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Seine Opfer müssen um ihr Leben kämpfen. Doch das Zeichen des Todes tragen sie längst auf ihrer Haut …
Am Strand von Brighton wird eine schwer verletzte Frau aufgefunden – ihr Körper ist übersät mit Wunden, auf ihrem Rücken prangt ein frisches Tattoo. Doch sie stirbt, noch bevor sie eine Aussage abgeben kann. Von Vorurteilen geleitet, macht die Polizei schnell einen Schuldigen aus: Alex, der Freund des Opfers, soll die junge Frau auf solch grausame Weise getötet haben. Detective Francis Sullivan und Marni Mullins müssen alles tun, um Alex´ Unschuld zu beweisen. Denn Alex ist nicht nur der Hauptverdächtige in diesem Fall ... er ist auch Marnis Sohn. Als eine weitere Leiche auftaucht, verdichtet sich der Tatverdacht gegen ihn, und die Suche nach der Wahrheit wird zum Kampf ums Überleben …
Eine bestechende Thriller-Reihe, bei der Sie alle Bände auch unabhängig voneinander lesen können.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 541
Veröffentlichungsjahr: 2022
ALISON BELSHAM begann ihre Autorinnenkarriere als Drehbuchschreiberin und war für den Orange Prize für Drehbücher nominiert sowie in der engeren Auswahl eines Drehbuchwettbewerbs der BBC. Mit ihrer Thrilleridee zu Der Tattoosammler gewann sie 2016 einen Wettbewerb auf dem Bloody Scotland Crime Writing Festival.
Außerdem von Alison Belsham lieferbar:Der Tattoosammler. Thriller
Alison Belsham
Knochen im Sand
Aus dem Englischen von Kristina Lake-Zapp
Die englische Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel Her Last Breath bei Trapeze.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.
Copyright © 2019 by Alison Belsham
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2022 by Penguin Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Umschlag: Favoritbüro
Umschlagmotiv: © Shutterstock (Torruzzlo, Larina Marina)
Redaktion: Hanne Reinhardt
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-27002-5V002
www.penguin-verlag.de
Für Mark, Rupert und Tim
Vulnerasti cor meum,soror mea
Du hast mein Herz verwundet,meine Schwester
Eine Libelle schwirrte tief über dem Bug des Ruderboots, die transparenten Flügel schimmernd im Sonnenlicht, der Körper eine spitze blaue Nadel. Der Mann betrachtete sie einen Moment lang, dann konzentrierte er sich wieder darauf, durch den schmalen Kanal zu navigieren, zu dem sich der Fluss verengt hatte. Sieben lange, heiße Wochen ohne Regen hatten die flachen Ränder des Flussbetts trockengelegt, die für gewöhnlich mit Wasser bedeckt waren. Die Vegetation entlang der Ufer war braun, Blätter kräuselten sich wie altes Pergamentpapier. Der Schlamm stank in der nicht enden wollenden Hitze, Fliegen summten in dichten Schwärmen darüber hinweg.
Der Mann fragte sich, ob er sein Ziel noch erreichen würde, bevor das Wasser zu flach zum Rudern wurde.
Sein Blick verfing sich an etwas, das ein Stück weit vor ihm aus dem Boden ragte. Ein Stock, gebleicht von der Sonne, steckte in dem rissigen, ausgetrockneten Morast. Die Libelle schoss herab, setzte sich auf seine Spitze und bot ihre Flügel der Sonne dar.
Der Mann zog die Ruder kräftiger durch, schrammte mit den Blättern über das Flussbett und wirbelte den Schlamm auf. Trübe Wolken stiegen an die Wasseroberfläche. Das Boot näherte sich dem Stock mit der Libelle. Er kniff die Augen zusammen, um mehr erkennen zu können. Es war gar kein Stock.
Es war ein Knochen.
Und seine Anatomiekenntnisse reichten völlig aus, um festzustellen, was für einen Knochen er da vor sich sah.
Einen menschlichen Oberschenkelknochen.
Den Oberschenkelknochen seines Vaters.
Dem Mann glitt ein Ruder aus der Hand, so schweißnass waren seine Handflächen. Das Ruder schlug klappernd gegen die Dolle. Aufgeschreckt von dem Geräusch, flatterte ein Taubenschwarm auf, doch außer den Vögeln war niemand hier. Niemand, der sehen konnte, wie sehr seine Hände zitterten, als er das Boot unbeholfen wendete und den Weg zurückruderte, den er gekommen war.
Die Sonne stand jetzt tief am Himmel, ihr gleißend helles Licht verwandelte sich in ein mattes Orange, doch die Hitze ließ nicht nach. Der Widerschein färbte das Wasser vor ihm blutrot, genau wie an dem Tag, an dem sie gestorben war.
Er wusste die Zeichen zu lesen, zu deuten.
Die Vergangenheit würde nicht ruhen. Oder in Vergessenheit geraten. Der Mann konnte sich ihrem Ruf nicht länger entziehen.
Das Haunt um kurz nach Mitternacht zu betreten, war, als würde man eine massive Mauer aus Schweiß durchbrechen. Alex Mullins war denn auch sofort schweißgebadet, als er sich seinen Weg quer über die Tanzfläche des Clubs zur Bar bahnte. Der Beat wurde schneller, klatschnasse Leiber stießen ihn an und brachten ihn vom Kurs ab. Er kam sich vor wie die Kugel in einem gigantischen Flipperautomaten. Grinsend warf er einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass seine Freundin Tash noch hinter ihm war.
Sie erwiderte sein Lächeln, dann zog sie die Nase kraus wegen der sie umgebenden Mischung aus süßlichem Parfüm und Körpergeruch. Doch ihre Hüften bewegten sich bereits im Takt der Musik, deshalb gab Alex sein Vorhaben auf, ihnen etwas zu trinken zu besorgen, und zog sie an der Hand tiefer ins Getümmel. Bevor sie reingegangen waren, hatten sie sich in einer Seitengasse vor dem Haunt einen Joint geteilt, und jetzt ließ sich Alex von der Musik mitreißen, die die Kontrolle über seinen Körper übernahm. »Nineties Hip Hop Sweatshop« – das Motto des heutigen Abends war Programm. Er tanzte um Tash herum, mit kreisenden Hüften, und beobachtete ihre Moves. Seine Augenlider waren schwer. Das Gras zeigte Wirkung. Immer wieder musste er daran denken, wie sie den Nachmittag in seinem Zimmer verbracht und ihre Körper erkundet hatten, bis seine Mutter von der Arbeit nach Hause kam, woraufhin sie sich auf den Weg zum Strand und anschließend ins Pub gemacht hatten.
Herrgott, er musste sich wirklich eine eigene Wohnung suchen.
»Du siehst so heiß aus, Babe«, hauchte er Tash ins Ohr.
Das war keine Übertreibung. Natasha Brady war mit Abstand das attraktivste Mädchen in seinem Seminar mit ihrem herzförmigen Gesicht, dem breiten Mund, den langen kastanienbraunen Haaren und den noch sehr viel längeren Beinen. Hammer Oberweite. Alex hatte sie vom ersten Moment an gewollt, und sein Verlangen hatte sich auch nach mehreren Monaten nicht abgekühlt. So lange war er noch nie mit einem Mädchen zusammen gewesen.
Wieder beobachtete er sie beim Tanzen. Sie bewegte sich großartig, doch sie war darauf bedacht, immer so zu stehen, dass sie sich in dem großen Spiegel hinter der Bar sehen konnte, um ihr Top glatt zu streichen und einen Moment später an ihren Haaren herumzufummeln. Alex tanzte um sie herum, um ihr den Blick auf sich selbst zu verstellen. Tash runzelte die Stirn.
»Du bist schön«, gab er ihr über die Musik hinweg zu verstehen. Sie schüttelte den Kopf.
Warum war sie so unsicher? Waren alle Mädchen so? Ja, seine Mutter war ein Bündel von Unsicherheiten, und die Beziehung mit seinem Dad war jahrelang das reinste Chaos gewesen. Aber wieso Tash? Es gab keinerlei Grund für sie, ständig an sich selbst zu zweifeln. Er kapierte es nicht, und es nervte ihn.
Einen Moment später stand sie wieder so, dass sie sich im Spiegel sehen konnte. Diesmal zog sie eine Schnute und prüfte ihr Lipgloss. Dann hörte sie auf zu tanzen, beugte sich vor und fasste ihn am Arm.
»Ich gehe kurz auf die Toilette«, sagte sie, den Mund so nah an seinem Ohr, dass ihr warmer Atem seinen Nacken streifte.
Alex verspürte eine Welle des Verlangens und drückte seine Hüften gegen ihre. Tash lachte und zog sich zurück. Er sah ihr nach, sah, wie sie am Rand der Tanzfläche mit Sally Ann plauderte. Wenn sie da war, würde er vermutlich auch den Rest der Clique treffen. Tash würde eine Weile weg sein, also schaute sich Alex auf der Tanzfläche nach seinen Kumpels um.
Er entdeckte niemanden, den er kannte, deshalb tanzte er weiter, ließ sich von der Musik davontragen, bis er nichts anderes mehr wahrnahm als den rhythmischen Beat des wummernden Basses.
Alex spürte, wie jemand an seinen Dreadlocks zog und ihn damit aus der Trance riss.
