König Humbug - P. T. Barnum - E-Book

König Humbug E-Book

P.t. Barnum

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Beschreibung

Die Geburt der amerikanischen Unterhaltungsindustrie. Alles oder nichts: Ob Lotterie, Wanderzirkus, Schaustellungen von Kuriositäten oder die Amerika-Tournee der seinerzeit berühmtesten Koloratursängerin Jenny Lind - P.T. Barnum hat einen untrüglichen Sinn für Massenspektakel und seine Unternehmungen werden zu Kassenschlagern. In der Wahl seiner Mittel ist er nicht kleinlich und gilt als Profi im Tamtam der Werbung. Er lanciert Artikel, entsendet Agenten, die die Stimmung anheizen und inszeniert so manchen Bluff. Der farbige Bericht über den Weg dieses erfolgreichen Kulturmanagers im 19. Jahrhundert. Zuletzt wurde sein Leben in „The Greatest Showman On Earth“ mit Hugh Jackman in der Hauptrolle aufwendig verfilmt.

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Über Phineas Taylor Barnum

Phineas Taylor Barnum, geboren 1810 in Bethel/Connecticut und gestorben 1891 in Bridgeport/Connecticut. Nach dem Beginn seiner Karriere im Lotteriegeschäft und als Zeitungsverleger machte er sich als Besitzer eines Wanderzirkus einen Namen. 1834 Übersiedlung nach New York und Schaustellung von Kuriositäten. 1841 Kauf des Amerikanischen Museums, das er 13 Jahre erfolgreich leitete. 1850 managte er die Amerika-Tournee Jenny Linds. Seine Erinnerungen erschienen 1855. Danach verlor er sein gesamtes Vermögen und begann seine Karriere von vorn

Julius Markschiess van Trix, Jahrgang 1920, war ein deutscher Experte für Zirkusgeschichte und Artistik.

Tilman Spreckelsen, Jahrgang 1967, studierte Germanistik und Geschichte in Freiburg. Er ist Autor, Publizist, Herausgeber und Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Informationen zum Buch

Die Geburt der amerikanischen Unterhaltungsindustrie

Alles oder nichts: Ob Lotterie, Wanderzirkus, Schaustellungen von Kuriositäten oder die Amerika-Tournee der seinerzeit berühmtesten Koloratursängerin Jenny Lind – P.T. Barnum hat einen untrüglichen Sinn für Massenspektakel und seine Unternehmungen werden zu Kassenschlagern. In der Wahl seiner Mittel ist er nicht kleinlich und gilt als Profi im Tamtam der Werbung. Er lanciert Artikel, entsendet Agenten, die die Stimmung anheizen und inszeniert so manchen Bluff.

Der farbige Bericht über den Weg dieses erfolgreichen Kulturmanagers im 19. Jahrhundert. Zuletzt wurde sein Leben in »The Greatest Showman On Earth« mit Hugh Jackman in der Hauptrolle aufwendig verfilmt.

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P. T. Barnum

König Humbug

Sein Leben, von ihm selbst erzählt

Inhaltsübersicht

Über Phineas Taylor Barnum

Informationen zum Buch

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Geleitwort. Von Markschiess-van Trix

Einleitung

Meine frühe Geschichte

Ich werde Ladendiener und besichtige die Efeuinsel

Amerikanischer Humor

Meine ersten Spekulationen

Ich werde Ladenbesitzer, heirate und gebe eine Zeitung heraus

Meine ersten Schaustellungen: Washingtons Amme und Signor Vivalla

Der Wanderzirkus

Das Amerikanische Museum

Mit Tom Thumb in Europa

Das Jenny-Lind-Unternehmen

Verschiedene Unternehmen

Rückblick

Nachwort. Von Tilman Spreckelsen

Kleine Barnum-Bibliographie Zusammengestellt von Markschiess-van Trix

Impressum

Geleitwort Phineas Taylor Barnum 5. Juli 1810 Bethel – 6. April 1891 Bridgeport

Die heutige Generation wird die Bedeutung des Mannes kaum ermessen können, den Europa »König Humbug« nannte und die Reklamewelt den »Großen Trommler«: P. T. Barnum, den Schausteller, Gründer des »Amerikanischen Museums« und Erfinder der »Amme« von George Washington, den »Vater der Reklame« und Zirkusbesitzer mit der »Größten Schau der Welt« in drei Manegen. Er schuf die Straßenparaden, ließ die größten Plakate in der jeweiligen Gastspielstadt kleben und bot gegen ein Extra-Entree in der »Seitenschau« echte und unechte Abnormitäten dem »Bestaunen« dar.

Barnums Zeit war eine einzigartige Pionier-Goldgräber-Spekulanten-Epoche, in der nicht immer die Gesetze gepflegt, oft das Recht in die eigene Hand genommen wurde. Amerika entwickelte sich zu einem Einwandererland, dessen Gestalt von den national und kulturell unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen geprägt wurde.

In dieser Zeit wuchs in Bethel (Connecticut) der Sohn eines Landwirts heran, der seine kaufmännischen Fähigkeiten früh erkannte, eine Zeitung gründete, erste Kontakte zu reisenden Schaustellern aufnahm, auf deren vielseitigen Erfahrungen er sein weiteres Leben aufbaute.

