Kobolz Grotesken - Reimann, Hans - kostenlos E-Book

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Hans, Reimann

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The Project Gutenberg EBook of Kobolz, by Hans ReimannThis eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and withalmost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away orre-use it under the terms of the Project Gutenberg License includedwith this eBook or online at www.gutenberg.orgTitle: Kobolz       GroteskenAuthor: Hans ReimannRelease Date: January 7, 2014 [EBook #44610]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK KOBOLZ ***Produced by Jens Sadowski

KOBOLZGROTESKENVONHANS REIMANN

KURT WOLFF VERLAG LEIPZIG

Bücherei Der jüngste Tag Bd. 39/40

COPYRIGHT KURT WOLFF VERLAG, LEIPZIG 1917 GEDRUCKT BEI G. KREYSING IN LEIPZIG

«Memento vivere!»

BEDRUCKTES PAPIER

VOR mir liegt ein weißes Blatt Papier. —

O du weißes Blatt Papier!

Du liegst unter meinen Augen — wehrlos, unschuldig, schön. Glatt bist du und ohne Makel. Wie sollt’ ich dich beschreiben?

Ich beschreibe dich nicht.

Ich wage nicht, dich zu beschreiben.

Du bist so weiß!

O du weißes Papier!

Was ist dir!

Und was ist mir??

— — Ich starre auf das leere Blatt und lese Sätze — wie von meiner Hand geschrieben.

Bin ich irre? Spukt es mich an?

Ich lese Sätze, die ich nie geschrieben; ich lese Sätze, die ich nie gedacht.

Hier stehen sie gedruckt, wie ich sie sah.

Das Blatt jedoch ist weiß wie Schnee.

Vor meinen Augen flirrt’s.

Der grause Schrecken faßt mich an, mich schüttelt’s wie im Fieber:

Mit langen Beinen, ekel angehaarten, stolziert ein giftig grünes Hirngespinst quer über meinen weißen Bogen.

Und er, der eben leer, ist vollgekrakelt.

Mir bleibt es, in die Druckerei zu schicken, was drauf steht.

Ich tu’s.

LITERATUR

WIR alle sind sehr verdorben.

Wir lesen und fabrizieren Literatur, die an Intensität und Gesteigertheit nichts zu wünschen übrig läßt.

Ich empfehle zwecks Erholung und Reinigung der hirnlichen Zustände das folgende barbarische Mittel: kauft euch Dr. H. Loewes spanische Unterrichtsbriefe und lest darin! Lest darin, ohne spanisch lernen zu wollen!

Lest die Sätze:

«Die Welt ist groß. Ihr habt ein Stiergefecht in Sevilla gesehen. Der boshafte Räuber nimmt das Geld weg. Ich habe die Witwe des Generals geküßt. Das schöne Fräulein hatte einen unglücklichen Vater. Sie erzürnten den Zwerg, indem sie Bohnen in sein Gesicht warfen. Der Allmächtige erhält die Welt, welche er erschuf. Du gibst mehr Geld aus, als nötig ist. Seid immer fleißig und aufmerksam! Die Kartoffeln wurden im Jahre 1580 nach Europa gebracht. Wie kannst du über das Unglück anderer lachen?»

Je mehr ihr dieser weltgebornen Sätze leset, um so weiter werden eure Herzen von der modernen Literatur hinwegrücken!

(Oder etwa nicht??)

SCHERZHAFTE NOVELLETTE

DER Schreibtisch liegt im Scheine der flackernden Kerze. Im Ofen knistert das Holz. Draußen ist kohlrabenschwarze Nacht.

Ephraim schreibt an einer Novellette, die folgendermaßen anhebt:

«Der Schreibtisch liegt im Scheine der flackernden Kerze. Im Kamine knistert das Holz. Draußen ist kohlrabenschwarze Nacht.»

Der Anfang dieser seiner Novellette hat vielerlei für sich. Vor allen Dingen ist er von unanfechtbarer Wahrhaftigkeit und Sachlichkeit — bis auf den Kamin, der durch einen ordinären Ofen repräsentiert wird.

