Kneipjagd - Treibjagd - BHW Bernd Heinz Werner - E-Book

Kneipjagd - Treibjagd E-Book

BHW Bernd Heinz Werner

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Beschreibung

Eine Kriminalerzählung mit starkem Lokalkolerit. Ansbacher Szenerie mit stadtbekannten Lokalitäten.

Das E-Book Kneipjagd - Treibjagd wird angeboten von tredition und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Krimi, Prominenz, Ansbach

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Seitenzahl: 388

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Kneipjagd Treibjagd

Kneipjagd Treibjagd

Eine fränkische Kriminal-Erzählung

Ansbach

BHWBernd Heinz Werner2020

2020 BHW Bernd Heinz Werner

Verlag und Druck: tredition GmbH

Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN Taschenbuch: 978-3-347-17772-7

ISBN Hardcover: 978-3-347-17773-4

ISBN e-Book: 978-3-347-17774-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Alle Grausamkeit entspringt der Schwäche.

(Seneca, 1-65 n. Chr.)

Ich danke meinem Lektor Daniel Sieber dafür, dass ich von ihm immer wieder überzeugt wurde, schreiben zu müssen. Ich danke meiner Frau Renate, dass sie mir die Ruhe und die Zeit gelassen hat, schreiben zu können.

Und ich danke meinem Ko-Lektor Andreas Jordan dafür, mit ihm stets einen unkomplizierten Gedankenaustausch führen zu können.

Mein besonderer Dank gilt all den existierenden Menschen, welche namentlich in diesem Buch vorkommen und mir die Erlaubnis erteilt haben, Namen und Lokalitäten erwähnen zu dürfen. Alle anderen Personen und Einrichtungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder Personen wären daher ungewollt und rein zufällig.

BHW

Bernd Heinz Werner

Inhaltsverzeichnis

1 02.November 2019, Samstag

2 Horrido, die Jagd beginnt

3 Halbzeit

4 Finalzeit

5 Nachspielzeit, Tatzeit

6 Sonntag, und noch kein Ende

7 Die Aufarbeitung beginnt

8 Das Mosaikbild entsteht

9 Zwischenstände

10 Verdichtung

11 Kriminaltechnischer Alltag

12 Schwieriges Puzzle

13 Auf Spurensuche

14 Ein Montag

15 Brüderlein und Schwesterlein

16 Warten und sammeln

17 Bestandsaufnahme

18 Auf Visite

19 Die Nadel im Heuhaufen

20 Die Ungeduld verstärkt sich

21 Hinweise verdichten sich

22 Im Zieleinlauf

23 Ein Zwischenspiel

24 In Neuses

25 Finales Stadium

26 Halali am Mittwoch

Nachsatz:

Kapitel 1

2. November 2019Samstag

Das Wetter an diesem Samstag im mittelfränkischen Ansbach ist eher zu mild für einen Novembertag. Der Himmel ist leicht bewölkt, manchmal reißt er etwas auf, die Sonne tut sich schwer durchzukommen, aber Regen ist für heute nicht angesagt. Es soll die nächsten Tage auch noch so bleiben. Dafür wird es aber nachts schon erkennbar kälter, doch noch bleibt die Temperatur über dem Gefrierpunkt.

Er fragt sich, warum er überhaupt schon vorige Woche die Winterreifen hat aufziehen lassen. Aber immer zusammen mit der Zeitumstellung auf die Winterzeit lässt er auch die Reifen wechseln, das ist seit Jahren eine eingefahrene Übung, seine Freunde machen das auch so. Aber egal, er fährt als Privatier ohnehin nur noch wenige Kilometer im Jahr, vielleicht, mal über alles gerechnet, so fünftausend, wenn keine größeren Urlaubsfahrten dazukommen. Und wenn er mit den Winterreifen fährt, schont er dafür schon die Sommerreifen, also, was soll‘s.

Bernd Heinz Werner lebt nun schon fast zwanzig Jahre in diesem Ansbach, mitten in der historischen Altstadt, da kann man vieles zu Fuß erledigen, gerade so wie heute. Er kommt eben vom Wochenmarkt, der im Hinblick auf den bevorstehenden Weihnachtsmarkt jetzt bereits vorsorglich in der Reitbahn abgehalten wird. Er bringt sein Eingekauftes nachhause, seine Beute, wie er gerne dazu süffisant sagt. Wie immer trifft er einige Bekannte auf dem Markt und man unterhält sich über alles und nichts, Marktbegegnungen eben, das gehört dazu. Heute hat er einen besonders schönen Ingwer kaufen können, einen mit den großen und hellen Knollen, die sind besonders saftig. Seit vielen Jahren schwört er auf die positive Wirkung des Ingwers, er nennt ihn seinen Darmpolizisten. Daneben sind noch dunkelrote Tomaten, glattblätterige Petersilie, magerer Schinken und frische Semmeln im Korb, obenauf liegt die Fränkische Landeszeitung. die kauft er nur gelegentlich, aber immer an den Samstagen.

Es ist zehn Minuten vor neun, er ist auf dem Heimweg und er geht bereits durch den großen Toreingang in den Innenhof, den sogenannten Kronenhof, wo die alte und riesige Kastanie steht, die jetzt um diese Jahreszeit schon vollkommen kahl ist. In den letzten Wochen mussten er und seine Renate eine Menge an Abfallsäcken voll mit Kastanien und Laub wegbringen. Vom Frühjahr angefangen, bis in den Herbst hinein ist es ein großer Genuss, in dem natürlichen Schatten der betagten Kastanie sitzen zu können. Da wird der Freisitz zum zweiten Wohnzimmer, aber so ein Riesenbaum macht dafür im Herbst schon verdammt viel Arbeit. So arg lange, denkt er sich, wird er und seine Renate das nicht mehr machen können, da muss er noch eine Lösung finden.

In dem hinteren Teil des Kronenhofes wird von der Hauseigentümerfamilie Gerg ebenfalls schon seit nunmehr fast zwanzig Jahren ein ausgezeichnetes Gourmetrestaurant betrieben, das La Corona, geöffnet nur an drei Tagen in der Woche. Die erlesene Speisekarte wechselt alle sechs Wochen, es ist immer eine Themenkarte, die sich stets auf bestens ausgewählte Regionen bezieht und dabei auch immer zu den Speisen die historischen Bezüge aufzeigt. In der Sprossenverglasung der Eingangstüre des Lokals kann man diverse Aufkleber mit den bereits erhaltenen Auszeichnungen sehen, es werden ständig mehr.

Die Wohnung und auch sein Büro hat Bernd Werner im ersten Obergeschoß, das teilt er sich nur noch mit der Arztpraxis eines Neurologen. Bedingt durch die Öffnungszeiten dieser Praxis sind er und seine Renate an den Feierabenden und auch an den Wochenenden vollkommen allein in diesem ersten Stock. Durch die dicken Gemäuer des alten Gebäudes ist er akustisch bestens abgeschirmt von den anderen Mietern, diese besondere Idylle genießen beide. Es war ein richtiger Glücksfall gewesen, dass er bei dem Wegzug aus Balingen, so eine Stadtwohnung finden konnte. Das bisherige Haus dort war beiden nach dem Auszug der beiden Kinder zu groß geworden, und auch der riesige Obstgarten machte inzwischen zu viel Arbeit. Irgendwann wird die geliebte Idylle lästig, man muss zu viel an Energie investieren, das sollte sich mit der Stadtwohnung ändern.

