihn, wie ihren späteren Gatten, zweifelsohne elend gemacht haben würde.

Unterdessen war sein Verhältnis zu Essex doch etwas lockerer geworden; des Grafen unruhiger, abenteuerlicher Geist war von hochfliegenden Plänen erfüllt: nach einem für ihn nicht eben glorreichen Feldzuge in Spanien und Frankreich verlangte es ihn nach neuer Tätigkeit, und er bestürmte die Königin, ihm den Oberbefehl des zur Unterdrückung eines Aufstandes in Irland im Jahre 1601 entsandten Heeres zu übertragen, unachtsam auf das eindringliche Widerraten seines Freundes, der von diesem Kriege wenig Ruhm und nur Unehre für einen Mann voraussah, dem es an allem Talent zur Beschwichtigung eines heißblütigen rebellischen Volkes, wie die Irländer es waren, gebrach. Die Folge bestätigte nur allzu sehr Bacons Befürchtungen. Durch geheime Umtriebe der Papisten und Jesuiten in die Hände gewissenloser Abenteurer gegeben, ließ Essex sich verleiten, das Haupt einer Verschwörung gegen die Regierung und selbst gegen das Leben der Königin zu werden, was ihm zunächst seine Freiheit kostete. Im entscheidenden Augenblick von seinen Anhängern verlassen, wurde er gefangen, in den Tower geführt, und, des Hochverrats angeklagt, erwartete er sein Urteil. Die Rolle, welche Bacon in diesem trauervollen Drama spielte, bildet einen der dunkelsten Flecken in seinem Leben. Von den Reden, welche er als Leiter der Anklage im Parlamente hielt, konnte nichts Anderes als des Grafen Verdammung erwartet werden: die Pairs sprachen das Todesurteil über ihn aus.

Man hat Bacons Handlungsweise als die eines wahren Patrioten, dem das Wohl seines Souveräns und seines Vaterlandes seinen Privatneigungen und -Interessen unter allen. Umständen vorangehen müsse, zu verteidigen gesucht; man hat dieselbe als eine mannhafte, unter Hintansetzung aller persönlichen Rücksichten geübte dargestellt; allein wenn man selbst so weit geht, zuzugestehen, dass Bacon in seiner Anklage Nichts gegen jenes unglückliche Opfer hinterlistiger Intrigen ausgesagt habe, was nicht im vollsten Masse gerechtfertigt war, und wofür nicht die unwiderleglichsten Beweise vorlagen; ja, wenn man zu seiner Entschuldigung noch hinzusetzen will, dass er auch seine Pflicht als Ratgeber der Königin zu erfüllen hatte, und sogar Dies, dass das Gutheißen seines Verfahrens durch seine Neuwahl ins Parlament eine öffentliche Bestätigung zu empfangen schien, wogegen aber angeführt werden muss, dass Bacon sich durch eine auf der Königin Geheiß nach Essex' Tode abgefasste Rechtfertigungsschrift allgemeinen Tadel zuzog, und sogar sein Leben bedroht gewesen sein soll; so bleibt es doch immerhin schwer, sich von der absoluten Notwendigkeit zu überreden, dass gerade er sich veranlasst fühlen sollte, ein so liebloses Amt auf sich zu nehmen, da er sich doch sagen musste, dass sein Auftreten gegen den Grafen mehr als das irgend eines Andern die nachdrücklichste Verschärfung seines Verbrechens nach sich ziehen musste. Dieser war einst sein Freund und Wohltäter gewesen und hatte Ansprüche auf seine Dankbarkeit, die Bacon nichts gekostet haben würde, hätte er nur eine anständige Zurückhaltung bewahrt. Der Verdacht liegt daher nahe, dass sein Beweggrund zu einer so niedrigen Handlung, wie es die Aufopferung des Freundes war, etwa in seinem allzu eifrigen Streben nach Wiedererlangung der verscherzten Gunst der Königin zu suchen sei; wie Dem aber auch sei, so wird man, Alles wohl erwogen, schwerlich jemals den Schatten entfernen können, den er durch den augenscheinlichen Wandel seines Betragens gegen Essex und seinen mittelbaren Anteil an dessen Tode auf seinen Charakter geworfen hat.

In freundlicherem Lichte erscheint uns die Epoche seines Lebens, welche nach dem bald darauf erfolgten Tode Elisabeths mit der Thronbesteigung Jakobs des Ersten für ihn anhub. Dieser König, zwar von wankelmütigem Charakter und einem ausschweifenden Leben ergeben, besaß gleichwohl eine gelehrte Bildung und war ein freigebiger Beschützer der Wissenschaft und Gelehrsamkeit. Es konnte nicht fehlen, dass er, Bacons hervorragende Talente würdigend, Diesem bald eine einflussreichere Stellung an seinem Hofe anwies, umso weniger, als Bacon dem Lieblingswunsche des Königs, die Vereinigung der beiden Reiche England und Schottland, bei jeder Gelegenheit durch Rat und Tat Vorschub zu leisten beflissen

Unter Anderem zeigte sich ihm der König durch Verleihung des Ritteradels im Jahre 1603, der Ratswürde 1604, sowie durch seine persönliche Zuneigung erkenntlich. Nunmehr auf einem ebeneren Wege zum Glücke voranschreitend, darf Bacon wieder ernstlich an die Gründung eines eigenen Hausstandes denken, zumal er in der Person der Alice Barnham, der Tochter eines Londoner Alderman, eine Gattin nach seinem Herzen gefunden zu haben glaubt. Nach mancherlei Hindernissen gelingt es ihm, die Zustimmung ihres jetzigen Stiefvaters zu erhalten, und der zehnte Mai 1606 vereinigt die beiden Liebenden zu einem glücklichen Paar.