Die Methoden, wie man rasch zu Geld kommt, waren ihm bald geläufig. Als er eine Neger-Sklavin mit einer »Haut-Schrumpfung« erhandelt hatte, präsentierte er sie dem erstaunten Publikum als Amme des ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Als Pressemann sorgte er zudem für das notwendige Echo im »Blätterwald«, wo Sensationen immer gebraucht werden. Mit ihren angeblich 161 Jahren wurde die Amme tatsächlich eine umwerfende Sensation, und Barnum wunderte sich selbst, wie man aus Geschick und Täuschung ein Medienereignis machen kann. Sein Werbestil war der Devise »Steter Tropfen höhlt den Stein« verpflichtet und wurde zum Synonym für eine mit immer denselben überzogenen Slogans arbeitende Reklame.

Doch auch jedes Glück geht einmal zu Ende, und einige seiner Unternehmungen und Spekulationen rutschten in die Pleite. Da entdeckte Barnum den Zwerg Tom Thumb, einen fünfjährigen Jungen, den er zum elfjährigen Engländer machte. Auf der Grundlage einer vertraglichen Einigung mit der Mutter reiste Barnum mit »General Tom Thumb« durch Amerika und Europa. All das verschaffte ihm bereits mit vierzig Jahren die Reputation eines angesehenen Millionärs.

Als er auf seinen Europa-Tourneen von der schwedischen Sängerin Jenny Lind hörte, faßte er den Plan, sie auch in Amerika bekannt zu machen. Noch einmal genoß er den Erfolg und die klingende Münze. Doch Handels- und Landspekulationen dezimierten sein Vermögen, und er mußte wieder ins Show-Geschäft einsteigen. Und wieder war es sein General Tom Thumb, mit dem er in Europa gutes Geld verdiente.

Zurück nach Amerika, stellte er den »Riesenelefanten Odes Jumbo« zur Schau, doch die dazugehörige Menagerie brannte zweimal ab. Im weiteren orientierte sich Barnum auf das Zirkusgeschäft und ging in Kompanie mit dem Zirkusdirektor James A. Bailey. Seinen ersten Europa-Auftritt startete Circus Barnum & Bailey 1889 in London, ohne daß sich im Laufe der Tournee der erwünschte Erfolg eingestellt hätte. Barnum zog sich auf seinen Landsitz in Bridgeport zurück, wo er 1891 starb.

Barnum war ein Mann von geschäftlicher Klugheit, persönlicher Ehrlichkeit und typisch amerikanischer Frömmigkeit. Sein Bestreben war es, daß alle Welt von ihm sprechen, ihn bewundern sollte. Daher auch die zahlreichen Autobiographien, die in Amerika gedruckt, aber in deutscher Sprache erschienen sind. Im Privatleben galt er als angesehene Persönlichkeit, wurde in den Kongreß gewählt und war Bürgermeister von Bridgeport.

Seine Widersacher, die Familien-Zirkusse Guilleame, Pereira und Adam Forepeaugh, konnten mit Barnums großem Tent, dem fliegenden Zirkus, nicht konkurrieren. Auf diesen Tourneen, die etwa acht Monate dauerten, war man mit 1700 Personen und 450 Pferden, 36 Elefanten und einem umfangreichen Tierbestand unterwegs, wobei nur nachts gereist wurde, tagsüber spielte man. Früh sechs Uhr begann der Betrieb, nach dem Frühstück wurde alles für die Parade vorbereitet, in der alle Artisten, das Orchester, hundert Ballettdamen, alle Tierwagen in dekorativer Aufmachung durch die Stadt zogen. Der Zirkus hatte drei Manegen, zwei Podien, eine Bühne und 12000 Sitzplätze.

Im Laufe der Zeit, bedingt durch Wirtschaftskrisen, kam es zur Fusion mit dem aus Nürnberg stammenden Zirkus Ringling. Fortan nannte sich das Unternehmen Barnum & Bailey – Ringling Bros, das sich als größten Zirkus der Welt bezeichnet. Heute setzt die Familie Irvin Feld, die derzeitigen Eigentümer, die bedeutende Tradition fort.

Besonders interessant ist die Tatsache, daß seit Barnum hauptsächlich europäische Artisten engagiert wurden. Talentdirektoren wie Umberto Bedini, Neffe von Rastelli, in Rom und Trolle Rhodin-Malmö waren nach 1945 die wichtigsten Agenten für viele Artisten des Circus Barnum & Bailey – Ringling.

Markschiess-van Trix

Einleitung

Phineas Taylor war mein Großvater mütterlicherseits. Ich war der erste Enkel. Es wurde deshalb vorgeschlagen, daß ich seinen geehrten Namen verewigen sollte. Mein entzückter Vorfahr bestätigte diese Wahl und händigte meiner Mutter als Geschenk für mich einen Kaufbrief von fünf Acker Land ein, die, mögen sie nun mehr oder weniger betragen haben, in jenem Teile des Kirchspieles Bethel, der Ortschaft Danbury, des Bezirks Fairfield und des Staates Connecticut liegen, welcher als die »Pflaumenbäume« bekannt ist, während jener Strich Land als die Efeuinsel bezeichnet wird.

Das Dorf und Kirchspiel Bethel, welches sich rühmt, in seine Grenzen auch jene meine wertvolle Erbschaft einzuschließen, über die ich später noch manches zu sagen haben werde, wurde mir von verschiedenen Personen, die es wissen mußten, wiederholt als mein Geburtsort bezeichnet, und demgemäß habe ich es stets als solchen betrachtet und verehrt.

