Kollegien stark machen (E-Book) - Helmut Heyse - E-Book

Kollegien stark machen (E-Book) E-Book

Helmut Heyse

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  • Herausgeber: hep verlag
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen. Das gesellschaftliche Umfeld von Schule wandelt sich stetig und stellt die Schule vor große Herausforderungen. Deren Bewältigung strapaziert die schulinterne Interaktion und Kommunikation, Feedback- und Konfliktkultur, Kooperation und Partizipation sowie die Selbststeuerung der Lehrkräfte grenzwertig. Das Buch will dazu anregen, sich dieser innerschulischen Energiequellen wieder bewusst zu werden, sie gemeinsam zu pflegen und auszuweiten, um den Aufgaben "Unterricht und Innovation" kräfteschonender gerecht werden zu können.

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Seitenzahl: 350

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Helmut Heyse, Bernhard Sieland

Kollegien stark machen – Schulen erfolgreich entwickeln

ISBN Print: 978-3-0355-1238-0

ISBN E-Book: 978-3-0355-1239-7

 

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 hep verlag ag, Bern

 

www.hep-verlag.com

 

 

Zusatzmaterialien und -angebote zu diesem Buch:http://mehr.hep-verlag.ch/kollegien_stark_machen

 

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Ziel dieses Buchs

Kapitelübersicht

Kapitel 1  Auf den Wandel antworten

1.1Herausforderungen

1.2Innovation und Schulentwicklung – eine Anforderung an das berufliche Selbstverständnis

1.3Entwicklungsarbeit als Lernprozess

1.4Zwei Varianten von Schulentwicklung

1.5Ansatzpunkte für die Stärkung der internen Ressourcen

Kapitel 2  Gelingensbedingungen für Entwicklungsarbeit

2.1Zyklus professioneller Entwicklungsarbeit

2.2Widerstände und Hindernisse bei der Entwicklungsarbeit

2.3Bereitschaft zur Mitarbeit an Schulentwicklungsprojekten fördern

2.4Salutogenese und Veränderungsbereitschaft

Kapitel 3  Leitbilder – Schulethos

3.1Leitbilder und subjektive Wirklichkeit

3.2Leitbilder ändern sich

3.3Leitbilder sind rollenspezifisch

3.4Leitbilder besitzen unterschiedliche Grade von Verbindlichkeit

3.5Leitbilder können zum Gefängnis werden: Innere Antreiber

3.6Leitbilder und Schulentwicklung

3.7Schulethos – Prüfstein für Alltagshandeln und Innovationen

Kapitel 4  Interaktion und Kommunikation

4.1Beeinflussen und beeinflusst werden

4.2Kommunikative und interaktionale Risiken

4.3Interaktion und soziale Grundbedürfnisse

4.4Interaktion und Emotionen

4.5Hilfen zum gegenseitigen Verständnis

4.6Schule – Lern-Ort der Interaktion und Kommunikation

4.7Interaktion und Gesundheit

Kapitel 5  Feedback als psychosoziale Ressource

5.1Professionelles Feedback

5.2Anerkennung, Wertschätzung und Dankbarkeit – gesundheitsdienlich und motivierend

5.3Kritikkultur als psychosoziale Leistungsvoraussetzung im Kollegium

5.4Fehlerkultur: Vorbedingung für Entwicklungsarbeit

Kapitel 6  Konstruktive Konfliktkultur

6.1Konfliktkultur und Schulklima

6.2Konfliktmanagement

6.3Destruktive Interaktion

6.4Mobbing – Handicap für ein Kollegium

Kapitel 7  Mitbestimmung und Partizipation

7.1Partizipation als gemeinsames Lösen von Problemen

7.2Partizipation und Macht

7.3Partizipation als psychosoziale Leistungsvoraussetzung

7.4Partizipation und Führungsstil

7.5Gelingensbedingungen für Partizipation

7.6Partizipation und Verantwortung

7.7  Chancen und Risiken von Partizipation

Kapitel 8Kooperation und Teamarbeit

8.1Ohne Kooperation und Teamarbeit ist Schulentwicklung nicht denkbar

8.2Bestimmungsstücke von Kooperation und Teamarbeit

8.3Besondere Bestimmungsstücke für Teamarbeit

8.4Strategische Arbeitsgebiete von Kooperation und Teamarbeit

Kapitel 9  Selbststeuerung – persönliches Verhaltensmanagement

9.1Selbstverantwortung und Mitverantwortung zum Erhalt und zur Förderung von Gesundheit, Arbeitszufriedenheit und Leistungsfähigkeit