Ein dünnes blondes Mädchen in einem engen Paillettenkleid stand vor ihm, die Hand ausgestreckt, um ihn ein weiteres Mal an den Haaren zu ziehen. Er drehte den Kopf zur Seite, um ihr auszuweichen. Es nervte ihn, wenn man seine Haare berührte, seine Dreads waren schließlich kein Gemeineigentum. Es war verblüffend, wie viele Leute meinten, es sei okay, sie einfach anzufassen. Er tanzte weiter, gespannt, was Blondie als Nächstes unternehmen würde. Sie war hübsch, aber nicht sein Typ. Sie hatte harte Augen und eine spitze Nase, was ihr Gesicht leicht verschlagen wirken ließ. Er nahm an, dass sie zu den Mädchen zählte, die besser aussahen, wenn sie sich nicht mit tonnenweise Make-up zukleisterten.
Sie kam näher und winkte ihn zu sich heran. Anscheinend wollte sie ihm etwas sagen.
Er beugte sich vor.
»Stimmt es, was man sich über die Schwänze von schwarzen Männern erzählt?«
»Was?«, formte er mit den Lippen und machte einen Schritt zurück, damit er ihr Gesicht sehen konnte. Er hatte genau verstanden, was sie gesagt hatte, hatte es schon viel zu oft gehört, immer von abgefuckten kleinen Schlampen wie ihr oder von großspurigen Bastarden, die auf eine Schlägerei aus waren. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Mit den Kerlen kam er klar, die machten eh meist einen Rückzieher, sobald er signalisierte, dass er es mit ihnen aufnehmen würde, aber die Mädchen, die machten ihm zu schaffen, wenn sie hinter vorgehaltener Hand kicherten und mit ihren Freundinnen flüsterten.
»Dein Schwanz«, rief sie. »Er ist groß, oder?«
Ach du Scheiße.
Er zwang sich zu einem Grinsen und beugte sich erneut vor.
»Warum findest du es nicht selbst raus, Babe?« Im selben Moment fasste er ihre Hand und drückte sie in seinen Schritt.
Sie versuchte, die Hand wegzuziehen, als ihr klar wurde, was da gerade passierte, aber Alex verstärkte seinen Griff. Die dumme Bitch musste dringend eine Lektion erteilt bekommen. Es dauerte einen Moment, bis sie sich wieder gefasst hatte, dann verengten sich ihre Augen, und er spürte, wie sie sein Intimteil begrapschte. Er schob ihre Hand weg, so heftig, dass sie leicht ins Taumeln geriet.
Tash tauchte hinter dem Rücken des Mädchens auf. »Was zur Hölle …?«, formte sie mit den Lippen und schubste die Blondine zur Seite, um zu Alex zu gelangen. Ihr Blick war finster. Sie hatte gesehen, was passiert war.
Während Blondie wieder mit der Menge der Tanzenden verschmolz, funkelte Tash Alex an. »Mein Gott, da bin ich kaum eine Minute weg, und du lässt dich schon von einer anderen betatschen?«
Alex hob flehentlich die Hände.
»Es war nicht so, wie es aussah.«
Die Musik war zu laut für eine Erklärung, außerdem schien Tash sowieso nicht daran interessiert zu sein.
»Ich habe gesehen, was du gemacht hast!«, schrie sie. »Du Mistkerl!«
Sie verpasste ihm eine deftige Ohrfeige, und während Alex in verblüfftem Schweigen die Hand an die Wange hob, drängte sie sich durchs Gewimmel auf den Ausgang zu.
»Tash?«
Sie hörte ihn nicht. Seine Wange brannte, und ihm wurde klar, dass die Leute ihn anstarrten. Sally Ann Granger kam auf ihn zu.
»Was ist los?«, fragte sie.
Alex schüttelte den Kopf. »Nichts. Bloß ein Missverständnis.«
Sally Anns Augenbrauen schossen in die Höhe.
Er musste hier raus, deshalb schob er sich an ihr vorbei und folgte Tash nach draußen.
Es war ein Uhr morgens, doch der angenehme Schwall kalter Luft, den er erwartet hatte, blieb aus. Es war immer noch schwülwarm, und seine Klamotten fühlten sich klamm und klebrig an. Von Tash war weit und breit nichts zu sehen – sie hatte nicht auf ihn gewartet –, also bog er um die Ecke in die Seitengasse ein, zog seine Kiffer-Utensilien aus der Tasche und lehnte sich an eine Mauer. Er brauchte weniger als eine Minute, um sich eine Tüte zu bauen, und nachdem er sich vergewissert hatte, dass keine Cops in der Nähe waren, hielt er das Feuerzeug daran.
Er behielt den Rauch in den Lungen, solange er konnte, und wartete darauf, dass sich sein Körper entspannte. Den Joint im Mundwinkel, hob er das T-Shirt an und ließ es wieder sinken, um ein bisschen Luft an seine schweißverklebte Brust zu fächeln. Scheiß auf die dämliche Blonde. Er würde zu Ende rauchen und sich anschließend auf die Suche nach Tash machen.
Verfluchte Frauen. Manchmal fragte er sich, ob sie den Ärger wert waren.
Alex nahm einen weiteren tiefen Zug. Das Zeug war gut, stark. Er ließ sein T-Shirt fallen, drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand und schloss die Augen. Gleich würde er die Sache mit Tash aus der Welt schaffen. Gleich …
Tash Brady zog die Seeluft tief in die Lungen, um den miefigen Schweißgeruch des Clubs aus der Nase zu bekommen, dann zündete sie sich eine Zigarette an und inhalierte. Dieser verdammte Alex Mullins! Sie wandte dem Haunt den Rücken zu, schlenderte über die tagsüber so belebte Durchgangsstraße Old Steine zur Küste hinunter und wünschte sich, sie hätte niemals eingewilligt, hierherzukommen. Obwohl es schon nach ein Uhr morgens war, strahlten die Steinmauern immer noch die Hitze ab, die sie tagsüber gespeichert hatten, und das war gut so, denn sie hatte keine Jacke bei sich.
Zuvor waren sie in einem Pub mit Biergarten gewesen, wo sie zu viel getrunken hatte. Die Mischung aus lauwarmem Prosecco und heißer Sonne ließ ihren Kopf schmerzen, und der Joint, den sie sich vor dem Clubbesuch mit Alex geteilt hatte, machte es nicht besser. Sie war ziemlich zickig gewesen, und als sie gegen Mitternacht am Haunt angekommen waren, hatte sich ihre Stimmung nicht wirklich gebessert. Nach einer halben Stunde Bassgewummer auf der »Nineties Hip Hop Sweatshop«-Party platzte ihr fast der Kopf. Ihr war übel, und sie wollte nach Hause. Sie hatte sich mit Sally Ann auf die Toilette zurückgezogen und zwei Schmerztabletten geschluckt. Anschließend hatte sie sich plaudernd in einer der Kabinen auf den Klodeckel gesetzt und darauf gewartet, dass das Nurofen seine Wirkung zeigte. Sally Anns Geschichten über den Adonis, den sie bei der Arbeit vögelte, hatten ihre Laune gehoben, doch als sie auf die Tanzfläche zurückkehrte, bekam sie mit, wie Alex mit einem anderen Mädchen rummachte.
Scheiß drauf. Sie war fertig mit ihm. Es war aus. Schluss. Aus. Vorbei.
Ihre Fünfzehn-Zentimeter-Absätze klapperten auf dem Asphalt. Aus einem ihrer Lieblingsclubs an der Ecke drang der pulsierende Rhythmus von House Music. Ein betrunkenes Paar stolperte eng umschlungen auf die Straße hinaus. Schniefend vor Selbstmitleid, ging Tash weiter. In der Nacht von Freitag auf Samstag war immer viel los in den Clubs, aber unten am Wasser herrschte weit weniger Trubel. Es war ganz anders als am späten Nachmittag. Da war der Strand rappelvoll gewesen mit gebräunten Mädchen in knappen Bikinis, muskelbepackten Typen, die ihre Waschbrettbäuche präsentierten, Müttern, die ihre kleinen Kinder anschrien, und alten Knackern – krebsrot, weil sie in der Sonne eingeschlafen waren. In der Luft hing noch immer der Geruch nach Sonnencreme und Pommes frites.
Ohne stehen zu bleiben, überquerte Tash die Hauptstraße zur Promenade. Um diese Zeit gab es hier kaum Verkehr. Sie drehte sich um und horchte, in der Hoffnung, Alex’ Schritte hinter sich zu hören oder zu sehen, wie er auf sie zueilte, als würde er sich wirklich um sie sorgen.
Aber das tat er natürlich nicht. So ein Scheißkerl! Sie konnte unmöglich umkehren. Konnte die Vorstellung nicht ertragen, ihn mit dem anderen Mädchen zu sehen, also stöckelte sie zielstrebig weiter die Promenade entlang Richtung Grand Hotel. Wenn sie dort ankam und er ihr immer noch keine Nachricht geschickt hatte, würde sie sich ein Taxi nach Hause nehmen. Sein Pech. Er würde schon merken, was er davon hatte, wenn er am Morgen aufwachte und nicht ihre übliche »Guten Morgen«-Nachricht auf seinem Handy vorfand.