Doch da mein Großvater zufällig vor mir geboren war und da alle diejenigen, die ihn kannten und mich kennen, versicherten, daß ich ein Ableger vom alten Stamm sei, so muß ich vorerst einige ihn betreffende Tatsachen erwähnen.

Ich glaube, ich kann mich der Zeit noch erinnern, wo ich noch nicht mehr als zwei Jahre alt war. Die erste Person, der ich mich entsinne, war mein Großvater. Da ich sein Liebling war und während der ersten sechs Jahre meines Lebens wahrscheinlich die größere Hälfte meiner wachen Stunden in seinen Armen zubrachte, so macht meine gute Mutter die Schätzung, daß die Masse der Stücke Zucker, die ich während jener Zeit aus seinen Händen verschlang, nicht weniger als zwei Fässer betragen haben kann.

Mein Großvater war ein ausgemachter Schalk und durchtriebener Spaßmacher. Um einen gelungenen Scherz auszuführen, konnte er nicht weit genug gehen, nicht lange genug warten, nicht angestrengt genug arbeiten und nicht eifrig genug nachdenken. In diesem einen Punkte, sowie in vielen anderen, bin ich – ich muß es leider gestehen – sein Ebenbild, denn obgleich nichts, das ich mir denken kann, mich so sehr entzückt, wie einen schlechten Witz zu machen, und obgleich ich immer bei dessen Erfindung und Ausführung aufs herzlichste gelacht habe und jeden Anlaß zu einer Beleidigung zu vermeiden suchte, so habe ich doch oft eine solche verübt und ebensooft diesen Hang bedauert, welcher mit mir geboren ist und ohne Zweifel fortdauern wird, bis ich wieder zu Staub werde.

Mein Großvater väterlicherseits war der Kapitän Ephraim Barnum von Bethel, welcher als Hauptmann in der Miliz des Revolutionskrieges gedient hatte. Sein Sohn Philo war mein Vater. Auch er war von lebendiger Gemütsart und fand mehr Geschmack an einem Scherz als die meisten Menschen. Ich berichte diese geschichtlichen Tatsachen zur Beschönigung für meine eigene stark dahin schlagende Neigung.

Geboren – verheiratet – gestorben. Die meisten meiner Vorfahren sind schon ins dritte Stadium eingetreten. Ich hoffe sie durch die Gnade Gottes alle in einer besseren Welt wiederzufinden, wo »sie weder freien noch gefreit werden« und wo »Tod sich in Sieg verklärt«.

Meine frühe Geschichte

Mein erstes Auftreten auf der Weltbühne fand am 5. Juli im Jahre des Herrn 1810 statt. Der Tag der Unabhängigkeitserklärung war kaum vorüber, der Kanonendonner hatte kaum aufgehört, die Erinnerung an das nationale Jubelfest zu verkünden, der Dampf war kaum verflogen, die Trommelwirbel verhallt, Friede und Ruhe kaum wiederhergestellt, da machte ich mein Debut.

Dieser Hang, auf meiner Hut zu sein, hat mir immer angeklebt. Ich habe oft gedacht, daß, wenn ich gezwungen wäre, in den Krieg zu ziehen, die ersten Waffen, die ich prüfte, meine eigenen Beine sein würden. Ich könnte kaum den Plan des Yankee-Soldaten ausführen, der aufs Geratewohl und auf eigene Faust hin ein paar Schüsse gegen den Feind losfeuerte, dann aber weglief und sang:

»Wer kämpft und gibt dann Fersengeld,

kann später vielleicht sich noch zeigen als Held!«

Ich bin ein entschiedener Freund des Friedens, und die beiden ersten Worte der ersten Zeile würden nicht genau auf mich passen, wenn es mir auch möglich wäre, die darauf folgenden für mich gelten zu lassen.

Ich weiß nicht, ob meine Ankunft eine besondere Aufregung im Ort erzeugte. Meine gute Mutter erklärt freilich, daß ich gleich in der ersten Stunde nach meiner Geburt gehörigen Lärm gemacht und daß sie dessen Verstummen seitdem noch nicht wahrgenommen hätte.

Ich muß meine ersten Lebensjahre hier übergehen, während welcher mich mein Großvater voll Zucker stopfte und mit Dreiern überschüttete, damit ich mir Rosinen und Zuckerstengel kaufen konnte, die, wie er mich immer unterwies, ich von dem Krämer zum »niedrigsten Barpreise« fordern sollte. Ich fange daher gleich an, von späteren Ereignissen zu reden.

Ich galt allgemein als ein ziemlich tüchtiger Schüler, und als ich älter wurde, gab es bloß zwei oder drei in der Schule, welche einen Vorsprung vor mir hatten. Im Rechnen war ich ungewöhnlich rasch, und ich erinnere mich, daß ich im Alter von zwölf Jahren nachts von einem meiner Lehrer aus dem Schlafe geweckt wurde, der mit einem Nachbar eine kleine Wette eingegangen war, daß ich innerhalb von fünf Minuten die richtige Anzahl Fuß in einem Stoße Holz berechnen und angeben könnte. Der Nachbar bestimmte die Ausdehnung, und da ich keine Tafel im Hause hatte, so machte ich meine Rechnung auf dem Ofenrohr und gab die Auflösung in weniger als zwei Minuten zum großen Entzücken meines Lehrers, meiner Mutter und meiner selbst sowie zum nicht geringen Erstaunen unseres ungläubigen Nachbars. Mein Vater war Schneider, Landwirt und zuweilen auch Gastwirt. So wurde ich denn oft aus der Schule zu Hause behalten und genoß keinen anderen Unterricht als den der gewöhnlichen Distriktsschule, mit Ausnahme eines Sommers in der »Akademie« von Danbury, zu der ich den drei Meilen weiten Weg sechsmal in der Woche hin und zurück machte.