9.2Selbststeuerung und Zufriedenheitsbilanz

9.3Selbststeuerung und Fremdsteuerung

9.4Wege zur Selbststeuerung

9.5Ansatzpunkte für Selbststeuerung

9.6Riskante Formen von Selbstregulation

9.7Maßnahmen gegen riskante Selbstregulation

9.8Selbststeuerung und der psychologische Vertrag

Kapitel 10  Salutogen unterrichten – entlastende Unterrichtsgestaltung

10.1Einflussfaktoren auf Unterricht und Klassenführung

10.2Salutogene Gesichtspunkte als Leitmotive für das Lehren und Lernen

10.3Leitbilder für guten Unterricht klären

10.4Selbstorganisiertes kooperatives Lernen

10.5Salutogene Störungsintervention

10.6Störungspräventive Klassenführung

10.7Emotionen im Unterricht verstehen und steuern

Schlusswort

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Kapitel 1  Auf den Wandel antworten

Schulisches Handeln bedeutet auch eine ständige Auseinandersetzung mit neuen Situationen. Viele Lehrpersonen müssen sich noch immer täglich im 45-Minuten-Takt auf andere Klassen einstellen. Dazu kommen regelmäßig neue Generationen von Lehrenden und Lernenden, Mangel an Lehrpersonen, neue Schulleitungen mit neuen Ideen, regionale Veränderungen, «reformierte» pädagogische Orientierungen, gesellschaftliche und politische Veränderungen und manches andere mehr.

1.1  Herausforderungen

Herausforderungen durch Erwartungen der Gesellschaft

Gesellschaftliche Umbrüche (z. B. Migration, Inklusion) und Umschwünge in der öffentlichen Meinungsbildung (z. B. in Deutschland G8/G9) oder auch (nur) Politikwechsel auf Bundes-, Kantons- oder Landesebene ziehen oft bildungspolitisch verordnete Innovationen nach sich. Üblicherweise werden den Schulen die für die Umsetzung erforderlichen externen Ressourcen jedoch nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung zugewiesen. Deswegen baut man stillschweigend auf den Idealismus der Lehrerinnen, Lehrer und Schulleitungen – und die Geduld der Eltern.

Dennoch muss sich Schule den ministeriellen/schulaufsichtlichen Entscheidungen stellen. Ihre Antwort besteht in der Regel darin, angeordnete Maßnahmen soweit auszuführen, wie es ihre personellen, materiellen, räumlichen Möglichkeiten erlauben. Das verursacht bei vielen Lehrpersonen das Gefühl von «Nicht-Gerecht-Werden» und Unzulänglichkeit, auch Ohnmacht, was sich erheblich auf ihre Gesundheit und Arbeitsqualität auswirkt.

Herausforderungen durch Erwartungen der schulischen Interaktionspartner

Daneben gibt es zahlreiche Anlässe, als Schule und Kollegium auf Auflagen der Schulaufsicht und des örtlichen Schulträgers, auf Veränderungen im kommunalen Umfeld und auf Interessen und Erwartungen der Schülerschaft und der Eltern reagieren zu müssen. Die Forderungen werden mitunter sehr pointiert mit Unbedingtheitsanspruch vorgetragen, ohne die dafür erforderlichen Voraussetzungen zu bedenken. Nicht immer ist die andere Seite ihrerseits bereit, korrespondierende Ansprüche an sich selbst zu richten und einzulösen. Elternvertreter sind da schnell bei der Hand, auch mit Vorhaltungen bei Nichterfüllung der Forderungen. Das kann erheblichen Druck auf die einzelnen Lehrerinnen und Lehrer bewirken. Schulleitungen und Lehrpersonen verspüren täglich diese Herausforderungen für ihre Leistungsfähigkeit.

Herausforderung durch eigene Erwartungen

Ohnehin stehen Schulen oft vor internen Problemen, die sie nicht oder nur teilweise allein lösen können. Da sind z. B. das Verhalten und die familiäre Erziehung oder materielle Not mancher Schülerinnen und Schüler. Lehrerinnen und Lehrer wünschen sich weniger Hektik durch den 45-Minuten-Takt und Nebenpflichten, aber mehr Zeit für die Belange der Schülerschaft, für Gespräche und Beratung, Spielraum für das Ausprobieren neuer Methoden und Erkenntnisse – etwa in kleinen Teams («Start-ups») nach Fortbildungen – und Nischen für kreative Angebote an die Schülerinnen und Schüler.

Lehrpersonen spüren starken emotionalen Belastungsdruck. In ihrem täglichen Umgang mit Schülerinnen und Schülern müssen sie immer wieder spontan empfundene negative Emotionen überzeugend unterdrücken oder positive Gefühle innerlich herstellen und glaubhaft zeigen – auch wenn sie zunächst eigentlich das Gegenteil empfinden.

Sie müssen lernen, ihre Grenzen zu akzeptieren und so scheitern zu können, dass weder sie selbst daran zerbrechen noch andere darunter leiden. Vielfach reichen die Kräfte gerade noch für den Unterricht und was damit zusammenhängt; für zusätzliche Entwicklungsarbeit ist wenig Reserve vorhanden. Dafür hoffen sie auf Verständnis und Rücksichtnahme.