Der Mond war eine schmale silberne Sichel, deren fahler Schein die Oberfläche der See erhellte, doch er verschwamm hinter dem Schleier ihrer Tränen. War es wirklich so klug gewesen, sich auf eine Beziehung mit Alex Mullins einzulassen? Klar, er war ein echter Hingucker, aber es war ein Albtraum, mit ihm zurechtzukommen. Alle wussten, dass er ein Draufgänger war. Er selbst ließ nichts anbrennen, er konnte andere Mädchen in den Clubs anmachen, so viel er wollte, aber wenn sie einen anderen Typen auch nur ansah, flippte er aus. Was für eine scheiß Doppelmoral!
Doch dann musste sie an den Nachmittag denken, den sie mit ihm im Bett verbracht hatte, und zündete sich noch eine Zigarette an. Sie war keine Jungfrau mehr gewesen, als sie angefangen hatte, sich mit Alex zu treffen, aber sie hätte genauso gut eine sein können. Durch ihn war sie sich auf eine Art und Weise ihres Körpers bewusst geworden wie noch bei keinem anderen Jungen. Er schien genau zu wissen, was er tat … Eben weil er nichts anbrennen ließ, oder?
Sie drehte sich um und verrenkte sich beinahe den Nacken, als sie angestrengt die Dunkelheit nach ihm absuchte. Vergeblich. Weit und breit keine Spur von Alex. Vor dem Grand Hotel standen keine Taxis, also ging sie weiter. Sollte er sich doch zum Teufel scheren. Sie würde sich nicht wieder auf ihn einlassen, selbst wenn er sie anflehen sollte. Sie hatte einen Besseren verdient.
Aufgebracht zog sie noch einmal an ihrer Zigarette, dann ließ sie sie fallen. Sie wollte nicht nach Rauch riechen. Wenn sie zu Fuß ging, wäre sie in fünfzehn Minuten zu Hause. Hoffentlich war ihre Mum nicht mehr wach, denn dann würde sie höllischen Ärger bekommen. Weil sie geraucht hatte. So lange unterwegs gewesen war. Sie konnte es ihr nie recht machen – ihre Mum behandelte sie, als wäre sie noch immer ein kleines Kind. Doch dann fiel es ihr ein: Ihre Eltern waren ausgegangen, und sie würde ein leeres Haus vorfinden. Sie trat die Kippe mit dem Fuß aus, anschließend schlüpfte sie aus ihren hohen Schuhen und nahm sie in die Hand. Der Asphalt unter ihren nackten Füßen war warm, und sie verspürte plötzlich einen Drang nach dem kühlenden Trost von nassem Sand zwischen ihren Zehen. Sie ging eine der Rampen hinunter, die von der Promenade zum Strand führten, tappte vorsichtig über die Kiesel und schnappte laut nach Luft, als sie die scharfen Steine unter ihren Füßen spürte. Endlich gelangte sie in den weichen Sand an der Wasserkante. Sie drehte sich um und sah zur Stadt hinauf, dann schlenderte sie ein kleines Stück am Strand entlang, bis sie die hell angestrahlten Kuppeln des Royal Pavilion erkennen konnte. Kurz danach kamen die glitzernden Lichter der Brighton Palace Pier in Sicht. Nun fühlte sie sich noch einsamer.
Der Strand war vollkommen leer, abgesehen von einem kaputten Liegestuhl und dem Müll entlang der Flutlinie. Nein, es hatte keinen Sinn, noch länger auf Alex zu warten. Tash machte kehrt, um endgültig den Heimweg anzutreten, wobei sie erneut in Tränen ausbrach. Das Geräusch der anrollenden Wellen, die den Kies aufwühlten, übertönte ihre Schluchzer. Sie wollte nicht mit Alex Schluss machen. Sie hatten Spaß miteinander, und sie hatten überwältigenden Sex. Einen Freund wie ihn zu haben, war ein gutes Gefühl. Was wäre, wenn sie im September ans College zurückkehrte? Wenn sie tatsächlich Schluss machte, wüsste sie nicht, wie sie es ertragen sollte, ihn jeden Tag zu sehen, jeden Tag mit den Schlampen zusammen zu sein, die sich ihm ständig an den Hals warfen.
Schniefend wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen und ging weiter. Oben auf der Straße herrschte kein Verkehr mehr, auch auf der Promenade war um diese Uhrzeit keine Menschenseele unterwegs. Was gar nicht gut war. Sie schauderte und wünschte sich, sie wäre nicht so impulsiv gewesen. Wäre sie cool geblieben und hätte die Blondine nicht weggeschubst, wäre sie jetzt vielleicht noch mit Alex im Club …
Etwa hundert Meter vor sich sah sie den auffälligen Umriss des Brighton Bandstand – einer wunderschönen viktorianischen Konzertbühne direkt an der Promenade. Er erinnerte sie an eine Hochzeitstorte. Sie kam schneller voran, als sie gedacht hatte. Inzwischen fror sie, aber ihr war klar, dass sie noch eine ordentliche Strecke vor sich hatte. Der Mond verschwand hinter einer Wolke. Schlagartig wurde es noch dunkler. Sie beschleunigte ihre Schritte.
Einmal meinte sie, hinter sich ein Geräusch zu hören, aber sie konnte über das Rauschen der Wellen hinweg nicht recht ausmachen, was genau es war. Eine einsame Möwe schoss neugierig vom Himmel herab, dann flog sie schreiend weiter. Tash schnappte nach Luft. Nervös legte sie noch einmal an Tempo zu und dachte daran, wie gemütlich das Bett in ihrem warmen, hellen Zimmer war, in dem sie in wenigen Minuten liegen würde. Daran, wie Alex sich auf ebendiesem Bett ausstreckte, wenn ihre Eltern nicht da waren, was sie miteinander anstellten, hastig, für den Fall, dass ihre Mutter früher nach Hause kam. Mein Gott, würde die ausflippen, wenn sie sie jemals erwischte.
Schritte knirschten auf dem Kies hinter ihr. Tash wirbelte herum.
Alex?
Wie aus dem Nichts war am Strand eine Gestalt aufgetaucht, ein Stück von ihr entfernt, die schnurstracks auf die Wasserkante zuhielt. Die Gestalt sah nicht zu ihr herüber, doch sie bekam Angst und wandte sich eilig der Promenade am Eingang zur Pier zu. Dort führten neben der Bühne Stufen zur Straße hinauf. Oben, wo sie ihren Weg im Licht der Straßenlaternen fortsetzen konnte, würde sie sich sicherer fühlen. Tash setzte sich auf die unterste Stufe, um ihre Schuhe anzuziehen, und streifte mit hektischen Bewegungen den Sand von ihren Füßen.
Plötzlich verspürte sie einen heftigen Schmerz seitlich am Kopf, so heftig, dass sie meinte, ihr Schädel würde explodieren. Die Schuhe flogen ihr aus der Hand, und sie taumelte nach vorn. Ihr Kinn prallte auf den Asphalt.
Was zum Teufel?
Sie schmeckte Blut im Mund.
»Alex?«
Zwei Hände fassten sie bei den Knöcheln. Sie wehrte sich, aber es nutzte nichts. Der Griff um ihre Beine verstärkte sich. Sie wurde über die rauen Steine gezerrt. Die Panik raubte ihr den Atem, ihr wurde schwindelig.
Sie wollte nach dem Angreifer schlagen und treten, aber ihre Arme und Beine machten nicht mit. Ihr Kopf prallte gegen einen niedrigen Randstein. Erneut zerriss ihr der Schmerz beinahe den Schädel. Es gelang ihr nicht, ihre Augen zu fokussieren, zudem war ihr Blick verschleiert von den Tränen, die ihr über die Wangen strömten. Sie schrie, so laut sie konnte, aber es war niemand am Strand, der sie hätte hören können.
Wer? Warum?, schoss es ihr durch den Kopf.
»Bitte«, stammelte sie. »Lassen Sie mich gehen.«
Der Angreifer blieb stehen und ließ einen ihrer Knöchel los. Sie konnte den dunklen Umriss eines Mannes erkennen, der sich über sie beugte. Den anderen Knöchel noch immer fest in der Hand, kam er an ihre Seite, dann holte er aus und trat ihr mit seinem Stiefel fest in die Rippen.
Der Schmerz war so gewaltig, dass sie keine Luft mehr bekam.
Ein dunkler Schatten legte sich über ihr Gesichtsfeld, dann war alles schwarz.
Dein fünfter Geburtstag ist ein sehr aufregender Tag, Aimée. Natürlich ist er das – das sind Geburtstage immer. Aber ganz besonders dieser fünfte, denn heute Nachmittag wirst du zum ersten Mal deine eigene Geburtstagsparty feiern – mit Spielen und Geschenken und einem Geburtstagskuchen in Form einer riesigen gelben Sonnenblume. Du durftest fünf Mädchen aus deiner Klasse einladen, und du hast ein neues Kleid bekommen. Ein rotes Kleid mit Satinschleifen, dazu glänzende schwarze Sandalen, und Mummy wird dir ein rotes Band in deine langen schwarzen Haare binden.
Deine Gäste werden in einer Stunde erwartet, aber dir ist jetzt schon übel vor Aufregung.
Mummy muss dich mit einem Buch in dein Zimmer schicken. Sie ist zu beschäftigt mit den Partyvorbereitungen, um ein Auge auf dich haben zu können. Sie ist ziemlich gereizt, daher bist du froh, nicht in ihrer Nähe zu sein. Du bekommst den Eindruck, dass sie Partys nicht wirklich mag, es sei denn, es handelt sich um Partys für Erwachsene, bei denen sie Alkohol trinken und ihr falsches Lachen lachen kann.