In der Wohnung angekommen, hört er schon die Musik aus dem Radio und auch der frische Kaffee duftet ihm bereits entgegen. Das ist das untrügliche Zeichen, dass seine Frau Renate schon die Vorarbeit zum Frühstück begonnen hat, sie wird noch im Bad sein. Grundsätzlich zuständig für das tägliche Frühstück ist immer er, das lässt er sich nicht nehmen und gerade an den Wochenendtagen, da holt er vom Wochenmarkt viele frische Produkte, das genießen dann beide. Gerade kommt seine Frau Renate aus dem Bad und geht in Richtung Küche, er steht noch mit dem Einkaufskorb im Flur. Sie ruft ihm zu.

„Guten Morgen, mein Schatz, hör mal, der Donat Gerg hat vorhin angerufen wegen der heutigen Nacht, du weißt ja, heute ist die Kneipjagd-Veranstaltung. Er meinte auch, dass er deswegen heute sein La Corona nicht öffnet, da bei so einer Veranstaltung nicht gerade sein Publikum unterwegs ist. Aber er bittet dich sehr, doch nachzusehen, ob dann auch abends das große Hoftor geschlossen bleibt, hast du gehört?“

Renate Werner spendiert ihrem Ehemann Bernd einen schmatzenden Guten-Morgen-Kuss, so wie immer, und sieht ihn an. Er schmatzt zurück, so wie immer. Klar, er hat sie schon verstanden.

„Ja, guten Morgen, natürlich habe ich dich verstanden. Heute ist in ganz Ansbach die jährliche Kneipjagd, und da will er, dass das Hoftor geschlossen bleibt, vor allem, wenn er sein La Corona gar nicht öffnet. Ich werde am Abend ein paar Male runtergehen und nachsehen, denn nicht jeder Mieter schließt beim Verlassen des Hofes auch das Tor. Da verstehe ich den Donat Gerg schon.“

Bernd Werner kennt die Umstände um diese jährliche Kneipjagd, bei der die ganze Nacht über viele der Ansbacher Kneipen Livemusik anbieten, teilweise mit richtig guten Bands. Seinem Wissen nach nehmen insgesamt einundzwanzig Lokalitäten daran teil. Man kauft sich ein pauschales Ticket für diese Nacht und hat dadurch überall freien Eintritt, ein organisierter Shuttle-Verkehr pendelt ständig zwischen den Kneipen in der Stadt hin und her, sodass man ohne große Bedenken hinsichtlich der eigenen Fahrtüchtigkeit voll auf seine Kosten kommen kann. Eine trinkfeste Konstitution wäre dabei allerdings von Vorteil, von großem Vorteil.

Die Regierungshauptstadt Ansbach liegt von den Trinkgewohnheiten näher an der Nürnberger Bierregion als an der Würzburger Weinregion, und Biertrinker brauchen ab einem gewissen Quantum oftmals schnell ein Pissoir, manchmal sogar sehr schnell. Da kann man dann nicht immer warten, bis das nächste WC erreicht ist, vor allem, wenn die Kerle auf dem Weg zur nächsten Kneipe sind. Donat Gerg kennt seine Pappenheimer, und bevor die ihm den schönen Kronenhof versauen, sorgt er lieber dafür, dass der verschlossen bleibt. Bernd Werner kommt die letzte Kneipjagd aus dem Vorjahr nochmals in den Sinn.

„Da wird schon ordentlich was weggesoffen, es muss ja keiner fahren, und die ganze Veranstaltung ist schließlich darauf ausgelegt, dass die Kneipenumsätze stimmen. Beim letzten Mal hat doch glatt jemand vor das geschlossene Hoftor gekotzt, pfui Teufel, das musste dann mit dem Gartenschlauch weggespritzt werden. Aber immerhin, es war noch vor dem Tor und nicht innen im Hof.“

Renate Werner hatte gestern aus der Freitagsausgabe der Fränkischen Landeszeitung das Programm der Kneipjagd ausgeschnitten. Da wird schon ordentlich was geboten, verdammt noch mal.

„Sieh dir das mal an: Im TamTam spielt die Jackknife-Beat-Band, im Cafe Klatsch Soundtransit, in der Grotte Betty‘s Place, im Max + Muh EKS, in Eugens Weinstube Bernd Rinser, in der Kammer Smashed Potatoes, im Theater The Village Boys, im Green and Bean Roger & Felicia, im Freiraum Klar & Deutlich und so weiter, ich will erst gar nicht alles aufzählen, es ist schon ein Wahnsinn.“

Beide sehen sich spontan an und denken in diesem Augenblick dasselbe. Das ist was für die jungen Leute, das ist deren Musik, unsere leider nicht mehr. Da sind wir raus, vollkommen raus. Wir sehen zu, dass das Hoftor geschlossen ist und es auch bleibt, dann haben wir Ruhe im Hof, jedem das seine. Ein wenig Wehmut kommt ihm bei diesem Gedanken dennoch auf, denn in seinen jungen Jahren hätte er natürlich an einer Kneip-Jagd teilgenommen, das wäre damals überhaupt keine Frage gewesen. Da hätten gesundheitliche Überlegungen und ein verkaterter Sonntag gegen die Möglichkeit, eine verrückte Nacht durchleben zu können, nicht den Ansatz einer Chance gehabt. Vorbei, das war einmal, aber trotzdem irgendwie schade.

Hoffentlich gibt es nicht wieder die üblichen Randale, die Polizei wird keine ruhige Nacht haben, die werden Streife fahren und auch zu Fuß unterwegs sein. Mit denen möchte ich heute Nacht nicht tauschen, denkt sich noch Bernd Werner und beißt in die frische Kaisersemmel mit dem mageren Schinken und den kleinen Ingwerscheibchen darauf, jedem das seine.

Er muss später ohnehin noch einmal raus und hat seine Schuhe deshalb auch noch nicht ausgezogen. Nachdem die Post da war, will er sich noch etwas umsehen und in der Stadt ein wenig herumbummeln. Die Cafés haben bereits vor zwei Wochen die Tische und die Stühle eingewintert, die kommen erst wieder im Frühjahr raus. Je nachdem wie sich das Wetter gibt, manchmal sogar schon früh. Er hat ohnehin das Gefühl, dass die Lokale jedes Jahr immer ein wenig früher die Außensaison eröffnen. Bei diesen milden und kurzen Winterperioden ist das auch zu verstehen, und in der Sonne zu sitzen, wenn auch mit einer wärmenden Jacke, gibt einem schon das entspannende Gefühl einer gewissen südlichen Lebensqualität.

Aber jetzt rutschen wir erst einmal über den Herbst in den Winter hinein, es wird schon nicht so schlimm kommen. Viel Schnee erwartet er ohnehin nicht, aber es könnten kalte und nasse Wochen kommen. So ein nasskaltes Wetter, das sich über viele Wochen dahinzieht, hasst er. Die Grippeschutzimpfung hat er für diesen Winter schon hinter sich.