Deswegen bestehen seitens der einzelnen Lehrerinnen und Lehrer auch große Erwartungen an die Schulleitung und das Kollegium, die Arbeitsbedingungen an der Schule gemeinsam so auszugestalten, dass sie unterstützend wirken, um die Anforderungen qualitativ gut und gesundheitserhaltend bewältigen zu können. Denn allein schon wie innerschulische Abläufe organisiert sind, wie ein Kollegium miteinander umgeht und gemeinsam Widerstände und Hindernisse überwindet, wirkt sich unmittelbar auf die individuelle Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit und Arbeitszufriedenheit und am Ende auch auf die Gesundheit aus.

Auch schulinterne Veränderungsprozesse stellen Schulen und Kollegien vor Herausforderungen. Alters- oder krankheitsbedingt scheiden viele erfahrene Lehrpersonen aus. Damit gehen den Schulen Know-how, auch Gelassenheit, Engagement und Routinen verloren, was sich jüngere Lehrpersonen erst erarbeiten müssen – nach dem Motto: Die Jungen sind zwar schneller, aber die Alten kennen die Abkürzungen. Das fällt insbesondere ins Gewicht, weil derzeit starke Einstellungsjahrgänge der 70er- und 80er-Jahre in den Ruhestand gehen. Diese Generationenwechsel bedeuten auch eine Beanspruchung psychosozialer Ressourcen der Kollegien, vor allem in Bezug auf Interaktion und Kommunikation, Kooperation, Feedback-Kultur, Schulethos.

Herausforderung für die Schulleitung

Dieser Wandel betrifft ebenso die Schulleitungen. In Deutschland fehlen derzeit viele Hundert Schulleiterinnen und Schulleiter, vor allem an Grundschulen. Die Vakanz oder der Wechsel von Führungspersonal bedeutet für die Kollegien immer auch eine Zäsur in den Selbstverständlichkeiten, nicht selten bis hin zu den pädagogischen Grundorientierungen. Das wiederum führt vielfach zu Auseinandersetzungen über den «richtigen» Weg und die «richtige» Art und Weise, Schule zu gestalten.

In vielen Kollegien wird (oft hinter vorgehaltener Hand) über vermeidbare Energieräuber geklagt. Häufig betrifft dies das Verhältnis von Kollegium und Schulleitung. Das bezieht sich nach unserer Erfahrung vor allem auf ein wenig sach- und personengerechtes Management. Die Autoren wissen aus vielfachen Befragungen anlässlich schulinterner Fortbildungsveranstaltungen, dass diesbezüglich einiges im Argen liegt, z. B. Konferenzen, Vertretungspläne, Unterrichtsorganisation, Unterrichtseinsatz, materielle und technische Arbeitsbedingungen, aber auch unerfreuliche Kooperation und Interaktion im Kollegium und mit der Schulleitung. Kollegien sehen sich dadurch ärgerlichen Erschwernissen und vermeidbaren psychischen Anstrengungen ausgesetzt. Diese «daily hassles» stellen eine unnötige emotionale Beanspruchung dar und verschlingen Zeit und Bewältigungsenergie. Das sind keine förderlichen Ausgangsbedingungen für die Übernahme zusätzlicher Arbeitsbelastung, wie sie in der Regel mit Schulentwicklungsarbeit verbunden ist.

Lehrpersonen als Entwicklungsbeauftragte

Ein großer Teil dieser schulinternen Erwartungen lässt sich in eigener Regie erfüllen, wenn sich jeder als mitverantwortlicher Entwicklungsbeauftragter für die Schule versteht und nicht darauf wartet, dass ein «deus ex machina» auftaucht, der alles zufriedenstellend regelt. Es gibt zudem keine generelle Lösung, die für alle Schulen passend und befriedigend wäre. Insofern müssen Schulen großenteils ihren eigenen Weg finden, auf den Wandel zu antworten.

Die wenig befriedigenden externen Rahmenbedingungen, unter denen die meisten Schulen arbeiten müssen – und damit sind nicht nur marode Gebäude gemeint, auch personelle Engpässe, Verwaltungsaufgaben, kleinliche Vorschriften etc. –, erschweren es zwar, sich mit dem Machbaren abzufinden, wenn das Wünschbare so unverzichtbar erscheint. Dennoch sollte man zum Schutz der eigenen Psyche vor Resignation das täglich Mögliche in Angriff nehmen und sich an Erfolgen erfreuen, statt sich gelähmt nach dem Unmöglichen zu sehnen. Damit Grübeln und schlechtes Gewissen nicht dominieren, braucht es den Mut zur Unvollkommenheit.

•Welche der beschriebenen Herausforderungen erleben Sie im Berufsalltag? Gibt es in Ihrer Schule Innovationsbedarf, der endlich adressiert werden sollte?

•Welche Herausforderungen können Sie gut in Eigenregie bewältigen, welche belasten und überfordern Sie, welchen verweigern Sie sich bzw. welche ignorieren Sie?

•Wo sehen Sie Ansatzpunkte für schulinterne Verbesserungen der Arbeitsbedingungen?