Du langweilst dich mit deinem Buch, und dein Bruder Jay will nicht mit dir spielen. Du feierst eine Party nur für Mädchen – Jungs sind nicht erlaubt. Jay hat gesagt, das sei ihm egal, er hätte sowieso keine Lust darauf. »Kleinmädchen-Party«, hat er gesagt und behauptet, er habe in seinem Zimmer Besseres zu tun. Du versuchst, hineinzugehen, aber er schiebt dich raus und sagt dir, du sollst abhauen, weil er lesen will. Nur weil er vier Jahre älter ist als du, hält er sich für etwas Besseres. Du weißt, dass das nicht stimmt.
Aber es bedeutet auch, dass du niemanden zum Spielen hast. Du wünschst dir, Jay würde sich nicht so dumm benehmen. Du möchtest, dass er bei dir ist, dass er dich zum Lachen bringt, würdest sogar in Kauf nehmen, dass er dich foppt, wie er es manchmal gemeinerweise tut. Du sitzt in deinem Zimmer auf der Fensterbank und starrst hinaus, wobei du ungeduldig mit dem Fuß wippst, während du auf die ersten Gäste wartest. Du bist dir sicher, dass sie zu spät kommen werden. Immer wieder fragst du Daddy: »Sollten sie nicht längst da sein?« Das bringt ihn zum Lachen, was du gar nicht nett von ihm findest.
Endlich klingelt es.
Die Party läuft nicht gut. Isabella hat beschlossen, dass sie nicht länger deine Freundin sein möchte. Das mag daran liegen, dass du geflunkert hast, du hättest einen Swimmingpool in deinem Garten und ein Pony. Jetzt will sie Bethanys beste Freundin sein. Du sitzt neben Bethany, um das Päckchenspielzu spielen, aber Bethany reicht das Päckchen nicht schnell genug an dich weiter. Die Musik geht aus, und Bethany hält es immer noch in der Hand, dabei wäre es an dir gewesen, die nächste Geschenkpapierschicht zu entfernen.
»Gib schon her, Bethany«, sagst du. Mummy wirft dir einen strengen Blick zu.
Bethany wickelt das Päckchen so langsam aus, wie sie nur kann, und schneidet eine Grimasse.
»Das ist nicht fair!«, beschwerst du dich.
»Hier wird nicht geschrien, Aimée!«, weist Mummy dich zurecht.
Bethany kichert laut.
Du ziehst Bethany an den Haaren. So schlimm ist es nicht, was du tust, aber Mummy sieht es, und Bethany, die bemerkt, dass ein Erwachsener zuschaut, heult los wie ein Baby.
»Aimée!«
Mein Gott, Mummy sieht wirklich hässlich aus, wenn sie sauer ist. Das bringt dich zum Lachen, und du ziehst Bethany erneut an den Haaren, nur um sie noch einmal heulen zu hören. Diesmal kräftiger, damit sie auch Grund dazu hat.
»Valentine, das war wohl zu viel Zucker für sie und auch zu viel Aufregung. Kannst du sie bitte nach oben in ihr Zimmer bringen?«
Das macht dich wütend. Aber es soll noch schlimmer kommen.
»Bethany«, sagt Mummy, »du hast das Spiel gewonnen. Du darfst auch das restliche Geschenkpapier abmachen.«
Daddy nimmt dich hoch. Er weiß, wie sehr dich das aus der Fassung bringen wird. Du schlägst auf seinen Arm ein, dann fängst du an zu weinen. Oben in deinem Zimmer setzt Daddy sich aufs Bett und zieht dich auf seinen Schoß.
»Bethany ist ein garstiges Mädchen, stimmt’s?«, sagt er. »Ich habe gesehen, dass sie das Päckchen extra nicht weitergereicht hat.«
Daddy weiß immer, wie er dich aufmuntern kann, und er ist so gut wie nie sauer auf dich. Er ist nicht wie Mummy oder Jay, die nie Zeit für dich haben und immer aufregendere Dinge zu tun, als sich um dich zu kümmern. Wenn Daddy zu Hause ist, nimmt er sich Zeit für dich. Und er bringt Mummy davon ab, ständig schlecht auf dich zu sprechen zu sein. Ihn magst du am liebsten, immer.
Er legt sich auf dein Bett, obwohl er etwas zu lang dafür ist, und zieht dich in eine feste Umarmung. Langsam geht es dir besser.
»Scht, Prinzessin, es gibt keinen Grund zu weinen.« Daddy riecht gut, besser als Mummy. »Schon gut, schon gut, Prinzessin. Es ist doch nichts passiert. Gleich gehen wir wieder runter, und dann entschuldigst du dich bei Bethany, weil du sie an den Haaren gezogen hast.«
Du hasst das. Du möchtest dich nicht entschuldigen.
»Lass uns einfach hier oben bleiben«, schlägst du vor.
Daddy lacht und hält dich fest. So fest, dass du kaum Luft holen kannst. Er ist der beste Daddy auf der ganzen Welt. Das sagen alle. Er drückt dich noch enger an sich. Als wolle er dich nie mehr loslassen. Du fühlst dich sicher.
Bis du Mummys Schritte auf der Treppe hörst.
»Halt sie um Gottes willen am Reden, Alex«, sagte Marni. »Sag ihr, dass wir in ein paar Minuten da sind.«
Sie hörte ein Stöhnen aus Alex’ Handy dringen und drückte das Gaspedal durch. Das machte jetzt auch keinen Unterschied mehr – sie fuhr ohnehin viel zu schnell. Vor zehn Minuten war Alex ohne anzuklopfen in ihr Schlafzimmer gestürmt und hatte sie aus dem Bett, nach unten und zur Haustür hinaus gezerrt.
»Mum, wir müssen Tash helfen!«, hatte er geschrien. Seine Stimme zitterte, genau wie die Hand, in der er das Telefon hielt. »Sie ist überfallen worden.«
»Woher weißt du das?«, hatte Marni schlaftrunken gefragt und sich im Laufen das Sweatshirt über den zerknitterten Pyjama gezogen, das sie in letzter Sekunde aus dem Schlafzimmer mitgenommen hatte, zusammen mit ihrer Diabetestasche, in der sie ihr Blutzuckermessgerät, Insulin und zusätzliche Kohlehydrate aufbewahrte und die sie immer bei sich hatte. Zeit, den aktuellen Wert zu bestimmen, blieb nicht.
»Sie hat es mir gerade erzählt.« Alex war ins Auto gesprungen, das Handy ans Ohr gedrückt, und sie hatte sich hinters Lenkrad gesetzt und war losgerast. »Wir kommen, Tash.«
Thierry hatte von alldem natürlich nichts mitbekommen, hatte wie immer alles verschlafen. Was keine Überraschung war bei der Menge Gras, die er am Abend zuvor geraucht hatte, von der halben Flasche Cognac, die er in sich hineingekippt hatte, ganz zu schweigen.
Marni blickte auf die Uhr am Armaturenbrett. Es war kurz nach halb sieben, die Morgendämmerung kämpfte bereits gegen die dunkle Wolkenwand an, die vom Meer her ins Land zog. Obwohl schon Verkehr auf den Straßen herrschte, kamen sie gut voran, und ein paar Minuten später kam die Bühne in Sicht. Alex streckte den Kopf zum Seitenfenster hinaus.
»Tash? Tash, bist du noch dran?« Alex’ Stimme stieg eine Oktave höher. »Mum, ich glaube, sie ist ohnmächtig.« Er rief immer wieder ihren Namen, lauter und lauter. »Soll ich die Cops anrufen?«
»Warte, bis wir da sind und sehen, was passiert ist.« Marnis Abneigung gegen die Polizei verursachte ihr Sodbrennen. Vielleicht war ja gar nichts. Vielleicht müssten sie die Polizei gar nicht hinzuziehen. Aber Tashs gellende Schreie am Telefon hatten nichts Gutes verheißen. Marni umfasste das Lenkrad so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten, und spürte, wie sich ihre Schulter und die Nackenmuskeln verspannten.
Für einen Moment schweifte sie ab und merkte zu spät, dass der Van, hinter dem sie herfuhren, stehen geblieben war. Sie trat auf die Bremse, und Alex wurde nach vorn geschleudert. Der Sicherheitsgurt rastete ein.
»Herrgott, Mum!« Er schloss die Augen und hielt sich an der Sitzkante fest.
Schweigend saßen sie da und warteten darauf, dass sich der Van wieder in Bewegung setzte, aber der Fahrer öffnete die Tür. Anscheinend hatte er nicht vor, weiterzufahren.
»Tut mir leid«, sagte Marni, holte tief Luft und kurvte um das stehende Fahrzeug herum. »Was ist mit Tash?«
Alex wählte noch einmal ihre Nummer. »Nichts.« Er versuchte es erneut.
»Sie hat gesagt, sie wäre beim Bandstand? Sonst noch etwas?«
»Sie hat geweint – sie ist verletzt. Womöglich schwer.« Seine Stimme brach, sein Kopf sank nach vorn auf die Brust. Er presste Daumen und Zeigefinger in die Augenwinkel.