„Seit zwei Tagen haben wir die Winterzeit, jetzt ist es schon sehr bald dunkel,“ denkt er vor sich hin. Und der diesjährige Weihnachtsmarkt wird auch schon wieder in drei Wochen eröffnet werden, den kann er fußläufig schnell erreichen, das sind gerade mal zweihundert Meter, dann steht er schon vor dem ersten Glühweinstand.

In ihrer früheren Zeit, bevor beide nach Ansbach gezogen sind, hatten sie die Sommer- aber auch die Winterferien mehrmals in der Steiermark verbracht, genauer gesagt in der Südsteiermark. Was waren das doch für schöne und gesellige Urlaubstage gewesen. Die Steirer sind lustige Leute, in jedem zweiten Haus spielt einer die Ziehharmonika, und die steirische Küche ist eine ganz besondere, da spürt man den pannonischen Einfluss aus dem nachbarlichen Osten. Ein Heidensterz mit einer Schwammsuppe, ein Blunzengröstl aus der Pfanne, und auch eine deftige Klachelsuppe, oder eine Kürbiscremesuppe mit ein paar Spritzer vom Kürbiskernöl, das sind typische steirische Gerichte. Eine einfache, aber immer sehr schmackhafte Küche.

In diesen Wintern hatten sie sich gerne mit den Einheimischen am Eisstockschießen beteiligt, da gab es damals dort schon den weißen Glühwein mit vielen Gewürzen drin, der schmeckte beiden besonders gut.

In Ansbach dann war anfangs der weiße Glühwein noch gar nicht bekannt, aber nach ein paar Jahren hatte plötzlich ein Würstchenstand, gerade der vom Nixel, zum ersten Mal auch den weißen. Und nun gibt es den weißen Glühwein überall, am liebsten trinken ihn Bernd und Renate an dem Stand vom Fritzi-Bubi, der wird aus einem fränkischen Silvaner gemacht und verursacht, im Gegensatz zum roten Glühwein, kaum Sodbrennen.

Renate ist mit ihrem Frühstück fertig und beginnt, den Tisch abzuräumen. Der frische Tee reicht noch für zwei bis drei Tassen, der zieht sich dann bis zur Mittagszeit hin.

„Hör mal zu, Bernd, ich fange heute schon einmal an, unsere jährliche Weihnachtsgeschenkeliste zu schreiben, das ist jedes Jahr derselbe Mist. Was soll man denn nur schenken, wo doch alle schon alles haben. Bei den Enkeln ist es noch am einfachsten.“

Renate Werner liebt Weihnachten sehr, aber nicht dieses doofe Geschenkekaufen. Selber schenken sie sich nur noch ein paar Kleinigkeiten, eher Aufmerksamkeiten. So hat eben jede Jahreszeit ihre Gewohnheiten und heute, mitten im Herbst, ist erst einmal die Kneipjagd in Ansbach dran. Unsere heutige Spaßgesellschaft will das so. Ich will Spaß, ich will Spaß, Spaß und nochmals Spaß, gut, dann soll sie eben ihren Spaß haben. Da werden morgen wieder viele ihr Aspirin-Frühstück brauchen, geschieht denen gerade recht, nur kein falsches Mitleid.

Später geht Bernd Werner noch einmal in den Hof hinunter und sieht nach der Post, es ist aber keine da. Die Werbung wirft er sofort in den Abfall, es wird doch eh immer dasselbe angeboten, für ihn eine reine Papierverschwendung.

Dann geht er noch durch die Altstadt und beobachtet, wie sich die Lokale vorbereiten auf die Nacht der Kneipjagd. Das TamTam hat im Außenbereich eine extra Bierbar aufgebaut, die entlastet das Team im Lokal drinnen. Draußen gibt es nur Flaschenbier und sogar schon einen ersten Glühwein, drinnen wird vom Fass ausgeschenkt. Da wird heute wieder die Hölle los sein. Das diesjährige milde Wetter begünstigt solche Außenaktivitäten, aber bei den meisten spielt sich die Kneipjagd im Lokal ab.

Die Bundesliga spielt heute auch noch, aber der Club spielt erst am Montag in Bochum, da wird er auch nicht gerade hoch gewinnen. Der gewinnt ohnehin nur noch ganz selten, und vom Wiederaufstieg spricht heute auch niemand mehr. Aber ein Herz für den Club haben hier alle, wenn sie auch manchmal schwer leiden müssen, in diesem Spieljahr ganz besonders. Es sind alles Cluberer, alles alte Club-Fans, der Club ist hier Legende und die Legende lebt.

In diesem Moment erinnert sich Bernd Werner spontan, dass er selbst einmal bei einem Altherrenspiel seines damaligen Vereins gegen den legendären Club gespielt hatte. Und damals spielte doch tatsächlich noch der Maxl Morlock in dem Altherrenteam vom 1. FC Nürnberg mit. Bernd Werner sieht ihn in diesem Augenblick wieder bildhaft vor sich, wie er auf dem Spielfeld stand. Immer noch sportlich schlank und mit strammen Beinen, aber auch schon mit deutlich ergrauten Schläfen, ein alter Herr eben. Auch der Wabra, der Ucko und der Nandl Wenauer waren mit von der Altherrenpartie, und noch ein paar andere, deren Namen er inzwischen vergessen hat.

Man hatte sich damals 4: 4 getrennt und er hatte dem Wabra sogar noch zwei Tore eingeschenkt. Aber das ist schon lange her, verdammt lang her, es dürften mehr als vierzig Jahre sein. Die Zeit vergeht schnell, viel zu schnell. Die Zeit flieht, Tempus Fugit, sagen die Lateiner. Aber die Erinnerungen bleiben haften, und manchmal kehren sie zurück.

Noch spürt man eine allgemein gute Stimmung in der Stadt. Die Kneipjagd läuft bislang störungsfrei, Polizeieinsätze waren noch nicht notwendig gewesen. Die Shuttlebusse pendeln zwischen den Lokalitäten, der Alkoholpendel ist ständig am Steigen und der Getränkeumsatz liegt bereits auf einem hohen Niveau.

Aber im Hintergrund lauert heimlich in geduckter Wartestellung schon die tödliche Gefahr. Eine Gefahr, die in dieser Nacht noch unerbittlich zuschlagen wird, hinterhältig und plötzlich, und die den Tod mit sich bringen wird. Sie wird die bisweilen lauschige Idylle dieser Stadt wegblasen und zerstören.

Ansbach hatte im Frühjahr noch die Grüne Nacht veranstaltet, aber die Farbe dieser heutigen Nacht wird rot sein. Rot wie die Gefahr und rot wie das Blut, die Kneipjagd-Nacht wird sich rot verfärben. Blutrot.

Kapitel 2

Horrido, die Jagd beginnt

Inzwischen ist es draußen bereits dunkel geworden, die Dunkelheit setzt jetzt schon verdammt früh ein. Wenn die Bundesligaspiele kurz vor halb sechs zu Ende sind, ist es schon Nacht. Das schlägt einem schon mental etwas aufs Gemüt. Bernd Werner zählt inzwischen bereits jeden Tag, bis hin zum 21. Dezember, da ist die längste Nacht im Jahr. Von da an werden die Tage wieder länger und die Nächte wieder kürzer, langsam zwar, aber immerhin. Es hilft zwar nicht sonderlich viel, aber es gibt einem immerhin das Gefühl, dass man dem Frühling entgegengeht, manchmal reicht das schon.