Allein weder vermehrte häusliche Pflichten, noch ein tätiges Leben inmitten einer politisch bewegten Zeit vermochten, ihn seiner Lieblingsneigung zu literarischen und philosophischen Studien abwendig zu machen, und als reifste Frucht seiner Muße sehen wir ihn seine bedeutende, dem Könige zugeeignete Abhandlung „Über den Fortschritt der Wissenschaften vollenden, worin er eine umfassende Übersicht über den derzeitigen Stand aller Wissenschaftszweige gibt, ihre Irrtümer und Mängel bloßlegt und Winke zu deren Abhilfe erteilt, eine Arbeit, zu welcher ihn die reichsten Kenntnisse und eine außerordentliche Belesenheit, gepaart mit einem natürlichen Scharfsinn und dem ausdauerndsten Fleiße in hohem Grade befähigten. Er hat später diese Schrift, nebst dem auch bald darauf begonnenen berühmten „Novum Organum“, seinem großen Werke, der ,,Instauratio Magna“, einverleibt, das ihn neun Jahre hindurch beschäftigte, aber unvollendet blieb. In dem einen Teile des „Novum Organum“ versucht er, die damals angewandte Logik durch eine bessere zu ersetzen, die nicht bloß dem Zwecke der Kontroverse diene, sondern wirkliche Mittel zur Erlangung jeder Art von Kenntnissen an die Hand gäbe. Durch den andern Teil, welcher den Naturwissenschaften gewidmet ist, wirft er die ganze scholastische Rumpelkammer über den Haufen, indem er die wahre Methode zur Erforschung der Natur angibt, und auf diesem Teile namentlich beruht seine Größe und sein Ruf als Philosoph. Es ist oben bemerkt worden, dass die Gelehrten vor seiner Zeit gewohnt waren, aus Ideen, unabhängig von der Beobachtung der Erscheinungen in der Natur, ihre Schlüsse zu ziehen, oder wenn sie sich jemals zu einer Untersuchung der Phänomene herabließen, aus einer geringen Anzahl von Tatsachen voreilig Prinzipien abzuleiten. Gegen diese unfruchtbare Methode wandte sich Bacon mit der ganzen Schärfe seines Geistes, denn für ihn hatte kein Studium, keine Wissenschaft eine Berechtigung, welche nicht, wie er sich auszudrücken pflegte, Früchte trug. „Woher“, fragt er, „entspringt diese Ungewissheit und Unfruchtbarkeit in allen bis jetzt herrschenden physischen Systemen? Wahrlich nicht in der Natur selber; denn die Beständigkeit und Regelmäßigkeit der Gesetze, von denen sie regiert wird, bezeichnen sie mit Klarheit als einen Gegenstand sicherer und genauer Kenntnis. Noch kann der Mangel an Fähigkeit Derer, die sich mit jenen Untersuchungen beschäftigt haben, schuld daran sein; denn Viele von ihnen waren die begabtesten Männer ihres Zeitalters; folglich ist der Grund in nichts anderem als der Verkehrtheit und Unzulänglichkeit der angewandten Methoden zu suchen. Man hat eine Welt aus seinen eigenen Begriffen schaffen und aus seinem Innern alles Material dazu hernehmen wollen; hätte man aber anstatt Dessen die Erforschung und Beobachtung zu Rate gezogen, so würde man nicht über Meinungen, sondern über Tatsachen abzuurteilen gehabt haben und schließlich zur Erkenntnis der Gesetze, welche die materielle Welt regieren, gelangt sein."

Bei der außerordentlichen Wichtigkeit, welche Bacon den Untersuchungen durch Experimente beilegte, muss man es doch als einen Mangel in seinem System bezeichnen, dass er andererseits den Wert weit unterschätzte, welcher denselben aus dem Erfindungsgenie des Forschers, aus dessen Scharfsinn in der Verbindung der Tatsachen untereinander erwächst. Er hielt bei seiner Methode, die im Grunde eine rein mechanische war, jenen Scharfsinn für überflüssig; aber es ist wohl mehr als fraglich, ob sie ohne die wichtige Mithilfe dieser idealen Seite jemals zu den großen Resultaten geführt haben würde, welche ihr Begründer von ihr voraussah.

Inmitten seiner erfolgreichen wissenschaftlichen Tätigkeit war Bacon auch in der Erklimmung der Leiter zu den höchsten Ämtern nicht zurückgeblieben: im Jahre 1607 zum Staatsanwalt, 1612 zum Generalfiskus (Attorney General), 1617 zum Großsiegelbewahrer, endlich 1618 zum Lordkanzler ernannt, waren ihm außerdem nacheinander die Titel eines Barons von Verulam und darauf eines Vicomte St. Albans vom Könige verliehen worden. Sogar Buckingham, der Günstling des Königs, dem Bacon sich durch seine Unterweisungen und vortrefflichen Ratschläge häufig verpflichtet, hatte ihn seiner Freundschaft gewürdigt, und so war er nun in der Tat auf dem Gipfel seines Glückes angelangt. Allein nicht lange sollte er sich desselben erfreuen. Die Worte in jenem Monologe Wolseys finden auf ihn in vollstem Masse ihre Anwendung:

,,Dies ist des Menschen Los: heut sprossen ihm

Der Hoffnung zarte Blätter; morgen Blüten,

Und dichtgehäuft trägt er die ros'gen Würden;

Drauf kommt ein Frost, ein mörderischer Frost,

Der, - wenn er denkt, der Glückliche, nun nahe

Die Reife seines Ruhms, die Wurzel tötet;

Dann fällt er so wie ich."

Im Jahre 1621, nur ein Jahr nach dem Erscheinen seines „Novum Organum“, waren im Unterhause einzelne Beschwerden über die im Lordkanzleramte vorherrschende Bestechlichkeit laut geworden; einmal der Öffentlichkeit preisgegeben, vermehrten sich dieselben bald zu einer solchen Anzahl, dass es unmöglich ward, sie zu übergehen oder zu vertuschen, und es wurde beschlossen, die Sache dem Oberhause zur Untersuchung zu überweisen. Bacon, obwohl anfangs mit der Sicherheit der Schuldlosigkeit und ohne Ahnung der nahenden Gefahr den Sturm an sich herankommen lassend, sah jedoch bald ein, dass die von seinen Widersacher angestiftete Verfolgung nicht den bestehenden Missbräuchen, sondern seiner Person galt und seinen Ruin bezweckte, dass er hingegen, wenn auch weniger durch eigene Vergehungen, doch durch allzu große Nachsichtigkeit gegen seine Untergebenen eine zu schwere Schuld auf sich geladen hatte, um der Strafe entgehen zu können. Er war angeklagt worden, während der Schwebe von Prozessen Gelder und Geschenke angenommen zu haben, zu dem Zwecke, ihren Ausgang zu Gunsten der Geber zu fördern. Dies war allerdings der Fall, dagegen ist zu seiner Entschuldigung gesagt worden, dass dies eine allgemeine Sitte seiner Zeit war, und auch seine Vorgänger im Amte es nicht verschmäht hatten, sich auf gleiche Art zu bereichern; namentlich aber, dass man unter den dreiundzwanzig Fällen, worin ihm die Annahme von Geschenken nachgewiesen wurde, keinen einzigen gefunden hatte, in welchem sein Urteil ein parteiisches gewesen wäre oder umgestoßen werden konnte. Doch war es vorgekommen, dass auf Veranlassung seiner Unterbeamten sowohl Kläger als Verklagte dem Kanzler Geld und andere Wertsachen zugesandt hatten; es konnte also nicht ausbleiben, dass nicht eine der streitenden Parteien enttäuscht werden musste und sich zu rächen suchte. Meistens jedoch waren die Gelder als Gebühren in der herkömmlichen Weise gezahlt worden, und in einzelnen Fällen an seine Diener ohne sein Vorwissen. Nichtsdestoweniger hatte diese Unsitte nicht allein in der Kanzlei, sondern eben so sehr in den andern Gerichtshöfen einen so hohen Grad erreicht, und waren die dadurch herbeigeführten häufigen Erpressungen so unerträglich geworden, dass die Abstellung dieses Übelstandes zu einem ebenso passenden wie erwünschten Vorwande diente, den Kanzler zu stürzen. Andere Umstände traten noch hinzu, seine Lage zu verschlimmern, denn es wurde nun natürlich Alles hervorgesucht, was dazu beitragen konnte, ihn auch dem Hasse der Menge preiszugeben. Man beschuldigte ihn nämlich, und dies mit vollem Rechte, seine Stellung zur Verleihung von Privilegien und Monopolen an einzelne Privatpersonen, unter Andern auch an Buckingham, zum Vertrieb gewisser Waren benutzt zu haben, deren Preise dadurch, zur ausschließlichen Bereicherung der Bevorzugten, auf unerhörte Weise verteuert wurden. Es war nicht zu leugnen, dass er dies, obwohl er selber keinen direkten Vorteil daraus zog, aus Nachgiebigkeit gegen den König,. dessen Kasse, nie sehr wohlbestellt, aus dem Verkauf der Monopole bedeutende Einnahmen zuflossen, sowie aus zu großer Unterwürfigkeit gegen dessen Günstling getan hatte.