1.2  Innovation und Schulentwicklung – eine Anforderung an das berufliche Selbstverständnis

Die Kulturministerkonferenz in Deutschland (KMK) hat in den «Standards für die Lehrerbildung» (2014) Kompetenzen formuliert, die für die berufliche Ausbildung und den Berufsalltag von Lehrpersonen in Deutschland von besonderer Bedeutung sind. Demnach sollen Lehrkräfte: unterrichten und erziehen, beurteilen und innovieren.

Im Folgenden beschränken wir uns auf den Kompetenzbereich «Innovieren» und sprechen alle Lehrpersonen und Schulleitungen als «Entwicklungsbeauftragte» ihrer Schulen an. Dabei liegt unser Fokus auf der Stärkung der schulinternen Ressourcen.

Die KMK hat in Bezug auf «Innovieren» Pflichtaufgaben mit zugehörigen Kompetenzen formuliert, die im Folgenden zusammengefasst werden.

Berufliches Selbstverständnis

Zunächst wird das berufliche Selbstverständnis angesprochen:

•Lehrerinnen und Lehrer sind sich der besonderen Anforderungen des Lehrerberufs bewusst.

•Sie verstehen ihren Beruf als ein öffentliches Amt mit besonderer Verantwortung und Verpflichtung.

•Lehrerinnen und Lehrer verstehen ihren Beruf als ständige Lernaufgabe.

•Lehrerinnen und Lehrer beteiligen sich an der Planung und Umsetzung schulischer Projekte und Vorhaben.

•Entsprechen diese Leitsätze Ihrer gelebten Berufspraxis?

•Gibt es dazu einen Grundkonsens in Ihrem Kollegium?

Befähigungen

Auf einer zweiten Ebene werden Befähigungen formuliert, die für die Weiterentwicklung der Schule und für die Pflege der internen Ressourcen unabdingbar sind:

Lehrpersonen …

•lernen, mit Belastungen umzugehen;

•setzen Arbeitszeit und Arbeitsmittel zweckdienlich und ökonomisch ein;

•praktizieren kollegiale Beratung als Hilfe zur Unterrichtsentwicklung und Arbeitsentlastung;

•reflektieren die eigenen beruflichen Haltungen, Erfahrungen und Kompetenzen sowie deren Entwicklung, und können hieraus Konsequenzen ziehen;

•nutzen Erkenntnisse der Bildungsforschung für die eigene Tätigkeit;

•dokumentieren für sich und andere die eigene Arbeit und ihre Ergebnisse;

•geben Rückmeldungen und nutzen die Rückmeldungen anderer dazu, ihre pädagogische Arbeit zu optimieren;

•nehmen Mitwirkungsmöglichkeiten wahr;

•kennen und nutzen Unterstützungsmöglichkeiten für Lehrkräfte;

•nutzen individuelle und kooperative Fort- und Weiterbildungsangebote;

•wenden Ergebnisse der Unterrichts- und Bildungsforschung auf die Schulentwicklung an;

•nutzen Verfahren und Instrumente der internen Evaluation von Unterricht und Schule;

•planen schulische Projekte und Vorhaben kooperativ und setzen sie um.

Diese Befähigungen sind zur Professionalität des Lehrerberufs und für den Erhalt des State of the art in allen schulischen Kernaufgaben hilfreich, wenn nicht selbstverständlich.

•Sind Sie von den Forderungen überrascht?

•Welche dieser Befähigungen ist Ihnen besonders wichtig – um welche sollten Sie sich bewusster kümmern?

•Welche werden in Ihrem Kollegium akzeptiert, praktiziert, und welche werden eher ignoriert?

Kenntnisse

Darüber hinaus hält die KMK eine Reihe von Kenntnissen für effektive Entwicklungsarbeit für erforderlich:

Lehrpersonen …

•kennen die Grundlagen und Strukturen des Bildungssystems und von Schule als Organisation;

•kennen die rechtlichen Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit (z. B. Grundgesetz, Schulgesetze);

•reflektieren ihre persönlichen berufsbezogenen Wertvorstellungen und Einstellungen;

•kennen wesentliche Ergebnisse der Belastungs- und Stressforschung.

•kennen Methoden der Selbst- und Fremdevaluation;

•rezipieren und bewerten Ergebnisse der Bildungsforschung;

•kennen organisatorische Bedingungen und Kooperationsstrukturen an Schulen;

•kennen und reflektieren den spezifischen Bildungsauftrag einzelner Schularten, Schulformen und Bildungsgänge;

•kennen Ziele und Methoden der Schulentwicklung;

•kennen die Bedingungen für erfolgreiche Kooperation.

Wir verstehen diese Qualifikationen nicht allein als individuelle Verpflichtung; wir betrachten sie als systemische Voraussetzung auf Kollegiumsebene für das Gelingen von schulischer Weiterentwicklung.