In dem italienisch geführten Restaurant Le Fiamme in der Kannenstraße ist jetzt, kurz nach 18.00 Uhr, der Betrieb bereits voll im Gange. Viele wollen noch etwas essen, also eine gute Grundlage schaffen für die Trinkerei. Eine gut belegte Pizza, und die Pizzen im Le Fiamme sind bekanntermaßen immer besonders gut, ist da schon eine passende Basis, darauf kann man aufbauen. Das Lokal ist voll besetzt, es geht ziemlich laut zu.

Die drei Mädels, die Susi, die Bärbel und die Manu, sind oft im Le Fiamme, so auch heute wieder. Sie kennen sich gegenseitig schon seit vielen Jahren und treffen sich regelmäßig. Mit wenigen Ausnahmen sind sie immer zu dritt unterwegs, das hat sich so eingependelt. Die blonde Susi ist seit sechs Jahren geschieden und dadurch durchaus an Männern interessiert, Bärbel ist in einer Bindung, von der man aber auch nicht so genau weiß, wohin sie schlussendlich führen wird, und die Manu ist seit sieben Jahren fest verheiratet, aber sie kämpft sowohl mit dieser festen Verbindung, als auch mit ihrem Übergewicht. Aber eine Pizza geht immer, gerade heute sowieso.

Susi arbeitet bei der Agentur für Arbeit, die dortige Arbeit verursacht ihr ziemlichen Stress. Sie hat einige schwierige Fälle in der Betreuung, Männer, teilweise Alkis und asoziale Proleten, der Umgang mit solchen Menschen geht ihr mehr und mehr auf die Nerven. Bärbel und Manu sind von Beruf Krankenschwestern und haben ihre Arbeitsstelle im Klinikum ANregiomed Ansbach, und zwar in der Gynäkologie. Aber dort läuft seit mehr als einem Jahr ein rigoroses Personalkostensparprogramm, das inzwischen zu einer erheblichen Unterbesetzung in ihrem Team geführt hat. Alle drei sind daher heilfroh, dass sie sich entschlossen haben, gemeinsam an der Kneipjagd teilzunehmen. Die Wochenenden sind für die jungen Frauen die einzige Chance, den belastenden Alltag hinter sich zu lassen. Jetzt heißt es, rein in den Spaß und alles andere hinter sich lassen.

Normalerweise sind die drei jeden zweiten Mittwoch im Monat hier, denn da haben sie ihren monatlichen Mädelsabend. Das bedeutet, dass sie mit einer Pizza oder einer Pasta im Le Fiamme beginnen und danach wollen sie zum Bowling in das City-Bowling in der Karolinenstraße, das ist schräg gegenüber von den Kammerspielen, gehen. Da trifft man immer eine Menge Leute, natürlich auch Männer, man kann sich ja einmal umsehen, was der Markt so alles anbietet.

Susanne Caravetta, die Chefin des Le Fiamme, kennt alle drei schon seit Jahren, es sind nette Stammgäste, und lustige dazu. Diese Lustigkeit der drei Damen ist ansteckend, sie springt gerne und leicht auf andere über.

„Na, meine Lieben, heute geht es wohl wieder rund. Wo fangt ihr denn an und wo hört ihr heute, genauer gesagt morgen, auf?“

Susanne Caravetta steht bei ihnen am Tisch. Sie weiß, dass die drei Mädels heute auf der Kneipjagd sein werden. Ohne Männer, einfach nur, um sich wieder einmal im Markt zu zeigen, Personal- Animation-Marketing quasi. Die Männer gehen da meist ihre eigenen Wege, nicht einmal mit großen Hintergedanken, aber schon bereit für einen kleinen Flirt, just for fun.

„Du, Susanne, wir fangen erst einmal hier in der Innenstadt an. Wahrscheinlich gehen wir zuerst ins TamTam, dann ins Klatsch und auf jeden Fall in die Grotte und dann noch in die Kammer, danach sieht man weiter. Vielleicht am Ende noch in Eugens Weinstube, so zum Ausklang. So wäre unser Plan, aber es kann auch anders kommen, da sind wir mehr als flexibel.“

Die Susi ist schon voll auf Touren, sie ist die aktivste der drei, voller Lebenslust und immer übermütig. Den anderen beiden ist das nur recht, wenn eine anschiebt, da kann man mitziehen. Die Pizzen sind verspeist, es geht ans Bezahlen. Alles zusammen und geteilt durch drei, das ist am einfachsten. Manu erledigt das und teilt die Summe auf, den Bewirtungsbeleg steckt sie ein.

„Also dann, viel Spaß, und kommt wieder gut zuhause an. Denkt daran, morgen ist auch noch ein Tag.“

Susanne Caravetta winkt ihnen beim Hinausgehen noch zu, es ist gerade eine Minute vor acht Uhr, genau die richtige Zeit zum Einstieg in die Szene. Sie hätte selbst auch gern mal die Kneipjagd mitgemacht, aber dafür fehlt ihr einfach die Zeit, und sie hat schließlich ihr Lokal geöffnet, da kann sie ohnehin nicht weg. Sollen doch die drei Mädels ihren Spaß haben. Nette Gäste, man sieht sich bestimmt wieder am übernächsten Mittwoch. Sie winkt den Damen noch nach, sie winken an der Tür zurück. Es wird das letzte Mal gewesen sein.

Draußen sehen sich die drei Mädels an, wer entscheidet jetzt? Susi übernimmt die Rolle, wie immer.

„Also, die Bands beginnen so um acht Uhr, ich schlage mal vor, dass wir im TamTam einsteigen, das ist gleich um die Ecke, dort spielt eine sehr gute Band, dann gehen wir über das Café Klatsch rüber zur Grotte. Da wird es meistens immer länger, da sind auch immer gute Kerle, also lustige, meine ich. Schaut mich nicht so schräg von der Seite aus an, ihr wisst schon, wie ich es meine.“

Also, erst einmal auf zum TamTam. Sie haken sich unter, mit festem Schritt gehen sie über das Kopfsteinpflaster, da muss man mit den modischen Stilettos aufpassen, sonst kippt man bereits ohne Alkohol um. Je näher sie kommen, desto stärker hört man schon die Musik, noch aus der Konserve, bald aber live. Vor dem TamTam stehen schon eine Menge Leute, die Wirtsleute Uschi und Stefan Maurer haben vor dem Lokal einen fahrbaren Kühlwagen aufgestellt, man trinkt hier meistens ein Bier, mit Schnäpsen muss man jetzt noch etwas vorsichtig sein, später vielleicht.

Die drei werden beim Näherkommen mit einem freudigen Gejohle empfangen, man kennt sich schließlich in Ansbach. Dummerweise geraten sie gleich in eine Gruppe, die gerade eine Schnapsrunde dreht. Da muss man sich natürlich dranhängen, da kann man sich nicht davonmachen, also einen Willi zur guten Verdauung. Manu warnt bereits.