Als der König die Unmöglichkeit einsah, Bacon zu retten, erteilte er ihm den Rat, auf seine Verteidigung zu verzichten und sich der Gnade der Pairs zu überlassen, gab ihm jedoch zugleich das Versprechen, sich seiner nach Kräften anzunehmen, und falls er ihn nicht schützen konnte, ihn doch durch spätere Gunstbezeigungen zu entschädigen. Bacon war kleinmütig genug, dieser erniedrigenden Zumutung Folge zu leisten: anstatt persönlich seine Verteidigung zu übernehmen, die ihm unendlich hätte nützen können, da er sich selbst nicht für schuldig hielt, hütete er das Bett und machte eine schriftliche Eingabe an das Oberhaus, worin er zwar seine Vergehen vor dem Gesetze zugestand, sie aber durch den herrschenden Gebrauch seiner Zeit zu entschuldigen suchte, und im Übrigen die Hoffnung aussprach, man möge die Niederlegung seines Amtes als hinreichende Strafe für seine Irrtümer betrachten. Dies war indessen nicht der Fall: mit einem so ausweichenden, allgemeinen Geständnis nicht zufrieden, verlangte man von ihm eine Aufklärung über jeden einzelnen Anklagepunkt und, einmal so weit gegangen, blieb ihm nichts Anderes mehr übrig, als seine Schuld vollständig zuzugestehen. Das über ihn verhängte Urteil bestand in einer Geldbuße von vierzigtausend Pfund Sterling und einer Haft im Tower auf unbestimmte Zeit; er wurde ferner der Bekleidung aller öffentlichen Ämter für unwürdig erklärt und von der Betretung des Hofbezirks ausgeschlossen. Bacon, obgleich er sein Urteil als ein gerechtes anerkannte, fühlte nichtsdestoweniger, dass er einerseits das Opfer gemeiner Intrigen geworden, andrerseits, dass seine Schuld mehr bei seinen Untergebenen als in ihm selber lag; denn als er einst während der Untersuchung das Zimmer durchschritt, worin Jene versammelt waren und sich bei seinem Eintritt von ihren Sitzen erhoben, rief er ihnen in bitterem Unmut die Worte zu: ,,Bleibt nur sitzen, ihr Herren, eure Erhebung hat meinen Fall herbeigeführt."

Seine Haft war nicht von langer Dauer: nach zwei Tagen lies der König ihn in Freiheit setzen, auch ward ihm die Geldstrafe erlassen. Aber seine Gesundheit war gebrochen; ein geknicktes Rohr, zog er sich auf seinen Landsitz Gorhambury zurück, wo er sich fortan nur seinen Studien zu leben entschloss und von wo er die Genugtuung hatte, auch den Sturz seiner größten Feinde mit anzusehen. Dort schrieb er auf des Königs Wunsch eine Geschichte Heinrichs des Siebenten“, vollendete er eine vergrößerte Ausgabe seiner „Essays“, vervollständigte seine „Instauratio Magna“ und verfasste den philosophischen Roman „Die neue Atlantis“, sowie verschiedene andere Schriften politischen und juristischen Inhalts. Sein immer steigender Ruf als Gelehrter und das Ansehen, dessen seine Werke sich überall erfreuten, trugen dazu bei, die öffentliche Stimmung allmählich wieder günstiger gegen ihn zu gestalten, so dass der König, der nicht aufgehört hatte ihm wohlgesinnt zu sein, nach Verlauf von drei bis vier Jahren es glaubte wagen zu dürfen, ihm auch den Rest seiner Strafe zu erlassen. Der Zutritt bei Hofe ward ihm wieder" gestattet, und als Jakob der Erste im Jahre 1625 starb und sein Nachfolger Karl der Erste sein erstes Parlament berief, ließ er auch Bacon zum Erscheinen in der Pairskammer entbieten. Allein mit Verachtung wies er nunmehr alle weltlichen Ehren zurück und blieb seinem Vorsatze getreu, sein Leben unter wissenschaftlichen Arbeiten zu beschließen, ein Vorsatz, wodurch er der Welt einen weit größeren Dienst zu erweisen hoffen durfte, welchem er aber auch selbst zum Opfer fiel. Es war ihm nämlich die Idee gekommen, zu untersuchen, welchen Einfluss die Kälte auf die Erhaltung organischer Substanzen auszuüben vermöchte; zu diesem Zwecke fuhr er an einem sehr kalten Wintermorgen des Jahres 1626 aufs Land, um einige Experimente vorzunehmen, und während er damit beschäftigt war, ein Huhn mit Schnee auszustopfen, übernahm ihn ein plötzlicher Frostschauer, so dass er sich gezwungen sah, in dem nahegelegenen Hause des Grafen Arundel Zuflucht zu suchen, wo man ihn in ein feuchtes Bett legte. Eine Lungenentzündung, von hitzigem Fieber begleitet, war die unmittelbare Folge, und nach achttägiger Krankheit erlag er derselben am neunten April. In seinem letzten, vom Krankenlager aus an den abwesenden Grafen gerichteten Briefe, worin er gesteht, kaum die Finger zum Schreiben bewegen zu können, vergisst er doch nicht zu erwähnen, dass das Experiment vortrefflich gelungen sei. Sein Leichnam wurde zu St. Albans, in der Kirche des heiligen Michael, beigesetzt, wo ihm von seinem getreuen Sekretär, Sir Thomas Meautys, ein Denkmal errichtet wurde. Er hinterließ keine Nachkommen; seine Gattin, mit der er nicht allzu glücklich gelebt zu haben scheint, hatte ihn nach seiner Ungnade verlassen und verheiratete sich nach seinem Tode zum zweiten Male.