Mein Erwerbsorgan muß sehr groß gewesen sein, oder meine Eltern müssen sehr früh mit seiner Ausbildung begonnen haben. Ehe ich fünf Jahre alt war, fing ich an, Pfennige und Sechser aufzuhäufen. Als ich sechs Jahre zählte, belehrte mich mein Großvater, daß all die kleinen Stücke Geld einen Dollar ausmachten und daß, wenn ich sie nehmen und mit ihm gehen wollte, er mir etwas sehr Besehenswertes zeigen würde. Ich packte meinen ganzen Reichtum in ein Schnupftuch, band und hielt es fest zusammen und ging mit meinem Großvater. Er nahm mich mit in die Dorfschenke, welche damals von Herrn Stiles Wakelee geführt wurde, und sich dem Wirte nähernd, sagte er: »Hier, Herr Wakelee, ist der reichste Junge aus diesem Teile des Landes. Er besitzt einen Dollar bar. Ich bitte Sie, seine Münzen zu nehmen und sie ihm für einen Silberdollar umzuwechseln.«

Der gefällige Wirt nahm mein Geld und gab mir sofort einen Silberdollar. Nie in meinem Leben habe ich mich so reich gefühlt, noch werde ich mich je wieder so reich fühlen, so durchaus unabhängig von der ganzen Welt wie damals, als ich auf den großen Silberdollar blickte und fühlte, daß er mir ganz gehörte. Selbst ein Wagenrad schien mir nur halb so groß wie mein Silberdollar. Ich glaubte steif und fest, daß ich die ganze Erde mit allem, was darauf ist, für dies wundervolle Stück Geld kaufen könnte und daß ich bei diesem Coup selbst noch einen schlechten Handel machte.

Aber mein Dollar blieb nicht lange vereinsamt. Meine Mutter leitete mich an, meine übrigen Cents dazuzusparen. Als ich größer wurde, zahlte mir mein Großvater zehn Cent für den Tag, wenn ich das dem Ochsengespann vorausgehende Pferd beim Pflügen ritt, und ich kam auf verschiedene Mittelchen, mein kleines Kapital zu vergrößern. An den Übungstagen der Miliz machte ich als Hausierer Geld, statt welches auszugeben. Mein Warenvorrat bestand in einer Gallone Melasse, die zu Melassezucker umgekocht und umgearbeitet war und damals »Cookania« hieß, und gewöhnlich hatte ich am Abend eines solchen Übungstages einen Dollar verdient. Da ich immer einen ganz besondern Gefallen an Spekulationen fand, so vermehrte sich mein Festtagsvorrat bald und umfaßte Pfefferbrot, Kuchen, Zuckerstengel und Kirschschnaps. Der letztere Artikel bestand aus einem Maße neuenglischen Rums, in welchen ich eine Handvoll wilder Kirschen und etwas Zucker getan hatte. Ich merkte bald, daß die Soldaten gute Kirschschnapskunden waren, und sobald ich nur die Worte: »Halt! Gewehr ab!« hörte, so eilte ich mit meiner Flasche und meinem Glas auf die Exerzierenden zu. In wenig Jahren würde ich ein zweiter Krösus gewesen sein, wenn mein Vater mich nicht vorsorglich dazu verpflichtet hätte, mir meine eigenen Kleider zu kaufen. Diese Bestimmung reduzierte mein Vermögen auf eine mäßige Höhe. Indem ich aber mein Ziel nicht aus den Augen verlor, erwarb ich bald ein eigenes Kalb und Schaf und anderes persönliches Eigentum, welches mich fühlen ließ, daß ich ein ganz vermögender Mann war.

Zu gleicher Zeit sah ich aber auch ein, daß ich die für mich passende Sphäre noch nicht gefunden hatte. Die Farm war kein Ort für mich. Ich arbeitete immer ungern mit der Hand, desto mehr aber liebte ich die Anstrengung des Kopfes. Ich war immer aufgelegt, Unsinn zusammenzubrauen oder Pläne auf Gewinn von Geld zu machen; aber die Handarbeit war ganz entschieden nicht mein Beruf. Mein Vater bestand darauf, daß ich so gut wie jeder andere im Garten hacken, pflügen und graben sollte, aber ich sann immer nach, wie ich mich der Arbeit entziehen oder wie ich, sie oberflächlich verrichtend, an einem Tage mit ihr fertig werden könnte.

Ich war noch nicht ganz zwölf Jahre alt, als ich zum ersten Male die Handelsmetropole besuchte. Das kam so: Mein Vater führte, wie vorhin bemerkt, das Dorfwirtshaus. Eines späten Nachmittags im Januar 1822 kam Herr Daniel Brown von Southbury in Connecticut in unserem Hause mit einer Herde fetten Viehs an, welches er in New York verkaufen wollte. Das Vieh wurde in unseren großen Hof getrieben, die Reitpferde in den Stall geführt, Herr Brown aber nahm ein warmes Nachtessen ein, zog seine Schuhe aus und Pantoffeln an und setzte sich ans Feuer, um sich’s den Abend recht bequem zu machen.