Diese Ausführungen sollen deutlich machen: Der Lehrerberuf lässt sich nicht auf «Unterricht halten» reduzieren. Schule weiterzuentwickeln bedeutet, die «Komfortzone» sicherer unterrichtlicher Routinen zu verlassen und sich auf Neues einzulassen. Das ist nicht immer angenehm. Deshalb wurde seitens der KMK die Innovationsbereitschaft zum Standard und nicht zur unverbindlichen Option des Berufsstandes erklärt.

Lehrpersonen erwarten ja ihrerseits als Patienten von Ärzten oder als Kunden ihrer Autowerkstatt genau diese Innovationsbereitschaft. Um wie viel mehr muss man sie in der Schule verlangen, denn «Non scholae, sed vitae discimus».

•Sind Sie diesbezüglich «up to date»? Wo haben Sie bzw. hat Ihr Kollegium einen Nachholbedarf?

•Wie stehen Sie zu diesen Erwartungen? Welchen dieser Punkte können Sie für sich bejahen?

•Wo «sträubt» es sich bei Ihnen?

Berufliches Selbstverständnis und Schulentwicklung

In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass Schule als eine wenig hierarchisch strukturierte Institution eine besondere Organisationsform aufweist. In ihr arbeiten hoch qualifizierte Experten für Unterrichtsfächer und Erziehung mit einem großen Spielraum an Autonomie in ihrem Kerngeschäft, dem Unterricht. Lehrpersonen einer Schulklasse können durchaus nebeneinanderher arbeiten, ohne dass Unterricht kollabiert. Welche Qualität Bildung und Erziehung dann haben, welche Folgen das für die Schülerinnen und Schüler hat und welche psychische Belastung für die eine oder andere Lehrperson daraus erwächst, sei dahingestellt.

In dieser Betrachtungsweise spielt die Weiterentwicklung der Schule als einer tragenden Institution für die Zukunft von Schülerinnen und Schülern und der Gesellschaft für Lehrerinnen und Lehrer eine weniger bedeutsame Rolle. Viele sehen dies eher als Aufgabe von Politik, Schulaufsicht oder Schulleitung. Erst wenn ihre persönlichen Belange tangiert sind, z. B. durch organisatorische Beeinträchtigungen oder Probleme mit Schülerverhalten und Eltern, wächst das Interesse an verbindlichen Regelungen und Vereinbarungen, die ihre Arbeit erleichtern. Sie werden in dieser Auffassung seitens des Dienstherrn bekräftigt, da ein Zeitbudget für allgemeine schulische Belange in der Regel nicht eingeräumt wird.

Zwar konzentrieren sich ihre Kernaufgaben auf den Unterricht; aber ebenso ist es Pflicht der Lehrerinnen und Lehrer (nicht nur die der Schulleitung; siehe KMK, 2014), ihre Schule entsprechend den gesellschaftlichen, fachlichen und örtlichen Erfordernissen weiterzuentwickeln. Das beinhaltet z. B., die lokalen Arrangements so zu gestalten, dass leistungsförderliche Arbeitsbedingungen herrschen, guter Unterricht möglich ist und eine fachlich anregende, individuell entlastende und sozial bereichernde Zusammenarbeit gepflegt wird.

Hier sollten gelegentlich das Lehrerleitbild und die Berufsauffassung problematisiert werden: Anders als eine Behörde wird Schule erst durch das Zusammenwirken der Lehrkräfte konstituiert. Schule ist das, was Lehrerinnen, Lehrer und Schulleitungen, Schülerinnen, Schüler und Eltern aus dem machen, was Gesellschaft, Bildungspolitik und Schuladministration an Rahmenbedingungen vorgeben.

•Verstehen sich alle im Kollegium als mitverantwortliche «Entwicklungsbeauftragte» ihrer Schule?

•In welcher Weise werden sie darin von der Schulleitung/dem Kollegium unterstützt?

«Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen.»

1.3  Entwicklungsarbeit als Lernprozess

Veränderungen fordern Lernen heraus, wenn man nicht mit der Zeit gehen möchte. Schulentwicklung ist ein stetiger Lernprozess. Entwickeln heißt, IST-Zustände zu modifizieren oder gar zu verlassen und sich auf neues Terrain in Richtung eines gewünschten oder geforderten SOLL-Zustands zu begeben. Das geht nicht ohne Loslassen, schon gar nicht ohne das Erlernen neuer Sichtweisen, neuen Verhaltens, neuer Haltungen … Dazu werden – je nach Umfang und Intensität der Veränderungen – unterschiedliche Lernstrategien benötigt.

Anpassungslernen

Die erste Stufe von Lernen ist das Anpassungslernen.

Anpassungslernen heißt, man spürt, dass sich etwas ändert, und versucht, sich dem anzupassen; bisherige Ziele, Theorien, Leitbilder und Grundorientierungen bleiben unberührt. Das ist vergleichbar einem Autofahrer, der seine Fahrweise schlechten Straßenbedingungen oder Verkehrsbehinderungen anpasst (→ Schnelles Denken, S. 30), nicht aber seine Fahrtroute oder Fahrkünste anzweifelt oder seinen Fahrstil grundsätzlich ändert. Es werden nur Anpassungsbewegungen verlangt, um nicht «im Graben» zu landen.