Die Hauptschwäche seines Charakters, eine übertriebene Liebe zu Pracht und Aufwand, die ihm schon in seiner Jugend häufige Ermahnungen seiner Mutter zugezogen hatte, war die Ursache zu mancherlei Verlegenheiten und Verdruss für ihn geworden und trägt ohne Zweifel einen großen Teil der Schuld an der verhängnisvollen Überschreitung seiner Amtspflichten, da er nicht allzu skrupulös in der Wahl der Mittel blieb, welche ihn in den Stand setzten, seine Vorliebe für ein prächtiges Haus, schöne Parkanlagen, kostbare Geschirre, eine wohlbesetzte Tafel und ein zahlreiches Gesinde zu befriedigen. Gingen ihm aber auch die erhabeneren Tugenden einer großen Seele völlig ab, so fehlte es ihm doch nicht an einer natürlichen Gutherzigkeit und einem Wohlwollen, welches sich dadurch im besten Lichte zeigte, dass er es stets verschmähte, irgendein böses Wort über die Urheber seines Falles zu äußern, noch späterhin seine Freude über deren eigenen Ruin laut werden zu lassen. Er war niemals lässig, wo er seinen Freunden einen Dienst erweisen konnte, und in hohem Masse freigebig gegen dieselben wie gegen seine Untergebenen, woher es kam, dass er, ungeachtet er sich im Genuss einer jährlichen Pension von achtzehnhundert Pfund Sterling, nebst einem Einkommen von siebenhundert Pfund aus seinem väterlichen Erbgut befand, bei seinem Tode dennoch eine Schuld von zweiundzwanzigtausend Pfund Sterling hinterließ, eine ungeheure Summe für die Verhältnisse der damaligen Zeit. Leutselig im Umgange, zuvorkommend gegen Jedermann, niemals herrisch gegen seine Diener, hatte er sich die Zuneigung Aller, mit denen er in nähere Berührung kam, zu erwerben gewusst und erfreute sich der persönlichen Freundschaft vieler großer Männer seiner Zeit. Hätte er nur in einer reineren Umgebung gelebt, als der leichtfertige Hof Jakobs des Ersten und die von Korruption durchdrungene Atmosphäre aller Staatsämter sie darboten, so läge es nicht außer dem Bereiche der Wahrscheinlichkeit, dass die Nachwelt auch auf Bacons Charakter die ungetrübte Verehrung hätte übertragen können, welche sie jetzt nur seinem großen Geiste zu zollen vermag. Allein so wenig der Makel, welcher seinem Namen anhaftet, je ganz wird ausgelöscht werden können, so gewiss ist es, dass die Spuren seines Wirkens, die er hinterlassen hat, auch in den fernsten Zeiten noch unverwischt bestehen werden.

Widmungsschreiben.

An

den sehr Ehrenwerten,

meinen gnädigsten Herrn,

den

Herzog von Buckingham, Gnaden,

Großadmiral von England.

Edler Herr!

Salomon sagt: „ein guter Name ist eine kostbare Salbe"; und ich bin überzeugt, eine solche wird Euer Herrlichkeit Name bei der Nachwelt sein. Denn Euer Lebenslauf wie Eure Verdienste sind hervorragend gewesen, und Ihr habt Dinge gepflanzt, welche dauernd sein müssen. Ich veröffentliche nun meine Essays, welche von allen meinen Werken die weiteste Verbreitung gefunden haben, und zwar, wie es scheint, weil sie in der Menschen Beschäftigungen und Busen eindringen. Ich habe sowohl ihre Anzahl als auch ihren Inhalt vermehrt, so dass sie in der Tat ein neues Werk ausmachen. Ich hielt es deshalb im Einklange mit meiner Liebe und Dankbarkeit gegen Eure Gnaden, Euren Namen sowohl der englischen wie der lateinischen Ausgabe voranzusetzen; denn ich bin der festen Meinung, dass der lateinische Band derselben (als in der Universalsprache geschrieben) dauern wird, so lange wie Bücher dauern werden. Meine „Wiederherstellung“ widmete ich dem Könige; meine „Geschichte Heinrichs des Siebenten“ (welche ich nunmehr auch ins Lateinische übersetzt habe), sowie meine ,,Beiträge zur Naturgeschichte dem Kronprinzen, und Euer Gnaden widme ich dies Werk, das den besten Früchten angehört, welche ich dem guten Ertrage abgewinnen konnte, den Gott meiner Feder und meinen Arbeiten gewährt hat.

Gott leite Eure Gnaden an seiner Hand.

Euer Gnaden ergebenster

und treuester Diener

Francis St. Alban.

 

 

I. Von der Wahrheit.

 

„Was ist Wahrheit?“ fragte Pilatus scherzend, und wartete die Antwort nicht ab 1). Fürwahr, es gibt Menschen, die an Wandelbarkeit Vergnügen finden und es für Knechtschaft halten, sich einer Überzeugung anzubequemen, indem sie freien Willen sowohl im Denken wie im Handeln begehren. Wiewohl nun die Sekten der Philosophen dieses Schlages 2) aufgehört haben, so gibt es doch noch gewisse spitzfindige Schwätzer mit derselben Ader, wenn auch nicht so vollblütig wie ihre Vorgänger. Allein weder die Schwierigkeit und Mühe, die Wahrheit zu erforschen, noch dass sie, wenn sie gefunden ist, den Sinn der Menschen beherrscht, ist es was die Lüge in Gunst bringt: sondern eine natürliche, wiewohl verderbliche Liebe zur Lüge selbst. Einer aus den späteren Schulen der Griechen, der den Gegenstand untersucht, weiß sich nicht zu deuten, woran es liegen sollte, dass der Mensch die Lüge liebt, wo sie weder Vergnügen gewährt, wie den Dichtern, noch Vorteil, wie den Kaufleuten, sondern um der Lüge selbst willen. Aber ich weiß es nicht; diese Wahrheit ist eben ein nacktes und helles Tageslicht, welches die Masken, Mummereien 3) und Gepränge der Welt nicht halb so fein und stattlich zeigt wie Kerzenlicht. Die Wahrheit steigt wohl bis zum Preis einer Perle, die sich am schönsten bei Tage ausnimmt; doch erreicht sie nimmer den Preis eines Diamanten oder Karfunkels, welche sich am besten in schimmerndem Licht betrachten lassen. Eine Beimischung von Lüge erhöht stets das Vergnügen. Kann Jemand bezweifeln, dass wenn aus dem Gemüte der Menschen all ihr Eigendünkel, ihre schmeichelnden Hoffnungen, ihre falschen Urteile, Einbildungen und dergleichen verschwänden, dann dasjenige einer großen Anzahl von Menschen Nichts als ein armseliges verschrumpftes Ding bleiben würde, voller Schwermut und Verdruss, und ihnen selbst zum Ekel? Einer der Väter nannte die Poesie mit großer Strenge „vinum daemonum“ 4), weil sie die Einbildungskraft hinreißt, und doch geschieht Dies nur mit dem Schatten einer Lüge. Allein nicht die Lüge, die durch das Gemüt hindurchzieht, sondern diejenige, welche sich hineinsenkt und festsetzt, ist es, welche den Schaden anrichtet, von dem wir vorhin sprachen. Indessen, obschon diese Dinge einmal so in den verderbten Urteilen und Neigungen der Menschen bestehen, so lehrt doch die Wahrheit, die allein sich selbst beurteilt, dass die Forschung nach Wahrheit, welche die Werbung um sie; die Erkenntnis der Wahrheit, welche die Vermählung mit ihr; und die Überzeugung von der Wahrheit, welche ihr Besitz ist die vornehmsten Güter der Menschennatur sind. Die erste Schöpfung Gottes in den Werken der Tage war das Licht des Geistes 5), die letzte war das Licht der Vernunft 6), und von der Zeit an ist sein Sabbatwerk immerdar die Erleuchtung seines Geistes gewesen. Zuerst hauchte er Licht auf die Oberfläche des Stoffes oder Chaos; sodann hauchte er Licht auf das Angesicht des Menschen, und immer noch haucht und ergießt er sein Licht auf das Angesicht seines Auserwählten. Jener Dichter, welcher die Sekte verherrlichte, die eigentlich noch wertloser war als alle übrigen, sagt dennoch vortrefflicher Weise: „Es ist eine Lust, am Ufer stehend, die Schiffe auf der See umherschleudern zu sehen; eine Lust, am Fenster einer Burg zu stehen, und eine Schlacht und ihre Gefahren mit anzuschauen: doch keine Lust ist derjenigen vergleichbar, auf dem sicheren Boden der Wahrheit zu stehen“ (eines unabsehbaren Hügels, auf dem die Luft stets klar und heiter ist) „und die Irrtümer und Unbeständigkeiten, die Nebel und Stürme drunten zu erblicken“ 7) - in solcher Weise freilich, dass dieser Anblick mit Mitgefühl, nicht aber mit Schadenfreude oder Stolz verknüpft sei. Wahrlich, es ist der Himmel auf Erden, wenn eines Menschen Gemüt sich in Barmherzigkeit rührt, auf die Vorsehung vertraut, und sich auf den Polen der Wahrheit bewegt.