„Fangt nicht so früh mit dem Schnaps an. Wir haben noch viel vor, am Ende geht es uns wie letztes Jahr, wo wir uns irgendwann verloren hatten und dann jede alleine unterwegs war. Das muss ja dieses Jahr nicht unbedingt wieder so sein.“

Bärbel kippt ihren Willi hinunter, sie verzieht für einen Moment ihr Gesicht, bis der Willi den Magen erreicht hat, und dreht sich dann zu Manu um.

„Ach, Manu, auf die Pizza habe ich jetzt einfach einen Schnaps gebraucht, das ist gerade recht so. Bestellt ihr bei der Uschi noch ein Pils? Ok, dann bitte für mich auch eins, ich sehe mal kurz hinein ins TamTam, muss den Stefan Maurer noch begrüßen.“

Im Lokal ist bereits Hochbetrieb, schon im Eingangsbereich kommt man nur schwer an den Leuten vorbei, an der Eingangstür selbst muss man kämpfen, um überhaupt ins Lokal hineinzukommen. Am Tresen arbeiten drei Personen, der Micha Weidinger und zwei Aushilfen. Der Wirt Stefan Maurer steht im Hintergrund und sieht zu, dass alles läuft. Er ist normalerweise für die Musik zuständig. Eine weitere Person zapft Pils und andere Biere vor, es geht wie an einem Laufband, es muss sofort bezahlt werden.

Die Jack-Knife-Beat-Band hat im Eingangseck ihren Platz und haut jetzt kräftig rein, laut und rockig, man versteht sein eigenes Wort nicht mehr. Sein Getränk kann man nur durch Handzeichen bestellen und dabei hoffen, dass das richtige Getränk dann auch kommt. Bärbel winkt Stefan Maurer kurz zu, er winkt auch zurück, aber alles geht im Trubel unter, sie geht wieder ins Freie.

„Oh, Kinder, es ist wie immer, voll, einfach nur voll. Lasst uns hier an der frischen Luft bleiben. Zum Glück spielt das Wetter mit. Prost, ihr Lieben.“

Der Anfang ist gemacht, nach den zwei Bierchen geht es flott weiter. Vor Eugens Weinstube, gleich nebenan, ist auch eine Bar im Außenbereich aufgestellt, zwei Mädels bedienen dort. Zehn Meter weiter hört man ebenfalls Musik aus dem Green & Bean. Aber sie bleiben nicht stehen und gehen zunächst weiter. Sogar vom Friseursalon Haarbaron hört man laute Musik bis auf die Straße hinaus, natürlich italienisches Flair: Gianna Nannini, I maschi innamorati… Aber für die drei ist das Café Klatsch jetzt die nächste Station. Dort spielt heute Sound-Tansit mit einem großartigen Gitarristen, da muss man hin.

Vor jeder Kneipe stehen Männer vom Wachdienst und kontrollieren. Entweder man hat schon eine Karte und ein gelbes Band am Handgelenk, oder man muss sich das am ersten Kneipeneingang kaufen. Nur damit man den Zugang bekommt und in die Kneipe hineingehen darf. Dann ist man erstmal drinnen und kann sich umsehen.

„Also, Mädels, auf geht’s, jetzt erstmal hinein ins Klatsch, Sitzplätze gibt es ohnehin schon nicht mehr, aber egal, Hauptsache man ist drinnen. Und dann später weiter zur Grotte, und dann wieder weiter, immer weiter, heute muss sich etwas tun. Los, kommt, bewegt euch.“

Die Susi ist in ihrem Element, bei ihr kann es nicht eng genug zugehen, und eng geht es in dieser Nacht in jeder Kneipe zu, aber das ist Susi‘s Welt.

Das wird wieder eine lange Nacht geben, so wie jedes Jahr. Die Kneipjagd steht für ausgelassen feiern, Freunde treffen, tanzen, ein wenig flirten, die Kneipen wechseln, spät heimkommen und dann den Sonntag hernehmen zum Regenerieren. Da geht dann schon mal der ganze Sonntag drauf, aber den muss man eben opfern, anders ist das schlichtweg gar nicht zu machen.

Erfahrene Kneipjagdgänger wissen das, und die Unerfahrenen müssen das eben noch lernen. Aber die Kneipjagd ist schließlich auch nur einmal im Jahr. Für drei junge Frauen leider zum letzten Mal. Für sie wird es kein nächstes Mal mehr geben.

Kapitel 3

Halbzeit

Bernd Heinz Werner geht nochmals in den Kronenhof hinunter, er will nochmals nach dem Hoftor sehen. Die Uhr zeigt auf dreiundzwanzig Uhr, jetzt und in den kommenden Stunden muss der Kronenhof auf jeden Fall geschlossen sein. Die Kneipjagd-Gänger sollen hinpissen wo sie wollen, aber nicht in den Innenhof.

Vor gut einem Jahr hat er begonnen Bücher zu schreiben, nur mal so zum Versuch, aber sein Lektor hat ihm dann viel Mut gemacht, an dem Thema dran zu bleiben. Der Lektor, Daniel Sieber, Oberstudienrat am Carolinum Ansbach, war der Meinung, dass Bernd nicht nur gut erzählen könne, sondern sogar noch besser schreiben würde.

„Mein lieber Bernd, ich habe dir das schon oft gesagt, du bist für mich wirklich ein hervorragender Geschichtenerzähler, mach weiter, heutzutage werden kaum noch Geschichten erzählt. Ich bitte dich, gib das Schreiben nicht auf, es wäre einfach zu schade.“

Das war schlussendlich die Aufforderung, das Schreiben von Büchern zu seinem Steckenpferd zu machen.

Als er dann sein erstes Buch geschrieben hatte, das eigentlich eine große Liebesgeschichte mit einem tragischen Ende war, wollten die Verlage das Buch aber lieber als Krimi eingestuft haben. Gut, dann wurde es eben ein Krimi. Ein Bodenseekrimi, welcher in Meersburg spielt mit dem Titel Tod im September. Davon angespornt, war auch schnell das zweite Buch von Bernd Heinz Werner, der aus seinen Namen das Kürzel BHW formte, auf dem Markt. Diesmal kein Krimi, sondern ein Allgäu-Roman, mit Memmingen als Ausgangsort.

Mit dem Titel Später dann in China … erzählt der Roman von dem sympathischen Menschen Sebastian May, von seiner Scheidung, von einer fast zu schnellen Affäre und von der späten und großen Liebe, aber wiederum bekommt die Geschichte einen mehr als unerfreulichen Ausgang.

„Mir liegen ganz einfach Geschichten mit einem Happyend nicht. Ich kann auch nichts dafür, aber diese zuckersüßen Ausgänge langweilen mich, das ist nichts für mich.“

So in etwa fasst BHW sein junges Autorenleben zusammen. Und immerhin, einige gute Rezensionen bei Amazon haben sein spätes Talent schlussendlich auch bestätigt. Aber als ein immer noch unbekannter Autor kämpft man schon einen gigantischen Kampf gegen das Überangebot an neuen Büchern. Egal, er hat sich zum Schreiben entschieden und dabei will er es auch belassen. Geld muss er dabei ja nicht unbedingt verdienen.