»Warst du gestern Nacht nicht mit ihr aus?«
Er sah auf und zog die Nase hoch. »Sie ist ohne mich nach Hause gegangen.«
Marni seufzte. »Du hast sie allein nach Hause gehen lassen? War es schon spät?«
Ohne etwas zu erwidern, starrte Alex aus dem Beifahrerfenster. Er drehte das Telefon in den Händen, nicht in der Lage, ruhig zu bleiben.
»Alex, um wie viel Uhr war das?«
»Keine Ahnung, Mum. Wir haben uns gestritten, als wir im Haunt waren, und sie ist einfach abgehauen.«
»Na ja, du hättest ihr nachlaufen müssen.«
»Das wollte ich ja …« Seine Stimme verklang.
»Die Bühne«, sagte Marni. »Guck mal.«
»Ich kapier’s nicht«, stieß er hervor und deutete mit dem Zeigefinger in die entsprechende Richtung. »Da ist niemand.«
Marni bog ein paar Meter hinter dem Bandstand in die erstbeste freie Parklücke ein, und Alex riss die Wagentür auf, noch bevor sie richtig angehalten hatte.
»Vielleicht ist sie auf der anderen Seite. Komm!« Damit stürmte er davon.
Der Bandstand war ein paar Meter höher als die Promenade und konnte über eine schmale Brücke mit schmiedeeisernem Geländer betreten werden. Auf der Meerseite führten Stufen zum Strand. Dort befand sich auch ein kleines Café mit einer Terrasse, die aufs Wasser hinausblickte.
Da die achteckige Bühne leer war, rannten Marni und Alex die Stufen hinunter.
»Tash?«, rief Alex. »Bist du da?«
Keine Antwort, doch als sie sich dem Café näherten, entdeckte Marni Blut auf den Pflastersteinen. Die Furcht traf sie wie ein Blitzschlag, und ihre Beine schienen plötzlich zu schwach, um ihr Gewicht zu tragen. Sie streckte haltsuchend die Hand nach der Bühnenmauer aus.
»Sieh mal«, stieß sie hervor.
»Tash!«, rief Alex wieder und rannte zur anderen Seite der Terrasse. »O mein Gott, Mum! Hier ist sie!«
Als Marni um die Ecke bog, sah sie ihren Sohn, der sich über die auf dem Bauch liegende Gestalt eines Mädchens beugte. Der Asphalt um sie herum war voller Blut.
»Ich glaube, sie ist bewusstlos«, sagte Alex. Er kniete sich hin und zog ihren Kopf auf seinen Schoß. Ihr langes dunkles Haar war blutverklebt, ihr Kleid voller roter Flecken. Auch ihre Hände, die Arme und Beine waren blutüberströmt.
Marni warf einen Blick auf die Lache auf dem Boden, dann sah sie wieder zu dem Mädchen. Sie musste zahlreiche Wunden haben. Ihr blutbespritztes Handy lag neben ihr. Anscheinend war es ihr aus der Hand geglitten. Marni drehte sich der Magen um, aber sie musste das Kommando übernehmen.
»Ruf einen Rettungswagen, Alex. Ich versuche etwas zu finden, womit ich die Blutungen stoppen kann.«
Die Blutspur kam von der anderen Seite der Bühne. Es sah so aus, als sei Tash von dort hier herübergekrochen, bevor sie das Bewusstsein verloren hatte – hatte sie versucht, dem Angreifer zu entkommen oder Hilfe zu holen? Marni rannte los. Die Tür zum Café stand einen Spaltbreit offen, am Türrahmen war ein blutiger Handabdruck zu erkennen. Für Marni sah es so aus, als wäre jemand eingebrochen.
»Oh, Mist.« Ihr wurde kalt vor Angst. Was würde sie drinnen vorfinden?
Marni wusste, dass sie das Café nicht betreten sollte – es war definitiv ein Tatort. Doch sie konnte Tash nicht hier draußen liegen und verbluten lassen – sie hatte bereits jede Menge Blut verloren, und bis der Rettungswagen einträfe, würden weitere kostbare Minuten vergehen. Vorsichtig drückte sie die Tür weiter auf, mit dem Ellbogen, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen. Im Café war es warm, der Geruch nach Blut hing schwer in der abgestandenen Luft. Das Tageslicht, das sich nur langsam am Osthimmel zeigte, spendete wenig Helligkeit. Doch Marni sah genug. Der Atem blieb ihr in der Kehle stecken – vor ihren Augen offenbarte sich ein wahres Blutbad. Ein Paar Sandalen mit hohem Absatz lag verlassen inmitten des Gastraums. Einer war auf die Seite gekippt, beide waren blutverschmiert.
Auf Zehenspitzen tappte Marni darum herum zur Glasvitrine des Cafés, am ganzen Körper zitternd, sorgfältig darauf bedacht, nicht auf dem vor Blut rutschigen Boden auszugleiten. Sie musste etwas finden, womit sie Tashs Blutungen stillen konnte. Hektisch durchwühlte sie Schubladen und Schränke, doch sie förderte nichts Brauchbares zutage. Endlich entdeckte sie ein Paket Küchenrollen in einem Regal unter der Spüle. Scheiß auf Fingerabdrücke! Sie nahm ein sauberes Messer aus der Besteckschublade und schnitt die Plastikverpackung auf.
»Mum!«, rief Alex von draußen. »Beeil dich!« In seiner Stimme lag Verzweiflung.
Marni rannte aus dem Café. Sie schwitzte und wurde sich plötzlich ihres eigenen Körpergeruchs bewusst. Am liebsten wäre sie nach Hause zurückgefahren, unter die kalte Dusche gesprungen und hätte so getan, als wäre das alles hier niemals passiert.
»Hast du die Rettung gerufen?«
»Ist unterwegs.«
Sie rollte mehrere Blätter Küchenpapier ab und bückte sich, um sie auf einen klaffenden Schnitt direkt unterhalb von Tashs Rippen zu drücken. Das Mädchen zuckte zusammen und wimmerte.
»Tash?«, sagte Alex.
Tash öffnete die Augen und sah ihn mit leerem Blick an. Ihr Gesicht war grau und mit einer glänzenden Schweißschicht bedeckt.
»Tash?«, fragte er stockend.
Marni nahm eine ihrer blutverschmierten Hände, drückte sie und strich Tash mit der freien Hand das Haar aus der Stirn.
»Tash«, sagte sie leise, »kannst du uns erzählen, was passiert ist?«
»Ich … Ein Mann hat mich von hinten angegriffen …« Sie brachte kaum mehr als ein Flüstern zustande. Während sie sprach, blieb ihr Blick an Alex hängen, und sie zuckte zurück.
Marni ließ ihre Hand los und drückte wieder das Küchenpapier auf die Wunde.
»Er muss mit dem Messer auf sie eingestochen haben«, flüsterte sie Alex zu.
Mein Gott, was musste das Mädchen durchgemacht haben!
Es handelte sich um einen schweren Übergriff, den sie der Polizei melden mussten. Wieder fühlte sich Marni leicht benommen. Würde sie es über sich bringen, mit Detective Inspector Frank Sullivan zu sprechen? Seine Abfuhr hatte sie gekränkt, aber das lag jetzt über zehn Monate zurück, und mittlerweile war sie wieder mit Thierry zusammen. Vielleicht würde sie sich ja auch gar nicht mit ihm auseinandersetzen müssen. Er war schließlich bei der Mordkommission, und so schwer Tashs Wunden auch waren, sie war immer noch lebendig.
»Mum? Mum?«
Sie schaute ihren Sohn an. »Was denn?«
»Sieh mal!« Er hielt Tashs Hände hoch, die Handflächen nach oben gerichtet. »Was ist das?« In der Mitte von Tashs Handflächen waren tiefe Löcher. Ihre Hände waren über und über mit Blut bedeckt, sodass man fast meinen konnte, sie würde rote Handschuhe tragen. »Und ihre Füße …«
Marni blickte an dem Mädchen hinab.
Tash Brady hatte ähnliche Wunden an beiden Füßen, tiefe Löcher auf dem Rist.
Alex’ Hände zitterten, genau wie die von Marni. Ihr kam ein furchtbarer Gedanke: Tashs Tasche hatte auf dem Fußboden des Cafés gelegen – der Angreifer hatte sie nicht mitgenommen. Das hier war kein gewöhnlicher Raubüberfall – dieser Übergriff, diese Wunden hatten etwas zu bedeuten.
Plötzlich versteifte sich Tash und versuchte, sich aus Alex’ stützenden Armen zu befreien. Sie murmelte etwas, aber ein rascher Blickwechsel mit ihrem Sohn zeigte Marni, dass er auch nicht verstanden hatte, was sie sagte.
»Tash?«, fragte Alex.
Wieder fing sie an zu sprechen, aber ihre Worte waren abgehackt und verschliffen.
Marni wischte sich das Blut an ihrer Pyjamahose ab und zog das Handy aus dem Sweatshirt. Sie wählte und wartete. Im Hintergrund war das Geräusch von Sirenen zu hören.
Was, wenn er nicht dranging?
Doch das tat er.