Um nun von der theologischen und philosophischen Wahrheit auf bürgerliche Angelegenheiten überzugehen, so muss eingeräumt werden, - selbst von Denen, die ihn nicht üben, - dass gerader und offener Verkehr die Ehre des menschlichen Charakters, und jene Mischung von Betrug gleich dem Zusatz in Gold- und Silbermünzen ist, der zwar das Metall zum Verarbeiten geschickter macht, aber es verschlechtert. Denn diese gewundenen und krummen Wege sind wie das Kriechen der Schlange, welche sich niedrig auf dem Bauch und nicht auf den Füßen bewegt. Kein Laster gibt es, das den Menschen so sehr mit Schimpf bedeckt, als falsch und verräterisch befunden zu werden; und deswegen sagt Montaigne 8) hübsch, da er der Ursache nachforscht, weshalb die Lüge eine so große Schmach und ein so hassenswertes Laster sei, so sagt er: „Wenn man es wohl erwägt, zu sagen, dass Jemand lügt, heißt so viel als ob man sagte, er sei trotzig vor Gott und ein Feigling vor Menschen, denn eine Lüge bietet Gott Trotz und erbebt vor Menschen“ 9). Fürwahr, Bosheit, Treulosigkeit und Verräterei können unmöglich nachdrücklicher gezeichnet werden als dadurch, dass sie der letzte Ruf sein werden, um Gottes Gericht auf die Geschlechter der Menschheit zu entbieten; denn es ward prophezeit, dass, wann „Christus erscheine, er keine Treue auf Erden finden werde“ 10).

 

Fußnoten:

 

1) Evangelium Johannis, XVIII, 38

2) Die Sophisten, zur Zeit des Sokrates und Plato in größter Blüte

3) daher auch das Wort „Mummenschanz“

4) Der Wein der Dämonen, der bösen Geister

5) 1. Buch Mosis, I, 3.

6) 1. Buch Mosis, II, 7.

7) Der von Bacon zitierte Dichter ist Lucretius Carus (92-45 v. Chr.), welcher der Schule der Epikureer angehörte. Die Stelle ist übrigens nicht genau wiedergegeben, weil wahrscheinlich aus dem Gedächtnis niedergeschrieben, was Bacon häufig zu tun pflegte.

8) Einige in diesem Essay enthaltene Gleichnisse hat Bacon seinem Vorgänger, dem französischen Essayisten Michel de Montaigne (1533 - 1592), entlehnt. In dessen Essay: „Wir genießen Nichts ungetrübt“, heißt es am Eingange: „Die Gebrechlichkeit unseres Wesens bedingt, dass wir Nichts in seiner ursprünglichen Einfachheit und Reinheit benutzen können; die Elemente, in deren Genuss wir leben, ja selbst die Metalle, werden verändert, und das Gold muss durch irgendeine Beimischung verschlechtert werden, um es unserm Gebrauch anzupassen.“

9) Montaignes Essay „Vom Leugnen“: „Das Lügen ist ein schändliches Laster, das Einer der Alten (Plutarch) in den hässlichsten Farben malt, indem er sagt, dass es die Verachtung Gottes neben der Furcht vor den Menschen bekundet. Es ist unmöglich, das Abschreckende, Abscheuliche und Verworfene seines Wesens glücklicher zu kennzeichnen; denn was kann man sich Elenderes vorstellen als Jemanden, der, feige vor Menschen, seinem Schöpfer Trotz bietet ?“

10) Evangelium nach Lukas, XVIII, 8.

 

 

II. Vom Tode.

 