Auf Schule übertragen hieße das z. B., sich auf eine neue Klasse oder eine neue Schulleitung einzustellen, ohne seine pädagogische Kompetenz oder pädagogischen Überzeugungen infrage zu stellen. Die Ziele bleiben bestehen, nur die Wege und Methoden werden der Lage angepasst.

Schwieriger wird es, wenn die Lage sich soweit wandelt, dass reflexhafte Anpassungen, übliche Routinen, bislang erfolgreiche Denkmuster nicht mehr funktionieren. Dann sind Veränderungslernen und Langsames Denken (S. 30) gefordert.

Veränderungslernen

Wenn das Verhaltensrepertoire trotz Anpassung nicht ausreicht, neue Situationen oder Aufgaben zu bewältigen, muss man sich andere Kompetenzen und Sichtweisen aneignen. Bisher selbstverständliche Ziele, Theorien, Normen, Verhaltensmuster und Wertorientierungen werden auf die Probe gestellt. Das geht einher mit wohlüberlegter Selbststeuerung (→ Kapitel 9), mit der kritischen Betrachtung von Leitbildern, mit der Erweiterung von fachlichem Wissen und personalen Kompetenzen, mit der Revision von Routinen – und ist mit emotionalem Widerstand verbunden.

So verlangen z. B. die Beauftragung als Mentor, fachfremder Unterricht, neue Lehrpläne, Übertragung von Leitungsaufgaben, zunehmende Diversität der Schülerschaft usw. mehr als nur regulatorische Anpassung. Selbst eine erzwungene Umgewichtung von Unterrichten und Erziehen stellt für manche Lehrperson eine Hürde dar nach dem Motto: «Ich unterrichte Mathematik; das andere ist nicht meine Aufgabe.»

Prozesslernen – Systemlernen

Anpassungslernen und Veränderungslernen können auf der individuellen Ebene ausreichen. Wenn sich jedoch ganze Systeme auf neue Verhältnisse umstellen müssen, ist mehr gefordert. Es geht dann nicht allein darum, dass sich die einzelne Lehrerin oder der einzelne Lehrer auf die geänderten Bedingungen einstellt. Vielmehr ist Systemisches Lernen/Prozesslernen notwendig: Individuelle Lernbemühungen und Lernerfahrungen müssen zu organisationalem Lernen verknüpft, und Themen, die alle betreffen, müssen in die offizielle Kommunikation der Organisation eingebracht werden.[3]

Ein Kollegium muss gemeinsame Entwicklungsarbeit leisten und dem externen und internen Änderungsdruck durch eigenes Handeln eine Richtung geben, die auf die örtlichen Besonderheiten abgestimmt ist. Eine gute, gesunde Schule besteht ja nicht darin, dass jede einzelne Lehrkraft ihren Unterricht im weitesten Sinn gut bewältigen kann. Sie besteht u. E. darin, dass alle Beteiligten – auch die Schülerschaft und die Eltern – zusammenwirken, um als Schule dem anspruchsvollen Bildungs- und Erziehungsauftrag nachzukommen und gleichzeitig die physische und psychische Gesundheit der Akteure zu bewahren, wenn möglich sogar zu fördern.

Nicht selten geht es bei Systemlernen auch darum, Erziehungsgrundsätze, Leitbilder, vielleicht auch das Schulethos (→ Kapitel 3) zu überdenken und das Lehrangebot anzupassen. In der Schule könnte das z. B. bei der Forderung nach Inklusion notwendig werden oder bei der Diskussion um die Digitalisierung des Lernens, vielleicht auch bei der Umstellung des Unterrichts auf Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien.

In diesem Zusammenhang werden mitunter auch personelle Anpassungen auf Kollegiums-Ebene erfolgen müssen. Es bilden sich andere Strukturen der Zusammenarbeit, es entstehen neue Koalitionen, es werden andere Spezialisten oder Befähigungen gebraucht; Hierarchien im Kollegium können sich auflösen.

Konkret kann Prozess- bzw. Systemlernen z. B. bedeuten:

•Informationsaustausch systematisch zu organisieren. «Pädagogische Umbaumaßnahmen» lassen sich nur unbefriedigend in Pausen oder gelegentlichen Konferenzen erledigen. Manche Schulen haben einen wöchentlichen «jour fixe» eingeführt, an dem – ohne Tagesordnung – Zeit für Zusammenarbeit, Austausch und Start-ups zur Verfügung steht, ohne dass dies als schikanöser Freizeitverlust erlebt wird.

•Sich als Kollegium oder als Lehrpersonen einer Klasse auf Ziele, Wege, Methoden etc. zu verständigen.

•Diversität im Kollegium und in der Schülerschaft produktiv zu nutzen.

•Die bisherige Änderungsresistenz des Systems zu verstehen und daraus gemeinsame Konsequenzen zu ziehen (→ Kapitel 2.3).