»Frank, ich brauche dich hier! Jetzt!«
Zehn Minuten nachdem Marnis Anruf bei ihm eingegangen war, hielt Detective Inspector Francis Sullivan hinter einem Rettungswagen an, der in der Nähe des Brighton Bandstand parkte. Er schaute sich um und sah sofort, wohin er musste – eine Ebene tiefer zum Café. Er war der erste Polizist am Tatort, und auch die Sanitäter waren offenbar gerade erst eingetroffen. Er rief kurz seinen Sergeant Rory Mackay an, damit der ein paar Leute schickte, dann holte er tief Luft und stieg aus dem Wagen. Er würde Marni Mullins wiedersehen, und er war sich nicht sicher, wie er dazu stand.
Marni Mullins. Die Tattoo-Künstlerin hatte ihm im vergangenen Jahr geholfen, den sogenannten Tattoo-Dieb-Fall zu lösen. Er hatte versucht, nicht mehr an sie zu denken. Sie hatte ihm das Leben gerettet, und dafür war er ihr etwas schuldig. Doch stattdessen war er ihr aus dem Weg gegangen. Er kam mit den Gefühlen nicht zurecht, die zwischen ihnen entstanden waren, als sich ihre Arbeitsbeziehung in etwas Persönlicheres zu verwandeln begann. Oder, um es brutaler auszudrücken, er konnte sich das Drama-Level nicht leisten, auf dem sich die meisten Interaktionen mit Marni Mullins abspielten. Sie war acht Jahre älter als er, hatte einen gewalttätigen Ex-Mann und eine ganze Lastwagenladung an Gepäck, die ihr allen Grund gab, die Polizei zu hassen. Er hatte seit Monaten nichts mehr von ihr gesehen oder gehört. Bis zu diesem Morgen. Das halb fertige Tattoo auf seiner Schulter fing an zu kribbeln, als er an das Gefühl ihrer Nadeln dachte, die in seine Haut stachen. Seine Handflächen schwitzten, sein Herz pochte schneller.
Reiß dich zusammen, Francis.
Und nun war sie hier, eilte auf ihn zu, während er die Stufen von der Promenade hinabstieg. Ihm blieb nur der Bruchteil einer Sekunde, um ihr zerzaustes Haar und die blutverschmierten Klamotten in sich aufzunehmen, dann fing sie auch schon an zu reden.
»Frank, Gott sei Dank …«
»Was ist los?« Seine Worte klangen schärfer, als er beabsichtigt hatte.
»Alex’ Freundin Tash ist überfallen worden.«
»Wann?«
Marni zuckte die Achseln.
»Kannte sie den Angreifer?«
»Ich weiß es nicht. Sie ist nicht ganz bei sich.«
Sie gingen um die Bühne herum. Francis sagte nichts. Er schob die Hände tief in die Taschen, damit Marni nicht bemerkte, dass sie zitterten. Vermutlich hätte er sich die Mühe gar nicht machen müssen – sie war so besorgt um das Mädchen, dass sie offenbar keinen Gedanken daran verschwendete, welche Gefühle das Wiedersehen in ihm auslösen mochte. Sie führte ihn an die Stelle, wo einer der Rettungssanitäter gerade vorsichtig eine Kanüle in die Vene von Tashs Arm schob. Sie war kaum noch bei Bewusstsein, und der Sanitäter, der nun einen Beutel mit Flüssigkeit samt Schlauch an der Kanüle befestigte, wirkte ernsthaft beunruhigt. Ein paar Meter weiter ging ein Junge im Kreis und funkelte Francis an, als wäre er ein ungebetener Partygast. Alex, Marnis Sohn. Flüchtig stellte er sich die Frage, wie viel Alex über seine Beziehung mit Marni wusste.
Der Anblick des verletzten Mädchens brachte Francis dazu, sich auf den Job zu konzentrieren. Tashs Gesicht war an einer Seite geschwollen, ihr Augenlid komplett aufgequollen und unter dem verschmierten Make-up dunkellila verfärbt – anscheinend war sie verprügelt worden. Er beugte sich vor und sah, wie der zweite Sanitäter einen Druckverband auf der rechten Seite knapp unterhalb von Tashs Brustkorb anlegte.
»Ist es ernst?«, fragte er.
Der Sanitäter sah auf und nickte. »Die Wunde ist tief«, sagte er. »Wie schlimm es wirklich steht, wissen wir erst, wenn wir sie ins Krankenhaus gebracht haben. Fest steht nur, dass sie sehr viel Blut verloren hat.«
Die Rettungsleute hatten einen Teil von Tashs Kleid abgeschnitten. Der Stoff war blutgetränkt, genau wie ihre Unterwäsche.
Marni trat neben Francis.
»Sieh dir mal ihre Hände und Füße an«, sagte sie.
Francis bückte sich. An beiden Händen und an beiden Füßen sah er runde, blutige Wunden.
»Was ist das?«, fragte er, an die Sanitäter gewandt.
Derjenige von den beiden, der den Plasmabeutel an Tashs Arm befestigt hatte, hielt jetzt ein Klemmbrett in der Hand und machte sich Notizen.
»Keine Ahnung«, sagte und sah kurz auf. »Aber alle vier Wunden gehen glatt durch.«
Das waren keine Abwehrverletzungen, und ganz bestimmt waren sie nicht zufällig. Der jungen Frau war etwas Entsetzliches zugestoßen, und sie hatte Glück, dass sie noch lebte.
»Tash?«, sagte Francis und beugte sich so weit über das Mädchen, dass er sich in ihrem Gesichtsfeld befand. »Ich bin Detective Inspector Sullivan. Wie fühlst du dich?«
Sie starrte ihn aus angstgeweiteten Augen an. Die Sanitäter beobachteten seinen Gesprächsversuch mit Sorge, und Francis wusste, dass seine Zeit begrenzt war. Sie mussten sie dringend ins Krankenhaus schaffen.
»Es tut so weh«, wisperte sie.
»Weißt du, wer dir das angetan hat?«
»Alex?«
Francis zuckte erschrocken zurück, doch als sie den Namen wiederholte und Alex zu ihr ging, wurde ihm klar, dass sie nicht auf seine Frage geantwortet hatte.
»Tash«, unternahm er einen neuerlichen Versuch. »Ich muss herausfinden, wer dir das angetan hat. Kannst du mir sagen, was passiert ist?«
Tash Brady schüttelte den Kopf und fing an zu weinen.
Der Sanitäter, der neben ihr kniete, stand auf und sah Francis an.
»Wir müssen los. Ihr Blutdruck ist gefährlich niedrig. Ich bin mir sicher, Sie können später mit ihr reden, wenn sie stabil ist.«
Während die beiden Männer Tash vorsichtig auf eine Trage hoben, wandte Francis seine Aufmerksamkeit Marnis Sohn zu. Auf den ersten Blick sah Alex genauso aus, wie Francis ihn in Erinnerung hatte – hochgewachsen wie sein Vater, mit Dreadlocks, die ihm bis über die Schultern reichten. Bei näherem Hinsehen jedoch stellte er fest, dass die Züge des Jungen reifer geworden waren. Seine Wangen waren schmaler, und er hatte etwas von seinem jugendlich-frischen Charme verloren. Francis konnte nicht sagen, ob der leichte Bartschatten auf Alex’ Kinn beabsichtigt war oder schlichtweg daher rührte, dass er sich heute Morgen noch nicht rasiert hatte, fest stand allerdings, dass er ihn älter aussehen ließ.
»Erzähl mir, was passiert ist, Alex.«
Der Junge wich seinem Blick aus. »Keine Ahnung, ich war nicht bei ihr, als sie überfallen wurde.« Seine Stimme zitterte.
»Tash hat ihn gegen sechs Uhr in der Früh angerufen«, sagte Marni.
»Warum ihn? Warum nicht ihre Eltern?«
»Die Beziehung zu ihrer Mutter ist schwierig«, antwortete Marni.
Alex warf ihr einen finsteren Blick zu. »Die Eltern sind weg«, sagte er. »In London.«
»Wie alt ist sie?«, fragte Francis.
»Siebzehn.«
Was bedeutete, dass sie als Erstes die Eltern anrufen mussten. Er würde so rasch wie möglich Angie Burton darauf ansetzen.
»Du bist mit ihr zusammen, Alex?«
Alex’ Blick hellte sich nicht auf, aber er nickte.
»Warst du gestern Abend mit ihr unterwegs?«
»Das habe ich doch schon gesagt. Ich war nicht dabei, als es passiert ist.«
»Aber vorher?«
»Ja.« Seine Stimme klang trotzig.
»Um wie viel Uhr hast du sie das letzte Mal gesehen?«
»Sie hat das Haunt gegen ein Uhr verlassen.«
»Allein? Oder mit Freunden?«
»Allein«, antwortete Alex.
Der Junge verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und wieder zurück. Francis sah, dass seine Hände in den Hosentaschen zu Fäusten geballt waren. Irgendetwas stimmte nicht.
»Wann hat sie dich angerufen?«
Alex legte die Stirn in Falten. »Gegen sechs.«
»Hat sie dir gesagt, was während der fünf Stunden passiert ist, in denen ihr nicht zusammen wart?«
»Nein. Sie hat irgendein Zeugs geredet, das keinen Sinn machte.« Er wurde abgelenkt von den Sanitätern, die die Rollbahre zum Rettungswagen schoben. »Kann ich mitkommen?«, fragte er.