Ich hielt ihn für einen großen Mann, denn er war in »York« gewesen, und damals bedeutete eine Reise nach »York« soviel wie jetzt eine nach Europa. Ich hörte gespannt auf die Erzählung seiner Abenteuer in Stadt und Land, so daß mein Interesse für den Mann beständig wuchs. Endlich hörte ich ihn zu meinem Vater sagen, daß er noch mehr Vieh in Ridgefield und anderen an seinem Wege gelegenen Orten zu kaufen gedächte und daß er gern einen Jungen mieten möchte, der, leicht zu Fuß, ihm beim Treiben der Tiere behilflich sein könnte. Ich bat sofort meinen Vater, ein Wort zu meinen Gunsten einzulegen und mir womöglich den gewünschten Platz zu verschaffen. Er tat das auch. Meine Mutter gab ebenfalls ihre Zustimmung, und es wurde sogleich bestimmt, daß ich mit nach New York sollte. Ich mußte mich augenblicklich zur Ruhe begeben, damit ich am andern Morgen bei Tagesanbruch bereit wäre, mit dem Vieh aufzubrechen. Ich ging zwar ins Bett, konnte aber nicht schlafen. Phantasiegebilde aller Art beschäftigten meine Einbildungskraft. Eine neue Welt sollte sich vor mir öffnen. Ich schlief nur ein oder zwei Stunden gegen Morgen, träumte von der großen Stadt mit ihren goldgepflasterten Straßen und Schlössern.

Bei Tagesanbruch wurde ich geweckt, nahm ein paar Bissen zum Frühstück und brach zu Fuß inmitten eines heftigen Schneesturmes auf, um das Vieh treiben zu helfen. Ehe wir nach Ridgefield kamen, hob mich Herr Brown auf sein Pferd, damit ich einem weggelaufenen Ochsen nachsetzte. Das Pferd aber fiel, wälzte sich über meinen Fuß und verrenkte meinen Knöchel. Ich litt in hohem Grade, wagte mich aber nicht zu beklagen, damit mein Dienstgeber nicht veranlaßt würde, mich wieder heimzuschicken, denn ich war noch keine zehn Meilen von zu Hause fort. Er erlaubte mir aber in Anbetracht dessen, hinter ihm herzureiten, und an jenem Abend wusch mir die Wirtin des Gasthauses, in welchem wir haltmachten, meinen Knöchel, der beträchtlich geschwollen war. Am andern Tage war er etwas besser, aber da ich noch immer humpelte, so erlaubte mir Herr Brown, fast die ganze Zeit hindurch zu reiten.

In drei oder vier Tagen erreichten wir die Stadt New York und kehrten in Bulls Head Hause ein, welches, wenn ich nicht irre, Herr Givens führte. Der Treiber hatte ungefähr eine Woche mit dem Verkaufe seines Viehs zu tun, und darauf sollte ich mit ihm in einem Schlitten nach New York zurückkehren.

Das war eine große Woche für mich. Meine Mutter hatte mir, ehe ich sie verließ, einen Dollar gegeben, und ich glaubte nie das Ende davon zu sehen. Ich nahm an, daß er jeden meiner Wünsche befriedigen und mir noch eine Masse kleinen Geldes übriglassen würde. Meine erste Ausgabe war für Orangen. Ich aß diese Frucht sehr gern und hatte oft gewünscht, ich könnte so viel davon haben, wie ich essen konnte. Ich ging in eine Konditorei und fragte nach dem Preise von Orangen. Vier Pence das Stück, war die Antwort.

Nun sind »vier Pence« in Connecticut sechs Cent, und ich dachte, daß dies Verhältnis in der ganzen Welt dasselbe wäre. Aus meiner Erfahrung, den Preis herunterzutreiben, Nutzen ziehend und Franklins Sprichwort nicht bezweifelnd, daß ein Penny gespart zwei Pence Gewinn ist, erklärte ich der Frau, daß ich vier Pence das Stück für zuviel hielte, doch daß ich ihr zehn Cent für zwei geben wollte.

Die Ladenbesitzerin schwankte einen Augenblick, sagte jedoch endlich, daß sie, weil ich es wäre und wahrscheinlich zum ersten Male New York besuchte, mir die zwei Orangen für zehn Cent lassen wollte; sie erwarte dafür aber auch, daß ich in Zukunft alle Artikel, die in ihrer Branche lägen, von ihr kaufte. Ich dankte ihr und nahm die Orangen. Ich hielt sie für sehr großzügig, daß sie mir soviel vom Preis nachließ, und ahnte nicht im mindesten, daß ich ihr bei der Verschiedenheit im Werte der Scheidemünze zwei Cent mehr bezahlte, als sie gefordert hatte.

Meine beiden Orangen waren bald alle, ich kaufte daher noch zwei, so daß ich achtzig Cent übrigbehielt. Dies schien mir für alle sterblichen Bedürfnisse genug. Ich kaufte dann für einunddreißig Cent eine kleine hölzerne Flinte, womit man einen Bolzen einige Schritte weit ins Zimmer schießen konnte. Ich dachte, meine Schulkameraden mit der Flinte in Erstaunen zu setzen, wenn ich nach Hause käme, denn sie setzte mich selbst in größtes Erstaunen, da ich nie ein derartiges Ding bisher gesehen hatte. Ich ging ins Schenkzimmer unseres Gasthauses und fing an, mich mit dem außergewöhnlichen Geräte zu vergnügen. Das Zimmer war voll von Gästen, und da ich auf gut Glück schoß, so streifte der Pfeil eines Mannes Nase und flog in des Kellners Auge. Dieser kam, von dem Schmerz gepeinigt, hinter dem Schenktisch hervor, packte mich beim Kragen, schüttelte und ohrfeigte mich heftig, bis mir der Kopf klingelte, und befahl mir, meine Flinte aus dem Wege zu räumen, widrigenfalls er sie in den Ofen werfen würde. In meinem Stolze tief beleidigt, schlich ich mich leise die Treppe hinauf und verbarg meinen kostbaren Schatz unter meinem Kopfkissen.