Ephraim kann nicht weiter. Er nimmt einen auf dem Tische befindlichen Zirkel (— neue deutsche Literaten, darunter auch meine Wenigkeit, brächten es nicht übers Herz, das simple «befindlich» anzuwenden, vielmehr würden sie sich eines aparten Zeitwortes wie etwa «Vagabundieren» oder «Dahinträumen» bedienen! —), spreizt dessen Schenkel, daß sie eine Gerade bilden, faßt ihn mit der Rechten und stochert in einem der hintersten Backzähne.

Der Mensch tut manches Unschöne, so er sich unbeobachtet glaubt.

Sodann erhebt sich Ephraim, bohrt mit beiden Zeigefingern in beiden Gehörgängen, lehnt sich rückwärts an die Tischplatte und schaut vor sich hin.

Mählich gewöhnen sich die Augen an das Halbdunkel des Stübchens und verweilen auf den Gegenständen.

Ephraim blickt auch auf das Fenster.

Draußen ist Nacht.

Ephraim blickt hinaus in die Nacht.

Er erschrak nicht, er zuckte nicht zusammen, er geriet nicht aus der Fassung, kein Muskel regte sich in seinem Angesicht, als er den Kopf sah.

Draußen stand ein Mann und hatte seine Pupillen stier auf Ephraim gerichtet.

Zwei Augenpaare bohrten sich ineinander.

Der in der Stube erschauderte.

Er schwankte. Sollte er tun, als habe er nichts bemerkt, und sich wieder an den Schreibtisch setzen, — oder sollte er . . . .

Ach wo, und er schritt zur Tür, öffnete sie, — zwei, drei Schritte, und er stand vor dem Fremden.

«Fedor Ignaz Deichsel» stellte sich dieser vor (die Stimme klang piepsig und dünn) und verbeugte sich trotz der Dunkelheit.

Es war also nicht Sherlock Holmes!

«Sehr erfreut!» entgegnete Ephraim, stellte sich seinerseits vor und lud den Fremden ein, näher zu treten.

Der Fremde folgte dem Dichter in die Stube.

Erst redeten sie keine Silbe — späterhin ging es recht lebhaft zu.

Erst standen sich die zwei wie die Pflöcke gegenüber — — zuguterletzt schlossen sie Brüderschaft.

Der Fremde war nämlich auch ein Dichter.

Er wollte eine Novellette schreiben und hatte sich das sehr schön ausgemalt: wie er den Mann in der Stube beobachten würde, um ihn abzukonterfeien und sein Tun zu schildern. Der Anfang, den er im Kopfe trug, lautete:

«Kohlrabenschwarze Nacht. Der Schreibtisch liegt im Scheine der flackernden Kerze . . .»

Weiter war er nicht gekommen, und es ist fraglich, ob er sich für «Ofen» oder «Kamin» entschieden hätte.

— Ich, ich schöpfe das Fett ab.

(Diese Malefizliteraten!)

DER NACHTWÄCHTER

ALS der Herr schlief, machten sich die Holzpantoffel auf die Wanderschaft.

Zuerst kamen sie in ein Dorf, wo die Hunde bellten. Dann kamen sie in ein Dorf, wo keine Hunde bellten. Dann kamen sie in ein Dorf, wo wiederum Hunde bellten. Und endlich kamen sie in ein Dorf, wo nicht ein Hund bellte.

Da gefiel es ihnen, und sie trippeltrappelten kreuz und quer durch alle Straßen und Gassen.

Da kam der Nachtwächter und erfüllte seine Pflicht, indem daß er tutete.

Die Pantoffel, zu jedem Schabernack aufgelegt, klapperten im Kreise um ihn herum.

Als der Nachtwächter die tanzenden Pantoffel sah und das Geklapper hörte, wunderte er sich nicht schlecht und glaubte, er habe einen sitzen.

Aber er hatte keinen sitzen, sondern es war wirklich wahr: die Pantinen hupften und sprangen und trampelten um ihn herum.

Da zog er seine Doppelkümmelflasche aus dem Busen und tat einen tiefen Zug, um sich zu stärken.

Als er die Holzdinger immer noch hupfen und springen sah, tat er auf den Schreck und als gründlicher Beamter einen zweiten Zug.

Als aber die Tüffel gar nicht aufhören wollten, ihn zu umklappern, pietschte er die ganze Buddel aus.