»Tut mir leid«, sagte einer der beiden. »Wir bringen sie ins County Hospital. Du kannst dort nach ihr sehen.«
»Mum?«
»Gleich. Erst muss ich Inspector Sullivan zeigen, wo es vermutlich passiert ist.«
Marni fasste Francis am Ellbogen und führte ihn in Richtung Café. Auf dem Weg dorthin zog Francis seine Jacke aus – er konnte bereits die Hitze der Sonne im Rücken spüren. Es würde ein heißer Tag werden.
»Hier drinnen«, sagte sie.
Francis blieb auf der Schwelle stehen und schaute hinein.
»Jesus, Maria und Josef!« Er musste sich alle Mühe geben, nicht den Blick abzuwenden.
Boden und Wände des Gastraums waren voller Blut. Ein Stuhl war umgestürzt, auf dem blutverschmierten Boden waren Hand- und mehrere Abdrücke nackter Füße zu erkennen, die zur Tür führten. Sein Blick fiel auf die Schuhe in der Mitte des Raums, und er fragte sich, ob sie dort hingekommen waren, bevor oder nachdem der Angreifer Tashs Füße verwundet hatte. Er suchte nach Anzeichen eines Kampfs und sah, dass das Glas in der Tür zerschmettert war.
Jemand war in das Café eingebrochen, hatte das Mädchen hergebracht und es dann auf teuflische Art und Weise attackiert. Ein brutaler Übergriff, den Tash Brady fast nicht überlebt hätte. Alle möglichen Fragen gingen ihm durch den Kopf, doch auf keine davon gab es eine Antwort. Ein Einzeltäter oder eine Gruppe? Was war das Motiv? War Tash gezielt als Opfer dieser Attacke ausgewählt worden, oder hätte es jeden treffen können? War sie vergewaltigt worden? Nach einem simplen Raubüberfall sah es jedenfalls nicht aus – und Tash hatte ja auch noch ihr Handy bei sich gehabt, mit dem sie Hilfe gerufen hatte.
Es war nicht der erste blutverschmierte Tatort, den Francis betreten hatte, doch diesem hier haftete etwas besonders Abscheuliches an. Tash Brady war im wahrsten Sinne des Wortes geschlachtet worden.
Er musste hier raus.
»Okay. Das überlasse ich den Kriminaltechnikern. Die Leute von der Spurensicherung müssten jeden Augenblick eintreffen.«
»Fährst du auch ins Krankenhaus?«, wollte Marni wissen.
»Nein, ich schicke Detective Constable Burton – ich denke, es ist besser für Tash, wenn sie von einem weiblichen Officer befragt wird. Burton wird auch die Aussagen von dir und Alex aufnehmen. Hast du irgendeine Idee, wer das getan haben könnte, Marni?«
Er wandte ihr das Gesicht zu. Sie sah aus wie immer, auch wenn ihr Gesicht von Sorgen gezeichnet schien. Einzelne Haarsträhnen lösten sich aus ihrem nachlässig geflochtenen Zopf, die Falten auf ihrer Stirn kamen ihm tiefer vor als früher. Er fragte sich, was – oder wer – ihr so zu schaffen machte.
Sie schüttelte den Kopf.
»Wag es ja nicht, auch nur eine Sekunde lang zu denken, Alex könnte das getan haben«, sagte sie.
Das Feuer in ihren Augen war ihm nur allzu vertraut.
»Warum sollte ich?«, fragte Francis, was ihm selbst seltsam vorkam.
»Lass es einfach, auch wenn du darauf trainiert bist. Zuerst wird der Ehemann/Freund/Geliebte verdächtigt.«
Marni hatte sich nicht verändert, immer auf Krawall gebürstet, wenn es um die Polizei ging.
»Solange ich keine Fakten kenne, verdächtige ich niemanden. Ich weiß ja noch nicht einmal, was passiert ist.«
Marni zog eine Augenbraue in die Höhe, anscheinend war sie nicht überzeugt.
Sie waren einfach nicht dafür gemacht, ein Paar zu sein.
Er ging ihr voran zurück auf die Terrasse. Die Sanitäter waren weg, und Alex Mullins stand da und blickte hinaus aufs Meer, die Augen zusammengekniffen, eine Hand an der Stirn, um sie gegen das helle Sonnenlicht abzuschirmen.
Es war Zeit, nach den Kollegen zu sehen und sie hierher zu beordern. Ohne noch einmal mit Marni oder dem Jungen zu sprechen, stieg Francis die Stufen hinauf und ging zu seinem Wagen. Die Fragen in seinem Kopf wurden immer mehr. Er brauchte dringend Antworten.
Tashs Wunden … Er wusste, worum es sich handelte. Aber warum sollte ihr jemand Stigmata beibringen – dieselben Wunden, die Jesus Christus am Kreuz davongetragen hatte?
Detective Constable Angie Burton war auf einer Mission. Der Chef hatte sie am Telefon informiert, während sie an ihrem Küchentresen gestanden und eilig eine Schale Frühstücksflocken in sich hineingeschaufelt hatte. Eine Frau war überfallen und brutal verletzt worden. Sie hatte gegen ein Uhr morgens einen Nachtclub namens The Haunt verlassen und gegen sechs ihren Freund angerufen, damit er ihr zu Hilfe kam. Jetzt war es Angies Aufgabe, herauszufinden, was in den dazwischenliegenden fünf Stunden passiert war und – weit wichtiger noch – wer hinter der Tat stecken mochte.
Es dauerte nur drei Minuten, dann hatte Angie Natasha Brady in der Notaufnahme des Royal Sussex County Hospital ausfindig gemacht, doch als sie dort ankam, ließ man sie nicht zu ihr in den Reanimationsraum, in den man sie vorsichtshalber gebracht hatte. Die Ärzte arbeiteten daran, ihren Blutdruck zu stabilisieren und die Blutung aus dem tiefen Schnitt in der Seite zu stoppen. Schwestern eilten mit ruhiger Effizienz hinein und kamen wieder heraus, und Angie verrenkte sich jedes Mal den Hals, wenn die Tür aufging.
Bitte lasst sie nicht sterben.
»Wie geht es ihr?«
Die Schwester, die zur Tür herausgehuscht kam, sah sie missbilligend an.
»Sie werden nicht so bald mit ihr sprechen können.«
»Selbstverständlich nicht. Dafür habe ich vollstes Verständnis.« Wenn es denn sein musste, war Angie gern bereit, sich diplomatisch zu geben. Doch mit Tash so bald wie möglich zu reden, war entscheidend, denn nur so war ihr der Übergriff noch frisch im Gedächtnis. »Wer ist der verantwortliche Arzt?«
»Dr. Tanika Parry leitet das Intensiv-Team.«
»Okay … Ich würde gern mit ihr sprechen, falls das möglich ist. Könnten Sie das für mich arrangieren?«
Die Schwester wirkte sichtlich gereizt, ganz offensichtlich war sie der Überzeugung, dass dies nicht zu ihrer Tätigkeitsbeschreibung gehörte.
Angie legte eine Hand auf den Unterarm der Frau.
»Es war eine grauenhafte Attacke, und wir müssen alles Menschenmögliche tun, um den zu finden, der das getan hat.«
Die Schwester stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich bin mir sicher, dass sie mit Ihnen redet, sobald sie einen Moment Zeit findet, doch im Augenblick hat die Patientin oberste Priorität.«
»Auch das ist selbstverständlich.« Angie trat zurück, um den Weg frei zu machen, dann steuerte sie auf eine Reihe von Stühlen zu, die ein Stück weiter den Korridor hinunter an der Wand standen. Bevor sie nicht mit Natasha gesprochen hatte, gab es nichts, was sie tun konnte.
So früh an einem Samstagmorgen war es in der Notaufnahme relativ ruhig. Die Sportverletzungen würden nicht vor dem Nachmittag hereinkommen, die Betrunkenen erst am Abend. Von früheren Besuchen wusste sie, dass irgendwo in der Nähe ein Kaffeeautomat stand. Der Kaffee war grauenhaft, aber immerhin enthielt er Koffein. Sie stand auf und ging in die Richtung, die sie für die richtige hielt. Tatsächlich, da war der Automat. Der Kaffee schmeckte noch schlimmer, als sie ihn in Erinnerung hatte, aber wenigstens war er heiß. Als sie zurückkam, war ihr Platz besetzt. Sie erkannte die Frau sofort.
Es war Marni Mullins. Angie wusste von Francis, dass Mullins’ Sohn Alex in die Sache involviert war – wahrscheinlich war er der junge Mann, der vor der Stuhlreihe im Korridor auf und ab tigerte. Angie würde die beiden zu dem Geschehen befragen müssen, aber sie hatte nicht damit gerechnet, sie hier anzutreffen.
»Hallo, Marni«, sagte sie. »Ich bin Angie Burton. Erinnern Sie sich? Wir haben uns letztes Jahr kennengelernt.«
Marnis Augen blickten feindselig. »Ich erinnere mich«, sagte sie.
»Bist du Alex?«, fragte Angie, an den Jungen gewandt. Mit den langen Dreadlocks und den schmuddeligen Klamotten sah er genauso aus, wie sie sich den Sohn von Marni und Thierry Mullins vorgestellt hatte.
Er nickte und warf ihr einen finsteren Blick zu.
Ein mürrischer Teenager – das sah sie sofort.
»Ich habe von DI Sullivan erfahren, dass Sie beide am Tatort waren und die Rettung verständigt haben, ist das richtig?«
»Ja«, bestätigte Marni.