Er geht durch den Kronenhof, das große Tor ist geschlossen, er öffnet nur die kleine Türe und geht kurz vor das Tor. Es ist nun doch frisch geworden. Von überall her vernimmt er Musik, im Einzelnen ist sie zwar nicht mehr zu definieren, aber die Stadt ist voll davon. Aus reiner Neugierde läuft er weiter in Richtung TamTam und kann aus kurzer Entfernung erkennen, dass dort voll die Post abgeht. Durch die offene Tür macht sich der Sound der Jackknife-Band auch im Außenbereich breit. Der Alkohol tut sein Übriges, es wird laut gesungen, eher mehr gejohlt, und die rockige Musik beherrscht den Moment.

Eugens Weinstube, direkt daneben, wirkt dagegen ruhiger, aber durch die Fenster kann man sehen, dass auch dort Menschen hüpfen, tanzen wäre wohl zu viel gesagt. Da hat der Wirt Norbert Imschloß heute auch gut zu tun, aber gerade der sollte schon mehr auf sich aufpassen, er kommt auch so langsam in die Jahre. Ein paar Warnschüsse hat er schon abbekommen, aber er hat sie bisher immer verdrängt. So ein Leben als Wirt geht eben auf die Dauer gehörig an die körperliche Substanz, da kommt keiner ungeschoren davon.

BHW geht langsam wieder zurück, das ist nicht mehr so seine Welt, davon fühlt er sich nicht mehr angesprochen und von Bier in Mengen schon gar nicht. Aber schlagartig kommt ihm jetzt in den Sinn, dass diese heutige Nacht, eben die Nacht der Kneipjagd, doch ein gutes Thema für einen Krimi abgeben würde. Einen Ansbach-Krimi, also sozusagen ein Kriminalfall mit Toten und einem Kriminalkommissar, dann wäre wenigsten einmal wirklich etwas los in dieser mittelfränkischen, bürgerlichen Idylle.

„Verdammt noch mal, das wäre doch wirklich ein Stoff. Dass ich darauf nicht schon längst gekommen bin, das ärgert mich, aber manchmal läuft man wirklich blind durch die Gegend, dann sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht.“

Er ärgert sich jetzt sichtlich, und deswegen wird er sich morgen am Sonntag gleich hinsetzen und damit beginnen, einige Notizen für einen solchen Krimi zusammenzustellen. Er braucht immer zuerst ein Gerüst und einen Kern, auf dem er die Story aufbauen kann, das ganze Drumherum fällt ihm dann eher beim freien Schreiben ein. Auch ein möglicher und passender Titel kommt ihm jetzt in den Sinn: Kneipjagd-Treibjagd wäre doch eine prima Idee, er wird es sich überlegen.

.

Zügig geht er durch die Türe der großen Toranlage, das Tor muss in dieser Nacht unbedingt geschlossen bleiben. Ihm ist kalt geworden, die Temperaturen fallen gerade merklich. Er begibt sich in den Turm und über die Wendeltreppe in den ersten Stock. Und als er wieder in der Wohnung ist, beschließt er, sich noch ein Glas Wein zu gönnen, wenn er schon nicht bei der Kneipjagd mit dabei ist. Ein Weißwein könnte es sein, einen aus Franken oder einen aus der sonnigen Pfalz? Oder sogar einen, der ihn jetzt schon ein wenig auf die doch noch weit entfernt liegende, warme Jahreszeit einstimmen könnte?

Aus dieser Stimmung heraus entschließt er sich für einen schmackhaften und schönen Weißwein aus dem südlichen Salento. Aus dem Stiefelabsatz Italiens, zwischen Lecce und Brindisi, gut gekühlt mit einem leichten Fruchtgeschmack. Wenn er den Geschmack im Gaumen festhält und die Augen für einen Moment schließt, sieht er das Ionische Meer vor sich, mehr noch, er kann es sogar riechen, zumindest bildet er es sich ein.

Wieviel Süden verträgt eigentlich ein Bayer, ein Franke oder ein Schwabe? Wahrscheinlich schon eine ganze Menge, aber sicherlich erheblich mehr, als er vielleicht anzunehmen in der Lage ist. Der Süden, das ist für BHW alles, was nach dem Brenner kommt, und wenn man sich nur weit genug nach Süden begibt, landet man irgendwann am Meer. Dort sind es dann diese unendlichen Horizonte, die die Sehnsucht der Menschen schon immer geweckt haben. Die permanente Frage ist, was kommt dahinter? Udo Lindenberg meint ja, hinterm Horizont geht es weiter, immer weiter.

Später trinkt Bernd Werner dann noch ein zweites Glas. Ob die in Apulien jetzt auch schon kalte Nächte haben? Im Sommer haben die es dort sehr heiß, das ist bekannt, aber im Winter? Keine Ahnung, aber eines ist gewiss, der Wein aus dem Salento tut ihm gut, der entspannt ihn, so kommt er sicherlich besser in den Schlaf.

Mitternacht ist jetzt bereits vorbei, man ist inzwischen schon im Sonntag angekommen. Aber es wird ein Sonntag werden voll mit unerwarteten und schrecklichen Ereignissen, ein Sonntag im November, welcher noch lange in den Köpfen der Menschen hängen bleiben wird. Ein tieftrauriger und trister Sonntag, der die gesamte Lustigkeit des Samstags zunichtemachen und jeglichen Spaß auffressen wird. Und seine Farbe wird blutrot sein.

Kapitel 4

Finalzeit

Die drei Damen haben schon ein paar Stationen hinter sich gebracht und hängen inzwischen in der Grotte fest. Mit ihrem Alkoholkonsum gehen sie routiniert um. Saufen kann schließlich jeder, aber man muss auch wissen, wie man mit dem eigenen Alkoholspiegel umgeht. Ein Rausch ist wie ein Hund, sagt die Susi immer, man muss ihn an der Leine durch die Nacht führen können. Die Band heizt in dem engen Gewölbe ordentlich ein. Es ist laut, unterhalten kann man sich nur schwer, aber das will auch um diese Uhrzeit niemand mehr. Man steht auf den Bänken und folgt den Melodien der Band, der allgemeine Alkoholpegel ist bereits im oberen Level angekommen.

Die aktive Susi hat sich an der Bar, gleich vorne am Eingang, mit einem sportlichen Typ eingelassen, auf so etwas steht sie. Die Bärbel und die Manu amüsieren sich weiter hinten im Raum, man steht eng an eng, die Luft ist nicht besonders gut, aber heute ist das ohnehin egal. Eine Sperrstunde gibt es heute auch nicht, alles bleibt im Fluss, im Alkoholfluss.

Die Polizei hält sich bislang sehr zurück, sie ist zwar präsent, das bedeutet, sie zeigt sich, entweder als Streife im Fahrzeug oder auch zu Fuß. Noch ist es aber ruhig, und noch gab es keinen Zwischenfall. Die größeren Einsatzfahrzeuge stehen versammelt an bestimmten Plätzen, von wo aus sie schnell in einen Einsatz gelangen können. Zu den Gefahrenplätzen gehören die Umgebungen um den Martin-Luther-Platz, vor dem Herrieder Tor und dann noch vor den Kammerspielen, dort tritt die Polizei verstärkt auf.