•Partizipation (→ Kapitel 7) auszubauen, z. B. in Gestalt von Qualitätszirkeln, Steuerungsgruppen, Gesundheitszirkeln (→ Arbeitshilfe 1.1).

•Ermunterung zum Querdenken, Beteiligung fachfremder Beobachter, Team-Supervision.

•Regelmäßige motivierende – ggf. auch konstruktiv-kritische – Feedback- und Mitarbeitergespräche mit Zielvereinbarung im Kontext von Schulethos und Schulprogramm.

•An der schulischen Entwicklung orientierte Weiterbildung zu ermöglichen und zu organisieren.

Allerdings ist zu bedenken, dass diese Entwicklungsarbeit neben dem «laufenden Geschäft» geleistet werden muss – eine erschwerende Anforderung an die Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit eines Kollegiums.

Exkurs 1: Schnelles Denken und Langsames Denken

D. Kahneman (2012) hat zusammen mit A. Tversky in zahlreichen Untersuchungen über die Funktionsweise unseres Denkens Ergebnisse gefunden, die darauf schließen lassen, dass unser Gehirn auf zweierlei Weise «denkt». Er nennt dies «Schnelles Denken» und «Langsames Denken» oder Denken im «System 1» und im «System 2». Unsere Interaktion, Kommunikation, unsere Emotionen und Konfliktkultur sind davon geprägt. Sich dessen bewusst zu sein, erspart vielerlei Verständigungsprobleme und Konflikte (Heyse, 2016).

Schnelles Denken – System 1

Das Schnelle Denken ist in ständiger Bereitschaft, schnell und meistens angemessen und richtig auf interne und externe Ereignisse und Signale zu reagieren. Es entlastet unser Gehirn vom Nachdenken, spart Energie und Zeit. Ohne Schnelles Denken wären wir in den meisten Situationen unseres Alltags ziemlich hilflos. Dank seiner gelingt es uns, ohne bewusste Konzentration oder Reflexion z. B.

•Gesichtsausdrücke zu deuten,

•Menschen z. B. am Gang wiederzuerkennen,

•Emotionen wahrzunehmen,

•Gefahren zu erkennen und sie (soweit möglich) zu umgehen,

•uns in vertrauter Umgebung schnell zu orientieren,

•Alltagskommunikation meist pannenfrei zu bestehen,

•Sympathie – Ablehnung zu spüren u.v.m.

System 1 arbeitet vorbewusst, kann blitzschnell auf Erinnerungen und Erfahrungen zurückgreifen und lässt uns quasi reflexhaft reagieren.

Risiken von System 1

Das Problem ist allerdings, dass System 1 zwar schnell, aber dafür auch vereinfachend, vordergründig, emotional, unkritisch arbeitet. Es hält, was es sieht, für die Wirklichkeit («What you see is all there is»). Das kann schiefgehen, wie jede optische Täuschung beweist (Abbildung 3).

Abbildung 3:Irritierender Wasserfall

Auch wenn es darum geht, Zusammenhänge zu erkennen, Bewertungen abzugeben, das Verhalten anderer zu deuten etc. tritt zunächst das Schnelle Denken auf den Plan. Leider verführt es zu voreiligen Schlussfolgerungen oder Attribuierungen und zu kurzschlüssigen Kausalkonstruktionen, wie z. B. «Der Kollege grüßt mich nicht, weil …» – «Der Schüler stört, weil…». Das geht oft daneben. Pannen in der Kommunikation (→ Kapitel 4) und Wahrnehmung, Konflikte durch emotionale Überreaktionen (→ Kapitel 6) sind davon beredter Ausdruck. Schnelles Denken ist auch die Folie für wenig hilfreiche, impulsive Reaktionen auf Stresssituationen.

Langsames Denken – System 2

Zum Glück gibt es da noch das System 2. Beim Langsamen Denken lenken wir unsere Aufmerksamkeit zielgerichtet auf etwas, konzentrieren uns, handeln reflektiert, steuern bewusst Emotion und Kommunikation. Wir gehen systematisch vor, analysierend, kontrolliert, vorsichtig, zweifelnd. Spätestens wenn das Schnelle Denken auf Widerstand stößt, Missverständnisse auftreten, Misserfolge oder Fehler auftauchen, ist sorgfältiges Nachdenken gefragt.

Mit System 2 können wir abwägen, komplexe Zusammenhänge erkennen, Denkfehler aufspüren, Fehlwahrnehmungen aufklären.

Weitere Beispiele für Langsames Denken:

•Sudoku lösen,

•Konflikte aufklären,

•Problemlagen analysieren,

•Schulentwicklungsprozesse planen und durchführen,

•Gebrauchsanleitung befolgen,

•Grammatik erklären,

•Orientierung in fremder Stadt,

•Krisenintervention, Mediation,

•konstruktive Stressbewältigung.