Angie musterte die zwei von oben bis unten. Marni schien einen Schlafanzug anzuhaben, darüber ein verwaschenes Kapuzenshirt. Erst jetzt bemerkte sie, dass die Sachen von Mutter und Sohn voller Flecken waren, die aussahen wie getrocknetes Blut. Natasha Bradys Blut?
»Ich werde später die Aussagen von Ihnen beiden aufnehmen, sobald ich Gelegenheit hatte, mit Natasha zu sprechen.«
Marni Mullins sah enttäuscht aus. Hatte sie gehofft, Francis würde ihre Aussage aufnehmen? Angie wusste, wie sehr sie ihnen bei der Aufklärung des Tattoo-Dieb-Falls geholfen hatte, trotzdem war sie mit der Frau nie richtig warm geworden.
»Sind Sie DC Burton?«, fragte eine weibliche Stimme hinter ihr.
Angie drehte sich um und sah eine junge Frau in OP-Kleidung auf sie zueilen.
»Das bin ich.«
»Ich bin Tanika Parry. Ich bin für Natasha Brady zuständig.«
Aus dem Augenwinkel sah Angie, wie sich Marni Mullins halb von ihrem Stuhl erhob. Auch Alex kam näher.
»Wie geht es ihr?«, fragte er.
Tanika Parry ignorierte sowohl Alex als auch Marni und heftete den Blick stattdessen fest auf Angie.
»Sie können sie für eine Minute sprechen. Außerdem muss ich Ihnen noch etwas zeigen.«
Angie folgte der Ärztin den Korridor entlang und in den Raum, in dem Natasha Brady behandelt wurde. Auf der Schwelle blieb sie stehen. Der Raum war gerade groß genug für ein Bett, einen Rollwagen mit Bedarfsutensilien und diverse medizinische Geräte an den Wänden. Das Mädchen im Bett sah unnatürlich blass aus, ihr Gesicht war von einem glänzenden Schweißfilm überzogen. Die Hände lagen auf der Decke, beide mit dicken Bandagen umwickelt. Ein Tropf leitete Flüssigkeit in ihren Arm, außerdem war sie an einen Herzmonitor angeschlossen.
Angie setzte sich auf einen Stuhl, der neben dem Rollwagen am Bett stand.
»Tash?«
Das Mädchen öffnete langsam die Augen und sah sich mit einem Anflug von Panik im Raum um.
»Es ist alles in Ordnung, Tash. Du bist im Krankenhaus. Du bist in Sicherheit.«
Als sie Angies Stimme hörte, richtete Tash den Blick auf das Gesicht der Polizistin.
»Mein Name ist Angie. Angie Burton. Ich bin bei der Polizei, und ich würde dir gern ein paar Fragen stellen über das, was in der vergangenen Nacht passiert ist.«
Ein schmerzlicher Ausdruck trat auf Tashs Gesicht. Sie blickte auf ihre Hände.
»Ich …« Sie stockte und krampfte die Finger, die unter den Bandagen hervorschauten, in die Decke. Jetzt waren ihre Augen weit aufgerissen vor Angst.
Angie nahm eine ihrer Hände, sorgfältig darauf bedacht, den verbundenen Bereich nicht zu berühren.
»Es ist alles in Ordnung, Tash. Erzähl mir einfach, woran du dich erinnerst.«
»Ich war mit Alex unterwegs«, sagte das Mädchen zögernd. »Wir waren am Strand.«
»Nachdem ihr das Haunt verlassen hattet?«
»Das Haunt? Waren wir dort? Am Nachmittag waren wir am Strand.«
»Okay. Ich denke, ihr wart am Abend im Haunt, aber du hast den Club allein verlassen.« Das hatte Francis ihr am Telefon erzählt.
Tash nickte, doch es war eindeutig, dass sie sich nicht daran erinnerte, in dem Club gewesen zu sein.
»Was ist passiert?«, fragte sie.
»Jemand hat dich überfallen, Tash. Bei der Bühne unten am Wasser.«
Ein Aufflackern von Erinnerung in Tashs Augen. Wieder umklammerten ihre Finger die Bettdecke.
»Weißt du, wer das getan hat?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein …«
»Erinnerst du dich an irgendetwas, was damit zu tun haben könnte?«
Tash schloss die Augen.
Angie hasste es, sie in eine Situation zurückzuversetzen, die grauenhaft gewesen sein musste, selbst wenn es nur in Gedanken war.
»Ein Mann. Ich konnte ihn nicht richtig erkennen.«
»Warum konntest du ihn nicht richtig erkennen, Tash?«
»Da war ein Licht. Es hat mir direkt ins Gesicht geschienen.« Ihre Augen schossen voller Panik hin und her, dann bedeckte sie sie mit den Händen und fing an zu weinen.
»Was hat er mit mir gemacht?«
»Du bist jetzt in Sicherheit, Tash.«
Angie stand auf und kehrte zu Tanika Parry zurück.
»Ich werde wiederkommen müssen«, sagte sie so leise, dass Tash sie durch die offene Tür nicht hören konnte. »Im Augenblick ist sie zu erschüttert, um weitere Fragen zu beantworten. Könnten Sie bitte veranlassen, dass man sie auf Spuren von sexueller Gewaltanwendung untersucht, und zwar so bald wie möglich?«
»Sie glauben, sie könnte vergewaltigt worden sein?«
Angie zuckte die Achseln. »Wir müssen die Möglichkeit in Betracht ziehen. Ich muss außerdem ihre Kleidung für die kriminaltechnische Untersuchung mitnehmen.« Sie zögerte kurz, dann fuhr sie fort: »Sie sagten, Sie wollten mir etwas zeigen.«
»Ja.« Tanika Parry trat ans Bett. »Ist es in Ordnung, wenn wir einen weiteren Blick auf deinen Rücken werfen, Tash?«
Tash nickte, aber ihre Augen waren leer, und Angie fragte sich, ob sie die Frage wirklich verstanden hatte. Die Ärztin nickte einer der Schwestern zu, und zusammen halfen sie Tash behutsam, sich auf die Seite zu drehen. Die Schwester löste die Schleifen hinten am Krankenhausnachthemd und öffnete es, um den Rücken des Mädchens freizulegen.
»Ihre Verletzungen sind nicht lebensbedrohlich, obwohl es vermutlich schlecht ausgegangen wäre, hätte sie es nicht geschafft, Hilfe zu rufen«, sagte Parry. »Der Stich unterhalb der Rippen hat ihre Leber getroffen, aber es ist uns gelungen, die Blutung zu stoppen. Wir haben sie gesäubert und ihre Hände und Füße versorgt. An allen vier Extremitäten weist sie durchgehende Wunden auf.«
Angie machte einen Schritt nach vorn und fragte sich, was sie wohl gleich zu sehen bekäme. Die Schwester entfernte einen Streifen Verbandsmull, der von einem medizinischen Klebeband an seiner Position gehalten wurde. Angie warf einen Blick auf Tashs Rücken und zog scharf die Luft ein.
Über den Schulterblättern befanden sich drei Zeilen in schnörkeliger, gotischer Schrift – ein sehr frisches, sehr blutiges Tattoo. Angie las die Worte laut vor, auch wenn sie keine Ahnung hatte, was sie bedeuteten.
Clavos pedum, plagas duras,
et tam graves impressuras
circumplector cum affectu
»Wer hat das getan?«, fragte sie.
Tanika Parry deckte die Tätowierung vorsichtig ab und befestigte den Verbandsmull mit zwei frischen Streifen Klebeband.
»Das herauszufinden, ist Ihr Job, nicht meiner.«
Francis starrte auf die Tätowierung auf Tash Bradys Rücken. Drei lateinische Verszeilen. Er wusste nicht, was sie bedeuteten, aber aus irgendeinem Grund kamen sie ihm bekannt vor.
Tanika Parry bedachte ihn mit einem missbilligenden Blick. Sie hatte ihn das Tattoo nicht sehen lassen wollen, aber er hatte darauf bestanden.
»Sie hat schon genug durchgemacht«, hatte die Ärztin dagegengehalten und ihm die Tür zu Tash Bradys Zimmer verstellt. Sie war aus dem Wiederbelebungsraum in ein Zimmer auf der Intensivstation verlegt worden.
»Wir haben es vermutlich mit versuchtem Mord zu tun«, hatte Francis mit zusammengebissenen Zähnen erwidert. »Wir müssen herausfinden, wer dafür verantwortlich ist, und zwar lieber früher als später.«
Das Mädchen war sediert und kaum bei Bewusstsein gewesen, als Dr. Parry und eine Krankenschwester sie ein weiteres Mal auf die Seite gedreht hatten.
Angie, bleich und nervös, stand auf der anderen Seite von Tashs Bett und sah Francis fragend an.
»Was ist das, Chef? Was hat das zu bedeuten?«
»Clavos pedum, plagas duras, et tam graves impressuras circumplector cum affectu«, las Francis. »Das ist Latein.«
Harte Worte, in den Rücken eines jungen Mädchens gestochen. Das war kein gewöhnlicher Überfall, wie er freitagnachts häufiger stattfand.
Er nickte Tanika Parry zu. Er hatte genug gesehen.
Als Angie und er draußen im Gang standen, zog er sein Handy aus der Tasche.