Bärbel und Manu feiern inmitten von Bekannten, sie haben auf große Weißweinschorle umgestellt, damit kann man länger aushalten und es ist ja erst Mitternacht vorbei, noch geht man nicht nachhause.

Bärbel kommt jetzt nach vorne zu Susi, denn die Susi hat ihr gerade aufgeregt zugewunken herzukommen, und nun drängt sie sich zwischen Susi und ihren jungen Galan. Sie versucht mit Susi zu sprechen und sich gegen die laute Musik durchzusetzen.

„Was ist los, Susi, warum hast du mir gewunken, was ist los, möchtest du schon gehen?“

Susi kommt näher an das Ohr von Bärbel, damit man sie besser verstehen kann. Sie muss trotzdem so laut sprechen, wie es eben geht.

„Hör mal zu, nein, natürlich möchte ich noch bleiben, aber du wirst es nicht glauben, der Kerl von dem City-Bowling war vorhin da und hat sich umgesehen, Da, direkt am Eingang ist er gestanden. Er hat zuerst mich und dann auch noch euch gesucht. Als ich ihm ins Gesicht gesehen habe, hat er nur zynisch gegrinst. Er scheint schon wieder betrunken zu sein. Ich sage dir, das ist ein schwieriger Bursche, ich halte den überhaupt nicht für ungefährlich. Ich sage dir das, weil ich mit dem auf der Agentur ständig Schwierigkeiten habe, er beschimpft mich und inzwischen bedroht er mich sogar. Demnächst werde ich die Polizei einschalten müssen. Wenn wir nachher gehen, sollten wir wirklich aufpassen, der Kerl ist mir nicht geheuer, verstehts du?“

Jetzt wird die Bärbel auch plötzlich nachdenklich. Was will denn der Kerl schon wieder von uns? Das ist ein ganz verklemmter Bursche, denkt sich Bärbel. Und wenn der betrunken ist, wird er gefährlich, das haben sie schon bei dem Vorfall beim Bowling erlebt. Aber wir sind ja nicht allein und irgendwer ist immer um uns herum. Bärbel beruhigt sich wieder.

„Hör mal, Susi, die Manu will noch in die Kammer schauen, was meinst du? Den Abschluss würden wir gerne über das Café Klatsch und dann noch auf ein Glas Wein in Eugens Weinstube machen. Wäre dir das so recht?“

Susi meint, sie bliebe lieber noch etwas hier und sieht ihren neuen Freund fragend an, aber der hält sich zurück und kauft sich noch ein Bier.

„Weißt du was, Bärbel? Geht ihr ruhig noch in die Kammer, dann treffen wir uns im Klatsch oder zum Schluss wie immer beim Eugen, sagen wir so zwischen zwei und drei Uhr, o.k.?“

Bärbel geht zurück zu Manu und versucht, gegen die laute Musik Manu zu informieren.

„Hör mal, Manu, die Susi hatte vorhin diesen blöden Kerl gesehen, du weißt schon, den vom City-Bowling, der spioniert uns schon wieder nach, das gefällt mir gar nicht, der hat einen an der Waffel. Wir sollten unbedingt zusammenbleiben, aber unsere Susi hängt wieder einmal fest, verstehst du? Die kann ich jetzt nicht loseisen. Sie meint, wir sollen schon mal alleine in die Kammer gehen, dann treffen wir uns später im Klatsch und zum Abschluss beim Eugen.“

Was die drei in diesem Augenblick aber nicht wissen, ist, dass sie sich nie mehr zu dritt im Leben treffen werden. Und zwar weder in der Kammer, noch im Klatsch, noch im Eugen, oder noch sonst irgendwo. Das Schicksal hat etwas anderes geplant, etwas vollkommen anderes, leider nichts Gute

Als dann Bärbel und Manu die Grotte verlassen und sich auf den Weg in die Kammer machen wollen, winken sie noch ihrer Freundin Susi zu. Sie winkt zurück und blinzelt zu den beiden hin. Die hat noch was vor, denken sich die beiden. Ob die wirklich noch später ins Klatsch oder zum Eugen kommen wird? Man wird sehen.

Das wäre allerdings nicht das erste Mal, dass die drei Damen zusammen ausgehen und dann jede getrennt nachhause kommt. Im gemeinsamen Beginnen sind sie stark, aber dann am Ende schwächelt die Gemeinschaft. Da überwiegen dann plötzlich Eigeninteressen und auch Zufälligkeiten, dabei verläuft man sich gerne.

Auf dem Weg zur Kammer laufen die beiden über den Vorplatz des Herrieder Tors. Dort ist ein Polizeiaufmarsch zu beobachten, es hat dort wohl kurz vorher eine Schlägerei gegeben. Plötzlich viel Blaulicht und viel Polizei, drei Männer werden abgeführt und in ein Polizeifahrzeug gebracht.

Zwei grölende Gruppen tauchen jetzt plötzlich auf, eine kommt über die Promenade, die andere von der Utzstrasse durch das Herrieder Tor, die Kerle halten Bierflaschen in den Händen, sie sind schon ziemlich betrunken. Die Polizisten versuchen zu verhindern, dass beide Gruppen zusammentreffen und gehen dazwischen.

„Komm, Manu, lass uns weitergehen, halt dich da raus, das wird die Polizei schon regeln.“

Beide Frauen überqueren die Promenade und gehen weiter in Richtung Kammerspiele. Aber sie gehen nicht alleine, es folgt ihnen eine Person, unauffällig und immer im Schatten der Häuser. Schon in der Grotte war er in ihrer Nähe, vollkommen allein und ohne einen Kontakt zu anderen. Er trinkt Bier aus der Flasche und ab und zu holt er seinen Flachmann heraus und nimmt einen Schluck aus der Pulle, Schnaps natürlich. Angefangen hatte es im Le Fiamme, da stand diese Person noch draußen.

Durch die großen Fenster hatte er einen guten Blick ins Lokal, die drei Mädels waren leicht zu erkennen. Der Fremde vermied es, nahe ans Lokal zu gehen, er wartete stattdessen, bis sie dann das Lokal verlassen hatten und folgte ihnen heimlich, ohne dass sie das mitbekommen konnten. In der Grotte hatte er noch alle drei zusammen.

Aber jetzt, wo sie sich geteilt hatten, musste er sich entscheiden und so geht er hinter den beiden her in Richtung Kammerspiele. Diese Susi wird den beiden schon noch folgen, das kann er abwarten. So oder ähnlich sind seine Überlegungen.

Kapitel 5

NachspielzeitTatzeit

Natürlich ist in der Kammer noch voller Betrieb, so wie immer, und heute gleich zweimal. Die Smashed Potatoes wissen, wie man eine Stimmung hochhält, die spielen heut wohl länger. Manu und Bärbel behalten ihre Jacken in ihren Händen und sehen sich um. Aber noch eine weitere Person sieht sich auch um. Sie mischt sich unerkannt unter die Menge, sie hat sich an der Bar eine Flasche Bier gekauft, aber gelegentlich nimmt sie auch einen Schluck aus dem mitgebrachten Flachmann. Das Verhalten dieser Person ist so unauffällig wie unnormal, sie drückt sich stets an den Seitenwänden herum, auch teilweise unter den beiden, wenig beleuchteten Treppenaufgängen, sie will offensichtlich nicht gesehen werden. Ein zynisches Grinsen ist in seinem Gesicht.