Die Menschen fürchten den Tod, gleichwie Kinder sich fürchten ins Dunkel zu gehen; und wie diese natürliche Furcht bei Kindern durch Spukgeschichten verstärkt wird, so auch jene. Wahrlich, die Betrachtung des Todes, als den Lohn der Sünde und den Übergang in eine andere Welt, ist erhaben und gottgefällig; doch die Furcht davor, als vor einem der Natur schuldigen Tribut, ist feig. Dessen ungeachtet besteht zuweilen in religiösen Betrachtungen eine Mischung von Täuschung und Aberglauben. Man wird in den Büchern der Mönche über Bußübungen lesen, dass man nur bedenken möge, welchen Schmerz es verursacht, wenn Einem nur eine Fingerspitze gequetscht oder gefoltert wird, und sich daraus vorstellen sollte, wie ungeheuer die Todesqualen sein müssten, wenn der ganze Leib zerfällt und aufgelöst wird; während doch oftmals der Übergang zum Tode mit weniger Schmerzen verbunden ist als das Foltern eines Gliedes; denn die edelsten Teile sind nicht eben die empfindlichsten. Und von ihm, der nur als Philosoph und als Mensch sprach, war es weislich gesagt: „Pompa mortis magis terret, quam mors ipsa“ 1). Stöhnen und Schluchzen, ein bleiches Antlitz, weinende Freunde, schwarzes Gehänge, Leichenbegängnisse und dergleichen zeigen den Tod in abschreckender Gestalt. Es ist der Beachtung wert, dass im menschlichen Herzen kein Trieb so schwach ist, dass er nicht die Todesfurcht bezwinge und ersticke; und daher ist der Tod kein so schrecklicher Feind, wo Jemand so viel Gefolge um sich hat, das den Kampf für ihn gewinnen kann. Rache triumphiert über den Tod; Liebe missachtet ihn; Ruhm erstrebt ihn; Kummer flieht ihm zu; Furcht beschleunigt ihn; ja, wir lesen, dass, nachdem Kaiser Otto sich getötet hatte, Mitleid (welches der zarteste aller Gemütszustände ist) Viele aus bloßem Mitgefühl für ihren Herrn, und als treuesten Stamm seiner Anhänger, zu sterben bewog. Ja, Seneca fügt noch Zartgefühl und Überdruss hinzu: „Cogita quamdiu eadem feceris, mori velle, non tantum fortis, aut miser, sed etiam fastidiosus potest.“2) Jemand möchte sterben, obwohl er weder tapfer noch elend ist, lediglich aus Überdruss, eine und dieselbe Beschäftigung immer und immer wieder zu verrichten. Nicht weniger beachtenswert ist es, wie wenig Eindruck die Annäherung des Todes auf edle Gemüter ausübt, denn sie scheinen bis zum letzten Augenblick dieselben Menschen zu sein. Augustus Cäsar starb mit einem Gruß: „Livia conjugii nostri memor, vive et vale“ 3); Tiberius mit Verstellung, da Tacitus über ihn sagt: „Jam Tiberium vires et corpus, non dissimulatio deserebant“ 4); Vespasian mit einem Scherz, indem er auf einem Stuhle saß: „Ut puto deus fio“ 5); Galba mit einem Denkspruch: „Feri, si ex re sit populi Romani“ 6) und indem er seinen Nacken hin beugte; Septimius Severus mit Eile: „Adeste, si quid mihi restat agendum“ 7), und dergleichen mehr. Allerdings legten die Stoiker einen zu hohen Wert auf den Tod, und machten ihn in Folge ihrer großen Voranstalten noch schrecklicher. „Wohler ist Dem“, spricht Jener, „qui finem vitae extremum inter munera ponit naturae 8). Es ist ebenso natürlich zu sterben wie geboren zu werden, und für einen Säugling ist das Eine vielleicht so schmerzhaft wie das Andere. Wer unter ernsthaften Unternehmungen stirbt, gleicht Demjenigen, der bei erhitztem Blut verwundet wird, so dass er im Augenblick kaum die Wunde fühlt; und deshalb wendet der auf etwas Gutes fest gerichtete Sinn die Schrecken des Todes ab. Doch vor Allem das süßeste Loblied, glaubt mir, ist „Nunc dimittis“ 9), wenn Jemand ein würdiges Ziel und Ende erreicht hat. Auch das ist dem Tode eigen, dass er edlem Nachruhm das Tor öffnet und die Missgunst vertilgt: „Extinctus amabitur idem“ 10).

 

Fußnoten:

 

1) Senecas Brief an Lucilius: „Das Schaugepränge des Todes schreckt mehr als der Tod selbst“. Mehrere andere in diesem Essay enthaltene Ideen sind jenen Briefen Senecas entnommen. Vgl. 4. Buch, 24. und 82. Brief.

2) Seneca, X. Brief, 1., §. 6: „Bedenke, wie oft du dasselbe Geschäft verrichtest; Jemand mag zu sterben wünschen, nicht nur weil er entweder tapfer oder weil er elend, sondern auch weil er des Lebens überdrüssig ist.“

3) Suetonius, Augustus, 99: „Bleibe, o Livia, unserer Vereinigung eingedenk, lebe, und lebe wohl.“

4) Tacitus, Annalen, VI, 50: „Bereits ließen Kräfte und Leben den Tiberius im Stich, aber nicht seine Heuchelei.“

5) Suetonius, Vespasian, 23: „Ich bin ein Gott geworden, glaube ich.“

6) Suetonius, Galba, 20: „Schlagt zu, wenn es zum Wohl des römischen Volkes dient.“

7) Dio Cassius, LXXVI, 17: „Beeilt euch, wenn mir noch Etwas zu tun übrig bleibt.“

8) Juvenals Satiren, X, 357: „Wer das äußerste Lebensende als ein Geschenk der Natur anerkennt.“ Die betreffende Stelle heißt übrigens genauer: „Um festen, vor dem Tode nicht wankenden Mut bete, wer das äußerste Lebensende als ein Geschenk der Natur anerkennt.“

9) „Nun entsendest du -“, mit diesen Worten beginnt die Stelle im Evangelium nach Lukas, II, 29: „Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“

10) Horaz, II. Brief, I, 14: „Derselbe wird geliebt, sobald er gestorben ist.“

 

 

III. Von der Einheit in der Religion.

 

Da die Religion das vornehmste Band der menschlichen Gesellschaft ist, so ist es ein glücklicher Zustand, wenn sie selbst von dem starken Bande der Einigkeit fest umschlungen wird. Die Zwistigkeiten und Spaltungen wegen der Religion waren den Heiden unbekannte Übel. Die Ursache war die, dass die Religion der Heiden mehr in Gebräuchen und Festlichkeiten als in irgendeinem unwandelbaren Glauben bestand; denn man mag sich denken, was für eine Art von Glauben der ihrige war, wenn sie als oberste Lehrer und Väter ihrer Kirche die Dichter anerkannten. Allein der wahre Gott hat dieses Merkmal, dass er ein eifersüchtiger Gott ist; deswegen wird auch seine Verehrung und Religion keinen Zusatz oder Gefährten dulden. Wir wollen daher einige Worte in Betreff der Einheit der Kirche sagen; und zwar, welches die Früchte davon, welches ihre Grenzen, und welches die Mittel dazu sind.

Der Früchte der Einheit (nächst Gottes Wohlgefallen, das Alles in Allem ist) sind zwei; die eine für Diejenigen, welche außerhalb der Kirche stehen, die andere für Diejenigen, welche darinnen sind. Bezüglich der Ersteren, so ist es unleugbar, dass Ketzerei und Abtrünnigkeit die größten aller Ärgernisse sind; ja größer als Sittenverderbnis: denn wie im physischen Körper eine Wunde oder Trennung des Fleisches schlimmer ist als verdorbene Säfte, so ist es auch im geistlichen; so dass Nichts so sehr die Menschen von der Kirche abhält und daraus vertreibt als der Bruch der Einheit. Und wenn es sich daher jemals ereignet, dass Einer sagt: „Ecce in deserto“ 1), und ein anderer: „Ecce in penetralibus“ 2), das heißt, wenn die Einen Christum in den Heiligtümern der Ketzer, Andere ihn in dem bloßen Äußern einer Kirche suchen, dann täte es Not, dass jener Ruf den Menschen unaufhörlich in den Ohren klänge: „nolite exire“ - „geht nicht hinaus“. Der Belehrer der Heiden (dessen eigentümlicher Beruf ihn bewog, sich vor den Andern draußen besonders zu hüten) sagte: „Wenn ein Ungläubiger hereinkäme, und hörte euch mit verschiedenen Zungen reden, wird er nicht sagen, dass ihr toll seid ?“3) und fürwahr, es ist kaum besser: wenn Atheisten und Frevler von so vielen Misshelligkeiten und widersprechenden Meinungen in der Religion hören, so muss sie das der Kirche abwendig machen, und sie veranlassen, sich auf den Stuhl der Spötter zu setzen“ 4). Dies ist zwar ein seichtes Wort, um als Bekräftigung einer so ernsten Sache angezogen zu werden, dennoch drückt es die Lächerlichkeit gut aus. Es gibt einen Meister der Spötterei, welcher in seinem Kataloge einer erdichteten Büchersammlung einem Buche diesen Titel vorsetzt: „Der Maurentanz der Ketzer“ 5), denn in der Tat hat jede Sekte eine eigene Stellung oder Drehung für sich, welche bei weltlich Gesinnten und ruchlosen Krittlern, die heilige Dinge gern herabsetzen, nur Gelächter erzeugen kann.