Was war die Folge?

Er taumelte stockbetrunken durch das Dorf und kam sich von hunderttausend Holzpantoffeln umhopst vor.

Er torkelte heimwärts und fiel seiner Frau Gemahlin angstschlotternd um den Hals.

Die Pantoffel hatten nun genug und trippeltrappelten mopsfidel zurück zu ihrem Herrn.

Der Nachtwächter jedoch — ein sogenannter Pantoffelheld — nahm die Schläge hin, die seine Frau Gemahlin ihm zugedachte.

*                    * *

Moral: Bedudle dich! Aber bedudle dich heimlich und nicht ohne den triftigsten Grund.

GEFALLEN

WER hätte es noch nicht mit Entzücken betrachtet, das reizende Gemälde «Vom Himmel gefallen»? Ein Baby, ein allerliebstes, in taufrischem Gefilde!

Und wer hat noch nicht mit liebevoller Genugtuung festgestellt, daß jenes Würmchen bei seinem Sturz vom Himmel nicht Hälslein und Beinlein gebrochen hat, sondern völlig unversehrt geblieben ist?

Reden wir nicht davon, begnügen wir uns vielmehr damit, zur Kenntnis zu nehmen, daß sich das vom Himmel gefallene Baby allem Anscheine nach pudelwohl fühlt auf dieser vom Himmel himmelweit verschiedenen Erdkugel.

Der Maler sah es, malte und ging seiner Wege; für ihn war die Sache abgetan.

Das Gemälde ward vervielfältigt — vervielzuviefältigt! —, ward in den Kunsthandlungen ausgestellt und ward mit Entzücken betrachtet und wird es noch.

Um das (seinerzeit) vom Himmel gefallene Menschenkind kümmerte sich niemand. In taufrischem Gefilde saß es und freute sich seines Daseins.

Ach, wie edelmütig von den Herren Künstlern, den Lebensweg der vom Himmel Gefallenen und der anderweitig wunderkindlich Veranlagten idyllisch auf sich beruhen zu lassen und nicht aus der Schule des Lebens zu plaudern!

Wenn etwas am schönsten ist, wird’s gemalt und damit basta.

Aber ich will dem Maler jenes Würmchens einen groben Strich durch sein Werk ziehen und will ausplauschen, was geschah, und was sich begab.

Also das kleine Wesen saß und saß und freute sich des Lebens. Der Maler war längst über alle Berge.

Aber dann kriegte es Hunger, und dann wurde es müde, und dann kam die Nacht.

Es fror, daß Gott erbarm, und da machte es sich auf seine kleinen Strümpfchen und batterte in die Dunkelheit hinein.

Selbstverständlich gelangte es an den bekannten Abgrund, in den zu stürzen allerdings kein rettender Engel es verhinderte, oh nein: es purzelte hinein in den Abgrund, brach jedoch infolge seiner Übung im Fallen weiter nichts als das dritte Gliedchen des vierten Fingerchens des linken Patschhändchens.

Da lag es nun und plärrte ob des Wehwehchens, wie wenn es am Rost gebraten werden sollte.

Da kam der bekannte Köhler, der seine Hütte in weiser Voraussicht in nächster Nähe erbaut hatte, und nahm es und trug es heim und verband das Wehwehchen des dritten Gliedchens des vierten Fingerchens des linken Patschhändchens und bettete das Kindelein und wartete sein.

Die bekannten Jahre strichen ins Land, und die Köhlerstochter erblühte zur Jungfrau.

Und dann kam aber keineswegs der bekannte tugendhafte Prinz, um die schöne Köhlermaid heimzuholen, im Gegenteil, es kam niemand.

Und da niemand kam, sprach die Jungfrau zu sich selbst: «Ach wat!» und bestieg ihr Veloziped und fuhr bis zur Bahnstation, und dort setzte sie sich in die Eisenbahn und dampfte nach der Stadt und wurde daselbst Bardame und ergab sich, huh, dem bekannten liederlichen Lebenswandel.

Dies zu erfahren, ist zwar nicht hocherfreulich, doch ist es die Wahrheit.

Ich halte es für meine Pflicht und Schuldigkeit, meinen Lesern reinen Wein einzuschenken, und sei er noch so herb.