Als ich den Kramladen wieder besuchte, weihte mich die gute Frau in die Geheimnisse der Schwärmer ein. Sie warf einen mit gehöriger Kraft auf den Fußboden, so daß er zu meinem großen Entzücken losplatzte. Würden nicht diese Schwärmer unsere Schuljungen noch mehr zur Verwunderung hinreißen? Ich kaufte zu diesem Zweck einige für sechs Cent, konnte es jedoch nicht abwarten, sie zu Hause loszulassen. Als die Gäste nämlich zum Mittagessen ins Haus traten, benutzte ich die gute Gelegenheit, ihnen einen Schwärmer in seinem vollen Glanze vorzuführen. In der Überzeugung also, daß sie sehr entzückt darüber sein würden, nahm ich zwei aus meiner Tasche, schleuderte sie mit aller mir zu Gebote stehenden Kraft gegen die Wand des Ganges, durch den die Menge gerade schritt. Ein lauter Widerhall folgte zum Erstaunen und Verdruß der Gäste. Der Wirt stürzte ganz aufgeregt heraus, und als er in mir den Schuldigen erblickte, streckte er mich mit einem einzigen Faustschlag zu Boden.

»Da, du kleiner Gelbschnabel«, rief er, »vielleicht wird dich das am besten belehren, deine teuflischen Schwärmer nicht wieder in meinem Hause loszulassen!«

Das tat es auch wirklich. Die eine Lektion hatte mich belehrt. Ich ging in mein Zimmer und legte dort den Rest der Schwärmer zu meiner Flinte. Ich aß an jenem Tage nichts zu Mittag. Meine Würde war tief beleidigt und mein Appetit vergangen. Ich war gedemütigt. Ich fühlte mich verraten und verkauft. Ich hatte nur noch eine Zuflucht. Das war der Kramladen. Ich besuchte ihn wieder, kaufte eine Uhr, eine Brustnadel und einen Kreisel. Ich war noch ein reicher Mann, denn ich hatte noch elf Cent übrig. Ich ging ins Bett und träumte von allen meinen Schätzen.

Am andern Morgen, unmittelbar nach dem Frühstück, besuchte ich den Kramladen wieder, um mich noch etwas dort umzusehen, und fand auch viele Sachen, die ich tags zuvor nicht bemerkt hatte. Jetzt sah ich ein wunderschönes Messer mit zwei Klingen, außerdem eine Zwickzange und einen Korkenzieher. Das war etwas ganz Neues, das waren jedenfalls die nützlichsten Artikel. Ich mußte sie besitzen. Mein Vater mußte darüber entzückt sein, denn sie waren eine Zimmermannswerkstatt im kleinen und zu wertvolle Artikel, um sie zurückzulassen. Würde nicht ganz Bethel ob ihrer in Erstaunen geraten? Aber wie hoch war der Preis der Vereinigung des Nützlichen mit dem Schönen? Nur einunddreißig Cent. Ach, ich hatte leider nur elf. Ich sah zu meinem Schrecken, daß meine Reserven erschöpft waren. Aber das Messer mußte ich haben, und so schlug ich meiner gütigen Freundin, der Ladenbesitzerin, vor, sie möchte die Brustnadel und den Kreisel zu einem etwas niedrigeren Preise wieder annehmen und mir dann gegen meine elf Cent das Messer überlassen. Das liebe Geschöpf willigte ein, und ich machte meinen ersten Tausch. Gleich darauf entdeckte ich einige Zuckerstengel, die weißer und schöner waren als irgendwelche, die ich zuvor gesehen hatte. Ich mußte welche haben. So bat ich die Frau, sie möchte die Uhr mit einem geringen Preisabschlag zurücknehmen und mir ihren Wert in Zuckerstengeln verabfolgen. Das tat sie auch. Der Zucker war köstlich. Ich hatte nie vorher so etwas Gutes genossen, und vor Abend hatte ich den ganzen Wert der ihr auch ebenfalls zurückgegebenen Flinte in Zucker hinuntergeschluckt. Am andern Morgen gingen meine Schwärmer denselben Weg, und im Laufe des Tages folgte sogar mein Messer den süßen Spuren seiner berühmten Vorgänger. Zuckerstengel waren die Felsen, an welchen ich scheiterte. All mein Geld war dahin – meine Wünsche und Neigungen alle dafür vertauscht, und doch schrie ich, wie Oliver Twist, nach mehr.

Das gute Weib hatte einen Jungen von etwa meiner Größe. Ich wußte gerade keine Verwendung für zwei Schnupftücher. Ihr Junge konnte sie brauchen, und ich nahm gern ihren Vorschlag an, sie gegen vier Zuckerstengel zu vertauschen. Ich hatte außerdem ein Paar Strümpfe übrig, die ich voraussichtlich nie brauchte, und auch sie gingen für weitere fünf Zuckerstengel dahin.