Was die Früchte für Diejenigen betrifft, welche in ihrem Schoße leben, so ist es der Friede, welcher unendliche Segnungen gewährt: er befestigt den Glauben, erweckt Mildtätigkeit; der äußere Kirchenfriede wandelt sich in Gewissensfrieden um, und lenkt die Beschäftigung des Schreibens und Lesens von Streitfragen auf Abhandlungen über Demut und Frömmigkeit.

Hinsichtlich der Grenzen der Einheit, so ist die richtige Feststellung derselben von äußerstem Belang. Es scheint zwei Überschreitungen zu geben: einerseits ist gewissen Eiferern jegliches Wort der Versöhnung verhasst: „Ist es Friede, Jehu? Was gehet dich der Friede an? Wende dich hinter mich“ 6). Friede ist nicht ihre Sache, sondern Verfolgung und Parteiung. Auf der andern Seite wiederum glauben gewisse Laodizäer 7) und gleichgültige Personen, dass sie religiöse Punkte durch Mittelwege, Sich-Verhalten mit beiden Seiten, und spitzfindige Vergleiche schlichten könnten, als ob sie das Schiedsrichteramt zwischen Gott und Menschen übernehmen wollten. Diese beiden Extreme müssen vermieden werden, was dadurch geschehen kann, dass der von unserm Heiland selbst eingesetzte Bund der Christenheit in seinen beiden Gegen-Klauseln gründlich und deutlich ausgelegt werde: „Wer nicht mit uns ist, der ist wider uns 8), und ebenfalls: Wer nicht wider uns ist, der ist mit uns“; das heißt, wenn die Grundlagen und wesentlichsten Punkte der Religion nicht nur vom bloßen Standpunkt des Glaubens, sondern auch der Überzeugung, der Sitte und des Wohlwollens wahrhaft beurteilt und unterschieden würden. Dies mag vielleicht Manchen als eine Plattheit und als etwas bereits Geschehenes erscheinen; allein wenn es mit weniger Parteilichkeit geübt würde, so fände es weit allgemeinere Teilnahme.

Hierzu will ich, meinem unscheinbaren Urteile gemäß, nur diesen Rat geben: Die Menschen sollten sich hüten, Gottes Kirche durch zweierlei Streitigkeiten zu zerreißen; die eine ist, wenn der Inhalt des streitigen Gegenstandes zu geringfügig und unwichtig, und der Hitze und des Kampfes darum nicht wert ist, der durch bloßen Widerspruchsgeist entzündet wurde; denn wie von einem der Väter niedergesetzt ward: „Christi Kleid hatte zwar keine Naht, aber das Gewand der Kirche war von vielen Farben“; worauf er sagte: „In veste varietas sit, scissura non sit“ 9); denn Einheit und Einförmigkeit sind zweierlei Dinge. Die andere ist, wenn der Stoff der Streitfrage bedeutend ist, indessen zu einer übergroßen Spitzfindigkeit und Dunkelheit hinaufgeschoben wird, so dass daraus eher etwas Scharfsinniges als Wesentliches entsteht. Jemand, der Urteil und Verständigkeit besitzt, wird Unwissende zuweilen streiten hören, und doch bei sich selber wissen, dass die so voneinander Abweichenden ganz derselben Meinung huldigen, aber trotzdem niemals zur Übereinstimmung gelangen können; und wann sich jemals eine solche Abweichung des Urteils zwischen Menschen vorfindet, sollten wir da nicht denken, dass Gott dort oben, der die Herzen kennt, wohl beurteilen könne, ob gebrechliche Menschen trotz einiger ihrer Widersprüche Ein und Dasselbe beabsichtigen, und Beide erhören werde? Das Wesen solcher Streitigkeiten ist von St. Paulus vortrefflich gekennzeichnet in der Warnung und Vorschrift, welche er zu diesem Behufe gibt: „Devita profanas vocum novitates, et oppositiones falsi nominis scientiae“ 10). Die Menschen schaffen sich Widersprüche, welche nicht bestehen, und hängen ihnen neue Ausdrücke an, und zwar solchergestalt, dass, während der Sinn das Wort beherrschen sollte, das Wort in der Tat den Sinn beherrscht. Es gibt aber auch zweierlei falsche Frieden oder Einheiten: erstens, wenn der Friede auf blinder Unwissenheit gegründet ist, denn alle Farben sind sich im Dunkeln gleich; zweitens, wenn er einem unmittelbaren Zugeständnis von Gegensätzen in wesentlichen Grundfragen aufgepfropft wird: denn Wahrheit und Irrtum in solchen Dingen sind wie das Eisen und der Ton der Füße von Nebukadnezars Traumgestalt: sie mögen wohl aneinander haften, aber sich nicht vereinigen 11).

In Betreff der Mittel zur Erreichung der Einheit, so muss man sich hüten, im Erstreben oder Befestigen religiöser Einigung die Gesetze der Milde und der menschlichen Gesellschaft zu entstellen und aufzulösen. Es gibt zwei Schwerter unter den Christen, das geistliche und das weltliche, und beide haben ihr bestimmtes Amt und ihren gehörigen Platz in der Aufrechthaltung der Religion: doch lasst uns nicht das dritte Schwert erheben, welches Mohammeds Schwert oder ein demselben ähnliches ist, das heißt, Religion durch Kriege zu verbreiten oder durch blutige Verfolgungen die Gewissen zu zwingen 12); es sei denn in Fällen offenbaren Ärgernisses, von Lästerungen oder teilweisen Anschlägen gegen den Staat. Noch weniger aber, um Empörungen zu nähren; Verschwörungen und Aufstände zu beschönigen; das Schwert in die Hand des Volkes zu geben, und mehr dergleichen, wenn es zum Umsturz aller Herrschaft führt, welche die Satzung Gottes ist; denn das hieße nur, einen Tisch an dem andern zu zertrümmern, und Menschen als Christen zu betrachten, während man vergisst, dass sie Menschen sind. Da der Dichter Lukrez die Tat Agamemnons beschreibt, der das Opfer seiner eigenen Tochter ertragen konnte, ruft er aus: „Tantum religio potuit suadere malorum!“ 13)