Bei der Rechenaufgabe 143 x 17 ist z. B. den meisten direkt klar, dass sie sie nicht mit Schnellem Denken lösen können, sondern genau rechnen müssen. Anders bei folgender Denkaufgabe von Kahneman, bei der sich System 1 unmittelbar angesprochen fühlt: Ein Tischtennisschläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 Euro.

Der Schläger kostet einen Euro mehr als der Ball. Wie viel kostet der Ball? Wenn Sie jetzt 10 Cent denken, sind Sie dem Schnellen Denken aufgesessen – und wenn das niemand korrigiert, kann es im wirklichen Leben zu gravierenden Fehlentscheidungen kommen. Dann wird Lernen verhindert bzw. Falschlernen begünstigt und Lern-Motivation gedämpft. (Richtige Antwort: Der Ball kostet 0,05 Cent.) Gerade bei komplexen Entscheidungen erweist sich Schnelles Denken oftmals als verhängnisvoll. Deswegen sollte im Hintergrund immer auch System 2 in Notdienst-Bereitschaft sein. Das reduziert Ärger, Konflikte und Energieräuber.

Nachteile von System 2

Aber: System 2 arbeitet langsam, mit Bedacht, mit Selbstkontrolle. Das verlangt Zeit, die wir uns oft nicht nehmen (können). Hinzu kommt, dass das Langsame Denken eher bequem ist. Schließlich soll das Gehirn möglichst ökonomisch arbeiten; es ist ohnehin unser größter Energieverbraucher. Deswegen verlässt sich System 2 bis zum «Beweis des Gegenteils» darauf, dass System 1 es schon richtigmacht. Es wird erst aktiv, wenn die Ergebnisse von System 1 falsch sind oder Probleme bereiten – oder von vornherein klar ist, dass die Angelegenheit sorgfältiges Abwägen erforderlich macht. Schwierige Entscheidungen oder kritische Situationen benötigen selbstverständlich Langsames Denken; sich dann auf das Schnelle Denken zu verlassen («Da wird mir schon was einfallen!») ist sehr riskant. Es gibt allerdings auch Situationen, in denen Langsames Denken «im Weg steht», wo schnelles Reagieren statt tiefgründigen Reflektierens gefragt ist.

Deswegen ist es sach- und gesundheitsdienlich, sich beider Denkstrukturen bewusst zu sein und sie adäquat einzusetzen. Personen unterscheiden sich durchaus darin, wie schnell System 2 «eingreift» und wie dominant Schnelles Denken ist. Bei impulsiven, hyperaktiven Menschen hat das Langsame Denken eine hohe Toleranzschwelle.

•Können Sie sich an Beispiele erinnern, wo Ihnen Schnelles Denken bzw. Langsames Denken einen «Streich» gespielt hat?

•Kommt es Ihnen in Ihrem Kollegium mehr auf Schnelles Denken oder auf Langsames Denken an?

1.4  Zwei Varianten von Schulentwicklung

Schulentwicklung kann in zwei Richtungen gehen: Zum einen kann sie darauf abzielen, das Lehrangebot für Schülerinnen und Schüler zu erweitern. Zum anderen können Gegenstand von Entwicklungsarbeit die psychosozialen Leistungsvoraussetzungen und die Arbeitsbedingungen sein, d. h. die schulinternen Ressourcen, die ein Kollegium benötigt, um seine Schule als gute, gesunde Schule zu gestalten und zu stärken.

Angebotserweiterung

Externer Veränderungsdruck bezieht sich in der Regel auf das schulische Bildungsangebot: neue Fächer, neue Unterrichtsformen, neue Strukturen, erweiterte Betreuungsangebote, Doppelbesetzung usw. Selbst wenn für derartige Vorhaben hinreichend externe Ressourcen bereitgestellt werden, bringen sie doch für die einzelnen Lehrpersonen in der Regel zusätzliche Beanspruchung mit sich: Mehrarbeit, Neuorientierung und Neujustierung ihrer fachlichen und pädagogischen Arbeit, Abkehr von Routinen, Verzicht auf «Lieblingsprojekte» und «wie wir es sonst immer gemacht haben». Möglicherweise werden sich später, wenn das Neue zur Gewohnheit geworden ist, wieder erleichternde Routinen einschleifen, aber zunächst fallen psychosoziale «Kosten» an.

Ressourcenstärkung

Diese Kosten werden befriedigend nur zu tragen sein, wenn die Lehrpersonen und das Kollegium insgesamt über interne Ressourcen verfügen, die es ihnen erlauben, den erhöhten Aufwand sachgerecht und gesundheitsfreundlich zu bewältigen.

Deswegen fokussieren wir mit diesem Buch auf die ressourcenstärkende Entwicklungsarbeit und legen den Schwerpunkt auf die individuellen und kollegialen psychosozialen Leistungsvoraussetzungen. Dabei sind wir uns bewusst, dass ohne unterstützende schulinterne Arbeitsbedingungen die Stärkung von Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit, Arbeitszufriedenheit und psychischer Gesundheit des Personals nach unserer Meinung nicht hinreichend gelingen kann.