Meine Woche war bald um. Herr Brown nahm mich unmittelbar nach dem Mittagessen in seinen einspännigen Schlitten, fuhr bis Sawpitts, jetzt Port Chester genannt, blieb dort über Nacht, fuhr am andern Morgen in der Frühe weiter und kam an demselben Abend in Bethel an.

Ich hatte bei meiner Heimkehr tausend Fragen zu beantworten und fand meine Brüder und Schwestern sehr enttäuscht, daß ich ihnen nichts für meinen Dollar mitgebracht hatte. Meine Mutter untersuchte meine Garderobe und fand, daß mir ein Paar Strümpfe und zwei Taschentücher fehlten. Ich erhielt dafür meine Prügel und wurde ins Bett geschickt.

Ich war jedoch lange Zeit hindurch der Löwe unter den Schuljungen, denn ich war in »York« gewesen und hatte mit eigenen Augen so manche Wunder gesehen, welche sie nur vom Hörensagen kannten.

Ich werde Ladendiener und besichtige die Efeuinsel

Meine Abneigung gegen körperliche Anstrengungen zeigte sich immer entschiedener und ward wie billig der Faulheit zugeschrieben. Ich galt als der trägste Junge im ganzen Ort und arbeitete doch nur mit um so größerer Kopfanstrengung, um dem Schicksal zu entgehen, mein Brot im Schweiße meines Angesichts zu essen. Mein Vater verzweifelte daran, etwas »Rechtes« aus mir machen zu können, und beschloß, es mit dem Handel zu versuchen. Er hatte schon früher ein passendes Gebäude in Bethel errichtet und eröffnete nun mit Herrn Hiram Weed ein Geschäft in Ellenwaren, Spezereien, Eisen und tausend andern »Artikeln«, und ich wurde gebührend als Ladendiener in dem neuen Geschäfte an- und aufgenommen. Wie viele andere Neulinge fühlte ich mich jetzt am Ziel meiner ehrgeizigen Wünsche. Ich hielt es für eine große Herablassung, mit anderen Jungen noch ein Wort zu wechseln, stolzierte hinterm Ladentisch mit der Feder hinterm Ohr herum, bediente die Frauenzimmer mit großer Galanterie, tat sehr wichtig beim Eintragen in die Bücher und war äußerst geschäftig, den Kunden Nägel, Salz und Pfeffer abzuwiegen oder ihnen »inländischen Rum« und Sirup abzumessen.

Wir handelten auf Kredit, für bar und gegen Ware, und ich trieb manches alte Weib und manches Bäuerlein scharf in die Enge, wenn sie Butter, Eier, Wachs, Federn, Lumpen oder Getreide, Obst und dergleichen gegen unsre Artikel umtauschten. Etwas litt mein Selbstgefühl unter der mir obliegenden Pflicht, den Laden zu kehren, die Fensterladen abzunehmen und Feuer anzumachen – das Bewußtsein aber, ein »Kaufmann« zu sein, entschädigte für alle solche Demütigungen.

Meine vorherrschende Neigung, »Geld zu machen«, zeigte sich immer gleich lebendig, und ich erwirkte die Erlaubnis, auf eigene Rechnung Gerstenzucker an den jugendlichen Teil unserer Kunden absetzen zu dürfen. Ich erhielt ein kleines Gehalt für meine Dienste und hatte auch den Vorsatz, redlich darin zu sein – wie es aber immer im Leben geht, wenn sich die Interessen entgegenstehen, so war es, fürchte ich, auch mit mir, denn ich habe meinen eigenen Zuckerhandel mit Zurücksetzung meiner andern Pflichten allzusehr zu heben gesucht.

Ein Laden auf dem Lande ist abends, oder wenn schlechtes Wetter ist, über die Maßen langweilig. Doch wurde mir die Zeit nicht lang, sowenig auch sonst zu tun war.

Zu der Zeit, von welcher ich schreibe, konnte man in jedem neuenglischen Dorfe sechs bis zwanzig gesellige, muntere, anekdotenreiche und Späße machende Burschen antreffen, wahre Originale von Witzreißern, die im Wirtshaus oder im Kaufladen zusammenkamen und sich die Abende oder Regentage mit Späßen, Erzählen und allen möglichen lustigen Streichen vertrieben oder Pläne machten, wie man jemandem einen Schabernack spielen könnte, besonders wenn die Erfindungsgabe der Geistreichen des Dorfes zuweilen mit einem Gläschen Kümmel, einem Santa-Cruz-Rum oder Genever angefeuert wurde.

Bethel litt an solchen Originalgenies nicht nur keinen Mangel, sondern konnte sich mit einer verhältnismäßig größeren Anzahl derselben brüsten als irgendein anderes Dorf. Ich habe schon erwähnt, daß mein Großvater, Phineas Taylor, auch von diesem Schlage war. Sein naher Nachbar, Benjamin Hoyt, der Friedensrichter, war der eingefleischteste Anekdotenerzähler, der mir je vorgekommen ist. Mit der ernsthaftesten Miene brachte er alle Personen sprechend ähnlich zur Darstellung, womit er stets das schallendste Gelächter hervorrief. Glücklicher- oder unglücklicherweise war unser Laden der Treffpunkt aller jener Spaßvögel, und ich ward so von ihnen eingenommen und von ihren Späßen entzückt, daß ich alles darüber vergaß und oft bis Mitternacht ihren Geschichten und Witzen lauschte. So gewann ich einen entschiedenen Geschmack am Ulk und eine Fertigkeit im Erzählen von Späßen, die sich zugleich meinem Gedächtnis bleibend einprägten, so daß sie mir jederzeit zu Gebote standen. Später werde ich einige Beispiele davon geben; jetzt nur einen Fall, um zu zeigen, wie sozusagen die ganze Nachbarschaft einen Spaß auszubeuten und zu Ende zu treiben sich vereinigen konnte.