Was würde er gesagt haben, hätte er von dem Blutbad in Frankreich 14), oder der Pulververschwörung in England 15) gewusst? Er würde ein siebenmal so eifriger Epikureer und Atheist gewesen sein, als er war; denn, gleichwie das zeitliche Schwert für die Sache der Religion mit äußerster Vorsicht gezogen werden muss, so ist es ebenso unnatürlich, dass es in die Hände des gemeinen Volkes gegeben werde; Solches möge den Wiedertäufern und andern Scheusalen überlassen bleiben. Es war eine große Lästerung, als der Teufel sprach: „Ich will aufsteigen, und dem Höchsten gleich sein“; aber eine größere Lästerung ist es, Gott zu preisen, indem man ihn sagen lässt: „Ich will hinabsteigen, und gleich dem Fürsten der Finsternis sein“; und um wie viel besser ist es, die Sache der Religion zu so grausamen und abscheulichen Handlungen zu entwürdigen, wie Fürstenmorde, Volksmetzeleien und Umsturz von Staaten und Regierungen? Wahrlich, das heißt, den heiligen Geist von dem Bild einer Taube zur Gestalt eines Geiers oder Raben erniedrigen, oder aus dem Nachen einer christlichen Kirche die Flagge eines Mörder- und Seeräuberschiffes herausstecken. Deswegen ist es nötig, dass die Kirche durch Lehren und Vorschriften, Fürsten durch ihr Schwert, und alle Wissenschaften, sowohl christliche wie philosophische, wie mit einem Merkursstab 16) jene Handlungen und Meinungen, welche zu deren Stütze gereichen, verdammen und auf ewig zur Hölle senden; was auch zum großen Teil schon geschehen ist. Fürwahr, den Ratschlägen über Religion sollte jener Rat des Apostels vorangesetzt werden: „Ira hominis non implet justitiam Dei“ 17), und es war eine treffende Bemerkung eines weisen Vaters, und mit nicht geringerer Offenherzigkeit ausgesprochen, dass Diejenigen, welche dem Gewissenszwang anhingen und dazu anfeuerten, gemeiniglich die Verfolgung eigennütziger Zwecke dabei im Auge hatten.

 

Fußnoten:

 

1) Evangelium Matthäi XXIV, 26: „Siehe, er ist in der Wüste.“

2) Ebendaselbst: „Siehe, er ist in der Kammer.“

3) 1. Korinther XIV, 23.

4) Psalm I, 1

5) Der morris-dance oder Morisco-dance soll von den Mauren in Spanien abstammen und von Matrosen nach England gebracht worden sein. Seine Haupteigentümlichkeit bestand in dem vielfachen Wechsel der Stellungen und Gebärden. Auch Shakespeare erwähnt seiner im 2. Th. Heinrich VI., Akt III, Sc. 1.

6) 1. Buch Könige, XIX, 18.

7) Vgl. Offenbarung Johannis, III, 14-16

8) Evangelium Matthäi, XII, 30.

9) Im Gewande sei Farbenwechsel, aber kein Riss.“

10) 1. Timotheus, VI, 20: „Meide die ungeistlichen losen Geschwätze, und das Gezänke der falschberühmten Kunst.“

11) Siehe Daniel, II, 31-43.

12) Bekanntlich verbreitete Mohammed seine Religion unter den besiegten Völkern dadurch, dass er ihnen die Wahl zwischen Koran und Schwert ließ.

13) Lukrez, I, 101: „Zu solchen Gräueltaten konnte die Religion verleiten.“

14) In der Bartholomäusnacht, 24. August 1572.

15) Die von fanatischen Katholiken im Jahre 1605 angezettelte Verschwörung, deren Mitglieder durch den berüchtigten Guy Fawkes das Parlamentsgebäude während einer Sitzung beider Häuser in die Luft sprengen lassen wollten.

16) Der Mythe nach entbot Merkur mit seinem Stabe, dem Caduceus, die Seelen der Verstorbenen in die Unterwelt.

17) Jakobus, I, 20: „Des Menschen Zorn tut nicht, was vor Gott recht ist.“

 

 

IV. Von der Rache.

 

Die Rache ist eine Art wilder Gerechtigkeit, welche das Gesetz in dem Maße ausrotten sollte, wie die menschliche Natur dazu hinneigt; denn was das ursprüngliche Unrecht angeht, so beleidigt es das Gesetz nur, aber die Ahndung dieses Unrechts entsetzt das Gesetz seines Amtes. Ohne Zweifel ist Jemand, indem er Rache nimmt, seinem Feinde nur gleich; aber indem er ihm verzeiht, ist er ihm überlegen: denn eines Fürsten Teil ist es, zu verzeihen, und Salomon sagt ausdrücklich: es ist der Stolz eines Mannes, eine Beleidigung zu vergeben 1). Was geschehen ist, ist vorbei und unwiederbringlich, und der Weise hat genug zu tun mit gegenwärtigen und zukünftigen Dingen; deshalb tändeln Die nur mit sich selber, die sich mit Vergangenem abmühen. Es gibt Niemanden, der Böses um des Bösen willen tut, sondern um sich dadurch Vorteil, oder Vergnügen, oder Ruhm, oder Ähnliches zu verschaffen; weshalb also sollte ich Jemandem zürnen, weil er sich selber mehr liebte als mich? Und wenn Einer aus bloßer Bosheit Unrecht tun sollte, je nun, so gleicht er doch nur einem Dorn oder einer Klette, die stechen und kratzen, weil sie eben nichts Besseres tun können. Die erträglichste Art der Rache ist für solcherlei Unbilden, denen das Gesetz nicht zu steuern vermag; sodann aber möge man sich vorsehen, dass die Rache eine solche sei, die kein Gesetz bestrafen kann, sonst hat der Feind immer noch einen Vorsprung vor Einem, und es ist zwei gegen eins. Einige, indem sie Rache üben, sind begierig, dass der Andere wissen solle, woher sie kommt. Dies ist edelmütiger; denn das Vergnügen scheint nicht so sehr zu sein, Schaden zuzufügen, als Jenen zur Reue zu bewegen; doch elende und hinterlistige Feiglinge gleichen dem Pfeil, der im Finstern dahinfliegt. Cosimo, Herzog von Florenz, hatte ein kühnes Wort gegen treulose oder fahrlässige Freunde, als ob ein solches Unrecht unverzeihlich wäre. „Ihr lest wohl“, sagte er, „dass es uns anbefohlen worden, unsern Feinden zu vergeben, allein ihr werdet nimmer lesen, dass es uns befohlen ist, unsern Freunden zu vergeben“. Dem gegenüber erklang der Geist Hiobs in einer mildern Weise. „Sollen wir“, spricht er, „Gutes empfangen aus der Hand Gottes, und das Böse nicht auch annehmen?“ 2) und in demselben Maße von Freunden. So viel ist gewiss, dass Jemand, der Rache brütet, seine eigenen Wunden frisch erhält, die sonst heilen und verharschen würden. Öffentliche Rache ist meistenteils heilsam; wie diejenige um den Tod Cäsars, um den Tod des Pertinax, um den Tod Heinrichs des Dritten von Frankreich, und viele andere. Bei heimlicher Rache dagegen ist es nicht so; ja, zur Rachsucht geneigte Menschen führen das Leben von Hexen, welche, da sie Unheil stiften, auch elendiglich enden.

 

Fußnoten:

 

1) Dieser Spruch findet sich nicht bei Salomon

2) Hiob II, 10

 

 

V. Vom Unglück.