An der Theke holen sich Bärbel und Manu schnell noch zwei Weißweinschorle und mischen sich unter die Leute, viele kennen sie gut. Es geht laut zu, manche machen Selfies, um den Moment festzuhalten. Aber nach einer halben Stunde verlassen Bärbel und Manu die Kammer, jetzt darf es so langsam dem Ende zu gehen.

Auf dem Rückweg schauen sie noch ins Café Klatsch hinein, auch da ist noch volles Haus, die Band hat inzwischen schon zusammengepackt, es läuft Musik vom Band. Die Stimmung ist immer noch gut und laut, allerdings mit erkennbar auslaufendem Niveau. Aber dann nehmen sie ihr abgesprochenes Endziel in Visier. Sie gehen an der St. Gumberts-Kirche vorbei und betreten ihre geliebte Weinstube, Eugens Weinstube.

Aber ihre Susi ist auch dort nicht zu sehen, später kommt noch eine Freundin in Eugens Weinstube auf die beiden zu und erzählt, dass sie noch vorhin die Susi im Klatsch gesehen hat, aber angeblich war sie alleine. Aha, dann hat sie sich doch noch losmachen können, Respekt. Na, vielleicht treffen wir sie doch noch, Manu glaubt aber eher nicht daran, die Susi ist gerne Einzelkämpferin und hat ihren sehr eigenen Kopf.

Es wird nach und nach ruhiger in der Stadt Ansbach, die diesjährige Kneipjagd geht so langsam ihrem Ende entgegen. Die Uhr in Eugens Weinstube zeigt auf zehn Minuten vor halb drei Uhr, die Bands haben aufgehört zu spielen, man hört noch Musik vom Band, es sind die letzten Versuche, die Zeit noch etwas zu verlängern. Die Polizei hatte nur einige überschaubare Einsätze zu regeln, ansonsten war die Nacht bislang ruhig geblieben.

Die Bedienungen vom TamTam haben schon begonnen, etwas abzuräumen, zuerst in dem Freibereich vor dem Lokal, da ist jetzt niemand mehr. Das bedeutet, man muss den Kühlwagen ausschalten, die Stühle zusammenstellen und den Müll versorgen. Im Lokal dagegen geht es noch laut zu, manche halten es auch verdammt lang aus.

Die Außenbeleuchtungen sind noch an, sowohl die am TamTam als auch nebenan bei Eugens Weinstube. Beim Schwarzen Bock ist es schon dunkel, er hatte sich nicht an der Kneipjagd beteiligt. Das Licht der Straßenlaternen und auch der Hauslampen geben aber noch genügend Helligkeit ab.

Auch für den TamTam-Barkeeper Michael Weidinger, von den Gästen nur Micha genannt, war noch ausreichend Licht, als er noch einen Sack mit Abfall in eine der Mülltonnen werfen will. Die Tonnen stehen wie eine Trennwand zwischen dem Schwarzen Bock und dem TamTam. Beide Lokale hatten sich so geeinigt, dass die Mülltonnen an diesem Platz nicht sonderlich stören und von beiden Seiten zugänglich sind. Optisch sind sie durch einen Holzzaun verdeckt, dadurch fallen sie weniger auf.

Genau in diesem Augenblick geschieht das Schreckliche und auch Unvorstellbare zugleich. Micha trägt den Müllsack zu der ersten Tonne und erkennt dort plötzlich im Schatten der Tonnenreihe, schon auf der Seite vom Schwarzen Bock, am Boden eine regungslose Person. Sie liegt verkrampft auf einer Seite, eine Hand hat sie über das Gesicht gelegt. Micha vermutet zunächst eine dem Alkohol nicht gewachsen gewesene Person und versucht noch, sie anzusprechen, dann entdeckt er die große Blutlache, die sich seitlich von der Person ausgebreitet hat. Er erkennt, dass es sich um eine Frau handelt und durchbricht seine innere Blockade mit einem lauten Aufschrei.

„Hilfe, Hilfe, helft mir, verdammt, helft mir doch. Schnell, Polizei, das ist schrecklich. Kommt her, da liegt jemand.“

Es stehen noch ein paar Personen in dem innenliegenden Eingangsbereich zum TamTam und eilen ihm sofort zu Hilfe. Micha zeigt mit der Hand auf die Person, alle stehen wie erstarrt vor der am Boden liegenden Frau. Einer von ihnen schreit laut:

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„Um Himmels Willen, das ist doch die Manu, die Manu Schwarzmann, die von der Klinik, schnell holt die Polizei und einen Arzt.“

Handys werden gezückt, auf allen sieht man die leuchtenden Notrufnummern, einer kommt durch und informiert Polizei und Notarzt.

Micha rennt zurück ins Lokal und informiert die Wirtsleute Uschi und Stefan Maurer. Die Menschen im TamTam rennen nach draußen, alle stehen fassungslos um die am Boden liegende Frau, dann hört man schon ein Martinshorn und das erste Polizeiauto prescht bereits um die Ecke, gefolgt von dem Notarztwagen. Man macht einen Korridor frei, der Notarzt und ein Sanitäter sind schon bei dem Opfer, die Polizisten befragen bereits die Anwesenden. Dann stellt der Notarzt den Tod des Opfers fest, die Tote ist nach seiner Aussage noch nicht lange tot. Der Tatort wird abgesperrt, Blitzlichter erhellen die Szene, der Tatort wird eilig abgesichert und ein Polizist beginnt bereits, ihn zu vermessen.

Großer Gott, wie grausam endet die diesjährige Kneipjagd. Auch die noch anwesenden Gäste aus Eugens Weinstube sind von dem Blaulicht und dem Martinshorn aufgeschreckt worden und stehen jetzt vor dem Lokal und auf der Straße. Auch der Wirt Norbert Imschloß taucht auf und will wissen, was sich denn da abspielt.

Alle laufen wild durcheinander, eine totale Hektik hat die Menschen erfasst. Dann bekommt Norbert Imschloß gerade noch mit, wie ein Mann, der soeben von der Reitbahn gekommen ist und zu der Szene stößt, plötzlich laut aufschreit, mit beiden Armen in der Luft herumfuchtelt und brüllt, so laut er nur kann.

„Schnell, schnell, hierher, da liegt jemand. Hallo Polizei, hierher, macht Licht, schnell.“

Drei Polizisten stürmen zu dem Mann, dieser steht direkt neben den Schaukästen des ehemaligen Fotostudios Berberich. Dahinter ist noch ein schmaler Streifen bis zum Nachbarhaus, genau da, wo der Künstler Sturm seine tollen Enten aus alten Mopedtanks ausstellt. Der Mann zeigt nach hinten in die Ecke zwischen den beiden Häusern.

„Hierher, schnell, dort, hinter dem Fahrradständer, da liegt eine Frau. Los, hopp, hierher.“

Und jetzt, im Licht der Strahler der Polizei erkennt man eine zweite Frau am Boden, ebenfalls in einer Blutlache liegend. Notarzt und die Sanitäter sind sofort da, aber sie kommen auch hier zu spät, eine Rettung ist nicht mehr möglich.