Man erinnert sich, daß mir mein Großvater kurz nach meiner Geburt als Patengeschenk ein Stück Land schenkte, welches die »Efeuinsel« genannt wurde. Ich war noch nicht vier Jahre alt, als er mir sehr ernsthaft vorstellte, daß ich ein »Gutsbesitzer« sei, daß er mir eine wertvolle Farm zum Patengeschenk gemacht und dergleichen, und gewiß verging bis zu meinem zwölften Jahr nicht eine Woche, wo nicht eine derartige Andeutung zur Sprache kam. Nie erwähnte mein Großvater mich einem Nachbarn oder Bekannten gegenüber in meiner Gegenwart, ohne zu bemerken, daß ich ein reicher Junge sei, die ganze »Efeuinsel« gehöre mir, die wertvollste Farm in Connecticut. Oft versicherte ich mit größter Treuherzigkeit meinem Vater, er brauche sich keine Sorgen um die Familie zu machen – ich würde für alles sorgen, wenn ich großjährig und in den Besitz meiner Ländereien gekommen sei. Unsere Nachbarn ihrerseits äußerten, wie sehr sie befürchteten, daß ich stolz gegen ihre Kinder werden und nicht mehr mit ihnen spielen würde, weil ich ein so wertvolles Gut zu erwarten hätte.

Diese ständigen Anspielungen auf die »Efeuinsel« durch einen Zeitraum von sechs, acht Jahren hindurch erweckten meinen Stolz, und oft wurde mir die Zeit lang, bis mir der einundzwanzigste Geburtstag endlich die Nabobsrolle, die mir meines Großvaters gütige Voraussicht zugedacht hatte, anzutreten erlauben würde. Und wie oft versprach ich meinen Spielkameraden, wenn sie sich gefügig zeigen würden, ein Stückchen »Efeuinsel« zur Belohnung, um sie für ihr ganzes Leben reich zu machen. Es war mir damit auch ganz ernst; nur hatte ich leider allzuviel Grund, mich über die Unbeständigkeit menschlicher Dinge zu beklagen, die mir die Ausführung solch großmütiger Absichten vereitelte.

Im Sommer 1822 – wenn ich mich nicht irre – erbat ich meines Vaters Erlaubnis, die Efeuinsel zu besuchen. Er versprach mir’s für einige Tage später, wenn er dort in die Nähe zum Heumachen ginge. Ich konnte kein Auge mehr zutun, so groß war meine Erwartung, das »verheißene Land« zu sehen. Die Vorstellungen, die ich mir lange von dem Reichtum und der Schönheit dieses Landes gemacht, wuchsen jetzt dermaßen, daß ich nichts weniger erwartete als Bäche von Milch und Honig, Diamantengruben, Gold- und Silberminen.

Endlich erschien der ersehnte Morgen, wo mir mein Vater sagte, er mähe eine Wiese, die an die Efeuinsel anstoße, und ich könne während der Essensstunde mit unserem Tagelöhner hingehen. Mein Großvater ermahnte mich, eingedenk zu sein, daß ich dieses schöne Besitztum seinem Wohlwollen und dem glücklichen Umstande verdanke, daß ich »Phineas« heiße. Meine Mutter schärfte mir ein, mich in meiner Freude zu mäßigen und zu bedenken, daß ich erst nach neun Jahren in den Besitz des Landes gelangen würde. »Wenn du aber«, fuhr sie fort, »die Besitzung während der Essensstunde besuchst, wirst du zu müde; warte lieber damit bis zu einer anderen Zeit!«

»Oh, liebe Mutter«, sagte ich, »ich kann doch nichts essen, und müde werde ich gar nicht, wenn ich auf mein Eigentum gehe – ich kann nicht eher ruhen, bis ich dort war!«

»Nun, so geh schon«, sagte meine Mutter, »sei aber nicht zu hochmütig, mit deinen Geschwistern zu reden, wenn du zurückkommst!«

Diese Ermahnung war nicht so ganz überflüssig, denn ich sah in der Tat diejenigen schon etwas über die Achsel an, die so hart für ihren Unterhalt arbeiten mußten, während ich mit so reichem Eigentum ausgestattet war.

Wir mähten unsere Wiese, die in jenem Teile der »Pflaumenbäume« lag, der als der östliche Sumpf bekannt ist. Ich fragte meinen Vater, wo die Efeuinsel sei. »Dort«, erwiderte er, »wo die stattlichen Bäume in der Ferne sichtbar sind.«

Beim Anblick dieser ersten Anzeichen des großartigen Geschenkes meines geehrten und gütigen Großvaters schwoll mir die Brust. Der Morgen ging endlich vorüber. Ich wandte das Heu schneller um, als es zwei Männer vermochten, nahm ein hastiges Mahl ein, und unser Tagelöhner Edmund, ein gutmütiger Irländer, ergriff die Axt und erklärte sich bereit aufzubrechen.